Kapitel 20
„Lisa, sie sehen heute wieder extrem süß aus. Hätten Sie Lust, mit mir heute Abend auf einen Cocktail zu gehen?“ Auffordernd sah Max die junge Frau vor sich an und malte sich aus, wie es wohl wäre, mit Lisa zu schlafen. Ihre Jeans ließen sehr viel von den schlanken, langen Beinen erahnen und das kurze, geblümte Sweatshirt betonte ihre Figur und war der Hingucker schlechthin. Langsam wandte sich Lisa Max zu und schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir Leid, aber ich habe schon was vor“, meinte sie abwehrend und seufzte innerlich tief auf. Bereits Dienstag und Mittwoch hatte sie damit zugebracht sich Max vom Leibe zu halten und auch an diesem Tag würde es wohl nicht besser werden. „Und wie wäre es mit morgen?“ „Herr Petersen, ich habe die nächsten Tage keine Zeit. Warum probieren sie es nicht nochmal im Juni?“ schlug sie zuckersüß vor und tippte einfach weiter. ‚2010 wäre es total günstig’, setzte sie im Gedanken dazu und wartete ab, was er nun tun würde. Ihre zarten Ablehnungen hatte er bisher nicht verstanden, also hatte sie beschlossen, nun etwas deutlicher zu werden.
„Ach Süße, jetzt geben Sie nicht so an. Sie könnten es schlechter treffen, als mit mir ... ich bin ein ganz guter Unterhalter und kann mich gut auf Frauen einstellen, in jeder Lage“, säuselte er und fasste Lisa an der Schulter, um sie zu sich herumzudrehen. Lisa verdrehte die Augen und wandte sich wieder ihm zu. Stefan Merxx hatte gestern auch sein Glück versucht, aber zumindest hatte er ihr ‚Nein’ akzeptiert und sich beleidigt aber doch davongetrollt. Petersen war da schon ein härterer Brocken. „Ich habe kein Interesse, warum wollen sie das nicht verstehen?“ fuhr Lisa ihn aufgebracht an und sprang auf. „Lassen Sie mich einfach in Ruhe, das ist doch nicht zuviel verlang“, fauchte sie ihn weiter an und erstarrte, als er ihre Handgelenke umschloss und sie näher zu sich zog.
„Bist Du eigentlich schwerhörig Max? Lisas ‚Nein’ hat man bis in mein Büro gehört. Lass sie auf der Stelle los.“ Davids Stimme war leise, dafür aber schneidend und kalt. „Mein Gott, die glaubt auch, dass sie was besseres ist, seit sie sich kämmt und ein bisschen Farbe ins Gesicht schmiert“, motzte Max und schüttelte den Kopf. „So was prüdes, da erfriert man wahrscheinlich, wenn man die im Bett hat“, fügte er hinzu und sah Lisa abschätzend an. Eine heiße Röte hatte Lisas Gesicht überzogen und man konnte sehen, dass sie sich ganz weit weg wünschte. David dirigierte Max Richtung Catering, von wo aus Richard interessiert die Szene beobachtete. „Alles ist möglich Max“, meinte er noch immer gefährlich leise. „Aber wie es aussieht wirst Du das nie so genau erfahren.“ Max lachte trocken auf. „Ist ja gut, aber Mann wird es doch noch probieren dürfen. Sie reizt mich einfach. Und Du musst zugeben, dass sie ein ziemlicher Augenschmaus geworden ist.“ David drehte seinen Kopf in Lisas Richtung, die schon wieder in ihre Arbeit vertieft war. Er nickte leicht und sah Max ernst an. „Geht so, aber trotzdem. Lass die Finger von ihr oder ist der Notstand bei Deinem kleinen Freund so groß, dass Du an nichts mehr anderes denken kannst?“ Erstaunt über Davids sehr direkten Worte schüttelte Max den Kopf. „Nein, der ist gut bedient, aber so eine kleine Sahneschnitte vor der Nase kann er nicht ignorieren.“ Davids genervtes Räuspern holte ihn in die Gegenwart zurück. „Ist gut Chef, ich mache mich einfach wieder an die Arbeit und warte ein bisschen ab“, meinte er und verschwand schnell in Richtung seines Büros.
Nachdenklich sah David ihm nach, dann streifte sein Blick Richard, der ihm mit einer Tasse Kaffee zuprostete. Agnes hatte die Szene aufmerksam beobachtet und nickte ihm nun zu. Er lächelte zurück und verdrehte die Augen, bevor er in sein Büro zurückging. Bei Lisa blieb er kurz stehen und legte ihr die Hand ganz leicht auf die Schulter. „Wenn er Schwierigkeiten macht, dann sag es mir bitte“, raunte er ihr zu und ließ seinen Finger ganz langsam über ihren Oberarm wandern. Die letzten beiden Tage waren für ihn nicht einfach gewesen, aber er hatte beschlossen, Lisa ganz langsam davon zu überzeugen, dass er ein netter Kerl war. Die Holzhammermethode funktionierte sowieso nicht, wie er schon bei Merxx und Max gesehen hatte.
Richard hatte Davids Reaktion auf Max verwundert beobachtet, aber es war ihm nur Recht gewesen, dass sein Bruder eingeschritten war. Schon seit gestern juckte es Richard ziemlich in den Fingern, wenn sich Max mal wieder auf den Weg zu Lisa machte, aber noch hatte er sich zurückhalten können, was auch besser für seinen Ruf war. Lisa machte es ihm einfach, sich weiterhin in ihrer Gesellschaft wohl zu fühlen. Sie behandelte ihn freundlich, aber nie zu freundschaftlich. Da sie nach wie vor einige Arbeiten für ihn erledigte kam sie öfters in sein Büro, wo sie privat quatschten oder sich auch mal ein bisschen näher kamen. Er genoss es, Lisa im Arm zu halten und ihre Wärme zu spüren, doch beiden vermieden es tunlichst sich zu nahe zu kommen – sprich sich zu küssen. Lisa hatte das Wochenende in London sichtlich gut getan. Sie war selbstbewusster geworden oder zumindest wirkte sie so. Er schmunzelte, als er an den gestrigen Morgen dachte, an dem sie gemeinsam mit Mariella Kaffee getrunken hatten.
Mariella hatte Lisa über London ausgefragt und immer wieder hatten die beiden vor sich hingekichert. Das Gespräch war dann langsam wieder zu Kerima-Aufgaben gewandert und mit einem extrem ernsten Blick hatte Lisa Mariella gemustert. „Sag mal“, hatte sie vorsichtig begonnen und zu ihm herüber gesehen. „Wann kommt denn Marc Trojan wieder mal zu Kerima. Ich würde gerne etwas mit ihm besprechen“, hatte Lisa sich erkundigt und Richard hätte vor lauter Lachen fast den Kaffee wieder ausgespuckt. Mariella hatte mit den Schultern gezuckt und kurz überlegt, dann aber gemeint, dass sie in ihrem Terminplaner nachsehen musste, aber sie war sicher, dass ein Termin mit dem Fotografen anstand. Schnell war sie vom Barhocker gesprungen und in ihr Büro gelaufen, während Richard Lisa nur strafend angesehen hatte. „Du musst ihn Dir ja nicht gleich und sofort krallen“, hatte er sie geneckt und Lisa zugezwinkert. „Warum warten, er ist ja wirklich nett. Sonst schnappt ihn mir noch so eine Modetussi weg“, hatte sie geflötet und Richard tief in die Augen gesehen. Da Agnes gerade im Lager war, hatte er ein wenig mit Lisa geflirtet und ihr schließlich versprochen, am Freitag zum Abendessen zu kommen. „Hier können wir nicht ungestört reden“, hatte Lisa gemeint und kurz seine Hand gedrückt, bevor sie zu ihrem Schreibtisch entschwunden war.
Richard straffte sie Schultern und sah zu Sabrina. Die letzten Tage hatte er sie abgewimmelt, aber es war wohl besser, endlich mit ihr zu sprechen. Er sehnte die Rückkehr seiner Assistentin herbei, würde aber noch 1 ½ Wochen mit Sabrina vorlieb nehmen müssen. Betont langsam schlenderte er zu ihrem Tisch und lehnte sich dagegen. „Hast Du heute Lust auf Abendessen?“ fragte er und versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen. Seit er und Lisa von London zurück waren verwandte Sabrina viel Zeit damit noch mehr auf Lisa herumzuhacken und schön langsam verlor Richard die Geduld. Dazu noch ihr Hang ihn andauernd zu befummeln und Pläne für die Wochenende zu machen. Das musste aufhören, schleunigst aufhören.
„Richard? Hast Du eine Minute?“ riss ihn Davids Stimme aus den Gedanken und erst jetzt nahm er wahr, dass ihn Sabrina anstrahlte. ‚Das heißt dann wohl ja’, dachte er und nickte ihr zu. „Gut, ich hole Dich so um 20 Uhr ab“, meinte er, dann widmete er seine Aufmerksamkeit David, der mit einigen Ordnern beladen auf ihn zukam. „Ich hab mir das gestern Abend noch angesehen. Können wir die Bestellungen abstimmen, damit ich Bretane Bescheid geben kann?“ Richard nickte nur und öffnete seine Bürotüre. Sie arbeiteten gut zusammen und schon bald hatten sie die Kalkulationen fertig. „Bretane wird sich freuen, wenn er das sieht“, meinte David gut gelaunt und klappte den Ordner zu. „Du meinst, Marcella wird sich freuen“, setzte Richard nach und schmunzelte. „Erinnere mit bitte nicht an diesen Namen“, stöhnte David auf. „Sie ist wie eine Klette, meldet sich dauernd bzw. ruft sich auf die eine oder andere Art in Erinnerung. Warum kann eine Frau nicht einfach verstehen, dass ‚Nein’ auch ‚Nein’ heißt?“ ereiferte sich David und rollte die Augen. „Weil es dieses Wort in dieser Form bei manchen Frauen nicht gibt. Meistens heißt ‚Nein’ einfach nur ‚Vielleicht’, hast Du schon mal daran gedacht?“ „Richard der Frauenversteher, na herzlichen Dank auch. Aber Du hast Recht, ich muss noch Mal mit ihr reden. Es wäre nicht gut, wenn uns Marcellas beleidigtes Ego einen Strich durch die Kalkulationen macht“, überlegte David und öffnete die Türe.
„Hast du am Freitag Nachmittag eigentlich schon was vor?“ fragte er seinen Bruder, der bedächtig nickte. „Ja, ich bin zum Essen eingeladen.“ „Am Nachmittag?“ vergewisserte sich David und sah Richard erstaunt an. „Nicht nur zum Essen“, ergänzte Richard und sah David interessiert an. „Warum? Wozu wolltest Du mich denn überreden?“ David ließ seinen Blick zu Sabrina schweifen und seufzte. „Vater hat gefragt, wann ich meinen ‚Gewinn’ einlöse, damit er mich von der „Wir-haben-den-Gewinn-noch-nicht-eingelöst-Tafel’ löschen kann. Ich möge bitte mit gutem Beispiel vorausgehen, so wie mein lieber Bruder,“, motzte David und schüttelte den Kopf. „Minigolf mit Sabrina – gibt es etwas Schlimmeres?“ überlegte er laut und sah Richard von der Seite an. Dieser lächelte nur und schüttelte den Kopf. „Da fällt mir im Moment auch nichts ein“, meinte dieser und klopfte David freundschaftlich auf die Schulter. „Kopf hoch, wenn Du gut spielst geht es schnell vorüber und zu einer zweiten Runde bist Du ja nicht verpflichtete“, tröstete er David , dann schloss er die Türe hinter seinem Bruder. ‚Das würde ich aber trotzdem gerne sehen’, grinste er in sich hinein, bevor er sich seufzend den Papierbergen auf dem Schreibtisch zuwandte.
Lisa telefonierte, als David zurückkam, so hatte er Zeit sie genauer zu mustern. Sein Herzschlag legte eindeutig einige Schläge zu, während sie nervös mit der Telefonschnur spielte. Mit einem recht unfreundlichen ‚Ja gerne, ich werde es ihm genau so sagen’ legte sie auf und zuckte leicht zusammen, als sie David so nahe bei sich stehen sah. ‚Mist, das hätte er jetzt nicht hören müssen’, dachte sie gequält und schimpfte mit sich selbst, weil sie schon wieder wahnsinnig eifersüchtig auf Marcella Bretane reagiert hatte. Sie straffte sich und lächelte David an. Verwundert nahm er wahr, wie ihre Augen aufblitzten und ihr Lächeln weich und zärtlich wurde. So hatte sie ihn schon lange nicht mehr angesehen und seine Laune besserte sich schlagartig. „Frau Bretane lässt Dir ausrichten, dass sie Dich in 15 Minuten abholt und Du sollst Dir bis dorthin keine Ausreden einfallen lassen, sie würde sie Dir diesmal nicht durchgehen lassen.“ Lisa sah David herausfordernd an und sah auf die Uhr. Es war knapp nach 15 Uhr und Lisa war sicher, dass David ihre Verabredung bereits vergessen hatte. „Mensch, warum kann sie nicht einfach Ruhe geben“, stöhnte David auf und stellte die Ordner auf Lisas Schreibtisch ab. Verlegen sah sie ihn an, als er ihre Hände ergriff und ganz zart mit dem Daumen über ihre Handinnenflächen strich. „Lisa ... es ... also“, begann er leise und zuckte ein wenig zusammen, als sie ihm beide Hände entzog. „Kein Problem David, wir machen uns einen neuen Termin aus“, stotterte sie schnell und setzte eine geschäftige Miene auf. „Ich muss jetzt weitermachen. Richard wollte die Unterlagen noch heute Nachmittag“, setzte sie nach und hob den Blick, als David wieder nach ihren Händen griff. „Um 18 Uhr im Caruso?“ meinte leise und drückte ihre Hände. „Du glaubst doch nicht, dass ich Dich wegen Marcella noch einmal versetze? Ich ruf sie gleich an und treffe mich mit ihr auf einen Kaffee, dann kann ich auch gleich die Bestellungen mit ihr durchgehen. Und um 18 Uhr gehöre ich dann ganz Dir ... also, meine Aufmerksam gehört dann ganz Dir“, verbesserte er sich schnell, schnappte die Ordner und stürmte in sein Büro. Keine 3 Minuten später war er auf dem Weg zum Lift und winkte Lisa noch einmal zu, während er mit Marcella telefonisch ein Treffen in einem nahe gelegenem Cafe ausmachte.
Verwirrt sah Lisa ihm nach, dann aber schlich sich langsam aber sicher ein ungutes Gefühl in ihren Bauch. ‚Er wird nicht kommen’, motzte ihre innere Stimme und sie brauchte eine Weile, bis sie sich auf die letzten Informationen für Richard konzentrieren konnte. Mit einem erleichterten Seufzer druckte sie die Unterlagen aus und machte sich auf den Weg zu ihrem Zweitboss, wie sie ihn im Moment nannte. Sabrina streckte die Hand nach der Unterlage aus und sah Lisa giftig an. „Gib her, er will im Moment nicht gestört werden“, herrschte sie Lisa an und musterte sie ein wenig spöttisch. „Ist Dir das schöne Gewand in der Zwischenzeit ausgegangen“, spottete sie und deutete auf das Sweatshirt. Die letzten Tage hatte Lisa versucht, die Spitzen zu überhören, aber es wurde zunehmend schwieriger. Sabrina nervte sie mit ihrem Gehabe und kurz überlegte Lisa, ob sie ihre Kollegin mal so richtig anschreien sollte, dann aber schüttelte sie den Kopf und ging an ihr vorbei zu Richards Bürotüre. Sein lautes ‚Herein’ war bis zu Sabrina zu hören, die Lisa noch immer böse hinterher sah. Die Aufmerksamkeit, die der Planschkuh in den letzten Tagen zuteil wurde, gefiel ihr überhaupt nicht. Die Männer unterhielten sich offen über Lisas gute Figur und sie hatte schon mehrfach zu hören bekommen, dass Lisa vielen anderen Frauen gegenüber einen großen Vorteil hatte. Sie sah nicht nur umwerfend aus, sie war auch intelligent und einfach nett. Etwas, was die Männer – zu Sabrinas Erstaunen – sehr schätzten. Genervt sah sie zu der geschlossenen Türe, dann aber begann sie zu lächeln und drehte sich zu ihrem Schreibtisch um. Im Gedanken ging sie ihren Kleiderschrank durch und überlegte, was sie für das Date mit Richard anziehen sollte. Er mochte elegante Kleidung und sie würde ihm heute beweisen, wie gut sie zu ihm passte, schließlich wollte sie ihren ehrgeizigen Plan – Frau von Brahmberg zu werden – recht zügig umsetzen.
Richard sah auf, als Lisa das Büro betrat und lächelte sie zärtlich an. „Hallo Kleines, welch ein Glanz in meiner Hütte“, begrüßte er sie und bot ihr einen Sessel an. Lisa nickte dankend und gab ihm die Unterlagen zur Durchsicht. „Schau sie Dir in Ruhe an, ich muss erst so gegen 17 Uhr 30 weg“; meinte Lisa gerade und riss Richard so aus seiner Betrachtung. „Was macht die Kerima-Männerwelt? Liegt sie Dir schon geschlossen zu Füßen, oder gibt es noch einige, die es nicht probiert haben?“, neckte er sie und grinste, als Lisa errötete. „Geht so, aber die meisten sind einfach nur nett, fragen nach einem Treffen und gehen dann wieder. Nur Max ist ziemlich aufdringlich“, meinte sie nachdenklich und knetete nervös ihre Hände. Eine Weile unterhielten sie sich, dann stand Richard auf und umfasste ihre Hände. „Hör auf, sonst brichst Du Dir noch die Finger. Was ist denn los?“ „Ach nichts, es ist nur ... David hat mich ins Caruso eingeladen, aber jetzt ist er zu einem Treffen mit der Bretane. Ich frag’ mich, ob ich überhaupt hingehen soll. Wir wissen ja, wie solche Treffen normaler Weise enden“, stotterte sie verschämt und ließ zu, dass Richard sie aus dem Sessel und ganz fest an sich zog. „Dann ist er ein größerer Idiot, als angenommen. Was hat er gesagt, als er gegangen ist?“ erkundigte er sich neugierig und streichelte Lisas Oberarme. „Dass ich um 18 Uhr im Caruso sein soll“, flüsterte Lisa unglücklich. „Dann meint er es sicher ernst. Und wenn er nicht auftaucht, dann sieh Dich einfach nach einer neuen Begleitung um. Dort essen viele Geschäftsmänner zu Abend, da findest Du in Sekunden Ersatz.“
„Ich will keinen Ersatz, ich .... also, ich hab mich auf das Abendessen gefreut.“ Lisa war heftig errötet und lehnte ihren Kopf an Richards Schulter. Dieser hatte sehr wohl bemerkt, wie auffällig unauffällig David die letzten Tage um Lisa herumschlich und sich so seine eigenen Gedanken gemacht. Er hätte schwören können, dass David mehr für Lisa empfand als nur Freundschaft. Selbst seine Flirteinsätze mit den Models waren absolut harmlos abgelaufen. David hatte sich wohl des Öfteren zu den Models gesellt, hatte aber – vor allem wenn Lisa in der Nähe war – seine Hände bei sich behalten und allzu direkte Berührungen vermieden. Diese Bemühung war sicher nicht nur Richard aufgefallen, denn sogar Agnes hatte sich Mariella gegenüber zu einer Bemerkung diesbezüglich hinreißen lassen, was diese nur mit einem kleinen Lächeln zur Kenntnis genommen hatte. Soweit Richard es mitbekommen hatte, hatte David auch nicht versucht eine der Damen abzuschleppen und diesbezügliche Gespräche relativ schnell wieder beendet. Alles in allem ein sehr verdächtiges Verhalten für David, der normaler Weise keine Möglichkeit ausließ, um sich eines der Models für den Abend zu sichern.
„Richard, gehst Du wirklich morgen mit einkaufen?“ hörte er Lisas Stimme und sah erstaunt auf. „Was einkaufen?“ fragte er irritiert nach und widmete seine Aufmerksamkeit wieder voll und ganz Lisa. „Die Zutaten für das Essen. Du wolltest doch mitgehen“, meinte Lisa nun und sah ihn amüsiert an. „Wollte ich das? Du behauptest, dass das Spaß macht und ich bin dazu verdonnert worden“, entgegnete er, musste jedoch dabei grinsen. „Kein Problem, ich gehe gerne mit. Das hab ich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht“, entschied er. ‚Das habe ich wirklich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht’, wurde ihm bewusst und er schüttelte den Kopf über sich selbst. Er nahm den Lieferservice eines der Geschäfte in seiner Umgebung wahr und sparte sich so das lästige Anstellen bei der Kassa, aber mit Lisa würde es sicher lustig werden, durch die Gänge zu streifen und einzukaufen, worauf sie Gusto hatten. Unbewusst lehnte er seinen Kopf in Lisas Hand, die sie ihm auf die Wange gelegt hatte. „Na denn. Ich gehe mich mal ein bisschen aufstylen“, flüsterte sie ihm zu und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. „Gute Idee. Und wenn er nicht kommt und Du die Geschäftsleute nicht magst, ruf mich einfach an. Dann komme ich höchstpersönlich, um Dich zu unterhalten“, rief er leise nach. Sein fröhlicher Gesichtsausdruck verschwand jedoch, als er an den eigenen Abend dachte. ‚20 Uhr, Sabrina, na juhu’, schoss es ihm durch den Kopf, bevor er sich in Lisas Unterlagen vertiefte.
Für das Treffen hatte Lisa sich umgezogen und saß nun in ihrem schwarzen Hosenanzug mit einem hellblauen T-Shirt nervös in der Pizzeria. Es war Viertel nach 6 und von David weit und breit keine Spur. ‚Du hast es doch gewusst, warum bist Du denn jetzt so enttäuscht’, redete Lisa sich zu und nippte an ihrem Mineralwasser. ‚O.k., 15 Minuten bekommt er noch, dann gehe ich’, überlegte sie weiter und sah erstaunt auf, als der Sessel ihr gegenüber zurückgezogen wurde. Sie sah in funkelnde braune Augen und konnte nicht verhindern, dass ihr Herz einen Sprung machte, dann jedoch weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen. „Was wollen sie?“ fuhr sie den jungen Mann an, der äußerst gewagt gekleidet und mit einem breiten Grinsen vor ihr saß. „Sie sehen so einsam aus und da ich auch alleine unterwegs bin, hab ich mir gedacht, dass ich ihnen doch beim Einsam sein Gesellschaft leisten kann.“ Seine Stimme klang nett und sein Lächeln wirkte ehrlich. „Ich warte auf jemanden“, teilte sie dem Fremden mit und sah wieder ungeduldig auf die Uhr. „Der sich offensichtlich verspätet. Ein schöner Dummkopf, eine Frau wie sie warten zu lassen“, kam es galant von ihrem Tischpartner. „Er ist nicht immer pünktlich“, verteidigte sie David automatisch, konnte aber nicht verhindern, dass sie resigniert klang. „Schöne Frau, wie wäre es mit einem Champagner, dann reden wir ein bisschen und wenn er tatsächlich nicht kommt, können wir gemeinsam essen und ich muss nicht verhungern“, kam es gut gelaunt zurück und Lisa wunderte sich, wo der Kerl diese gute Laune hernahm. Ihre war mittlerweile im tiefsten Keller und langsam machte sich Ärger breit.
„Ich bin Rokko“, stellte sich der junge Mann vor und wartete, bis sie ihr Glas gehoben hatte, um mit ihm anzustoßen. „Lisa“, stellte sie sich vor und prostete ihm zu. Sie nahm einen kleine Schluck und fuhr erschrocken herum, als sie ein lautes Räuspern hörte. „Rokko? Ein ziemlich affiger Name, wenn sie mich fragen. Aber was mich noch mehr interessieren würde ist, was sie an diesem Tisch zu suchen haben.“ Davids Stimme war schneidend kalt und Lisa konnte sehen, dass Rokko tatsächlich zusammenfuhr. „Lisa hat so alleine gewirkt, da wollte ich sie ein bisschen aufheitern“, meinte er und lächelte Lisa schief an. „Das ist sehr nett von ihnen, aber das gehört zu meinem Job“, bedankte sich David zynisch und baute sich vor Rokko auf. Dieser war um einiges kleiner als David, trotzdem sah er diesen unerschrocken an. „Freundchen, wenn Du so eine Frau warten lässt, dann musst Du damit rechnen, dass sie kein Problem hat, sofort eine neue Begleitung zu finden. Mann sollte sich einer Frau nie zu sicher sein“, meinte er spöttisch, hob sein Glas in Richtung Lisa und zwinkerte dieser nochmals zu. Lisa hatte dem Schlagabtausch mit größtem Erstaunen gelauscht und sah Rokko nach, der zur Bar schlenderte. David setzte sich und seine braunen Teddybär-Augen hatten einen ganz eigenen Glanz. „Es tut mir Leid, dass Du warten musstest, aber der alte Bretane war nicht zu stoppen. Dafür sind die Preise, die er vorgeschlagen hat, ziemlich o.k.“
Lisa nickte nur und musterte ihn unauffällig. ‚Keine Lippenstiftspuren, keine verwuschelten Haare, kein gehetzter Gesichtsausdruck’, dachte sie bei sich und zuckte die Schultern. „10 Minuten hättest Du noch gehabt, dann wäre ich gegangen“, meinte sie leise und sah auf, als David nach ihrer Hand fasste. „Ich bin froh, dass Du überhaupt noch da bist“, meinte er und seine Stimme klang tiefer und samtiger als sonst. „Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ich Dich versetze?“ fragte er sie und atmete tief durch, als sie nickte. „Sie ist eine wunderschöne Frau“, stellte Lisa fest und nippte aus Verlegenheit an ihrem Glas. David betrachtete sie zärtlich und langsam beruhigte er sich wieder. Das Gespräch mit Marcella war schwierig gewesen, aber sie hatte nach einigem Herumgezicke eingesehen, dass David nichts mehr von ihr wollte. Daraufhin hatte sie David einfach sitzen lassen und war beleidigt abgerauscht. David war schon auf dem Rückweg zu Kerima gewesen, als sich der alte Bretane bei ihm meldete und ihn zu sich ins Büro einlud. Zum Glück war er in Berlin und so hatte David zumindest das Geschäft zu einem guten Abschluss bringen können. Bretane liebte seine Tochter sehr, aber er verstand auch, dass David geschäftliches von privatem trennen wollte und versprach, sich um seine Tochter zu kümmern.
Das alles hatte dazu beigetragen, dass David verdammt spät dran war und es trotz der Nicht-Beachtung aller gängigen Verkehrsregeln nicht schaffte, rechtzeitig in der Pizzeria zu sein. Lisa dann mit diesem komischen Kauz zu sehen, hatte ihn hart getroffen. Aber vor allem hatte es ihm wieder klar gemacht, dass seine kleine, unscheinbare Lisa nicht mehr existierte und er verdammt aufpassen musste, wenn er sie nicht an einen anderen Mann verlieren wollte.
„Auf einen schönen Abend“, prostete er Lisa zu und sah ihr tief in die Augen. Für einen Moment verblassten alle Geräusche um sie herum und sie kamen sich vor wie auf einer kleinen Insel, auf der es nur sie beide gab. Lisas Lächeln war noch ein wenig zurückhaltend, aber David wusste genau, was er wollte und er würde sich nicht von Lisas verständlicher Zurückhaltung abschrecken lassen. „Ja, auf einen schönen Abend“, hörte er Lisas Stimme und lächelte sie strahlend an. Völlig entspannt lehnte er sich zurück und musterte Lisa, die einfach süß aussah, so verlegen wie sie mit ihrem Glas spielte. „Und, erzähl mal. Bist Du noch die Erbin des Plenske-Reichtums, oder haben Dich Deine Eltern enterbt, weil Du erst gestern Zeit für sie hattest“, begann er das Gespräch und schon kurze Zeit später herrschte eine extrem ausgelassene Stimmung an ihrem Tisch. David mochte Bernd gerne, auch wenn er den Hausmeister nicht allzu oft sah. Er konnte er sich aber gut vorstellen, wie es gestern zugegangen war und wie froh Bernd Plenkse gewesen war, sein Schnattchen – wie Bernd sie immer nannte – mal wieder nur für sich zu haben.