Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 38
 

Kapitel 38

„Wir sollten etwas essen. Mit knurrendem Magen bin ich ausgesprochen unleidlich“, meinte Richard bestimmt und schob Sarah in Richtung Esstisch, wo er einige Teller mit kalten Braten, Käse und Gemüse abgestellt hatte. Verwirrt sah Sarah ihm nach und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Richards Kuss hatte sie überrascht, aber sie fühlte sich wie auf Wolke 7. Er hatte Recht. An mangelnder sexueller Anziehungskraft war ihre Beziehung wirklich nicht gescheitert.

„Also was ist?“ knurrte Richard und deutete auf einen der Stühle des Esstisches. „Willst Du im Stehen essen oder ist Dir der Appetit vergangen?“ Verstohlen musterte er sie und wunderte sich, welch großen Einfluss sie noch immer auf ihn hatte. Eine Geste, ein Wort bzw. ein Blick von ihr schaffte es, ihn völlig aus der Bahn zu werfen. Ein Zustand, den er nicht akzeptieren wollte, der aber Tatsache war. ‚Ganz dumme Idee sie zu küssen’, schimpfte er in sich hinein und widmete seine Aufmerksamkeit den Köstlichkeiten, die seine Haushälterin vorbereitet hatte. Er sah auf, als sich Sarah genau gegenüber setzte und hielt kurz inne. „Nimm nur, es ist mehr als genug da. Sonst muss ich bis Ende nächster Woche Reste essen“, forderte er sie auf und wich ihrem Blick aus.

Sarah starrte kurz auf ihren Teller, dann holte sie verzweifelt Luft. „Du hast 3 Fragen an mich?“ Ihre Stimme war leise, aber Richard konnte die Nervosität hören. Er hob den Kopf und sah sie forschend an. „Wundert Dich das?“ Sarah schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Frag lieber, ich bin schon nervös genug.“ Richard lehnte sich zurück. „O.k! Dann halt gleich der direkte Weg. Warum bist Du damals wirklich gegangen? Warum hast Du mir nicht genug vertraut um mir die Wahrheit zu sagen und ...“ Richard holte tief Luft und musterte sie genau. „Ist Philipp mein Sohn?“

Sarah hielt seinem Blick stand und zuckte auch bei der letzten Frage nicht zusammen, wie Richard sehr wohl registrierte. Sie schloss kurz die Augen und ein schmerzlicher Zug erschien um ihren Mund. „Ich habe versucht, den für uns einfachsten Weg zu gehen“, murmelte sie und griff nach der großen Stoffserviette vor ihr. „Aber es hat wohl keinen ‚einfachen Weg’ gegeben. Ich war nur zu jung um das zu begreifen“, fuhr sie fort. Eine Weile beschäftige sie sich mit der Serviette und ignorierte Richards fragenden Blick, dann jedoch hob sie den Kopf und sah ihn wieder an. „Meine Eltern waren finanziell am Ende. Vater hatte wahnsinnig viel Geld verspielt und schon einige Ländereien verkauft. Mutter hat mich bei einem unserer Treffen um eine Unterredung im Familienkreis gebeten und auch, dass ich Dir nichts davon sage. Du weißt ja, dass sie dich nicht wirklich leiden konnte. Du warst ihr zu herrisch und zu direkt und hattest ihrer Meinung nach einen schlechte Einfluss auf mich.“

Richard musste gegen seinen Willen grinsen. Seine Begegnungen mit Lady Derwood waren immer nur sehr kurz gewesen, aber es hatte gereicht um eine tiefe Abneigung entstehen zu lassen. Ihre aufgesetzte aristokratische Art hatte ihn wahnsinnig gereizt und er hatte ihr gegenüber einige Male durchblicken lassen, wie wenig er von diesem sehr typisch englischen Machtgefüge hielt. Dass Sarah die Dinge sehr ähnlich wie er sah war Lady Helen suspekt gewesen und sie hatte befürchtet, dass ihre Tochter ihr völlig entgleiten würde, wenn sie noch länger mit dem ‚dahergelaufenen Deutschen’ – wie sie Richard zu nennen pflegte – zusammen bliebe. „Wenn das normale Leben ein schlechter Einfluss für Dich war, dann entschuldige ich mich“, warf Richard ein und räusperte sich. „Du sagtest Familientreffen?“

Sarah wirkte auf einmal sehr traurig und mit den Gedanken weit weg. „Ja, Geoffrey und mein Vater waren sehr aufgeregt und es dauerte ein wenig bis ich damals verstanden habe, wie ernst die Situation für den Derwood-Besitz war. Ich war so naiv und habe gedacht, dass sie nur mein Einverständnis haben wollen, dass sie Ländereien verkaufen, aber dann ... also es hat ein wenig gedauert bis Vater auf Charles Stevensen zu sprechen kam. Ich hab ihn natürlich gekannt, von Empfängen und diversen Veranstaltungen, aber so richtig wahrgenommen habe ich ihn nicht. Er war in meinen Augen ein alter Mann und so gar nicht mein Typ. Vater redete eine Weile um den heißen Brei herum und Mutter war es schließlich, die mir mitteilte, dass Charles angeboten hatte, die Familie finanziell zu unterstützen. Ich war zuerst erleichtert, aber dann hat Mutter die Bombe platzen lassen. Stevensen suchte eine junge Frau aus gutem Hause mit der er eine Familie gründen konnte. Und sie hatten ihm mehr oder minder fest zugesagt, dass ich ihn heiraten würde.“

Richard zog die Augenbraue hoch und sah Sarah verwirrt an. „Sie haben ihm zugesagt? Ohne mit Dir zu sprechen?“ vergewisserte er sich und atmete tief durch, als Sarah nickte. „Ich hab ihnen gesagt, dass sie das vergessen könnten. Ich war mit dir glücklich und mit war völlig egal, was sie da ausverhandelt hatten.“ Nachdenklich nahm Sarah einen Schluck Rotwein. „Wir haben gestritten und ich bin nach Hause um mit Dir zu reden.“ Sie starrte vor sich hin und seufzte leise. „Du warst nicht wirklich gut drauf und hattest Dich über einen Anruf Deiner Mutter geärgert. Sie wollte, dass Du nach Berlin kommst um an einem speziellen Kerima-Event teilzunehmen. Du hast herumgeflucht und bist dann einfach gegangen.“ Richard versuchte sich zu erinnern und verdrehte die Augen. „Ja, daran kann ich mich erinnern. Ich bin dann doch nach Berlin geflogen weil ich meine Ruhe haben wollte. Aber Du … Du hast nie etwas von diesem Gespräch mit Deinen Eltern erwähnt. Warum nicht?“

„Na ja. Mir ist es nicht so gut gegangen. Ich war dauernd müde und gereizt und dann noch Deine extrem unerträgliche Laune wegen Berlin. Ich wollte abwarten, bis Du wieder in London bist. Meine Eltern hatten mir ein wenig Bedenkzeit gegeben. Also hab ich gedacht, es wäre besser zu warten. Und dann … Du warst über eine Woche weg und schon nach wenigen Tagen hat mir meine Mutter deutsche Illustrierte gezeigt, in denen Du und David als Playboys durch die Nachtclubs gezogen seid. Das hat wehgetan und … und ich habe diese Bilder einfach nicht aus dem Kopf bekommen. Du warst nicht erreichbar, immer hieß es Du bist noch nicht da oder schon weg und ich bin in London wie auf Nadeln gesessen. Meine Eltern haben jeden Tag angerufen und gefragt, ob ich mich entschieden hätte und wie ich es verantworten könnte, wenn der Familienbesitz in fremde Hände geht.“ Sarah hatte den Kopf gesenkt und zerrte an ihrer Serviette. „Ich hab Dich so gebraucht, aber Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Dann bist Du zurückgekommen und warst so nachdenklich und kühl.“

Richard nickte bestürzt. Er konnte sich gut an den Berlin-Besuch erinnern. Die Streitigkeiten wegen der Nachfolgeregelung bei Kerima und die Angst seiner Mutter, dass er bei Kerima nichts mehr zu melden habe würde, wenn er sein Studium weiterhin in London machen würde. Sie hatte darauf beharrt, dass Richard zurückkommen müsste und war ihm damit extrem auf die Nerven gegangen. Seiner Ansicht nach reichte es, wenn erstmal David in den Betrieb hineinschnupperte und mit Mariella an seiner Seite waren die von Brahmbergs ja genug vertreten. Wütend war er nach London zurückgekehrt und hatte eine in sich gekehrte und nicht sehr gesprächige Sarah vorgefunden, die ihn des öfteren nur mit große Augen gemustert hatte, aber er war einfach nicht in der Stimmung gewesen mit ihr über die Vorfälle in Berlin zu sprechen. Und dann hatte sie ihre Koffer gepackt und war gegangen.

„Wie haben Deine Eltern es geschafft Dich zu überzeugen?“ Sarah räusperte sich. „Mein Vater hat versucht sich zu erhängen. Mein Bruder hat ihn gerade noch rechtzeitig gefunden, danach war mir klar, was ich zu tun hatte. Ich … ich wollte es Dir leichter machen und hab mir gedacht wenn Du mich hasst, dann kommst Du leichter darüber hinweg. Deshalb der schnelle und kühle Abschied, die Weigerung noch einmal mit Dir zu sprechen. Charles wollte unsere Verlobung so schnell wie möglich bekannt geben, da er nach Neuseeland musste und für meine Eltern und ihren Besitz war das auch das Beste.“ Sarahs Augen war unendlich traurig, als sie Richard ansah. „Es hat so weh getan. Einfach zu gehen und die Gewissheit zu haben, dass Du mich hasst … aber es … es war aus meiner Sicht her das Richtige.“

Heftig schloss sich Richards Hand um Sarahs. „Hast Du überhaupt eine Ahnung wie weh Du mir getan hast? Wie ich mich dabei gefühlt habe? Du bist einfach gegangen, ohne mir eine Chance zu geben. Die Bilder von Dir und Stevensen als glückliche Verlobte haben mich fast umgebracht. Ich hab noch immer Erinnerungslücken vom vielen Alkohol und ich will gar nicht wissen in welchen Bars ich völlig besoffen von irgendwelchen Hockern gefallen bin. Du hättest mit mir reden müssen, zumindest hättest Du versuchen müssen es mir zu erklären.“ Richards Stimme überschlug sich fast. Die damals gefühlte Wut war wieder da und es fühlte sich gut an, ihr endlich das alles sagen zu können, was er damals nur in sich hineingefressen hatte.

Sarah presste kurz die Lippen zusammen, dann nickte sie. „Ich war einfach überfordert Richard. Der Druck war zu groß und es wurde immer schlimmer. Ich hab mich gefühlt wie in einer Mausefalle. Alle wollten was vor mir, sagten mir was zu tun war und dann … es ging mir körperlich immer schlechter, bis ich endgültig zusammengebrochen bin. Einige Tage im Krankenhaus haben mir geholfen meine Situation klarer zu sehen, aber da war es schon zu spät … viel zu spät um die Lawine noch zu stoppen.“ Ausdruckslos sah sie an ihm vorbei und fixierte einen Punkt an der Wand hinter ihm. „Du hattest eine neue Freundin, ich war verlobt, meine Eltern glücklich und die ‚Gesellschaft’ freute sich auf die Hochzeit des reichen Unternehmersohns mit einer Lady der Gesellschaft. Am liebsten wäre ich davongelaufen, aber das ließ mein Stolz nicht zu, also habe ich das Beste aus der Situation gemacht und einfach so funktioniert wie es von mir erwartet wurde.“

Richard drückte Sarahs Hand so fest, dass diese aufschrie. „Freundin? Welche Freundin?“ Langsam und vorsichtig befreite Sarah ihre Hand aus seiner Umklammerung und während sie Richards erstauntes Gesicht musterte wurde ihr heiß. „Linda … Geoffrey hat mir erzählt, dass Du mit Linda zusammen warst“, flüsterte sie und sah ihn so verzweifelt an, dass er blass wurde. Gequält lachte Richard auf. „Ich hab bis vor kurzem so die Nase voll gehabt von Frauen, dass ich sie nur für das eine gebraucht habe. So ein Scheißkerl“, fluchte er und trank einen großen Schluck von seinem Wein. „Linda war mit Dennis zusammen, wir waren gemeinsam unterwegs, aber da war nichts. Ich war von Frauen geheilt, dank Deiner Aktion.“

Sarah hing ihren Gedanken nach und wünschte sich, damals nicht so naiv gewesen zu sein. Geoffrey war immer auf der Seite der Eltern gestanden und nachdem sie erfahren hatte, dass sie schwanger war mussten die Derwoods befürchten, dass Sarah wieder zu Richard zurückging. Dass sie das nicht zulassen konnten verstand Sarah sogar, aber der Gedanke, dass ihr Bruder sie mit immer wiederkehrenden Falschmeldungen dazu gebracht hatte, ihr Vertrauen zu Richard aufzugeben tat ihr furchtbar weh. Sie starrte vor sich hin und versuchte das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bringen. Sie spürte, dass Richard sie beobachtete und fürchtete sich vor den nächsten Minuten.

Das Schweigen wurde immer länger bis Richard sich schließlich räusperte. „Du warst im Krankenhaus?“ Sarah nickte und vermied es, ihn anzusehen. „Ja, der Druck war zu groß und ich … ich brauchte eine Pause.“ „Hm, mich hat damals gewundert, wie rasch Du Stevensen geheiratet hast. Aber als ihr dann die Geburt eures Sohnes bekannt gegeben habt, war mir klar warum.“ Er betonte das ‚eures Sohnes’ und sah sie unverwandt an. Sarah errötete und hob langsam den Kopf um ihn anzusehen. „Du hast mich nicht betrogen - nicht wahr? Philipp ist mein Sohn und Stevensen wollte den Skandal vermeiden und hat ihn deshalb als den seinen akzeptiert.“ Es war eine ruhige sachliche Feststellung, aber sie brachte alle Dämme in Sarah zum Einsturz. Sie schluchzte auf und begann unkontrolliert zu zittern. „Ja, er hat gedroht, dass er das Geld zurückverlangt wenn ich mich nicht füge. Er hatte Angst sein Gesicht zu verlieren, deshalb hat er Philipp akzeptiert … aber er hat ihn nie geliebt und den Kleinen immer spüren lassen, dass er Nicola vorzog, obwohl er auch für sie nicht wirklich viel übrig hatte.“

„Ganz egal was war Du hättest es mir sagen müssen“, beharrte Richard und funkelte sie wütend an. Sarah sprang auf und warf dabei ihren Sessel um. „Glaubst Du ich weiß das nicht? Glaubst Du wirklich, dass ich auch nur an einem einzelnen Tag seit damals nicht daran erinnert werde, wie dumm ich mich verhalten habe und wie bescheuert meine Entscheidung war.“ Ihre Stimme überschlug sich und sie hielt sich krampfhaft am Tisch fest. Sie sah Richard auf sich zukommen, doch statt sie weiter anzuschreien zog er sie in seine Arme und küsste ihre Schläfe. „Es tut mir leid Sarah, aber das musste nach so vielen Jahren einfach raus“, murmelte er, während er ihr beruhigend über den Rücken strich. Sie nickte leicht und drängte sich fester an ihn. „Kannst Du mich bitte einfach nur ein bisschen halten?“ nuschelte sie gequält und ließ ihren Tränen freien Lauf.

Als sie sich ein wenig beruhigt hatte zog Richard sie ins Wohnzimmer zur Couch. Er setzte sich und deutete auf den Platz neben sich. „Erzählst Du mir von ihm? Wie ist er? So stur und störrisch wie ich oder hat er mehr von Dir?“ Unter leisem Schniefen nahm Sarah neben ihm Platz und sah ihn fest an. „Er hat viel von Dir, nicht nur äußerlich … und er schaffte es wie Du, mich in Sekunden auf die Palme zu bringen“, lachte sie leise.

 
 
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