Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 016
 

KAPITEL 16 – Ein neues Leben

 

Weihnachten kam und Lisa fuhr den heiligen Abend zu ihren Eltern nach hause. Sie sagte auch an diesem Tag nichts von dem Baby – sie wollte nicht das Risiko eingehen, dass dieser besondere Abend in Streit enden könnte. Denn – sie wusste absolut nicht, wie ihre Eltern auf diese Neuigkeit reagieren würden. So war dieser Abend fast ein bisschen wie früher, fast so, als wäre nie etwas geschehen. Aber eben nur fast. Und Lisa war sich überdeutlich bewusst, dass ihre Eltern so gerne ihr kleines naives Mädchen wiederhaben wollten – aber dieses Mädchen gab es nicht mehr.

Am ersten Weihnachtstag besuchten Mariella und Lisa zusammen Richard. Lisa hatte lange mit sich gehadert, ob sie das wirklich tun sollte, zumal Mariella sie in keiner Weise bedrängte mitzukommen. Aber – so ehrlich war Lisa mit sich selbst – sie wollte ihn auch gerne besuchen. Ein paar Tage zuvor hatte sie mit Mariella zusammen für Weihnachten eingekauft und unter anderem hatten die beiden einen Korb erstanden und diesen mit allem gefüllt, was ihnen einfiel, was Richard vielleicht gebrauchen könnte. Mariella hatte gekichert - ´wetten er fragt, wo der Kuchen mit der Feile ist?`.

Lisa war seltsam befangen, als sie mit ihrer Freundin zusammen das Krankenzimmer betrat. Dies war ein anderer Besuch, wie sonst. Sie musste ihn heute zu nichts überreden, sie sah auch bei keiner seiner Anwendungen zu – dies war ein privater Besuch. War das richtig? Gab es dabei überhaupt ein Richtig, wenn es um sie und ihn ging?

Richard saß an einem kleinen Tisch am Fenster. Er war inzwischen fähig sich mittels eines Gehwagens langsam fortzubewegen. Als sie eintraten war er – das war unleugbar – überrascht, aber angenehm überrascht. Mariella ging gleich zu ihm, umarmte ihn und wünschte Frohe Weihnachten. Lisa blieb gute zwei Meter von ihm entfernt stehen und sprach ebenfalls ein Frohes Fest aus.

Mariella stellte den Korb mit den Mitbringseln auf den Tisch (dieser war vorher durchsucht worden) und Richard spähte hinein „Was kein Kuchen mit einer schönen Feile?“

Mariellas Hab-ich´s-nicht-gesagt Blick ließ Lisa grinsen und Mariella grinste zurück.

„Was – werde ich langsam vorhersehbar?“ Aber auch er schien heute besserer Stimmung zu sein als sonst. Mariella setzte sich neben ihren Bruder und Lisa ihm gegenüber. Ihr Blick fiel auf das, was Richard gemacht hatte, bevor sie hereinkamen.

„Was ist das denn?“

Richard grinste „Das Spiel heißt irgendwas Dämliches wie Springfrosch – aber mir dient es dazu, die Finger meiner linken Hand zu trainieren.“

„Zeig mal“, meinte Mariella und Richard versuchte seine Linke dazu zu bewegen, den Frosch zum Hüpfen zu bringen. Es klappte noch nicht wirklich gut „Ist noch nicht sonderlich viel Kraft in der Hand – aber es kommt immer mehr Gefühl hinein.“

Lisa sah ihn an „Wie lange lassen sie Dich noch hier im Krankenhaus?“

„Nicht mehr lange – die meisten Übungen kann ich dann auch im Gefängnis weitermachen. Mir wurde gesagt, spätestens in Februar sitze ich wieder ein.“

Mariella warf ein „Aber Richie – könntest Du das Urteil nicht anfechten – jetzt wo Du weißt, dass Du krank warst.“

„Das werde ich nicht tun. Es mag sein, dass der Tumor mein Denken beeinflusste – aber meine Erinnerung an den Vorfall ist glasklar. Ich verdiene jeden Tag der Strafe und eigentlich ist das noch zu wenig.“

„Aber ..“

„Nein Majella!“ Seine klang sicher und endgültig und sein Blick suchte den von Lisa.

„So hast Du mich aber schon lange nicht mehr genannt.“

„Bin vielleicht ein bisschen sentimental heute...“ Er drückte seine Schwester kurz an sich „Und was habt ihr die Feiertage noch vor?“

Mariella lachte „Lisa hat uns Morgen alle eingeladen. Ich wette, sie will uns da irgendwas sagen – aber sie schweigt wie ein Grab!“

Richard Blick glitt  kurz von Lisa´s Gesicht zu ihrer Mitte, aber er sagte nichts.

Den Großteil der Unterhaltung bestritten die Geschwister, doch auch wenn Lisa immer noch etwas befangen war, so war sie doch froh mitgekommen zu sein. Mit seiner Schwester im Gespräch wirkte Richard viel menschlicher. Sie ertappte sich ein paar Mal dabei, wie sie ihn nachdenklich betrachtete. Ob er ihren Blick bemerkt hatte oder nicht, ließ er sich nicht anmerken.

Nur als sie sich verabschiedeten, wandte er sich direkt an sie „Lisa?“

Sie blieb noch einmal stehen und wandte sich um „Ja?“

„Danke für´s Kommen. Und die nächsten Trainingseinheiten könnten für dich sehr amüsant werden. Die Methode heißt forced-use-Therapie und sie...“

„Es ist die Methode des sogenannten erzwungenen Gebrauchs. Die gesunde Gliedmaße wird ruhig gestellt, so dass die kranke Seite aktiviert werden muss.“

„Ich fühle mich geschmeichelt – Du hast Dich informiert.“

„Und ich werde aufpassen, dass Du nicht schummelst!“

 

Lisa war nervös. Sie saß an der Stirnseite des Tisches und blickte in die Runde derer, die sie eingeladen hatte. Ihre Eltern waren natürlich da, Jürgen, David und Mariella – aber sie hatte auch Nathan und Conny Rittinghaus dazu gebeten.

Conny hatte sie herzlich umarmt und ihr zugeflüstert „das ist David? Ich kann Dich gut verstehen...“

Lisa hatte zunächst nur alle begrüßt und einen guten Appetit gewünscht. Doch nun wo alle satt und vollgefuttert waren, wurde es Zeit für das, was sie sich vorgenommen hatte.

Sie blickte in die Runde und nach und nach wurde allen klar, dass sie etwa sagen wollte.

Sie setzte sich aufrecht hin und legte ihre ineinander verschränkten Hände auf den Tisch „Ich freue mich, dass ihr alle gekommen seid. Sicher wundert ihr Euch, warum ich Euch alle zusammengetrommelt habe.. Aber ich dachte, ich sag es lieber allen auf einmal, als jedem einzeln...“

„Ich weiß schon Schnattchen, was Du sagen willst!“ meinte ihr Vater.

„Ja?“ fragte Lisa verblüfft.

„Du willst bestimmt auf Dein neues Auto mit uns anstoßen, wat? Dufter Schlitten, den Du Dir da gekauft hast!“

„Ach und ehe ich es vergesse“ - das war ihre Mutter – „Ich hab Dir Deine Ersatzbrille mitgebracht – Du hast ja sonst gar keine mehr...“

Lisa sah erst ziemlich verblüfft drein. Dann erhob sie sich energisch von ihrem Platz. „Nein Papa, nein Mama! Ich will nicht auf mein neues Auto anstoßen und ich brauche keine Brille mehr – zumindest sehr lange nicht mehr, hoffe ich!“

Sie holte Luft „Bitte – ich versuche Euch zu sagen, was sich alles bei mir ändern wird und geändert hat. Vor vier Monaten hat sich mein Leben drastisch gewandelt und ich habe begriffen, dass ich mich dadurch verändert habe – vielleicht mehr, als mir zunächst bewusst war.
Es fing damit an, dass ich meine Augen lasern ließ. Es ging damit weiter, dass ich Kontakt zu Richard aufnahm und seit der Zeit häufig bei ihm war...“

Helga schnappte hörbar nach Luft, doch Lisa hob ihre Hand, um ihren Widerspruch im Keim zu ersticken „Noch nicht Mama – bitte. Ich möchte erst alles loswerden. Richard hatte einen Gehirntumor, der zwischenzeitlich entfernt wurde und er befindet sich derzeit in Reha. Ich werde den Kontakt zu Richard von Bramberg beibehalten, es sei denn, er möchte es nicht mehr. Ob ihr das verstehen könnt, weiß ich nicht – ich kann es ja selber nicht wirklich begreifen...

Ich habe mein bisheriges Leben hinter mir gelassen und fange ein neues an. Vor einigen Tagen habe ich den Kaufvertrag für einen Resthof etwas außerhalb von Göberitz unterschrieben. Ich kann dort in einigen Monaten einziehen – natürlich erst dann, wenn ich  meinen Sohn zur Welt gebracht habe.“

So – nun war es raus. Lisa setzte sich wieder und wagte kaum zu atmen. Unter dem Tisch ergriff Mariella ihre Hand und drückte sie.

Bei Helga sickerte langsam die Wahrheit durch „Ein Hof, was willst Du denn mit.... Ein Kind – Du erwartest ein Kind?“ Ihr Blick glitt hoffnungsvoll zu David, doch dieser schüttelte rasch den Kopf, als er Helgas Blick bemerkte.

„Lisa – verstehe ich das richtig? Du bekommst ein Kind von Richard von Bramberg und willst den Bastard auf einem Bauernhof großziehen?“

„Mama! Sag nicht Bastard zu meinem Kind!“

Helga rang die Hände und eine erste Träne rann ihr Wange hinunter „Wirst Du es wegmachen lassen, Lisa?“

„Nein. Dafür ist es ohnehin zu spät!“

„Lisa – dann gib es ganz schnell nach der Geburt zur Adoption frei, ja?“

„Das werde ich nicht! Das wird Euer Enkelkind, versteht ihr? Der Kleine kann doch nichts dafür.“

Helga schüttelte verzweifelt den Kopf „Ein Schattenkind – Du bekommst ein Schattenkind – das ist nicht gut. Gar nicht gut.“

„Ein Schattenkind – was soll denn das jetzt heißen?“

„Das heißt, dass solche Kinder, die so entstanden sind, schon von Geburt an einen Schatten tragen. Solche Kinder sollen nicht zur Welt kommen. Sie bringen Unglück, sie schlagen dem Übel nach – sie sind.... nicht gut.“

Lisa starrte ihre Mutter an und legte instinktiv die Hand auf ihren Bauch. Hör gar nicht zu Zwerg! Die Oma ist nur überrascht – das ist alles, nur überrascht. Die fängt sich wieder. Hör gar nicht hin Kleiner – ich lass keinen Schatten auf dich kommen!   

Sie sagte so ruhig wie möglich „Das ist mein Baby und ich werde es bekommen und ich werde es behalten!“

Ihre Mutter brach in Tränen aus. David schaute sie entsetzt an. Ihrem Vater stand der Mund offen. Aber Mariella, Conny, Nathan und Jürgen nickten ihr zu. Und nachdem ihm seine Frau einen Ellenbogen in die Rippen gestoßen hatte, zwang auch David ein Lächeln auf sein Gesicht.

Conny versuchte ihr Bestes „Frau Plenske – bitte beruhigen Sie sich doch. Das ist doch nur Aberglauben. Ihre Tochter bekommt ein Kind – ihr Enkelkind...“

„NEIN!“ Helga schüttelte heftig den Kopf – „ein solches Kind wird nie mein Enkelkind sein!“

„Schnattchen, Lisa....“ Bernd blickte seine Tochter flehendlich an „Bitte sag Deiner Mama, dass Du auf sie hören wirst, bitte...“

In Lisa´s Augen glänzte es verdächtig, aber sie blieb seltsam gerade sitzen „Das ist meine Entscheidung, das ist mein Leben, das ist mein Sohn!“

Helga stand jetzt auf und wischte sich energisch das Gesicht „Nun ist es genug mit den Faxen. Du kommst jetzt auf der Stelle mit heim. Wir kriegen das schon wieder hin. Diesen Bramberg siehst Du nie wieder und nach der Geburt gibt´s Du das Kind zur Adoption frei. Danach kann alles wieder gut werden.“

„Nein Mama – ich kann weder das eine noch das andere tun.“ Lisa sprach ruhig, aber sie hatte zu zittern begonnen.

„Bernd – wir nehmen sie jetzt mit.“

David stand so plötzlich auf, dass alle ihn anstarrten „Ich kann nicht behaupten, dass ich Lisa´s Handlungsweise verstehen kann. Aber wie sie so richtig sagte – das ist ihr Leben. Und wenn sie dieses Kind haben will, hat sie jedes Recht dazu. Und wenn sie meint unbedingt Kontakt zu Richard haben zu müssen, so sträubt sich mir zwar jedes Nackenhaar, aber auch das ist ihre Entscheidung. Lassen Sie Lisa doch bitte endlich ihren Weg gehen. Glauben Sie bitte an Ihre Tochter – Lisa schafft das.“

Lisa sah David an und wusste genau, warum sie sich so in ihn verliebt hatte. Er beschützte sie in diesem Moment – entgegen seiner eigenen Überzeugung. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte sie David wieder ansehen und sah mehr in ihn als nur einen Mann. Er war ihr Freund. Er würde wohl nie mehr für sie sein können als das – aber hier und heute hatte er bewiesen, dass er genau das war.

„Danke David.“ Ihre Blicke trafen sich und er zwinkerte ihr aufmunternd zu.

„Mama, Papa  - ich weiß, das ihr nur besorgt um mich seid – und vielleicht seid ihr das sogar zu Recht. Aber ich muss das tun, was mir mein Gewissen und mein Gefühl sagen. Und dieses Gefühl sagt mir mehr als deutlich – das, was da in mir ist, ist nicht böse – das ist mein Sohn. Und ich werde ihn mit der ganzen Liebe überschütten, die ich in mir habe!“

Mariella hielt es nicht mehr auf ihrem Platz. Sie trat an Lisa´s Seite und legte den Arm um sie. Conny trat an ihre andere Seite und irgendwie war es passiert, dass auch Jürgen und Nathan standen.

Das war eine Front – eine Front für und um Lisa.

Helga blickte von einem zum anderen und fand in keinem Augenpaar wirklich Verständnis.

„Komm Bernd. Lisa – Du bist jederzeit wieder willkommen, wenn Du diesen Wahnsinn beendet hast!“

Fassungslos sah Lisa ihre Eltern nach draußen gehen. Sie hatte mit Vielem gerechnet, aber nicht mit dieser krassen Reaktion.

Mariella´s Hand streichelte ihre Taille und Conny ihren Arm. Sonst hätte sie wohl nicht ertragen, dass da die beiden Menschen aus ihrem Leben gingen, die ihr so unendlich viel bedeuteten.

Alle schwiegen, aber es war kein peinliches Schweigen. Jeder sah nur sehr besorgt auf Lisa. Sie sah hoch zu den Menschen, sah die Freundschaft und die Anteilnahme und riss sich mit fast unmenschlicher Anstrengung zusammen.

Die Tränenspuren noch auf die Wangen rang sie sich ein Lächeln ab „Guckt nicht so. Dieses Essen soll den Beginn eines neuen Lebens feiern. Und ich will Euch mit dem neuesten Ultraschallbild langweilen...“

Ein zaghaftes Lächeln glitt in die umstehenden Gesichter zurück und sie honorierten so Lisa´s tapferen Versuch der Auflockerung.

„David – magst Du mal sehen, ob Du einen der Kellner erwischt, ob er uns Sekt zum Anstoßen bringen kann?“

David lächelte ihr auf eine Weise zu, die wohl nur er zustande bringt und nickte. Während er ging, sprach Conny Lisa an „Ich kann gar nicht sagen, wie stolz ich auf Dich bin, Lisa. Und“ sie lächelte Mariella zu „es ist wunderschön zu sehen, dass Du Menschen hast, denen Du so viel bedeutest.“

Mariella stand immer noch Seite an Seite mit Lisa. Nun wandte sich Lisa zu ihr um und Mariella legte ihre Stirn an die der Freundin „Weißt Du was Lisa? Wenn Du so weitermachst, müssen wir uns David wirklich noch teilen... Du warst heute ganz ganz unglaublich!“

Bevor Lisa antworten konnte rief Jürgen zu ihr herüber „Und wie soll er denn heißen, der neue Plenske?“

Lisa drehte sich völlig überrascht Jürgen zu – er hatte Recht! Das Kind brauchte einen Namen! 

 

 

 
 
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