Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kap 35
 

Jürgen war mit Lisa mitgegangen. Ein Arzt kam vorbei und erklärte ihm, dass die OP gut verlaufen war und wo Sina jetzt zu finden war.

Erleichtert, dass es seiner kleinen „P- Maus“ gut ging, wartete Jürgen darauf, dass Lisa wieder aufwachte. Nachdenklich saß er neben ihr auf einem Stuhl, betrachtete ihr blasses Gesicht.

Da drin liegt deine Tochter! Lisa hatte so unheimlich verzweifelt ausgesehen, als sie Richard diese Worte entgegen geschrieen hatte. Jürgen machte sich Vorwürfe. Warum hatte er nicht gesehen, dass es Lisa wieder so schlecht ging? ‚Wieder?’, dachte er sich bitter. Seit Kellys Tod waren nun fast vier Jahre vergangen. Lisa hatte für Sina gesorgt, ihr Möglichstes getan- und das war ihr auch gelungen. Sina war ein glückliches Kind. Sie wurde von so vielen Menschen geliebt und die Kleine blühte immer mehr auf. Nein- um Sina machte er sich keine Sorgen. Aber Lisa hatte sich verändert. Sie hatte eine Mauer um sich geschaffen, die selbst er, ihr bester Freund, nur selten überwinden konnte. Lisa hatte Kellys Tod nicht überwunden- weil sie sich noch nie wirklich damit auseinander gesetzt hatte. Sie hatte sich um Sina gekümmert, hatte das Mädchen adoptiert. Aber was würde nun auf sie zukommen? Woher wusste Lisa plötzlich, dass Richard Sinas Vater war? Was würde das für Sina und Lisa bedeuten?

Er sah auf, als Lisa sich unruhig bewegte.

Sina?“, flüsterte sie und schlug die Augen auf. „Was ist mit Sina?“

Sch… Lieselotte du bleibst jetzt ruhig liegen“, befahl Jürgen mit ruhiger Stimme. „Der Arzt war schon da. Sina hat die OP gut überstanden. Es war der Blinddarm. Sie hat ein paar blaue Flecken beim Unfall abbekommen, aber es geht ihr ganz gut.“

Blinddarm? Oh mein Gott… Sie hat gesagt, dass sie Bauchschmerzen hatte…“

Wenn du magst, du kannst zu ihr. Sie schläft aber“, sagte Jürgen mit einem Zwinkern.

Ich kann zu ihr?“ Lisa wollte schon wieder aus dem Bett springen. Jürgen hielt sie aber auf.

Nix da. Du wirst dich jetzt brav in diesen Rollstuhl setzen.“ Lisa gehorchte und Jürgen fuhr mit ihr zur Wachstation. Vor der Tür hielt er an.

Geh schon, ich warte hier“, sagte Jürgen. Dankbar legte Lisa ihre Hand kurz auf seine Schulter und ging dann ins Zimmer.

 

Währenddessen saßen Richard und David draußen auf einer Bank. David hatte ihn an die frische Luft gebracht. Richard, das Gesicht in den Händen vergraben, schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf.

Sie ist abgehauen“, begann er plötzlich zu erzählen. „Nach einem Streit. Mein Va… Claus war gerade gestorben, ich war damals doch in Frankfurt. Ich war völlig fertig, konnte aber nicht trauern, hab mich stattdessen in Zukunftsplänen ‚Kerima’ bezüglich verstrickt. Habe Kelly klar gesagt, dass die Firma jetzt vorgehe, alles andere wäre total egal.“

Das meinte Lisa also mit die Firma sei dir das Wichtigste“, sagte David. Er versuchte den Erklärungen von Richard zu folgen, doch immer wieder sah er Lisa vor sich. Wie sie völlig verzweifelt auf Richard eingeschrieen hatte, wie sie dann zusammengebrochen war. Sie sah so unheimlich verstört aus, voller Angst um ihre Tochter und so voller Wut.

Ja… Auf Kellys Frage, ob ich damit auch uns meinte…“ Richard stockte. „Ich habe gesagt, das Wichtigste sei Claus’ Erbe… Sie ist gegangen. Ohne mir zu sagen, was sie mir eigentlich erzählen wollte… Oh mein Gott… Sie muss mir erzählt haben wollen, dass sie schwanger ist. Warum hat sie mir es nie gesagt?“

Eine Weile schwiegen die Beiden. David versuchte sich an die Zeit nach Claus Tod zu erinnern, doch Richard sprach weiter. „Nach Claus Beerdigung raste ich wieder nach Frankfurt. Mariella reiste mir nach, sie brachte mich dazu endlich zu trauern. Sie übernachtete auch bei mir… Kelly muss uns im Bett schlafen gesehen haben. Ihr Schlüssel lag jedenfalls auf dem Tisch. Ich bin sofort zu ihrer Wohnung gefahren. Sie war verschwunden. Keine Nachricht, keine Adresse. Nur ihr Handy hatte sie dagelassen. Ich hab aufgegeben, hab mir sogar eingeredet, dass es besser so wäre. Hätte sie suchen können, aber wo anfangen? Sie wollte nicht, dass ich sie finde- und ich war auf die Firma fixiert. Mein Gott… Ich hätte es erkennen müssen. Sina ist Kelly wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur die Augenfarbe ist anders…“

Und Lisa hat nie etwas zu dir gesagt?“

Nein…“ Richard schüttelte den Kopf. „Ich wäre auch nie auf die Idee gekommen… Aber Sina sagt doch Mama zu ihr? Wo ist Kelly?“

Ich habe keine Ahnung“, murmelte David.

 

Langsam gingen die beiden zurück. Eine Schwester erklärte ihnen, wo sich Sina befand. Jürgen saß im Gang. Er ging auf Richard und David zu und reichte ihnen die Hand. „Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Ich bin Jürgen, ein guter Freund von Lisa.“

Hallo. Ich bin David. Wo ist Lisa?“

Sie ist gerade zu Sina rein gegangen, ich wollte schnell auf euch warten“, erklärte Jürgen und deutete auf die Tür hinter sich. David sah Richard kurz an. Nach einem Nicken von diesem ging David Lisa hinterher.

Richard“, sagte er nur. Dann blickte er Jürgen ernst ins Gesicht. „Habe ich Recht? Ist Kelly Mc Dough Sinas Mutter? Wo ist Kelly? Wie kann ich sie erreichen? Was macht Sina bei Lisa?“

Es tut mir leid, Kelly ist vor fast vier Jahren gestorben“, begann Jürgen vorsichtig.

Kelly… ist tot?“ Geschockt sah Richard ihn an und sank langsam auf den Stuhl hinter sich. Jürgen setzte sich neben ihn. Unsicher, was er erzählen sollte und was nicht, gab er sich einen Ruck.

Ja… Kelly war sehr krank. Lisa war mit ihr sehr gut befreundet, sie haben zusammen gewohnt. Nach ihrem Tod hat Lisa Sina auf Kellys Wunsch hin adoptiert.“ Jürgen zögerte wieder einen Moment, dann aber fragte er Richard. „Du… kanntest Kelly gut?“

Das dachte ich mal“, murmelte Richard und stand auf.

 

David öffnete nach kurzem Klopfen die Türe. Er sah Lisa etwas entfernt vor dem Bett stehen.

Mummy… Mummy…Komm zurück“, murmelte Sina und wälzte sich unruhig hin und her.

David sah, wie Lisa sich eine Hand vor den Mund hielt. Er zögerte einen Moment, dann legte er eine Hand auf ihre Schulter. Sie sah ihn erschrocken an, wischte sich schnell eine Träne aus dem Gesicht. Dann setze sie sich neben das Bett und nahm Sinas Hand.

Maus, ich bin da. Du brauchst keine Angst haben meine Süße.“

Sina öffnete die Augen. Irritiert sah sie sich um. Als sie Lisa erkannte, murmelte noch einmal „Mummy?“. David sah erschrocken, wie Lisa ihren Kopf schüttelte. „Aber ich bin da Süße“, hörte er sie flüstern. „Werd schnell wieder gesund Liebes. Ich bin da…“

Lisa spürte, wie Sina schwach ihre Hand drückte, dann war die Kleine wieder eingeschlafen. Vorsichtig deckte Lisa sie zu, strich ihr sanft über das Gesicht.

Lisa, warum hast du den Kopf geschüttelt, als Sina nach dir gerufen hat?“ David sah sie verständnislos an.

Sie hat nicht nach mir gerufen“, sagte Lisa. Ihre Stimme klang so anders. Heiser, brüchig. Noch immer weinte sie nicht, David hätte sie am liebsten in den Arm genommen, doch ihre Haltung blockte ihn ab.

Sie hat die ganze Zeit nach dir gerufen“, sagte er leise. Sie schüttelte müde den Kopf.

Nein, sie rief nach ihrer ‚Mummy’“, korrigierte Lisa, als wäre damit alles geklärt. Verständnislos erwiderte er ihren Blick.

Sina ist nicht meine leibliche Tochter“, begann Lisa zu erklären. Sie sah ihn nicht an, blickte auf Sina, sprach mit monotoner Stimme, als würde es jemand anderen betreffen. „Ich habe sie vor drei Jahren adoptiert. Ihre Mutter ist… war Kelly, meine beste Freundin. Kelly war unheilbar krank. Gehirntumor. Eine Operation war nicht mehr möglich. Als sie von dem Tumor erfuhr, hat sie es eine ganze Weile für sich behalten. Sie hat Vorkehrungen getroffen. Sinas Großeltern wollten ihre Enkelin erst zu sich nehmen, aber Kelly hat auch ihnen einen Brief hinterlassen. Helen, Kellys Mutter hat auch den ersten Brief für Sina ihr vorgelesen.“

Kurz unterbrach sie sich, strich eine Haarsträhne von Sina hinter ihr Ohr.

Ich kenne nicht genau den Wortlaut, aber seitdem nennt mich Sina ‚Mami’, aber sie weiß genau, dass ihre leibliche Mutter tot ist. Eigentlich heißt es ja Mami- Lisa, aber das ist ihr meist zu lang…“

Das meinte sie also mit Mami- Li…“, erkannte David und sah auf das schlafende Mädchen.

Ja, das sagt sie manchmal… Erst als Kelly ihre Symptome nicht mehr verstecken konnte, hat sie es mir gesagt. Ihr war öfter schwindlig, sie hatte Kopfschmerzen, wurde immer müder… Irgendwann ging es dann nicht mehr… Wenigstens Sinas Geburtstag konnte sie noch daheim verbringen… Aber dann ist sie ins Krankenhaus. An… An einem Abend hat sie mich versprechen lassen, dass ich für Sina sorgen werde. Dass ich sie nicht alleine lassen sollte… Sie ist am nächsten Morgen gestorben. In ihrem Zimmer hab ich dann die Briefe gefunden… Und die Adresse des Anwalts, Mr. Cole… Er hat mir geholfen. Ich konnte Sina nach einem Jahr adoptieren…“ Lisa sprach langsam. Stockend. Nach jedem Satz folgte eine kleine Pause. Erschöpft sprach sie weiter.

Ich erhielt heute einen Anruf … Mr. Cole hat mir gesagt, dass Richard auf einer Liste stünde, die Kelly bei ihm hinterlassen hat. Ich.. Ich hab dann Kellys Briefe durchsucht…

Ich… Ich wusste nichts davon. Kelly hatte mir gesagt, es wäre ein One- night stand gewesen- eine einmalige Sache, sie wisse nicht den Namen des Typen… Ich hab nicht weiter nachgefragt, obwohl ich mir nicht sicher war, ob sie die Wahrheit gesagt hatte… Ich konnte ihre Briefe an mich nicht lesen…“ Lisa brach ab, sah David in die Augen. „Aber es ist eindeutig. Richard ist Sinas Vater. “

Eine Weile sprachen sie beide nicht.

Mami?“, hörte sie da Sinas Stimme. Leise, aber deutlich zu verstehen. Lisa drehte sich schnell um. „Maus! Da bist du ja wieder“, flüsterte sie und strich Sina zärtlich übers Gesicht.

 

 
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