KAPITEL 44 – Geplänkel
Lisa sah ein wenig fassungslos auf sein gänzlich entspanntes Gesicht. Verdammt – der hatte doch extra so etwas Provokantes gesagt!
Er lag nackt und voller Blessuren vor ihr – immer noch kaum fähig sich zu rühren und wagte es, wagte es tatsächlich, seine Zunge als Werkzeug einzusetzen! Na warte – die Schüchternheit verflog schneller, als sie je gedacht hatte. Sie nahm einen sauberen Waschlappen, tunkte ihn in das warme Wasser, legte ihn auf seinen Bauch und ließ ihn tiefer gleiten. Er hatte schon Recht – wehren konnte er sich nicht.
Richard keuchte überrascht auf, als Lisa sehr langsam und überaus sorgfältig begann, seinen Intimbereich zu waschen. Wahrscheinlich hätte sie sich das im Leben nicht getraut, aber er hatte es herausgefordert. Nun lag er allerdings weniger entspannt da und sein Atem ging ziemlich rasch. Es war sein Glück – oder sein Pech – dass er noch den Katheder trug.
Sein Blick schien Lisa zu durchbohren. Sie jedoch begegnete unschuldig seinem Blick, tauschte Lappen und Wasser und begann ihn nun gänzlich zu waschen. Allerdings tat sie dies recht ausgiebig und ließ sich Zeit, verfolgte die Linie seines Halses, widmete sich sehr intensiv seiner Brust und alle ihre Bewegungen waren so sanft und fließend, wie sie nur sein konnten.
Richards Stimme war sehr heiser „Ok – das habe ich verdient - Und was passiert, wenn ich Dich mal so richtig reize?“
„Keine Ahnung – ich habe doch nur mein Eigentum gewaschen...“ Im selben Augenblick hatte Lisa allerdings den Eindruck zu weit gegangen zu sein. Rasch nahm sie Schüssel und Waschlappen und wollte ins Bad.
„Lisa warte.“
Sie drehte sich wieder um – er sah ihr direkt in die Augen „Sei so schlagfertig wie Du willst – ich kann eine Menge ab. Nur hab nicht die Angst, ich würde mich später rächen – und diese Waschung werde ich so schnell nicht vergessen... stehe aber jederzeit als Testobjekt wieder zur Verfügung.“
Lisa ging ohne ein weiteres Wort ins Bad und als sie wiederkam verband sie ihn wieder und zog die Decke über ihn. Allerdings blieb sie auf der Bettkante sitzen. „Richard – ich hab so etwas noch nie gemacht – ich schäme mich dafür - ich habe noch nie mit einem Mann...“
„..gespielt?“
Sie nickte beschämt.
„Lisa - es gibt gewisse Regeln zwischen Mann und Frau. Und eine davon ist, dass die Frau sich mehr herausnehmen darf als der Mann.“
„So eine Regel gibt es?“
„Es gibt sie“, er lächelte ihr zärtlich zu „zwischen Dir und mir.“
Ihr Lächeln kam zögernd, aber es kam. Sie konnte ihm auch wieder in die Augen sehen. „Dann bist Du mir nicht böse?“
„Böse? Nein – anfangs sehr überrascht und dann sehr beschäftigt – aber böse – nein. Lisa – dieser Körper steht Dir ganz und gar zur Verfügung – erkunde ihn von mir aus nach Herzenslust...“
Lisa wurde rot bis über beide Ohren.
Er lachte „Muss ja nicht gleich alles auf einmal sein...“
„Du gibst mir carte blanche?“ In Lisa erwachte Vergnügen an diesem Katz und Maus Spiel – sie hatte darin keinerlei Erfahrung und er war sicher ein Meister darin, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen.
„Grande carte blanche.“
Lisa beugte sich nach vorne, glitt mit ihrem Mund an seinem vorbei und küsste seinen Adamsapfel. Sie murmelte „Es konnte für Dich gefährlich sein. Du bist mir ausgeliefert.“
„Ich lebe gerne gefährlich.“ Richard beobachtete Lisas Reaktionen genau – er wollte sie keinesfalls verschrecken und war sich überdeutlich bewusst, dass ihr zögerndes Eingehen auf seine verbalen Spielchen ein erster Schritt in eine gemeinsame Zukunft war. Sie war heute schon viel weiter gegangen, als er das je für möglich gehalten hatte.
„Richard – ich werde heute noch etwas ausprobieren..“
„Was denn?“
„Heute werde ich Dich rasieren – Du piekst!“
Er lachte „Jetzt machst Du mir wirklich Angst!“
Als Lisa das Tablett wieder nach unten trug, war sie einerseits komplett verwirrt, auf der anderen Seite aber auch ungeheuer aufgewühlt – und irgendwie ... glücklich...
Richards Erfahrung hatte sie heute überdeutlich zu spüren bekommen – in gewisser Weise war er der Stärkere von ihnen, auch wenn er derzeit fast bewegungsunfähig war.
Sie wurde noch im Nachhinein rot, wenn sie daran dachte, was sie sich da eben geleistet hatte. Lisa – was hast Du Dir nur dabei gedacht? Vielleicht hatte ihre Mutter ja doch Recht – sie war inzwischen auch verdorben... Aber auch der Gedanke an ihre Mutter tat heute nicht ganz so doll weh, wie sonst.
Sie räumte die Küche auf und schickte ihre Gedanken auf Wanderschaft. Sie erschrak über sich selbst als sie sich dabei ertappte, dass sie sich gerade vorstellte seinen Körper noch gründlicher zu erforschen. Was machte er nur mit ihr? Sie kannte sich selbst nicht mehr. Und die Tatsache, dass er hilflos war und ihr auch noch einen Freifahrtschein ausgestellt hatte, machte die ganze Sache noch delikater und ... ja .. auch noch spannender...
Sie hatte ihn eben noch rasiert – und da diese Tätigkeit für sie sehr ungewohnt war, hatten sie beide auf Spielchen verzichtet. Bis zum Mittag ließ sie ihn in Ruhe, sein verletzter Körper verlangte noch nach viel Schlaf.
Nach dem Mittagessen zog sie die Vorhänge zu, ging dann zu ihm zurück und murmelte leise „Schlaf schön“, beugte sich hinab und berührte erst seine Stirn und drückte dann jedoch zögernd ihre Lippen auf die seinen. Sie war so gänzlich unerfahren bei sämtlichen Zärtlichkeiten zwischen Mann und Frau, dass sie sehr unsicher war. Er blieb zunächst absolut passiv, doch als er merkte, dass sie von sich aus den Kuss verlängerte, küsste er vorsichtig zurück. Es war wie ein sehr sanftes, liebevolles Abtasten, weit entfernt von Leidenschaft – aber es schaffte wieder etwas mehr Vertrautheit zwischen ihnen.
Mariella kam gänzlich aufgekratzt aus dem Krankenhaus zurück. Lisa, die gerade im Wohnzimmer Richards Pläne für den Zoo durchsah, brauchte nur einen Blick auf die Freundin zu werfen, um grinsend zu fragen „Was ist so Wunderbares passiert?“
Mariella brachte ihren Rollstuhl neben Lisa und strahlte sie an „Das Krankenhaus in Berlin hat angerufen – ich kann Lisbeth abholen. Lisa – ich fahre heute schon zurück, um alles für die Süße vorzubereiten – kann Joshua mich auch heute schon fahren?“
Lisa lächelte zurück „Aber natürlich.“
Mariella so strahlen zu sehen, war nach dem ganzen Unglück eine Wohltat.
„David muss auch nur noch heute im Krankenhaus bleiben. Friedrich hat es gedeichselt, dass er Morgen Nachmittag nach Berlin überführt wird. Er muss dann wohl auch da noch ein paar Tage bleiben – aber dann ist er näher.“
Die beiden Frauen plauderten noch eine Weile, dann half Lisa Mariella packen.
„Lisa – meinst Du Joshua könnte mich zu Richie hoch tragen?“
„Aber bestimmt. Ich sage eben Joshua Bescheid – auch wegen der Fahrt und dann gucke ich nach, ob Richard wach ist.“
Lisa zögerte kurz, sie hätte gerne mit Mariella über ihre Beziehung zu Richard gesprochen – aber dies war definitiv der falsche Zeitpunkt.
Joshua sagte zu, gleich ins Haus zu kommen und Lisa lief nach oben vor, um Richard gegebenenfalls zu wecken. Sie hatte den richtigen Riecher gehabt. Er schlief noch.
Sie zog die Vorhänge auf und hörte ihn hinter sich bereits gähnen.
„Mariella möchte sich gleich verabschieden – sie fährt heute noch nach Berlin zurück.“
„Lisa magst Du mir noch Mal helfen etwas höher zu kommen?“
Sie ging zu ihm, ergriff das Kissen und half ihm in eine höhere Liegeposition. Wie es geschah, wusste sie nicht, aber irgendwie passierte es, dass Lisa ihren Arm nicht rechtzeitig hervorzog und er nun mit seinem Oberkörper darauf lag. Sie war sehr nahe an ihm dran.
Er lächelte ihr etwas verschlafen zu „Upps.“
Lisa lächelte zurück, machte aber keine Anstalten ihren Arm hervorzuziehen „Was heißt denn Upps?“
„Upps – wie – auch daran könnte ich mich gewöhnen...“
Er flirtete mit ihr, dessen war sie sich sicher. Sie nahm ihren anderen Arm und schob ihn ebenfalls um ihn „So noch besser?“
„Unvergleichlich viel besser...“
„Weißt Du – ich habe nicht viel Erfahrung in diesen kleinen Spielchen, aber ich lerne schnell.“
„Das freut mich zu hören.“
Lisa beugte sich vor und diesmal berührte sie ohne zu zögern seine Lippen. Er kam ihr etwas entgegen und sie liebkosten sich sanft.
In diesem Moment hörten sie Joshua auf der Treppe „Aber ist mir doch ein Vergnügen eine so schöne Frau tragen zu dürfen.“
Lisa zog ihre Arme vorsichtig hinter ihm hervor und er schenkte ihr ein bedauerndes Lächeln.
Joshua platzierte seine hübsche Last in einem kleinen Sesselchen, den Lisa rasch ans Bett geschoben hatte und dann ließen sie und Joshua die beiden alleine.
Mariella wartete, bis sie sich sicher war, dass die beiden die Treppe bewältigt hatten, dann wandte sie sich an ihren Bruder „Ich habe gehört, ich darf Dir gratulieren?“
Er zwinkerte ihr zu „Ja – darfst Du.“
Doch Mariellas Miene blieb ernst „Richie – Du bist vorsichtig mit ihr, ja? Sie wirkt sehr mutig, aber...“
„Majella – mach Dir keine Sorgen. Ich werde warten, bis sie soweit ist – egal, wie lange es dauert.“ Er lächelte in sich hinein „Wenn ich auch seit kurzem die Hoffnung hege, dass die Zeit nicht unabsehbar ist...“
„Richard...“, Mariellas Stimme klang gequält.
„Majella – ich schwöre – ich bin geduldig und rücksichtsvoll und noch mehr. Ich liebe Lisa – und ich will sehr lange Zeit meines Lebens mit ihr verbringen. Was sind da Wochen oder Monate oder auch ein paar Jahre...“ Er lächelte seine Schwester an „Obwohl sie mich schon ab und an verblüfft...“
Mariella hatte ihn scharf beobachtet und sandte ihm nun doch ein Lächeln „Doch - ich bin jetzt etwas beruhigter... – und wie geht es Dir? Lisa sagte, Du kannst Dich kaum rühren?“
„Das ist unwichtig. Ich bemühe mich aber, geduldig zu sein. Es ist ein lästiger Zustand – aber ich habe die beste Krankenschwester, die ich mir wünschen kann.“ Und dann setzte er fast wie zu sich selbst hinzu „Aber etwas Positives hat es an sich – Lisa kann sich an meine Gegenwart gewöhnen und sich dabei absolut sicher sein, dass von mir keine Gefahr ausgeht.“
„Ich wünsche Euch sehr, dass ihr bald zueinander finden werdet.“
Er lächelte ihr erneut zu „Nun aber genug von Lisa und mir – wie geht es David und Lisbeth? Und vor allem... wie geht es Dir, Liebes?“
Mariella blieb fast eine Stunde bei ihrem Bruder, dann rief sie nach unten, man möge sie wieder nach unten befördern. Sie verabschiedete sich tränenreich von Lisa. Matty stand kopfschüttelnd daneben „Mädchen heulen immer!“
Mattias und Lisa standen vor der Haustür und winkten dem davonfahrenden Auto nach, bis es außer Sicht war.
„Mama – darf ich zu Papa hoch?“
„Ja - aber...“
„Ich weiß“, kam es leicht gelangweilt von dem Knirps „Ich muss vorsichtig sein, ich darf nicht auf dem Bett hüpfen und wenn Papa müde wird, lass ich ihn alleine.“
Lisa sah gänzlich verblüfft auf ihren Sohn und der grinste sie auf eine Art an, die ihr mächtig vertraut vorkam.
„Mama – darf ich?“ Grüne Augen leuchteten ihr entgegen – ganz lieb bittend.
„Los – zisch ab.“
Mattias strahlte auf und lief ins Haus zurück.
Lisa setzte sich wieder an ihre Papiere und erlöste Richard erst zum Abendessen von seinem Sprössling. Er zwinkerte ihr schon beim Eintreten zu „Matty wird unser Kassierer im Zoo.“
Waren die Delphine out? „Kassierer?“
„Ja“, kam es von Mattias „dann habe ich das ganze Geld.“
„Ah – ja. Matty läufst Du mal eben zu Joseph und Eric? Wenn sie wollen, könne sie mitessen – ich hab zu viel gemacht.“
„Jepp!“ – ein Wort, das er zur Zeit ungemein gut fand. Er stürmte aus dem Zimmer.
Lisa sah ihm nach „Bin so froh, dass ich ihn wieder hier herumtollen lassen kann. Ich hoffe, er erholt sich schnell von dem ganzen widerlichen Geschehen.“
Dann sah sie auf das Bett und begann zu lachen – überall lag Monopoli-Geld.
„Wir haben Geld zählen geübt“, kam es ungefragt von Richard „und er lernt wirklich schnell...“
Lisa sammelte die Scheinchen ein und betrachtete sein müdes Gesicht. „Ich esse eben mit den Jungs. dann hole ich Dir Dein Abendbrot.“
„Brauchst Dich nicht beeilen – heute schlafe ich gerne noch ein bisschen. Unser Sohn ist recht... lebhaft.“
Lisa kehrte aus dem Bad mit einem feuchten Waschlappen zurück und wischte ihm vorsichtig das Gesicht ab. Richard schloss dankbar die Augen und seufzte leise.
„Ich hätte ihn eher wieder hier rausholen sollen, aber er wollte so gerne zu Dir“, sagte sie reumütig.
„Unfug – so geht die Zeit schneller vorbei.“ Um seine Mundwinkel zuckte es „Noch schneller ginge sie natürlich vorbei, wenn Du hier bist..“
„Wieso?“ meinte sie unschuldig „Willst Du mir auch das Zählen beibringen?“
„Nein – aber mir fällt da bestimmt noch was anderes ein...“