Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 09
 

KAPITEL 9 – Besuch bei Richard

 

Jürgen und Lisa hatten die nächsten Tage reichlich zu tun. Jürgen schaffte das Unmögliche. Die Polizei gab das Geld bereits nach wenigen Tagen frei.

Lisa war voll und ganz damit beschäftigt bei B-Style einen Kassensturz zu machen. Sie sah alle Bücher durch, brachte alle Eintragungen auf den neusten Stand und vergewisserte sich der Aktualität aller Verträge.

David ließ für sie seine Beziehungen spielen und so wurde auf Lisa´s Wunsch die Steuerprüfung vorgezogen. Fazit aller Aktivitäten: B-Style stand besser da, denn je. Das Barkapital war wieder da, die Bücher waren akkurat geführt, die Auftragslage mehr als gut.

 

Einen Abend saßen Lisa und Jürgen gemeinsam über Büchern und Unterlagen und hatten endlich alles zusammengetragen. Die Zusammenarbeit mit Jürgen fiel Lisa von Tag zu Tag leichter und sie konnte es bereits gut akzeptieren, wenn er neben ihr saß, ihr etwas zureichte oder dicht an ihr vorbeiging.

 

Jürgen klappte die Mappe zu. „Wir sind durch. Tja Lisa – willst Du wissen, wie viel B-Style wert ist?“

„Und ob. Und Du doch auch – schließlich gehören Dir davon 25 %!“

„Ja und Dir 75... Also alles in allen, inklusive Barvermögen, denke ich B-Style ist Minimum 2 Millionen wert, denke aber mit etwas Glück sind 2,5 - 3,5 Mio drin...“

Lisa starrte Jürgen an „Bist Du sicher?“

„Jepp! Lieselotte – Du bist Millionärin!“

„Aber die Kredite, das letztes Jahr gekaufte Gebäude...“

„Alles eingerechnet. Kein Wunder, dass die Bramberg Dir sofort  2 Mio geben wollte.“

Lisa stand auf und begann im Zimmer umher zu wandern. Jürgen beobachtete sie nur, ließ sie aber wandern. Er wusste, dass in Lisa´s klugem Köpfchen grade etliche Lösungsansätze durchdiskutiert wurden. Seine Sorge um Lisa war in den letzten Tagen etwas kleiner geworden. Dass sie schwer an der Geschichte trug, war unbenommen, aber... aber irgendwie hatte Lisa auch einen Art Kick durch dieses Erlebnis bekommen. Nicht, dass er das gewünscht hätte – bestimmt nicht!

Aber zum ersten Mal setzte sich Lisa durch. Gegen ihre Eltern, gegen Ärzte, gegen Friedrich Seidel...

Er war sehr stolz auf seine Lieselotte. Das alles hätte sie zerbrechen können, aber er war immer zuversichtlicher, dass sie gestärkt daraus hervorgehen würde. Irgendwie entstand da gerade eine neue Lisa – eine ungemein spannende Zeit...

Lisa setzte sich wieder neben ihn. „Wärst Du einverstanden, wenn wir verkaufen?“

„Warum nicht? Und was hast Du dann mit dem Geld vor?“

„Du hast doch mal gesagt, wenn Du auch nur zwei Millionen zu Verfügung hättest, könntest Du damit richtig was an der Börse anfangen...“

„Lisa! Du willst doch nicht?“

Lisa nickte nachdenklich. „Bin mir noch nicht hundert pro sicher, was ich will... aber ich denke, Du kannst schon mal die Lage checken, wer am Kauf von B-Style interessiert ist. Ich glaube nicht, dass ich weiterhin bei Kerima arbeiten möchte.“

„Und dann – wieder zu Mama und Papa?“

Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das geht nicht! In mir ist da eine Idee, aber bis ich die ausspreche, muss ich noch ein bisschen darüber nachdenken...“

Sie rutschte unruhig auf der Couch herum „Hast Du noch was zu essen im Haus?“

„Hast Du schon wieder Hunger?“

„Ich weiß auch nicht – ich könnte den ganzen Tag essen. Ist wohl der Stress.“

Jürgen stand auf und kam mit einer Banane, einem Joghurt und einem kleinen Eisbecher zurück. Sie nahm alles entgegen und fing an zu futtern. Jürgen lachte „na wenigstens kann ich Deine Mama beruhigen, dass Du wieder isst!“

Lisa, den Löffel mit Eis auf dem Weg zum Mund, grinste ihn an „Hab heute Morgen mit ihr telefoniert. Verstehen tut sie ihre verrückte Tochter immer noch nicht, aber sie hat gesagt, dass sie mich trotzdem lieb hat!“

Sie zog genießerisch den Löffel ab und schabte weiteres Eis ab „Wusstest Du, dass Richard von Bramberg heute Morgen verurteilt worden ist?“

Jetzt war es an Jürgen etwas unruhig zu werden „ähem... äh... ja... ich war da und hab es mir angeguckt.“

„Was?!? Wieso?“

„Wollte sicher gehen, dass der Kerl bekommt, was er verdient. Hat 4,5 Jahre bekommen. Fast die Höchststrafe. Aber er hat sich auch gar nicht verteidigt und wirkte so was von... wie soll ich sagen? Arrogant vielleicht, überheblich, kalt...“

„Hat er gesagt, dass es ihm leid tut?“

„Der hat so gut wie gar nichts gesagt. Kalt wie ´ne Hundeschnautze. Hat erzählt, was er Dir angetan hat und hat sich dann seelenruhig wieder hingesetzt. Und als der Richter fragte, ob er noch was sagen wolle, hat er sich erhoben und gesagt ´Ich bin schuldig. Das ist alles was zählt`.“

Lisa schabte über ihr Eis und ritzte Linien hinein. „Meinst Du ich darf ihn besuchen?“

Jürgen fiel fast vom Sofa „Lieselotte! Bist Du wahnsinnig?“

„Ich muss mit ihm reden. Ich muss ihn sehen. Ich muss.“

 

Der rührige Jürgen war die Tage unterwegs, um die Lage für einen Verkauf zu sondieren und potentielle Käufer zu finden und schon mal vorzufühlen.

Währenddessen begleitete Mariella Lisa ins Gefängnis. Mariella hatte ihren Bruder gesagt, dass Lisa ihn sehen wollte und er hatte nur genickt. Allerdings begleitete sie Lisa nur bis zum Vorraum, da Lisa alleine mit Richard sprechen wollte. Als Lisa sich anschickte dem Gefängnispersonal zu folgen hielt Marielle sie kurz fest „Bist Du sicher, dass Du das willst?“

Lisa nickte, schenkte ihrer Freundin ein kleines Lächeln, straffte die Schultern und ließ sich in einen kleinen Raum geleiten. Sie blieb vor dem Tisch und den zwei Stühlen stehen und wartete. Lisa – Du Dummerchen – war das hier wirklich notwendig? Du nun wieder! Aber nun war es zu spät.

Richard wurde hereingeführt, wobei er ein ganz klein wenig hinkte und man bedeutete ihm sich zu setzen. Etwas befremdlich war, dass er Handschellen trug, die nun an einer Vorrichtung am Tisch gehaltert wurden. Richard war festgekettet. Lisa sah den Gefängniswärter etwas verwirrt an, doch dieser zuckte nur die Achseln und sagte „Das war sein eigener Wunsch.“

Langsam setzte sie sich und betrachtete ihr Gegenüber. Es war das erste Mal, dass sie ihn ohne gegelte Haare sah, es veränderte ihn irgendwie. Ansonsten war er weder dünner noch dicker geworden, sah weder krank, noch mitgenommen aus. Eher wie Jemand, der sich anschickt an einer Besprechung teilzunehmen. Lisa hatte erwartet, dass sie vor Angst außer sich sein würde, aber ihr war zwar mulmig zumute, aber es hielt sich in erträglichen Grenzen.

In dem Moment allerdings, wo er den Blick hob und sich ihre Augenpaare begegneten, zuckte Lisa zusammen und die Platte in ihrem Kopf begann wieder sich zu drehen ´Es tut mir leid, Lisa`. Dabei saß er ansonsten ganz gelassen da, fast regungslos.

Sie holte tief Luft „Wahrscheinlich wundern sie sich, dass ich gekommen bin.“

„Nein, eigentlich nicht.“ Seine Stimme. Der Abend war wieder da. Einen Augenblick lang wollte Lisa aufspringen und rausrennen, aber sie beherrschte sich gerade noch.

„Sie wundern sich nicht?“

„Nein – ich habe Ihnen Furchtbares angetan und sie wollen wissen warum.“ Er sah ihr nun erneut direkt in die Augen „Lisa – ich würde Ihnen gerne sagen, wie es dazu kommen konnte oder warum – aber ich kann es nicht. Ich weiß bis heute nicht, wie ich mich so vergessen konnte und der Ekel über mich selbst ist etwas, was mich seit dem Tag begleitet.“

Er meinte, was er sagte. Alles in Lisa glaubte ihm in diesem Moment. „Aber Sie wissen noch was vorgefallen ist?“

„Jedes widerliche Detail. Ich höre jede Nacht Ihre Bitten aufzuhören, fühle jede Nacht wieder das Entsetzen, als mir klar geworden war, was ich Ihnen angetan hatte.“ Er senkte den Kopf, um sich die Stirn mit den gefesselten Händen zu reiben. „Vielleicht werde ich verrückt – oder ich bin es schon.“

„Wie kommen Sie denn darauf? Wollen Sie darauf hinaus?“

„Nein“, er fixierte Lisa geradezu „das sage ich nur Ihnen gegenüber, denn Sie haben ein Recht auf die Wahrheit. Soviel ich Ihnen davon geben kann.“

„Die Überweisung für B-Style ...“

„Mariella erzählte mir davon – aber damit habe ich nichts zu tun. Ich habe David nicht entführt – oder zumindest, sagen wir es mal so – ich bin mir nicht bewusst, irgend etwas mit der Entführung meines Bruders zu tun zu haben.“

Lisa, die ihn aufmerksam beobachtet hatte, um zu ergründen, ob er die Wahrheit sprach, sagte „haben Sie Kopfschmerzen?“

Er sah sie verblüfft an und grinste „Sie sind eine gute Beobachterin. Ja – ein bisschen, aber nicht der Rede wert.“

„Sie sollten dem Gefängnisarzt Bescheid sagen.“ Himmel, Lisa – was tust Du da? Vor dir sitzt der Mann, der dich vergewaltigt hat und Du willst ihn zum Arzt schicken. Lisa Plenske – bei dir ist definitiv mehr als eine Schraube locker.

Zu ihrer Überraschung lachte Richard auf und Lisa hüpfte fast von ihrem Stuhl hoch, klammerte sich dann mit den Händen an der Stuhlkante fest und sah ihn ratlos an. Bei dem ist allerdings deutlich mehr im Oberstübchen kaputt!

„Das wollen die Ärzte gerne! Mich untersuchen, meinen Kopf auseinandernehmen, durchleuchten, in Scheiben röntgen... Das sollen die mal schön nachlassen! Das fehlte noch - als Krankenhausversuchskaninchen zu enden.“

„Man wollte Ihren Kopf untersuchen?“

„Standardverfahren bei Verbrechen dieser Art, wenn einem die Sicherungen durchgebrannt sind.“

„Und – sind sie das? Sind Ihnen an dem Abend die Sicherungen durchgebrannt?“

Schlagartig war er wieder ernst „Ich weiß es nicht, wirklich – ich weiß es nicht. Ich wollte, ich könnte Ihnen eine Erklärung geben – aber ich kann es nicht. Den Abend habe ich etwas getan, von dem ich glaubte, es nie zu tun. Und habe es doch – aber in dem Moment hatte ich keine Skrupel.“

„Und jetzt?“ Lisa´s Stimme war sehr leise.

Seine Hände bewegten sich seltsam hektisch in den Handschellen. Wieso ihr das auffiel, wusste sie nicht. Vielleicht weil es ziemlich untypisch für ihn war – er, der immer so viel Wert auf eine lässige Haltung legte.

Doch seine Stimme war sicher und verriet keinerlei Nervosität „Könnte ich ungeschehen machen, was ich Ihnen angetan habe, würde ich es tun. Es gibt keinen Moment in den letzten Wochen, in denen ich nicht bedaure, was ich Ihnen angetan habe. Mariella hat mir erzählt, wie tapfer sie gegen die Auswirkungen meiner Tat ankämpfen und mein Respekt vor Ihnen wächst mit jedem Tag. Könnte ich statt Ihrer Widrigkeiten auf mich nehmen – ich würde es mit Freuden tun.“

„In der Verhandlung haben sie sich nicht so geäußert.“

„Ach ja – Herr Decker war da.... Nein, in der Verhandlung habe ich das meine dazu getan, dass ich so lange wie möglich in sicherem Gewahrsam bin.“

Lisa stand auf und begann in dem kleinen Raum herum zu wandern. Das lief hier alles sehr merkwürdig. Und das Entsetzliche war, dass ihr Hass und ihre Wut auf ihn immer kleiner wurden. Spielte er ein so kluges Spiel, dass er sie geschickt manipulierte? Doch warum sollte er? Er war verurteilt und es konnte ihm ziemlich egal sein, was sie von ihm dachte!

Sie blieb stehen und drehte sich wieder zu ihm „Wieso wollten Sie, dass man Sie ankettet?“

Diesmal sah er nicht hoch, sondern betrachtete seine Hände, die ihr nervöses Spiel fortsetzten „Weil ich nicht wusste, was passiert, wenn ich Sie sehe.“

„Sie hatten Angst vor sich selbst?“

„So in etwa.“

„Und dennoch haben Sie mich empfangen?“

„Sie haben ein Recht darauf – und ich bin so ehrlich ich kann.“

„Haben Sie David Seidel entführt?“

„Nein.“

„Haben Sie mir Damals diesen Schlankheitsdrink verpasst, der mich fast umgebracht hätte?“

„Ja – aber ich schöre, ich wusste nicht, wie schädlich der war. Ich wollte sie ein paar Tage nicht bei Kerima sehen, um freie Bahn zu haben, mehr nicht.“

„Das komplett Verrückte ist, dass ich versucht bin, Ihnen zu glauben.“

„Wenn ich schwöre, würde Sie das wohl auch nicht mehr überzeugen oder?“

Lisa sah ihn sehr lange an und er erwiderte ihren Blick, ohne zu blinzeln. Sagte er die Wahrheit? Log er sie an?

Lisa atmete aus und nickte ihm zu „Dieser Besuch war nicht das, was ich erwartet habe – aber es war gut, dass ich gekommen bin.“

Sie schickte sich an zu gehen, doch seine Stimme hielt sie noch einmal auf.

„Was werden Sie jetzt tun Lisa?“

Warum sollte sie nicht antworten? „Zunächst wird B-Style verkauft, danach sehe ich weiter.“

„So dumm es klingt und so wenig Recht ich habe, das zu sagen – wenn ich etwas tun kann, wenn Sie einmal irgendetwas brauchen...“

„Das ist jetzt nicht Ihr Ernst.“

„Doch – aber ich weiß, dass sich das verbietet.“

Lisa gab dem Wachmann ein Zeichen und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum, den Korridor, den Vorraum, wo sich Mariella ihr wortlos anschloss und sie lief fast aus dem Gebäude.

 

 
 
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