Kapitel 7
Erwartungsvoll blickte Richard nun seit geraumer Zeit auf die Uhr und dachte nicht daran in seinem Büro zu verschwinden. Sehr zum Leidwesen einiger Angestellter lehnte er äußert ruhig und zufrieden beim Catering und unterhielt sich mit Agnes und jetzt mit Hugo, der für seine Verhältnisse ausgesprochen früh in der Firma war.
Agnes wurde immer unruhiger und ihr Blick schweifte öfters zu Lisas Tisch. „Die Kleine ist heute aber spät dran“, murmelte sie vor sich hin und polierte die Gläser. „Sie kommt sicher nicht vor 9“, antwortete Richard und grinste, als er Agnes mehr als erstaunten Blick sah. „Wie jetzt?“ wollte die gute Seele von Kerima wissen und musterte Richard, der sich soeben wieder Hugo zugewandt hatte. „Sie hat einen Termin, hat sie gesagt. Ich hätte heute morgen was von ihr gebraucht und sie hat mich vertröstet“, flunkerte er und verdrehte kurz die Augen. ‚Warum musst Du mit Deinem Wissen auch hausieren gehen’, dachte er bei sich und nahm einen großen Schluck Kaffee.
Als Agnes außer Hörweite war sah er Hugo gespannt an. „Und? War sie gestern beim Friseur?“ Hugo nickte mit einem verschwörerischen Lächeln. „Sie soll süß aussehen“, erzählte er weiter und beschrieb Richard kurz Lisas neue Frisur. „Gut! Was schulde ich Dir jetzt für den Friseurbesuch?“ wollte Richard wissen, doch Hugo wehrte ab. „Lass nur, das ist mir das Gesicht der Giftspritzen Wert“, meinte Hugo gelassen und sah hinüber zu Sabrina, die sich mit zwei Kolleginnen unterhielt. Er mochte Lisa. Sie war kompetent und freundlich und er hatte sie als effiziente und liebenswürdige Mitarbeiter kennen gelernt. Dass sie lange Zeit beratungsresistent war wertete er als Herausforderung und nun schien es so, als ob Lisa beschlossen hatte, ihren schützenden Panzer zu verlassen. Vor einigen Tagen war sie bei ihm gewesen und hatte sich Tipps geholt und er war ganz erstaunt über ihren recht sicheren Geschmack aber auch über die tolle Figur, die sich unter den weiten Klamotten versteckte.
„Na gut, aber Du weißt, ich hätte es schon gezahlt“, meinte Richard gerade und holte damit Hugo aus seinen Gedankengängen in die Realität zurück. „Und was ist mit der Jacke?“ „Hängt bei mir im Atelier. Tailliert geschnitten mit Gürtel und Schnalle, gefüttert aber mit herausnehmbarem Innenteil. Ideal für so einen Wochenendtrip. Und sie ist lang genug, damit Lisa eine Anzugsjacke darunter tragen kann.“ „Schön, dann ist das Outfit perfekt. Nicht, dass sie mir mit dem giftgrünen Mantel und dem komischen bunten Tuch noch die Passanten in London verschreckt“, feixte Richard und holte sich neuen Kaffee. Hugo beobachtete ihn aufmerksam, dann räusperte er sich. „Sag mal Richard, warum tust Du das für sie?“ wollte er wissen und war erstaunt, dass Richard ihn anlächelte. „Keine Ahnung. Aber wahrscheinlich tue ich das eher für mich. Schließlich will ich mich nicht mit ihr genieren müssen“, stellte er fest und stieß Hugo in die Seite, als David den Lift verließ. Erstaunt ging sein Blick zu Lisas leerem Schreibtisch. Dann sah er zum Catering und kam auf die beiden Männer zu.
„Morgen. Habt ihr eine Ahnung wo Lisa steckt?“ fragte er grantig und schenkte sich Kaffee ein. „Sie kommt später.“ „Offensichtlich“, maulte David Richard an und deutete auf Lisas Tisch. „Hat sie gesagt wann sie kommt?“ Richard betrachtete seinen Halbbruder interessiert. Dieser wirkte ziemlich unausgeschlafen und es war naheliegend dass die letzte Nacht noch feuchtfröhlich geworden war. „Sie hat Dir sicher ein Mail geschrieben oder einen Zettel. Seit Deinem letzten Anpfiff ist sie da ein wenig empfindlich.“ David schüttelte den Kopf und sah seinen Bruder genervt an. „Sie ist nicht empfindlich, sie ist seit einigen Tagen ganz komisch. Sie reagiert nicht auf ... ach egal. Na vielleicht gehe ich morgen mal mit ihr Essen. Es nervt, dass sie so distanziert ist“, grantelte er und fuhr herum, als Hugo leise lachte. „Morgen geht maximal Richard mit ihr Essen.“ „Richard? Wieso?“ fragte David verdutzt, doch dann verzog er das Gesicht. „Richtig, ihr seid ja in London“, meinte er und musterte seinen Bruder. „Habt ihr schon ein Programm?“ Richard schüttelte den Kopf. „Heute und 14 Uhr will Vater mit uns reden, dann schauen wir mal, wie viel Zeit dann für uns bleibt.“ Mit einer gebrummelten Zustimmung schlenderte David zu seinem Büro und schloss die Türe mit einem lauten Knall. „Was hat der denn?“ wunderte sich Hugo, doch dann richtete er sich ruckartig auf und starrte wie gebannt zum Lift.
Je näher der 14. Stock kam, desto aufgeregter wurde Lisa. Sie fühlte sich so fremd in ihren neuen Sachen und wusste gar nicht, wie sie damit umgehen sollte. Nachdem sie ihre Brille abgeholt hatte war sie noch einen Sprung bei Jürgen gewesen, der spontan vor ihr auf die Knie gegangen war und ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Als sie diesen dankend und lachend ablehnte, hatte ein Kunde sich mit einem breiten Grinsen vor ihr aufgebaut und sie um ein Date gebeten. Etwas, was Lisa in ihren 25 Lebensjahren überhaupt noch nie passiert war. Auch dieses Angebot hatte sie abgelehnt und es sich mit einem heißem Kakao bequem gemacht. Yvonne war nach Jürgens Anruf in den Kiosk gestürzt und völlig verdattert vor Lias stehen geblieben. Ihr ‚Du siehst einfach toll aus’ war das schönste Kompliment und Lisa strahlte seither wie ein Honigkuchenpferd. Yvonne war dann wieder in ihre Wohnung im 1. Stock verschwunden um nach Minuten mit einem halblangen schwarzen Mantel wieder zu kommen. „Mit diesem grünen Ungetüm fährst Du auf keinen Fall nach London“, hatte sie gemeint und Lisa war erstaunt, wie gut ihr der Mantel stand. Ein blaugrüner, leichter Schal vervollständigte nun das Outfit.
Wie hypnotisiert starrte Lisa auf die Anzeige des Lifts und holte tief Luft. „Auf in den Kampf“, murmelte sie leise und verließ hoch erhobenen Hauptes den Lift. Das Selbstvertrauen, das sie jetzt zeigte, spürte sie wohl nicht, aber sie wusste, dass es gescheiter war, den Kopf hoch zu halten und sicher zu wirken. Das erste was sie wahr nahm waren Hugos weit aufgerissene Augen. Anerkennend musterte er sie und hob den Daumen. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Wenn Hugo Haas mit ihrem Outfit zufrieden war, dann konnte es nicht so schlimm sein. Gut gelaunt stellte sie ihren Koffer neben den Schreibtisch und zog sich Yvonnes Mantel aus. Richard, der sie die ganz Zeit eindringlich beobachtet hatte, grinste leicht, als er das weiße Hemd zu der schwarzen Jeans sah. Lisa spürte seinen Blick und drehte sich zum Catering. Sie lächelte leicht, dann ging sie ganz langsam hinüber. Immer darauf bedacht nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern und den Eindruck der neuen Lisa gleich kaputt zu machen.
Richard rutschte vom Hocker und sah sie wohlwollend an. „Hab doch gleich gesagt, dass das Hemd besser dazu passt“, meinte er und bedeutete Lisa, sich umzudrehen. Das Geschnatter von Sabrina und ihren Lästerschwestern war erstorben und alle drei musterten Lisa fassungslos. „Die hat jetzt halb der Schlag getroffen“, meinte Hugo und zupfte an Lisas deutlich kürzeren Haaren. „Die Brille sieht toll aus. Ohne Rand passt ihnen sehr gut“, stellte er fest und griff nach Lisas Kinn. „Hm, das Make-up ist noch nicht perfekt, aber schon sehr gut“, lobte er weiter. Dann zwinkerte er ihr zu und wollte gehen. Lisa hielt ihn jedoch zurück und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Wange. „Danke für den Friseurtermin, aber ... also ich kann das nicht annehmen. Das mit dem Geld“, meinte sie ganz leise. „Doch, können Sie. War mir eine Freude“, meinte Hugo und entfernte sich schnell. Er sah seinen Ruf als hypernervöser, egoistischer und ausgeflippter Designer in Gefahr, wenn er sich allzu menschlich gab.
Lisa errötete heftig und drehte sich zu Richard. „Darf ich so mit nach London?“ lächelte sie ihn und wunderte sich, dass er sie nur ansah. „Sicher, aber ich hätte sie auch im alten Look mitnehmen müssen.“ Mit einem breiten Lächeln sah sie ihn an. „Super, dann kann ich ja nach Hause und mich wieder in meine alten Sachen werfen“, neckte sie ihn und lachte auf, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Er drohte ihr mit erhobenem Finger und schüttelte den Kopf. „Nicht so frech, liebste Frau Plenske. Die nächsten Tage sind sie mir sozusagen ausgeliefert, also treiben sie es mit ihren Scherzen bzw. Drohungen nicht zu weit.“ Obwohl die Worte einschüchternd klangen nahm sein breites Grinsen ihnen die Schärfe. Sie wusste, dass er sie nur neckte und schüttelte gespielt zerknirscht den Kopf. „Na gut, dann halt nicht“, gab sie nach und angelte nach ihrem Kaffeebecher.
Schnell holte sie sich einen Kaffee und prallte in ihrer Eile gegen Agnes, die sie überrascht ansah. „Wow. Lisa! Du siehst richtig gut aus .... also wirklich richtig gut“, meinte sie und drückte Lisa einen Kuss auf die Wange. „Der ist dafür, dass Du Dich getraut hast, Dein Outfit zu ändern und ein bisschen bei den Haaren und der Brille nachzuhelfen. Lisa errötete prompt und umarmte Agnes stürmisch. „Es fühlt sich gut an, obwohl ...“ Sie zeigte auf ihr Herz. „Da drinnen ist alles noch beim alten. Vielleicht wird das mit der Zeit.“ Agnes strich ihr über die Wange und nickte nur. „Das wird schon“, tröstete sie Lisa und deutete Richtung Davids Büro. „Er ist übrigens schon da und hat ziemlich bescheidene Laune, wenn ich das richtig gehört habe.“ Lisa seufzte, dann zuckte sie mit den Schultern. „Da kann ich ihm leider nicht helfen. Die Launen meines Chefs gehören absolut nicht zu meinem Aufgabengebiet“, lächelte sie ein wenig wehmütig und beeilte sich, auf ihren Platz zu kommen.
„Meine Damen! Mund zu und ab zur Arbeit. Habt ihr noch nie eine wunderschöne Frau gesehen?“ fuhr Richard die kleine Gruppen an Frauen an, die sich mittlerweile vor seinem Büro um Sabrina scharte. „Hast Du das gesehen?“ wollte Sabrina wissen und sah ihn entgeistert an. „Sie sieht so anders aus. Woher kann sie sich denn auf einmal die neuen Klamotten leisten? Hat sie einen gefunden, der sie sich umstylen hat lassen?“ fuhr sie gehässig fort, bekam jedoch von den anderen Frauen keine Antwort. Viele von ihnen mochten Lisa und ihr neues Äußeres war einfach toll, was sie auch neidlos zugaben. Außerdem verhinderte der Gesichtsausdruck von Richard von Brahmberg jede weitere Aussage. Er fixierte Sabrina mit einem kalten Lächeln und so entfernten sich alle schnellstens zu ihrem Arbeitsplatz. Sabrina sah noch immer Lisa an und schüttelte den Kopf. „Na wenn die Planschkuh glaubt, dass ihr das hilft“, grantelte sie und drehte sich zu Richard um, der noch immer dastand und Sabrina beobachtete. ‚Sie ist nicht nur eine hohle Nuss, sie ist auch gehässig und bösartig’, schoss es ihm durch den Kopf. „Jetzt sag was Richard“, meinte Sabrina und sah ihn fragend an.
„Na gut, für Dich kann es Dir ja nur Recht sein. Musst nicht mit so einer Vogelscheuche durch London laufen. Aber wer weiß, was sich in dem großen Koffer verbirgt. Wahrscheinlich Liebestöter, Baumwoll-BHs und die ganzen Klamotten, mit denen sie uns sonst quält.“ Nach Zustimmung heischend sah sie Richard an, der den Kopf schüttelte. „Kann sein“, meinte er, doch konnte er ein feines Lächeln nicht unterdrücken. „Vielleicht aber auch ein schwarzer Hosenanzug, ein blaues Ballkleid, einige enge und damit figurbetonende Pullover, eine ausgewaschene Jeans mit passenden Sweatshirts und ... nicht zu vergessen ... vielleicht auch Spitzendessous in verschiedenen Farben.“ Ernst sah er Sabrina an, die kurz nachdachte, dann aber in schallendes Gelächter ausbrach. „Du spinnst Richard, die weiß doch nicht mal wie man Dessous schreibt, geschweige denn, wird sie welche tragen.“ Richard zog nur seine Augenbraue nach oben und verschwand mit einem wissenden Lächeln in seinem Büro. Sabrina blickte noch eine Weile auf die geschlossene Türe, dann schüttelte sie energisch den Kopf. „Nie und nimmer passt die Plantsche in so richtig aufreizende Wäsche. Nie und nimmer nicht“, murmelte sie und begann mit hektischen Bewegungen die Post zu öffnen.
Mit einem seeligen Lächeln bearbeitete Lisa die Post und musste sich eingestehen, dass die Reaktionen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sie stolz machten. Immer wieder kamen KollegInnen zu ihr, um ihr zum neuen Styling zu gratulieren. ‚Wie dumm, sich darüber so zu freuen’, mahnte sie sich immer wieder, aber sie konnte einfach nicht andern. Allein Sabrinas Gesichtsausdruck war göttlich gewesen, aber auch das Blitzen in Richards Augen hatte ihr eine gewissen Befriedigung verschafft. Nur die Begegnung mit David zögerte sie so lange wie möglich hinaus, aber lange würde sie es nicht mehr aushalten. Außerdem wartete er auf die Post und sie hatte heute noch einiges zu tun, bevor sie so gegen 16 Uhr abfahren würden.
Erschrocken fuhr sie herum, als sich Davids Türe öffnete. Mit einigen Schriftstücken in der Hand stand David da und sah nur kurz auf. „Lisa, kommst Du bitte. Ich möchte mir die Post durchsehen und da gibt es noch einiges zu besprechen. Du bist ja morgen nicht da und ich habe einen Mittagstermin mit Massimo Bretane und seiner Tochter.“ Noch bevor sie antworten konnte hatte er die Tür wieder geschlossen. Verwirrt drehte sie sich zu ihrem Tisch um und presste die Lippen aufeinander. „Er hat es nicht einmal gemerkt“, flüsterte sie und versuchte krampfhaft ihre Tränen zurückzuhalten. ‚Du bist ihm egal, warum sollte sich das gerade jetzt ändern. Und vor allem, willst Du denn, dass er jetzt auf Dich reagiert, weil Du halbwegs so aussiehst, wie er sich eine Frau vorstellt?’ Ihre innere Stimme tobte vor sich hin und Lisa fiel es unendlich schwer aufzustehen, um zu ihm ins Büro zu gehen. Sie atmete noch einige Male tief durch, dann trat sie ein und reichte David die Post.
Dieser hatte sich mittlerweile wieder gefangen und wagte es, Lisa genauer zu mustern. Allein ein Blick auf ihr neues Aussehen hatte genügt, um ihn endgültig aus der Bahn zu werfen. Allein der Gedanke, dass sie alleine mit Richard in London sein würde, machte ihn seit Tagen ein wenig unruhig. Aber dann noch in diesem Aufzug. Er nahm Lisa die Post ab und deutete auf den Sessel. „Setzt Dich, es wird ein wenig länger dauern“, murmelte er und versuchte, sich auf die Post zu konzentrieren. Schnell arbeitete er sie durch und räusperte sich, als er sie wieder zurückgab. „Bretane hat sich für 13 Uhr angemeldet. Ich treffe ihn und seine Tochter im Wolfhardts. Kannst Du bitte einen Tisch reservieren?“ Als keine Antwort kam hob er den Kopf und sein Blick blieb in ihrem hängen. ‚Mein Gott! Wie schön sie ist’, dachte er verwirrt und ließ seinen Blick über ihre Gestalt wandern. Das weiße Hemd ließ keinen Zweifel daran, dass darunter eine extrem gute Figur versteckt war. Der Schnitt war einfach, aber raffiniert und David fragte sich, ob sie darunter Spitzenwäsche trug.
‚Seidel, was soll das? Sie ist eine tolle Mitarbeiterin und sie ist so etwas wie eine Freundin. Also lass es.’ Er schlug die Augen nieder und musste hart schlucken. Lisas Aufzug war nicht dazu geeignet, seine Konzentration zu stärken. Vor allem die zarte Brille und die nun etwas kürzeren, dafür aber gewellten Haare hatten es ihm angetan. Er mochte ihre Augen, aber durch die neue Brille wurden sie extrem betont und erschienen ihm noch viel größer als normal.
Lisa beobachtete ihren Chef und fragte sich, woran er dachte. Er wirkte fahrig und war definitiv nicht bei der Sache. „David? Also, wenn Du jetzt doch nicht weiterarbeiten willst, dann gehe ich wieder. Es ist noch einiges zu tun. Um 14 Uhr haben wir – also Richard und ich – einen Termin bei Deinem Vater und Richard möchte um 16 Uhr gehen. David sah auf und wieder trafen sich ihre Blicke. „Das hier sollten wir noch besprechen, dann passt es schon“, murmelte er und legte Lisa einige Vertragskopien vor. Konzentriert sah sie sich die angezeichneten Stellen durch und gab David damit Gelegenheit, sie in Ruhe betrachten zu können. ‚Wenn ich ihr jetzt ein Kompliment mache, wird sie denken, dass ich nur auf ihr Äußeres fixiert bin’, überlegte er. ‚Und hätte damit zum Teil auch Recht“, maulte eine leise Stimme in seinem Hinterkopf, die er so weit wie möglich ignorierte. ‚Wenn ich jetzt nichts sage, dann kränkt sie sich und glaubt, dass ich es entweder nicht wahrnehme oder es mir nicht gefällt, oder – was noch schlimmer ist -, dass es mir egal ist.’ Selten war er so unsicher gewesen, wie er sich einer Frau gegenüber verhalten sollten, doch dann legte sich ein Lächeln auf seine Lippen.
Er hielt sich noch etwas zurück und erst nachdem sie die Gegenvorschläge für den Vertrag und die anfallenden Arbeiten für Freitag und den Beginn der Woche besprochen hatten, stand er auf. Langsam zog er Lisa aus dem Stuhl und drehte sie herum. „Du weißt, dass ich Dich sehr mag – auch wenn ich das zu meiner Schande nicht immer zugeben kann – und ich hoffe, Du weißt wie sehr ich Dich als Mensch schätze, begann er und sah Lisa fest in die Augen. Diese erwiderte nichts, sah ihn nur fragend an. „Aber diese Typveränderung haut mich einfach um. Du bist schön, einfach wunderschön“, meinte er und hob Lisas Hand an seine Lippen. Ganz leicht berührten sie ihren Handrücken und ein warmes Gefühl breitete sich in Lisa aus. ‚Es gefällt ihm also doch’, jubilierte sie innerlich, dann riss sie sich zusammen. „Schön, dass es Dir gefällt“, meinte sie so ruhig wie möglich und suchte seinen Blick. Er lächelte sie an und hob langsam die Hand um sie auf ihre Wange zu legen. „Lisa, was immer Dich dazu bewogen hat – und ich hoffe sehr, dass es nicht mein dämlicher Bruder mit seinen bescheuerten Drohungen war – es steht Dir gut, wirklich gut.“
Lisa errötete und hob die Schultern. „Es war an der Zeit einige Dinge zu ändern. London ist eine gute Gelegenheit.“ David nickte, seine Hand lag noch immer auf ihrer Wange und sanft streichelte sein Daumen über ihre Haut. „Pass mir ja auf, dass Du Dir die Männer vom Leib hältst. So wie Du aussiehst, werden sie bald Schlange stehen“, murmelte er dann zog er langsam die Hand zurück und fuhr sanft über ihren Oberarm. „Eigentlich unfair, dass Richard jetzt einige Tage ganz alleine das Vergnügung hat, Dich ansehen zu können“, scherzte er und zwinkerte Lisa zu, die prompt die Augen niederschlug und errötete. Dann wurde sein Gesicht ernst. „Lisa, sei bitte vorsichtig mit ihm. Auch wenn er nett tut, mein Bruder ist manchmal launenhaft und unberechenbar. Seine Stimmungsumschwünge können sehr abrupt kommen. Diese Erfahrung haben schon viele gemacht.“