Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 03
 

KAPITEL 3  - Die Hochzeit der anderen Frau

 

Jürgen stand zu dem, was er gesagt hatte. Er blieb dicht an ihrer Seite. Die Hochzeitsgesellschaft war noch vor der Kirche versammelt und so begann für Lisa eine Art Spießrutenlaufen, das Jürgen ihr gerne erspart hätte. Doch sie hielt sich tapfer. Nur als Laura Seidel – David´s Mutter -  sie kurz in die Arme zog und sie drückte, war es fast um ihre Selbstbeherrschung geschehen. Laura flüsterte ihr zu „Seien Sie stark Lisa – ich weiß, dass Sie es können. Ich finde es unendlich mutig von Ihnen heute zu kommen.“

Lisa kämpfte gnadenlos die Tränen nieder, erwiderte die Umarmung und nickte der Frau zu, die sie fast schon als ihre Schwiegermutter gesehen hatte. „Ich komm schon klar.“

Andere waren nicht so nett wie Laura Seidel. Diverse Mitarbeiter von Kerima flüsterten hinter ihrem Rücken und Kim – David´s kleine Schwester – ignorierte sie ganz und gar.

„Nun Frau Plenske – das hätte ich nicht gedacht, dass Sie sich das heute hier antun.“

Lisa fuhr zusammen – diese Frau musste ihr nun auch noch über den Weg laufen. Sophie von Bramberg, Mutter der Braut und des mutmaßlichen Entführers.

„Frau von Bramberg. Sie kennen Herrn Decker?“

Sophies hochgezogene Brauen sagten alles „Ah ja – der Kioskmann.“

Jürgen knallte die Füße zusammen und verbeugte sich leicht „Eben der, sehr erfreut. Und was meinten Sie denn eben Frau von Bramberg? Warum sollte sich Frau Plenske nicht die Heirat ihres Mitarbeiters ansehen?“

Sophie lächelte Jürgen nur herablassend an und wandte sich noch einmal an Lisa „Sie hätten ihn ohnehin nie halten können. Mein Gott – dieses Nonnenkleid!“ Sie schüttelte mitleidig den Kopf und ging zu den anderen Gästen.

„Was für eine Giftspritze!“ Jürgen sah ihr halb entsetzt und halb amüsiert hinterher.

„Sie war heute noch geradezu nett..“ Lisa zog ihren Arm durch den von Jürgen. „Komm lass uns reingehen.“

Sie fanden einen Platz am Rande der Sitzreihen, ziemlich in der Mitte. Jürgen dachte sich nur, dass Lisa so schnell heraus könnte, wenn es zuviel für sie werden sollte.

Nach und nach füllte sich die Kirche. Und urplötzlich begann die Orgel zu spielen und alle Gäste standen auf. Erst kamen fünf Blumenkinder, dann die Brautjungfern und schließlich Mariella und David. Mariellas Kleid war ein Traum. Ganz auf ihre schmale Taille geschnitten, die weißen Schultern blieben frei, die Schleppe endlos lang... Und David... So hatte ihn Lisa sich immervorgestellt an diesem Tag. Es stimmte alles, nur nicht die Frau an seiner Seite. Lisa rückte näher an Jürgen heran und dieser legte geistesgegenwärtig den Arm um sie. War doch eine Scheiß-Idee gewesen, dass Lisa sich das antun musste.

Als Mariella Lisa entdeckte, stockte sie kurz und einen kurzen Augenblick sahen sich die beiden Frauen an. Mariella durch ihren Schleier, Lisa offen und tief verletzt. Mariella geriet kurz aus dem Takt, dann hob sie die Hand in einer rührend um Verzeihung bittenden Geste und sie gingen weiter.

Die Zeremonie war wunderschön, Braut und Bräutigam sowieso und die Trauzeugen – Max und Yvonne Petersen, gute Freunde von David – ganz in Schale geworfen.

Für Lisa allerdings war dieser Anblick ein Schock. Gut, dass Max für David den Trauzeugen stellte, war klar, schließlich war er David´s bester Freund. Aber Yvonne als Mariella´s Trauzeugin? Verräterin, schrie alles in Lisa. Yvonne war doch ihre Freundin – wie konnte sie da Mariella beistehen?

Lisa´s Augen waren groß und entsetzt auf Yvonne geheftet, doch diese bemerkte nichts davon. 

Sie an Yvonnes Stelle hätte das nicht gemacht – sicherlich nicht!

„...so möge dieser jetzt sprechen oder für immer schweigen...“

Das hättet ihr wohl gerne, dachte Lisa, als sie bemerkte, dass einige Leute den Blick bei diesen Worten zu ihr wandten. Lisa Plenske macht sich in der Kirche vor allen Leuten lächerlich und schreit `Einspruch !´ - vergesst es!

David´s und Mariellas „Ja- ich will!“ Drang glasklar zu hören durch die Kirche. Tausch der Ringe und Kuss. Lisa wurde eiskalt zumute. Es war geschehen. Sie hätte so gerne geweint, aber diese Blöße gab sie sich nicht. Heute Abend – auf ihrer Fensterbank ja – aber nicht hier vor all diesen Geiern.

Jürgen immer eng an ihrer Seite ging sie nach draußen, um sich der Reihe der Gratulanten anzuschließen. Den Empfang danach wollte sie sich nicht mehr antun.

So reihten sich Lisa und Jürgen in die Schlange vor dem Brautpaar ein und warteten.

„Ist das nicht diese Plenske? Na – da ja ´nen Ding, das die hier auftaucht!“

„Hab gehört, der Seidel hat grad noch den Kopf aus der Schlinge bekommen, sonst wäre er mit der verheiratet gewesen!“

Durchhalten Lisa! Sie straffte die Schultern, drehte sich langsam um und sah den Rednern mitten ins Gesicht. Die beiden Frauen – Mitarbeiterinnen von Kerima – verstummten abrupt und wendeten beschämt den Blick ab. Lisa atmete aus und sah wieder nach vorne. „Gut gemacht Lieselotte!“ flüsterte Jürgen ihr zu „Ich wollte die beiden schon grillen!“

Dann war es soweit, sie standen vor dem Brautpaar. Zuerst Mariella. Lisa streckte ihr die Hand entgegen und Mariella ergriff sie, tat jedoch noch mehr und zog Lisa an sich. „Es tut mir so leid, Lisa. Wirklich. Ich hoffe, Du kannst mir eines Tages verzeihen.“

Lisa nickte mechanisch, löste sich aus der Umarmung und wandte sich David zu. Wie konnte ein einzelner Mann so gut aussehen? Das war nicht fair. Und warum, warum nur lächelte er ihr jetzt auch noch auf eine Art zu, dass sie ganz weiche Knie bekam.

„Lisa – ich freue mich so, dass Du gekommen bist.“ Auch er zog sie in die Arme. Lisa begann zu zittern. Keine Blöße Lisa Plenske! Du hast bislang so gut durchgehalten. „David“, sie löste sich wieder sachte von ihm „ich wünsche Dir viel Glück.“

„Danke.“ Er sah sie an. Diese Augen, diese Lächeln. Ihre Hand hob sich von selbst, strich noch einmal zärtlich über seine Wange, er beugte den Kopf und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Werd´ glücklich David.“  Sie riss sich von ihm los und Jürgen war sofort wieder an ihrer Seite.

Tief durchatmen Lisa! Gleich hast Du es geschafft!

„Alles in Ordnung Lisa?“

„Geht schon wieder.“

Jürgen führte sie ein bisschen abseits, damit sie sich wieder fassen konnte. „Ich bin so stolz auf Dich! Du hast Dich großartig gehalten.“

„Danke.“

Lisa´s Eltern stießen zu ihnen. Helga musterte ihre Tochter besorgt, doch aus diesem Gesicht, das sonst so offen alle Gefühle zeigte, war nichts abzulesen.

„Na Schnattchen“ – Bernd umarmte seine Tochter „Willste denn auch noch mit zum Empfang?“

Lisa tätschelte die mächtige Hand ihres Vaters „Nein, das muss nicht sein. Aber geht ihr nur – Jürgen muss zum Kiosk und ich werde durch den Park bis zur Bushaltestelle laufen und nach hause fahren.“

„Aber ich kann Dich doch irgendwo absetzen..“ kam es von Jürgen.

„Aber Lisalein, natürlich fahren wir mit Dir nach hause!“ von Helga.

„Na klar!“ – von Bernd.

„Bitte – ich möchte jetzt einfach ein bisschen durch die Gegend laufen, frische Luft haben und nachdenken, ja?“

Da Lisa recht gefasst wirkte und es auch keinen Grund gab, ihren Wünschen nicht zu folgen, lenkten alle ein.

Jürgen umarmte sie „Ich ruf Dich heute Abend an, ja?“

„Ich dank´ Dir ganz doll für die heutige Unterstützung!“

„Wozu sind Freunde da?“

So stand Lisa kurze Zeit später alleine da und schickte sich eben an, den Weg durch den Park einzuschlagen, als sie erneut von Sophie von Bramberg angesprochen wurde.

„Respekt, Frau Plenske, Respekt.“

„Wie bitte?“

„Sie haben sich großartig gehalten. Ich hätte es nicht besser machen können.“

„Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment werten soll.“

„Sie sollten es. Und diese rührende Geste mit David. Er weiß jetzt ganz genau, dass er ihr Herz gebrochen hat, aber dass sie unendlich tapfer sind. Er wird sein Leben lang ein schlechtes Gewissen wegen Ihnen haben.“

„So war das nicht gemeint!“

„Aber so wird es wirken.“

Sophie kam jetzt noch näher – was wollte die denn noch? Lisa wollte endlich alleine sein!

„Wissen Sie eigentlich schon das Neueste?“ Sophie sah aus, wie eine Katze, die eben den Sahnetopf geleert hatte.

Was kam denn jetzt noch? Lisa sah ihre Widersacherin halb genervt, halb interessiert an.

„Mein Sohn Richard ist heute Morgen aus Mangel an Beweisen frei gelassen worden.“

„WAS!?!“

Sophie nickte zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Worte „Ja – die Beweise reichten nicht aus – mein Richard ist wieder ein freier Mann.“ Sie lachte Lisa an „Ich dachte mir, dass sie das interessant finden würden. Einen schönen Tag noch!“ Sie drehte sich um und ging beschwingt die Hüften kreisen lassend zur Hochzeitsgesellschaft zurück.

Lisa stand da, wie vom Donner gerührt. Richard von Bramberg frei? Lisa ging zur nächsten Bank und sackte darauf nieder. Das ging doch nicht. Er war ein Verbrecher. Ein Entführer. Er hatte versucht zu morden. Ihr  wurde übel. Ganz schrecklich übel. Sie presste die Hand vor den Mund und versuchte sich zu beruhigen. Hatte Sophie das nur so gesagt? Wollte sie ihr nur Angst einjagen? Nein – das war ernst gewesen.

„Lisa? Lisa – alles ok?“ David stand plötzlich wie aus dem Nichts vor ihr. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Lisa hob den Blick zu ihm und die Angst um ihn grub sich wie ein Messer in sie herein „David... David... Sophie von Bramberg sagt... Richard ist frei.“

David setzte sich neben sie. „Damit war zu rechnen.“

„Was?“

„Ich hab schon bemerkt, dass die Polizei meiner Aussage wenig Gewicht beigemessen hat. Und andere Beweise gab es kaum.“

„Aber... David – bitte pass auf Dich auf! Richard hasst Dich so sehr.“

„Nicht mehr als ich ihn.“ David´s sonst so nettes Gesicht wirkte reichlich entschlossen. „Nochmal kommt der nicht an mich ran.“

Lisa sah ihn an „Was machst Du eigentlich hier?“

„Ich sah Dich mit Sophie sprechen und das Ergebnis Eures Gesprächs...“

„Nun – ich habe mich wieder gefasst – geh zurück zu Deiner Frau.“

David nickte langsam und stand  auf „Lisa – wenn Du je Hilfe brauchst, wenn irgendetwas sein sollte – ich bin immer für Dich da.“

Lisa nickte leicht, machte aber gleichzeitig mit der Hand eine abwehrende Handbewegung. „geh David – ich bin ok. Geh zurück.“

Sie sah ihm noch nach, wie er zurück zur Hochzeitsgesellschaft und zurück zu Mariella ging. Sie blieb solange dort sitzen, bis alle verschwunden waren.

Das musste sie erst mal sacken lassen. Richard war frei. Was war denn das für eine Justiz, die so einen gefährlichen Mann wieder frei ließ? Wie konnte so etwas passieren?

Lisa´s ganzes Weltbild kam ins Wanken. Die Guten mussten gewinnen, die Schlechten wurden bestraft. Und das sollte für einen Richard von Bramberg nicht gelten?

Lisa zog die Schultern hoch. Ihr war plötzlich sehr kalt. Sie stand auf, zog ihren Mantel über und begann langsam durch den Park zu schlendern. Es war nicht viel los dort. Es war früher Abend, die Leute gingen nach hause, zumal, wenn sie Kinder hatten und für lange Aufenthalte im Freien war es auch schon zu kalt.

Hatte Sophie vielleicht doch gelogen, nur um sie zu verunsichern, ihr Angst einzujagen? Aber David war auch nicht sonderlich überrascht gewesen... Lisa ging einen Schritt schneller, es war blöd von ihr gewesen den Weg durch den Park zu nehmen, nun da sie wusste, dass dieser fürchterliche Kerl wieder auf freiem Fuß war. Lisa Plenske – werd´ nicht hysterisch! Nicht hinter jedem Baum wartet jetzt ein Richard von Bramberg.

Doch manchmal ist es auch so, dass die schlimmsten Befürchtungen eintreffen.

„Frau Plenske – so alleine unterwegs? Darf ich Sie begleiten?“

Lisa erstarrte und drehte sich um. Da stand er. Das Haar zurückgegelt wie eh und je, das fiese Lächeln auf den Lippen und er schien noch größer zu sein, als sie ihn in Erinnerung hatte.

Sie dachte nicht mehr nach, sie drehte sich um und rannte los. Doch schon nach wenigen Metern umschlang sie ein Arm von hinten und hielt sie gnadenlos fest. „So eilig? Das ist aber unhöflich!“

 

 
 
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