Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kap 33
 

Liebe Lisa,

dieser Brief ist der schwierigste für mich.

Irgendwann wird Sina wissen wollen, wer ihr Vater ist. Ich hab dir immer gesagt, dass ich seinen Namen nicht kennen würde… Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe. Aber ich weiß genau, dass du mich bearbeitet hättest- und ich hatte Angst, dass du mich überzeugen könntest.

Die Wahrheit ist, dass ich nicht nur den Namen von Sinas Vaters weiß, ich hab diesen Mann geliebt. Und jedes Mal, wenn ich Sina in die Augen sehe, dann sehe ich ihn vor mir.

Wie du weißt, bin ich mit 17 von daheim weg.

Ich hatte Sinas Vater beim Joggen kennen gelernt. Ich wohnte damals in Frankfurt, hatte einen Job als Kellnerin gefunden. Ich rannte jedenfalls in ihn herein, wir stolperten und landeten beide zusammen im Gras. Er hat mich ernst angeschaut und total trocken gefragt „Sind Sie immer so stürmisch?“ ich hab im gleichen Tonfall geantwortet, das müsse er schon selbst herausfinden. Er hat mich zum Abendessen eingeladen. Noch am selben Abend hatten wir uns zum ersten Mal geküsst. Ich war sofort verliebt und schon nach kürzester Zeit mit ihm wusste ich, dass ich ihn liebe. Das hab ich ihm aber nie gesagt. Er war nie der Typ für solche „Gefühlsausbrüche“. Aber auf seine Art hat er mir soviel gegeben.

Wir haben zwei Monate zusammen verbracht, dann musste er sein Auslandsstudium beginnen. In Frankfurt war er nur wegen eines Praktikums gewesen. In dieser Zeit haben wir oft und lange telefoniert, gesehen hatten wir uns leider nur selten- aber immer wenn ich es gar nicht erwartete, stand er plötzlich vor mir, um mich für ein paar Tage zu besuchen. Nach einem Jahr kam er dann ganz zurück. Er sagte mir, dass sein Vater wollte, dass er weitere Erfahrungen sammelte, bevor er ins Familienunternehmen einsteigen solle. Deshalb sollte er ein weiteres Jahr in Frankfurt bleiben. Er nahm sich eine große Wohnung und ich war die meiste Zeit bei ihm…

Über unsere Vergangenheit oder die Zukunft haben wir beide nicht geredet, genauso wenig über unsere Familien. Ich wusste nur, dass er seinem Vater und seiner Schwester sehr nahe stand. Ich war darüber froh, da ich ja gar keinen Kontakt zu meinen Eltern hatte und er akzeptierte es, keine Fragen zu stellen. Wir wollten einfach den Moment genießen.

Dann habe ich gemerkt, dass ich schwanger war. Ich war erst total geschockt, freute mich dann aber riesig. Ich wollte es ihm sofort sagen, aber er kam kreidebleich an diesem Nachmittag nachhause. Viel früher als sonst immer. Sein Vater war gestorben. Aber anstatt zu trauern, redete er nur davon, die Firma übernehmen zu müssen. Alles andere sei völlig unwichtig. Auf meine verletzte Frage, was denn mit uns sei, hatte er gemeint, auch das sei im Moment unwichtig. Das Wichtigste sei es jetzt, das Andenken an seinen Vater zu bewahren. Das Wichtigste sei jetzt die Firma. Anstatt gleich zu seiner Familie zu fahren, hat er am nächsten Tag die wildesten Pläne zusammen gebastelt, um den Sohn des Partners seines Vaters auszustechen. Wir haben uns gestritten wie noch nie. Ich bin gegangen, wollte uns Zeit lassen. Hatte tagelang auf seinen Anruf gewartet, wollte irgendein Zeichen. In einer Sache war ich mir aber ganz sicher. Ich wollte dieses Kind. Als ich dann endlich in seine Wohnung gefahren bin, um es ihm zu sagen, hab ich ihn in seinem Schlafzimmer gefunden. Neben ihm lag eine hübsche, junge Frau. Sie hatte dunkle Locken und hatte sich an ihn gekuschelt. Ich hab den Schlüssel auf den Küchentisch gelegt und bin wieder raus. Alles ging dann so schematisch. Ich habe meine Sachen gepackt, bin zum Bahnhof und in den ersten Zug eingestiegen, der losfuhr. Ich landete in Göberitz- Den Rest kennst du.

Ich weiß, was du jetzt denkst. Ich hätte nicht einfach so gehen dürfen, ich hätte ihm vom dem Kind erzählen müssen. Ja, du hast Recht meine weise Lisa. Damals war ich aber zu geschockt. Seine Worte hatten mich verunsichert.

Die Firma ist das Allerwichtigste.“

Worte, die ich schon von meinem Vater kannte. Meinem Kind sollte es nicht wie mir gehen. Ich wollte nicht, dass das Kleine wie ich in einem Zuhause aufwachsen würde, in dem dieser Satz Vorrang hätte. Noch mehr Angst hatte ich aber vor einer Zurückweisung. Wir hatten nie über eine gemeinsame Zukunft gesprochen. Wer die junge Frau neben ihm war? Ich weiß es nicht, wollte damals schon nicht darüber nachdenken.

Ich tat, was ich schon einmal getan hatte. Abhauen und neu anfangen.

Je mehr Zeit verstrich, desto mehr verließ mich der Mut, ihn anzurufen, mich bei ihm zu melden…. Und ich hatte Angst, dass ich für ihn weniger war, als er für mich. Dass ich nicht mehr als eine nette Abwechslung war. Ich war feige und jetzt ist es zu spät. Ich werde es nicht erfahren.

Lisa- für mich war und ist die gemeinsame Zeit eine wunderschöne Erinnerung. Ich schreibe dir das nur, damit Sina die Chance hat, ihren Vater kennen zu lernen. Es gibt mehrere Möglichkeiten:

Den Namen habe ich in dem kleinen Umschlag gesteckt, den du hier auch findest.

Mein Liebes, ob du nach Sinas Vater suchen magst oder nicht, bleibt alleine deine Entscheidung!

Sina habe ich es in ihrem 16. Geburtstagbrief geschrieben. Es soll dann ihre Entscheidung sein, was sie tun möchte. Mr. Cole ist soweit informiert, er wird dir oder gegebenenfalls Sina helfen ihren Vater zu finden.

Lisa- bitte verzeih mir, dass ich es dir nicht früher gesagt habe.

Es umarmt dich, deine Kelly.

 

Geschockt saß Lisa da. Sie hatte ohne zu unterbrechen alles gelesen. Kelly wusste den Namen von Sinas Vater. Sie hatte Lisa angelogen. Es war kein „einmaliger Ausrutscher“ gewesen, nein Kelly hatte diesen Mann geliebt, war mit ihm zusammen gewesen. Und der Name stand in diesem Umschlag. Konnte es wirklich sein? Konnte Richard von Brahmberg Sinas Vater sein?? Warum sonst, sollte er informiert werden, wenn Lisa etwas passierte?

Mit zittrigen Händen öffnete sie den Umschlag. Sie sah auf das Foto und ließ es dann fallen. Lisa schloss die Augen.

Lisa brauchte den Namen nicht lesen, der auf der Rückseite des Fotos geschrieben war. Das Bild zeigte eindeutig Richard- mit Kelly im Arm.

Was für ein wahnsinniger Zufall war das gewesen?? Warum musste sie sich ausgerechnet in der Firma bewerben, in der Sinas Vater arbeitete? Sie hatte Sina doch neben Richard auf dem Gestüt erlebt und auch im Büro. Warum war ihr das nicht aufgefallen?? Sina sah Kelly so ähnlich, aber die Augen… die Augen hatte sie von Richard.

Sina hatte ihren Vater bereits kennen gelernt- nur wussten beide nichts voneinander. Was war das für ein absurdes Schicksal? Und jetzt?

Warum hatte Kelly ihr nicht schon viel früher die Wahrheit gesagt? Warum erst in einem Brief? Warum hatte sie, Lisa die Briefe nicht schon viel früher gelesen? Vielleicht stand auch in den anderen Briefen ein Hinweis.

Sie sah auf die Uhr und sprang erschrocken auf. Wenn sie Sina pünktlich abholen wollte, musste sie losfahren. Sie stecke das Foto in ihre Jackentasche, griff nach ihrem Geldbeutel und dem Handy und ging dann zu ihrem Auto. Sie musste sich sehr konzentrieren, es regnete heftig, aber ihre Gedanken kreisten immer wieder zu Richard.

Richard, der kühle, unnahbare, Geschäftsführer. Ihm ging es um Zahlen. Fakten. Neue Ideen akzeptiere er nur, wenn die Kalkulation es erlaubte und einen Gewinn versprach. Er war ihr gegenüber nicht direkt unfreundlich aber sehr distanziert. Aber Alexa gegenüber benahm er sich manchmal schon ruppig… Lisa konnte sich Kelly gar nicht neben diesem kühlen, sachlichen Mann vorstellen. Kelly, die so gern lachte, die gerne Ausflüge unternahm, die verrücktesten Ideen hatte. Wie oft waren sie mitten in der Stadt barfuss rumgelaufen? Waren mit der kleinen Sina in Brunnen gehüpft, hatten mitten im Winter draußen gegrillt oder Eisbecher gelöffelt?

Doch dann fielen Lisa andere Bilder ein. Richard, der Sina auf dem Gestüt herumführte. Der ihr beim Abschied über die Haare strich, sie ‚kleine Lady’ nannte. Sinas strahlendes Gesicht, wenn sie ihn sah.



Sina lief ihr nicht wie immer entgegen. Sie hielt sich die Hand um den Bauch und sah Lisa kläglich an.

Mami, ich hab Bauchschmerzen…“, jammerte sie.

Besorgt legte Lisa ihr eine Hand auf die Stirn. „Fieber hast du nicht meine Kleine… Ich mach dir daheim gleich eine Wärmflasche und geb dir Tropfen, in Ordnung?“

Hmm…“

Tut mir sehr Leid Frau Plenske. Sina hat erst vor zehn Minuten bescheid gesagt“, erklärte Annikas Mutter.

Aba ihr tut der Bauch schon länger weh“, erklärte Annika, Sinas Freundin.

Ich hoffe ihr geht’s bald wieder besser“, sagte Lisa und verabschiedete sich schnell.

Im Auto wurde Sina quengeliger, was Lisa gar nicht von ihr kannte und sie sehr beunruhigte. Sie versuchte Sina das aber nicht merken zu lassen.

Wir sind gleich daheim Maus.“ Es wurde immer anstrengender zu fahren, denn es regnete immer heftiger. Als es donnerte schrie Sina erschrocken auf.

SINA!“

Mami ich hab Angst!“, weinte Sina.

Süße du brauchst keine Angst zu haben, wir sind gleich daheim.“ Eine Sekunde zu lang sah Lisa in den Rückspiegel, um Sina zu beruhigen.

Plötzlich sah sie eine Gestalt. Sie stand mitten auf der Straße und winkte Lisa. Sie trat heftig auf die Bremse, der Wagen rutschte auf der nassen Straße, Sina schrie auf und so knallten sie gegen den Seitenpfosten. Sekunden später krachte ein Baum auf die Straße.

Sina…’, dachte Lisa nur, dann wurde es schwarz um sie herum.

 

Liebes, du solltest bremsen und nicht gegen die Seitenplanke fahren…“

Kelly???“ Lisa erkannte die Stimme, es ist aber so hell, dass sie nicht sehen konnte, wer vor ihr stand..

Ja Liebes. Und jetzt mach die Augen auf.“ Ihre Stimme klang so sanft, so liebevoll.

Kelly, was ist mit Sina?“

Hopie ist in guten Händen. Aber du musst jetzt die Augen wieder aufmachen, hast du mich verstanden Lisa?“

Kelly warte! Richard…“

Mach die Augen auf Lisa. Mach einfach die Augen auf…“


Ich glaube sie kommt zu sich, hallo? Können Sie mich hören Frau Plenske? Berta, wo bleibt denn der Krankenwagen?“

Ich hör ihn schon, die sind sofort da!“

Meine Güte, die beiden hatten echt noch Glück im Unglück. Wenn die noch weiterfahren wären, hätte der Baum sie erschlagen! Ist die Kleine wach?“

Nein. Sie ist immer noch ohnmächtig.“

Kleine? Ohnmächtig? Sina!’

Sina… Wo ist Sina, was ist mit meiner Tochter?“, murmelte Lisa verzweifelt.

Ganz ruhig... Der Notarzt ist gleich da“, versuchte der bärtige Mann sie zu beruhigen.

Richard“, brachte Lisa hervor. „Sina… und… Richard.“

Richard? Ist das ihr Mann?“

Richard von Brahmberg… Er muss kommen…“, flüsterte sie noch, dann wurde sie wieder ohnmächtig.

 

 

 
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