Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 049
 

KAPITEL 49  - Ein Kaninchen Namens Flipper

 

Danach gab es Glückwünsche von allen Seiten und der Pfarrer sprach seinen Segen. 

Lisa bat alle zu Tisch – da es nachmittags war, aber einige nicht zu Mittag gegessen hatten, bot sie ihren Gästen ein buntes Allerlei.

Da Richard noch nicht fähig war selbst das Besteck zu führen und Lisa ihm bestimmt nicht vor versammelter Mannschaft zumuten wollte, gefüttert zu werden, saß er nur mit am Tisch und bot allen den Anschein höflicher Gastgeberschaft.

Jeder am Tisch wusste um seinen Zustand, so dass Niemand verblüfft war, dass Lisa nach dem Essen sagte „Kaffee und Eis gibt es gleich im Wohnzimmer“, sie grinste Richard an „ich seh nur eben zu, dass ich meinen Mann ins Bett stecke.“

Zum einen war es abgemacht, dass er nach dem Essen wieder das Bett hüten sollte und zum anderen begriff Richard in diesem Moment, dass die Unruhe, die Lisa während des Essens ausgestrahlt hatte, ihm gegolten hatte. Er lächelte ihr zu, warf jedoch ein „Einen Moment noch bitte.“ Er nickte Joshua zu, der – wie die anderen Leibwächter – mit gegessen hatte, dieser ging rasch hinaus und Richard fuhr fort „Ich hab meine Mutter gebeten, etwas aus Berlin mitzubringen.“

Sophie lächelte ein wenig säuerlich „Was man als Mutter nicht alles tut…“

Joshua kam wieder ins Zimmer und Lisa begann zu lachen und zu weinen zugleich – auf dem Arm hielt er das größte und fetteste Kaninchen, das sie je gesehen hatte. Richard hatte daran gedacht…

Mattias stand wie vom Donner gerührt da und starrte das hellbraune Fellbündel an, dessen lange Schlappohren seitlich herunterhingen und dessen Nase emsig die Luft einschnüffelte.

Er sah vom Kaninchen, zu Joshua, zu Sophie und zu Richard „Ein Kaninchen!“

„Dein Kaninchen!“ sagte Richard leise.

Joshua ging auf Mattias zu und hielt ihm den Widder hin. Ehrfurchtsvoll übernahm das Kind das Tier und schlang die Arme um das weiche warme Geschöpf.

„Es gehört mir?“ Er ging zu seinem Vater und starrte ihn ungläubig an.

„Dir ganz alleine. Draußen ist auch noch ein Käfig. Joshua kann ihn nachher in Dein Zimmer bringen. Dein Großmutter hat ihn extra aus Berlin mitgebracht.“

Was nun geschah, machte selbst Sophie sprachlos. Mattias drückte Lisa kurz entschlossen den Mümmelmann in die Arme, die gänzlich verdattert gehorsam übernahm, dann umarmte Matty ganz vorsichtig seinen Vater, ließ ihn aber rasch wieder los und ging zu Sophie, die – wie die anderen – noch saß. „Danke schön“ – und ehe sie es sich versah warf er die Arme um sie und drückte sie kräftig.

Einen Augenblick dachte Lisa, Sophie würde das Kind abweisen, aber dann nahm sie ihn in die Arme und drückte ihn „gerne geschehen.“

Matty war blitzschnell wieder bei Lisa und nahm sein Eigentum wieder an sich. Lisa war sich sicher – nichts und Niemand würde ihn heute von dem Tier trennen können. Während nacheinander alle ins Wohnzimmer abmarschierten, konnte Lisa noch ihren Sohn hören „Siehst Du Eric – das ist ein Kaninchen! Onkel Nathan – hat der nicht lange Ohren? Tante Mariella – willst Du ihn auch mal halten?“

Lisa, Richard, Joshua und Joseph blieben zurück.

Lisa wandte sich an Richard und umarmte ihn „Das war… Du bist… Matty ist…“

Richard küsste ihre Schläfe „ich fand, es war Zeit, dass er endlich seinen Nager bekommt!“

Er schob sie auf Armeslänge von sich und lächelte sie an „So – und nun seht zu, dass ihr mich wieder nach oben kriegt – unsere Gäste warten auf Dich!“

Die beiden Jungs trugen ihn wieder nach oben, Lisa machte rasch ein Tablett in der Küche fertig und  ging langsam hinterher. Sie begegnete den beiden, als sie schon wieder auf dem Weg nach unten waren.

Richard stand noch am Fenster und sah hinaus. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie denken können, dass er mit seiner eigenen Rührung kämpfte. Lisa stellte das Tablett ab, trat dann vor ihn und zog die Schlaufen des Morgenmantels auf. Er kam ihr den Schritt entgegen und zog sie sachte an sich „Nur einen Moment“, murmelte er.

Einige Augenblicke später war Lisa es, die die Umarmung beendete und ihm den Morgenmantel von den Schultern schob. Jetzt ergriff sie wirklich seine Hand und zog ihn zum Bett. Er streifte sich die Schuhe von den Füßen und legte sich mit ihrer Hilfe hin „Oh – das tut gut.“

Lisa zog die Bettdecke hoch, setzte sich und ergriff Teller und Gabel  „Tut mir leid, dass Du eben zusehen musstest…“

„Mir nicht. War schon froh, dass ich aufstehen konnte… durfte… wie auch immer. Du musst wieder runter – sie warten auf Dich.“

„Jeder da unten weiß, wo ich bin.“ Sie präsentierte ihm eine Gabel voll und lächelte „ich kümmere mich um meinen Mann…“

Er stockte kurz beim Kauen bei diesen Worten und lächelte dann zurück.

Nachdem er gegessen hatte, ging Lisa ins Bad und kam mit Glas zurück.

„Was zum Schlafen? Brauche ich nicht – danke.“

„Anweisung von Nathan.“

„Der hat mir gar nichts vorzuschreiben.“

Lisa setzte sich und hielt den Kopf ein bisschen schief „Bitte von mir?“

„Das ist etwas anderes.“ Er trank.

Sie brachte das Glas weg und zog die Vorhänge zu.

„Lisa? Meinst Du, unsere Gäste können noch so lange auf Dich verzichten, bis ich eingeschlafen bin?“

Sie kam zurück zum Bett und rutschte auf ihrer Seite an ihn heran „Das müssen sie wohl…“ Lisa setzte sich und er kuschelte sich an ihre Seite.

„Kein Wunder“, murmelte er „dass Matty das so gerne macht...“

Ihre Hand glitt in seinen Nacken und ihre Finger streichelten ihn sanft.

Keiner sagte mehr etwas und Lisa war einmal mehr verwundert von seinem Verhalten. Er wurde täglich… sanfter? Zugänglicher? Sie blieb, wo sie war, bis seine tiefen, gleichmäßigen Atemzüge ihr verrieten, dass er eingeschlafen war.

 

Ihre Gäste hatten sie nicht vermisst und richtig vermutet, dass sie so lange bei Richard geblieben war.

Lisa ergriff die nächste Gelegenheit und zog Conny beiseite.

„Magst Du mal ein bisschen mit Matty sprechen? Ich mache mir ein bisschen Sorgen um ihn.“

„Wieso denn?“ Connys Blich suchte den Jungen mit dem unvermeidlichen Kaninchen auf dem Arm „er wirkt ganz unbeschwert.“

Auch Lisas Augen ruhten auf Matthias „Aber er hat Nachts Angst. Ich muss ein Licht brennen lassen. Er kommt jetzt ab und an nachts in mein Bett – und wir müssen jeden Abend Mariella anrufen, ob es ihr gut geht… Er ist auch viel anhänglicher als sonst...“

„Ok – ich sprech mal mit ihm – obwohl – auf Kinder bin ich nicht spezialisiert... “

Sprach´s und steuerte stracks auf Mattias zu. Bald sah Lisa die beiden in einem angeregten Gespräch vertieft.

Lisa sah von den beiden zu den anderen und fing Mariellas Blick ein, die ihr zuwinkte und ihren Rollstuhl in eine ruhige Ecke des großen Zimmers schob. Lisa ging zu ihr, trat hinter ihren fahrbaren Untersatz, beugte sich nach vorne und umarmte ihre Freundin von hinten. Mariella zog Lisas Arme um sich und legte ihre Wange an die Lisas.

„Was macht der Bräutigam?“

„Schläft.“

„Wer´s glaubt.“

„Ne wirklich“, Lisa kicherte „Dank Schlafpulver schläft er definitiv.“

Mariella blickte seitlich zu ihr hoch „Er nimmt Schlafpulver? Es muss ihm sehr schlecht gehen...“

„Eigentlich geht es ihm viel besser als erwartet – aber ich hab ihn gebeten, etwas zu nehmen.“

„Oh – ich verstehe...“

„Und – wie geht es bei Euch zuhause?“

Mariella schien kurz zu zögern, dann sagte sie rasch – für Lisas Geschmack etwas zu rasch „Alles bestens. David erholt sich und darf bald zumindest ein bisschen aufstehen. Lisbeth ist ein Schatz – ich liebe sie.“

„Und was hast Du mir jetzt nicht erzählt?“

Mariella drückte Lisas Hand „Gar nichts Süße – alles paletti – ich knacke halt noch an meiner Behinderung...“

Lisa bohrte nicht weiter nach - konnten die in dieser  Familie nicht einfach sagen, was los war? Natürlich war es für Mariella nicht leicht mit ihrer Behinderung zurecht zu kommen – aber Lisa hätte ihr letztes Hemd verwettet – das war es nicht, was sie so niedergeschlagen machte... Nathan hatte ihr erzählt, dass es David und Lisbeth wirklich immer besser ging - das war es also auch nicht... Lisa beschloss in den nächsten Tagen anzurufen oder vorbei zu fahren.

Conny trat mit Matty näher und lächelte Lisa beruhigend zu. Während Matty sein Haustier großmütig Mariella auf den Schoß setzte, sprach Conny leise „Ich glaube, Du solltest Dir nicht zu viele Sorgen machen. Der Junge ist ein zäher kleiner Bursche. Er hat wohl mitbekommen, dass alle in Gefahr waren – besonders Mariella – aber er hat auch hier die Sicherheit, die ihr ihm gebt.“ Sie lachte leise „Ich höre dauernd von ihm Papa-hat-dies-gesagt, Papa-hat-das-gesagt – tut mir leid Richard in Vaterrolle ist schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig.“

Lisa sah sie ernst an „Bitte – gib ihm eine Chance. Es würde Richard viel bedeuten, wenn der Kontakt mit Nathan und Dir wieder intensiver werden würde.“

Conny nickte langsam „Lass mir ein bisschen Zeit – ja? Was Nathan anbetrifft – der ist heilfroh, dass er wieder mit seinem Richie frotzeln kann...“

Und wenn man von Teufel spricht – Nathan kam näher geschlendert „Muss ich noch mal nach ihm sehen?“

Lisa grinste „Nur, wenn Du ihm beim Schlafen zusehen willst...“

Matty  hielt ihm das Kaninchen unter die Nase. Es war wirklich ein arg liebes Ding – ließ sich die ganze Zeit herumschleppen.

„Na Kumpel – wie heißt denn Dein neuer Freund?“

„Flipper!“

Mariella lachte „Flipper ist doch ein Delphin...“

Mattias bekam einen stoischen Gesichtsausdruck und die Ähnlichkeit mit Richard war plötzlich frappierend „Er heißt Flipper!“

„Warum denn?“ fragte Conny.

Mattias schob die Unterlippe zwischen die Zähne. „Ich mag Flipper gucken – die hilft immer und ist immer dabei.“

Dann kam eine Einmischung von gänzlich unerwarteter Seite „ich finde Flipper passt ganz hervorragend.“ Sophie war an den Rollstuhl ihrer Tochter getreten.

Matty strahlte sie an „Findest Du wirklich?“

„Aber ja – und ich sag Dir auch warum.“ Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Seitengriff des Stuhls und beugte sich vor „Dein Kaninchen ist fast so groß wie ein Delphin – ein kleiner Delphin – aber ein Delphin – und es ist mindestens genau so klug – da bin ich sicher.“
Mattias streichelte andächtig das Fell und Sophie fuhr fort „Kaninchen bringen dem Glück, der sie besitzt und sie beschützen ihre Besitzer. Und wenn man traurig ist, kann man sie – noch besser als bei einem Delphin – in den Arm nehmen und sie trösten einen.“

„Auch Nachts?“

„Aber gerade Nachts!“

Nun ging das Strahlen über Mattias ganzes Gesicht „Danke, dass Du ihn mir mitgebracht hast!“

„Weißt Du – er wollte mit.“

Matty – das Kaninchen natürlich immer noch auf dem Arm ging zutraulich näher an Sophie heran „Soll ich Dir mein Zimmer zeigen?“

Lisa sah ihn überrascht an – DAS war ein großes Lob an Sophie – sein Zimmer zeigte er nicht jedem.

Sophie sah Lisa fragend an und Lisa nickte. Sophie ging hinter Mattias her und als sie bei Lisa war, blieb sie kurz stehen.

„Lisa – ich sag jetzt einfach Lisa – immerhin bin ich ja seit heute die böse Schwiegermutter... Kann ich kurz bei Richard reinsehen? Ich werde ihn nicht wecken...“

Die böse Schwiegermutter hatte eben mehr Wärme und Gefühl bewiesen, als ihre eigene Mutter. Und – Lisa hätte fast gelacht – konnte sie nicht sagen, dass sie sich um Richard Sorgen machte? Nein – sie sagte es durch die Blume!

„Natürlich – Matty zeigt Dir das Zimmer.“

Mattias nickte nachdrücklich dazu „Wir müssen aber ganz leise sein – ich darf Papa nicht wecken, wenn er schläft. Auch nicht lange angucken – Mama sagt ich gucke Papa immer wach – obwohl ich gar nicht weiß, wie das gehen soll!“

Sophie lachte „Das erklär ich Dir oben.“ Sie nickte Lisa zu, sagte leise „Danke“ und folgte Mattias zur Treppe.

Lisa musste sich  bemühen, ihren Mund nicht offen stehen zu lassen.

Conny murmelte säuerlich „Ein Kaninchen als Krücke – nicht gerade die beste Lösung...“

Doch – auch wenn die Sache nicht Connys Zustimmung fand – Matty hatte Sophies Betrachtung seines Kaninchens eingeleuchtet. Und so wurde aus einem schlichten Hoppelmann Mattias persönlicher kleiner Bodyguard.

 

 
 
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