Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 042
 

KAPITEL 42  -  Richard

 

Richard schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. „Weißt Du Lisa – ich war nie Jemand, der sympathisch sein wollte – oder Wert auf viele Freunde legte. Ich glaube, die Einzige, die mir lange Zeit wirklich etwas bedeutete, war Mariella. Ich wurde dazu erzogen ehrgeizig zu sein und dass Erfolg enorm wichtig ist. Wir waren nicht immer reich – ich weiß genau, was es heißt, nicht zu wissen, was Morgen ist... Durch Mutters Heirat mit Claus von Bramberg wurde alles anders – sein Ansehen und sein Geld ermöglichten es mir, bei Kerima Fuß zu fassen – erst Recht, nachdem ich erfahren hatte, dass ich ein Spross von Friedrich Seidel war...“ Er suchte ihren Blick „langweile ich Dich?“

Lisa – die sich wieder auf ihren Ellenbogen gestützt hatte – schüttelte leicht den Kopf „Atemlos lausche ich Deinen Ausführungen...“

Er quittierte ihre flapsige Antwort mit einem Grinsen „Durch den Wehrdienst habe ich Nathan und später Conny kennen gelernt – aber die beiden waren für mich immer nur eine Ausnahme von der Regel...“

„Welcher Regel?“

„Sei Dir selbst der Nächste. Tu alles, was Du tun musst. Hüte Dich vor Fremden mit Geschenken – so was in der Art...“

Lisa stöhnte „Ich höre Sophie reden!“
“Auf jeden Fall. Ich genoss es, dass man mir bei Kerima Respekt zollte und eine Sabrina passte gut in mein Lebenskonzept. Wir waren uns ähnlich.“

Lisa gab ein undefinierbares Geräusch von sich.

„Bitte?“

„Nun – man soll ja nicht schlecht von Toten sprechen – aber ähnlich?“

„Nun – nicht, was die Intelligenz anbetraf (hoffe ich) – aber unsere Lebenseinstellung war... kompatibel.“

„Wie romantisch“ – spottete sie.

„Apropo romantisch – dann hast Du die Bildfläche betreten.“

„Die Landpomeranze.“

Er grinste wieder „ich muss gestehen – anfangs konnte ich gar nichts mit Dir anfangen. Kamst daher, naiv, unschuldig, grauenvoll gekleidet, mit dem bedauerlichen Hang meinen Brüder als den Mittelpunkt des Universums anzusehen.“

„David...“

„Ja – David. Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, was mich so daran störte, dass Du Davids Schoßhündchens spieltest...“

„Ich war nie Davids Schoßhündchen!“ begehrte Lisa auf.

„Schoßhündchen!“ bekräftigte Richard. „Mir wollte nicht in den Kopf, dass eine Frau wie Du sich so verlieren konnte.“

„Eine Frau wie ich, die sich erdreistet, die Augen so hoch zu heben?“

„Nein“ – in seiner Stimme klang Zärtlichkeit mit „Eine Frau, die klug ist und loyal, die zu ihren Prinzipien steht und auch unbequem sein kann. Eine Frau, die selbst noch nicht wusste, was in ihr steckte und die tapfer und mutig und kreativ handelte. Eine Frau, die einer wie David nicht verdient hatte und schon gar nicht würdigen konnte.“

„Richard...“ Ihre Blicke begegneten sich, tauchten ineinander.

„Du hast David zum besseren Mann gemacht – und in mir den Wunsch erweckt, dass ich eine Frau finden würde, die ähnlich zu mir steht. Doch Sabrina war nicht Du. Ich begann Dir Steine in den Weg zu legen, weil ich Dich straucheln sehen wollte. Doch Du hast nicht aufgegeben. Ich habe meine Beziehungen spielen lassen, um Deine Geschäfte zu vereiteln, doch Du bist mir zuvorgekommen. Lisa – das mit dem Schlankheitsdrink tut mir immer noch leid. Er sollte Dir ein paar Tage Unwohlsein verschaffen – mehr nicht.“

Um Abbitte anfragend, sah er sie an und hielt ihrem Blick stand.

„Ich glaube Dir. Dann hast Du mich bekämpft, weil...“

„...ich Dich bewunderte.“

Sie zog die Nase kraus „Hättest Du nicht einfach ´Hallo` sagen können?“

„Wohl nicht… Eine Zeitlang erlaubte ich mir einige Schritte auf Dich zuzugehen. Wie auf der Faschingsfeier – ja und dann…“ – er brach ab und suchte nach Worten.

„Und dann?“ fragte sie leise nach.

Er blickte zur Zimmerdecke, mit seinen Gedanken weit weg „Dann begann das, was ich mir überhaupt nicht erklären konnte. Das erste Mal, dass ich mir selbst eingestand, dass mit mir selbst etwas nicht stimmte, war der Abend, an dem ich Sabrina zu Boden warf und sie ihr Kind verlor. Ich hatte so gänzlich die Beherrschung verloren – war so außer mir – ich kannte mich selbst nicht mehr. Und das Schlimmste war, dass es mir nicht einmal leidtat. Ich verlor den Bezug zu Gut und Böse, meine Selbstkontrolle und das Vertrauen in meine eigenen Aktionen. Als die Polizei mich verhaftete, unter dem Verdacht David entführt zu haben, war ich mir zwar keiner Schuld bewusst, aber ich hätte auch nicht darauf geschworen, dass ich es nicht getan hatte.“

„Die ersten Auswirkungen des Tumors…“

„Sehr wahrscheinlich – aber daran habe ich natürlich überhaupt nicht gedacht! Ich dachte einfach, dass ich entweder meinen Verstand verliere oder einfach so emotionsarm bin. So, wie mich viele ja ohnehin ansahen. Mein Gewissen schien in der Zeit immer mehr auf Urlaub zu sein. Ich manipulierte Sabrina und Friedrich, machte sogar Sophie Angst… Und dabei hatte ich das Gefühl, dass mir alles aus den Händen gleitet.“

Lisa langte an ihm vorbei zum Nachttisch und ergriff das Wasserglas. Er trank in großen Schlucken. „Danke“, er lächelte ihr zu „Du bist wirklich eine gute Beobachterin…“

„Keine Ursache… Also Du kamst aber aus Mangel an Beweisen wieder frei.“

„Ja – und ich wusste gar nicht, ob mir das so recht war… Eingesperrt sein schien mir für mich ein passabler Zustand zu sein.“ Er zuckte die Schultern und verzog gleich darauf schmerzlich das Gesicht „Von Mariella wusste ich wo und wann die Trauung sein würde. Ich ging eigentlich nur hin, weil ich Majella sehen wollte und wenn ich ehrlich bin – auch Dich…“

Lisa drehte sich auf den Bauch und stützte ihr Kinn nun in beide Hände „Erinnerst Du Dich daran, dass Kim dort mit Dir gesprochen hat?“    

„Kim?“ – er runzelte die Stirn, versuchte sich rückzuversetzen „Jetzt wo Du es sagst – es ist wie ein Bild, das ich durch dickes Milchglas sehe. Woher weißt Du?“

„Sie sagte es mir, kurz bevor sie starb.“

„Ich erinnere mich nur an die Wut, an diese ungeheure Wut…“

„..auf mich…“

„Ja – auf Dich.“ Er versuchte sich zu ihr zu drehen, doch schon der Versuch schien Messer durch ihn durchzujagen. Er lag ganz still, wartete, bis die Schmerzwellen wieder ein erträgliches Maß annahmen.

„Richard?“

„Geht gleich wieder.“

„Soll ich…“

„..nein – kein Schmerzmittel – ich will klar bleiben.“

„Wäre nett, wenn ich meine Sätze zu ende sprechen dürfte.“

Er grinste schmerzverzerrt „Hat Kim noch mehr gesagt?“

„Sie hätte Dich aufgehetzt, sie hätte Dich g… sie hätte Dein Verlangen angefacht.“

„Sie hat mich geil gemacht. Kim hätte sich nicht so gewählt ausgedrückt!“

Lisa seufzte.

„Nein – daran erinnere ich mich nicht… Es ist als würde ich in dicke Watte greifen… Sie muss erkannt haben, dass Du mir etwas bedeutest… Aber an das darauf folgende erinnere ich mich glasklar. An jedes Detail, an jedes Wort von Dir. Doch es ist alles, als wäre mein Gewissen in der Zeit abgeschaltet gewesen. Ich weiß allerdings noch ganz genau den Zeitpunkt, wann es wieder einsetzte...“ Die Verzweiflung, die durch seine Stimme durchklang, war unüberhörbar. „Seitdem habe ich Angst, dass etwas in der Art wieder passieren könnte. Obwohl mir die Ärzte erklärt haben, dass ich wieder Herr meiner Selbst bin.“

Er sah Lisa an und nun war er es, der aus ihrer Miene rein gar nichts ablesen konnte. „Hast Du jetzt die Maske aufgesetzt, die ich gerade versuche abzulegen?“

Lisas Stimme klang sehr neutral „Es fällt mir immer noch schwer über jene Nacht zu reden. Obwohl mir alle sagen, das sei gut für mich…“

„Lisa“ – er hob nun ungeachtet der Schmerzen seinen linken Arm und streckte ihn nach ihr aus.

„Hey – lass das. Weder Deine Schulter noch die Nähte halten das aus.“

„Lisa – es tut mir so unendlich leid, was ich Dir angetan habe. Ich bereue es bitterlich – bitte glaub mir das.“

Sie nahm nun zwar seine Hand, drückte sie jedoch sanft wieder auf die Matratze zurück, rollte sich von ihm weg und setzte sich mit dem Rücken zu ihm auf ihre Seite des Bettes.

„Ich weiß, dass es Dir leidtut, Du hast es mir wohl Hundert Mal in jener Nacht gesagt.“ Und leiser fügte sie hinzu „Ich höre es noch heute.“

„Wenn ich irgendetwas tun könnte, es ungeschehen zu machen – ich würde es tun – alles.“

Ohne sich umzudrehen antwortete sie „Das ist der Grund, warum Du den Kontakt zugelassen hast oder? Das und kein anderer?“

„Bitte – sieh mich wieder an.“

Es herrschte eine Weile Schweigen, dann stand Lisa auf, ging ins Bad und kehrte mit einem Glas zurück. „Meine Bereitschaft dieses Gespräch fortzusetzen gegen Deine, etwas gegen die Schmerzen zu nehmen.“

Ihre Blicke trafen sich. Sie fügte hinzu „Es ist kein Schlafmittel – Ehrenwort.“ Sie hielt ihm das Glas an die Lippen und er trank.

Sie setzte sich zu ihm und sah ihn erwartungsvoll an.

„Als ich von Mariella hörte, dass Du mich sehen wolltest, da dachte ich, das sei so ein Dreh der Psychologen. Dem Opfer Gelegenheit geben, dem Peiniger die Meinung zu sagen. Ich dachte, das sei das Mindeste, was ich tun könnte. Mir das anzuhören, was Du zu sagen hattest.“

Lisa krauste zwar die Stirn, sagte aber nichts.

So fuhr er fort „Doch Du wolltest nicht einfach Dampf ablassen – Du wolltest Antworten. Von Dir ging so wenig Hass oder Aggression aus… Meine Schuld lastete doppelt auf mir und ich hatte das Gefühl, ich sei es nicht wert, dass Du Dir überhaupt Gedanken um mich machst. Doch hast mir Nathan auf den Leib gehetzt, mich zur OP überredet, meine Reha begleitet, mir Ziele gegeben und den Kontakt zu mir gehalten. Du hast mir den Kontakt zu meinem Sohn gewährt und meine Mutter gerettet…“ Seine rechte Hand war es jetzt, die nach ihrer tastete. Sie schob ihre in die seine und sah mit gesenktem Kopf auf ihre verschränkten Hände.

„Lisa…“ So weich hatte seine Stimme noch nie geklungen „Das Schuldgefühl war zweifellos da, aber es kam erst später hinzu, ein anderes Gefühl war schon lange vorher da gewesen.“ Er drückte leicht ihre Hand und unwillkürlich durchfuhr ihn ein Zittern. „Lisa – ich habe keinerlei Recht es Dir zu sagen – aber wie Du so oft sagst, wir tun so viel entgegen dem, was alle von uns erwarten… Lisa – ich liebe Dich – und das schon sehr lange. Anfangs in den Kerima-Zeiten habe ich es nicht ganz begriffen, aber es wurde mir schnell klar.“

„Warum hast Du nie etwas gesagt?“ Ihre Stimme war so brüchig, dass er Mühe hatte, sie zu verstehen.

„Bei Kerima? Da hattest Du nur Augen für David – bis auf Deine Episode mit diesem Lockenköpfchen… Und später – hatte ich kein Recht und habe es immer noch nicht.“

Er betrachtete ihren gesenkten Kopf und wartete.

Endlich wandte sie den Blick wieder zu ihm „Warum jetzt – warum sagst Du es mir jetzt – auch wenn Du alles andere nicht getan hast – die Vergewaltigung bleibt.“

„Das ist wahr. Aber in letzter Zeit… Lisa – ich weiß nicht, ob ich mir da was einbilde – aber ich glaube, ich bin Dir nicht ganz gleichgültig. Wenn es nur das ist, dass Du es mir ermöglichst Mattys Vater zu sein, so werde ich dies akzeptieren und mit Freude meine Rolle ausfüllen – wenn da aber mehr sein sollte, so möchte ich Dir einen Vorschlag machen…“

„Einen Vorschlag? Was denn für einen Vorschlag?“

„Lisa – lass uns heiraten.“

Sie zuckte zusammen und ihr Mund öffnete sich leicht.

Er sprach schnell weiter „Nicht nur, um Matty einen richtigen Vater zu geben… Ich möchte für Euch sorgen. Ich möchte für Euch da sein. Lisa – für mich wird es keine andere Frau mehr geben. Ich weiß, dass ich immer noch der bin, der ich war. Ich kann meine Gefühle schlecht zeigen, ich habe oft zu wenig Mitgefühl, bin oft zu ungeduldig, zu launisch – ich weiß das. Aber Lisa – ich versuche mich zu ändern. Aus mir wird nie ein guter Mensch – aber für Dich würde ich versuchen so gut zu werden, wie ich nur kann. Mach aus mir einen besseren Mann Lisa – nur Du kannst es.“

Lisa sah ihn offen an und es dauerte eine Weile, bis sie antwortete „Richard – das ist sehr… schmeichelhaft, was Du da sagst, aber ich weiß nicht einmal, ob ich je in der Lage sein werde eine normale Beziehung zu haben – geschweige denn eine mit Dir…“

„Schau auf unsere Hände.“ Noch zärtlicher, noch wärmer konnte seine Stimme nicht sein „Das war vor ein paar Wochen undenkbar. Lisa – ich werde Dich zu nichts drängen – und wenn unsere Beziehung platonisch bleibt, soll es mir auch recht sein. Du bist mir wichtig. Nur Du.“

Lisa ließ seine Hand los, erhob sich abrupt, drehte sich um und lief – fast blind vor Tränen - aus dem Zimmer. 

Richard sah ihr noch lange nach. Er drückte seinen Kopf wieder in die Kissen, verfluchte seine Unfähigkeit aufzustehen und sie zu suchen und fragte sich verzweifelt, ob er zu früh gesprochen hatte – oder ob er überhaupt je davon hatte sprechen sollen.

 

 
 
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