Kapitel 11
„Ach menno“, grummelte Lisa leise vor sich hin und kniff die Augen zusammen, als sie die Balkontüre öffnete. Eine ganze Schar von Tauben flüchtete und machte dabei jede Menge Lärm. „Wenn ihr jetzt Richard geweckt habt, dann werdet ihr eures Lebens nicht mehr froh“, schimpfte Lisa und sah den Tieren mit einem bösen Blick nach. Es war knapp nach 6 und Lisa hatte es nicht mehr im Bett ausgehalten. Sie hatte sich schnell etwas übergezogen und beschlossen, den Tag am Balkon zu beginnen. Aus Gewohnheit schaltete sie ihr Handy ein und zuckte zusammen, als es mehrmals hintereinander piepste. Sie war gestern so müde gewesen, dass sie nicht einmal daran gedacht hatte zu checken, ob Nachrichten eingegangen waren. Sie linste kurz zu Richards Schlafzimmertüre, dann rief sie die Nachrichten ab. Grüße von Yvonne und Jürgen waren dabei. Eine kurze Nachricht von Friedrich Seidel, der sich erkundigte, ob es Lisa gut ging und – was Lisa mehr als erstaunte – 5 Anrufe in Abwesenheit von David, aber keine hinterlassene Nachricht.
„Hoffentlich ist bei Kerima nichts passiert“, murmelte sie vor sich hin und tippte einen kurzen Gruß an David mit der Bitte sich zu melden, sollte etwas wichtiges sein. Sie schickte SMS an Yvonne und Jürgen und blieb wie erstarrt stehen, als sie die verschlossene Balkontüre sah. Richard stand drinnen und winkte ihr kurz zu, dann drehte er sich um und ging zum Couchtisch. ‚Das ist jetzt aber nicht wahr’, dachte Lisa verblüfft und machte sich durch Klopfen bemerkbar. Sie sah, dass Richard telefonierte und fixierte ihn. Nur langsam, aber mit einem breiten Grinsen kam er zur Balkontüre und sah sie fragend an. „Willst Du wieder rein?“ hörte sie seine gedämpfte Stimme. Sie nickte heftig und faltete die Hände zu einer bittenden Geste. Richard schüttelte den Kopf, deutete auf die Uhr und verdrehte die Augen. „Was bekomme ich dafür?“ fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Lisa zuckte die Schultern und stemmte die Hände in die Taille. „Wenn ich mich hier erkälte Ärger mit Deinem Vater und mit David“, antwortete sie etwas genervt. Sie wusste, dass ihn das nicht beeindrucken würde, aber es hörte sich verdammt gut an, wie sie fand. „Mir egal“, kam es vom Wohnzimmer. Richard betrachtete die Fingernägel seiner rechten Hand, dann sah er sie wieder an. „Also? Keine weiteren Vorschläge Deinerseits?“ fragte er nach und lehnte sich an den Mittelsteg der Balkontüre. „Richard von Brahmberg, jetzt lass mich rein. Ich friere mir hier langsam aber sicher den Allerwertesten ab und wenn ich krank werde, dann wirst Du mich pflegen, für mich kochen und ich werde dafür sorgen, dass jeder erfährt, was für ein netter Mensch Du sein kannst“, schimpfte Lisa nun etwas lauter. Sie sah, wie es in seinen Augen aufblitzte und musste unweigerlich grinsen. Die Situation war irgendwie absurd und schön langsam musste sie gegen einen Lachkrampf ankämpfen.
„Bitte Richard, ich bin heute auch ausgesprochen nett zu Dir, werde Dir so gut wie nicht widersprechen und verzichte auf den Besuch bei Marks & Spencer“, versprach Lisa nun und lachte leise auf, als sich die Türe öffnete. „Versprochen? Wir müssen nur zu Harrods?“ versicherte er sich und ließ Lisa eintreten. Jetzt erst merkte sie, wie kalt es am Balkon tatsächlich gewesen war und rieb sich unwillkürlich die Oberarme. „Ist es so kühl draußen?“ erkundigte sich Richard besorgt und griff nach Lisas Hände. „Hey, warum sagst Du denn nichts. Die sind ja wirklich eiskalt“, stellte er fest und umschloss ihre Hände mit den seinen. „Komm mit“, dirigierte er sie zur Couch und deckte sie mit einer der großen Kuscheldecken zu, die zur Dekoration auf den Bänken verteilt lagen. Eine angenehme Wärme durchflutete Lisa und sie sah ihn dankbar an. „Das ist besser, viiiel besser“, meinte sie und sah auf die Uhr. „Sorry, aber die blöden Vögel haben so einen Radau gemachte und dann auch noch das Handy, das wollte ich nicht.“ Richard wollte antworten, wurde jedoch vom Klopfen an der Türe unterbrochen. „Unser Frühstück“, meinte er vergnügt und übernahm es, den Frühstückswagen ins Zimmer zu rollen. „So, jetzt frühstücken wir ... und - ganz ehrlich - Du hast mich nicht geweckt. Ich brauche nicht viel Schlaf und war schon einige Zeit munter.“
Nach dem sehr gemütlichen und ausgiebigen Frühstück verschwand jeder in seinem Reich. Lisa richtete ihre Sachen für den Nachmittag bzw. Abend und huschte unter die Dusche. Das warme Wasser vertrieb die letzte Müdigkeit und langsam wurde sie hibbelig. Sie freute sich auf den Tag, der – laut Richard – einige Überraschungen für sie bereithalten würde. Wieder hatte sie ihm angeboten, dass sie auch alleine durch London streifen könnte, wenn er sich zum Beispiel mit Freunden treffen wollte oder es satt hatte, den Fremdenführer zu geben. Der gestrige Tag war sehr angenehm gewesen, aber Lisa hatte Angst Richards Laune zu sehr zu strapazieren. Seine nette Art tat gut, aber noch immer war in ihrem Hinterkopf Richards erste Reaktion auf den Gewinn der Reise und sein Entsetzen, dass er sie mit ihr antreten musste. Sie ließ sich nichts anmerken, aber tief in ihrem Inneren tat es noch ein wenig weh, wahrscheinlich nur wegen der neuen Fassade gemocht zu werden. ‚Wer weiß wie das hier abgelaufen wäre, wenn ich noch so aussehen würde, wie vor zwei Wochen’, grübelte sie nach und verzog den Mund.
Das Läuten des Handys riss Lisa aus ihren Überlegungen und sie stürmte ins Wohnzimmer. „David? Guten Morgen. Was machst Du denn so früh auf?“ David war ein absoluter Morgenmuffel und ihn vor 9 Uhr anzusprechen hatte sich in der Vergangenheit schon mehrmals als Fehler erwiesen. Jetzt war es 8 Uhr 30 in Berlin und David wirkte extrem vergnügt. „Hey Lisa, ich wollte nur mal sehen, wie es Dir in London gefällt“, begann er leise und an seiner Stimme konnte sie hören, dass er wohl noch nicht wirklich lange munter war. „Gut, es geht mir sehr, sehr gut. Gestern war so ein schöner Tag. Wir waren fast 10 Stunden unterwegs und dann noch im Musical. Dein Bruder ist der perfekte Begleiter“, schwärmte Lisa und hockte sich auf ihr Bett. „Schön für Dich“ meinte er und strich gedankenverloren über seinen Polster.
Er hatte sich sehr über Lisas Anruf gefreut und sofort zurückgerufen. Ihre Stimme klang entspannt und zufrieden. „Ist in der Firma was passiert?“ erkundiget sich Lisa. „Nein ... wie kommst Du denn auf die Idee?“ David schüttelte den Kopf und legte sich zurück. „Na, vielleicht weil Du 5 mal angerufen hast?“ David verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln. „Das war die Sehnsucht nach Dir“, antwortete er ohne wirklich zu überlegen, dann kniff er die Augen zusammen. ‚Oha, das wollte ich so aber nicht sagen’, dachte er erstaunt und stotterte ein wenig, als er weitersprach. „Öhm, ja. Du hast mir in der Firma gefehlt und ich hätte 1-2 Fragen gehabt und dann wollte ich nur schauen, ob Richard Dich nicht in der Themse versenkt hat oder im Tower ausgesetzt.“ Er hoffte, dass Lisa ihm diesen Zusatz abnahm, denn in Wirklichkeit hatte er nur aus einem Grund angerufen. Er hatte sie schlicht und einfach vermisst und wollte wissen, ob es ihr gut ging.
Verwundert hörte Lisa seine Erklärung und errötete leicht. ‚Mir wäre es lieber, wenn Du mich einfach nur vermisst hättest’, überlegte sie und seufzte leise auf. ‚Hör auf mit dem Schmus, Lisa Plenske. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr.’ Sie deckte den Hörer ab und rief leise ‚Herein’, als es nun zum zweiten Mal klopfte. Richard kam ins Zimmer und sah auf das vorbereitete Gewand. „Stellst Du die Sachen dann alle zusammen, die Du zu Meredith mitnehmen willst. Ich denke, wir lassen alles mit einem Boten zu ihr bringen. Dann müssen wir zwischendurch nicht ins Hotel zurück.“ Erst jetzt sah er, dass Lisa telefonierte und hob entschuldigend die Hand. Er deutete auf das Handy. „Sorry, hab ich nicht gesehen“, meinte er leise und verschwand im Wohnzimmer. „Lisa? Bist Du noch da?“ hörte sie Davids Stimme, deren Ton sich merklich verändert hatte. ‚Was zum Teufel sucht Richard in Lisas Zimmer?’ fragte er sich und versuchte, den aufsteigenden Ärger zu ignorieren.
„Ja, klar bin ich noch da. Richard hat mich nur erinnert, dass ich die Sachen für heute Abend herrichten muss.“ „Viel Spaß bei Tante Meredith, dem hauseigenen Seidel-Drachen“, lachte David und runzelte die Stirn. „Ihr seid wohl schon fertig fürs Frühstück?“ fragte er lauernd und schüttelte über sich selbst den Kopf. ‚Was hast Du denn für Anwandlungen?’ zuckte es durch sein Bewusstsein, aber bei Lisas Antwort wurden seine Augen noch größer. „Wir haben schon gefrühstückt und mir ist noch immer kalt von meinem Ausflug auf den Balkon, deshalb hab ich mich wieder ins Bett gekuschelt.“ Lisa kam gar nicht in den Sinn, wie komisch die Antwort für einen Außenstehenden klingen musste und lachte leise vor sich hin. „Wir wollen bald los, aber noch ein bisschen Faulenzen ist auch nicht schlecht“, fügte sie hinzu und schloss die Augen. „Kann ich verstehen, das mach ich auch gerne. Wie ist denn das Zimmer? Hat Vater Euch wenigstens die etwas größeren Räume bestellt?“ Lisa sah sich um und streckte sich. „Wir wohnen in einer Suite. Mit Wohnzimmer und Balkon. Jedes Schlafzimmer hat ein eigenes Bad – seeehr luxeriös. Und das beste daran – Frühstück am Zimmer. Luxus pur.“
„Schön für Euch. Das heißt aber, dass Du meinen Bruder mehr oder minder 24 Stunden lang ertragen muss“, stellte er vorsichtig fest. „Ach das ist nicht so schlimm, wir verstehen uns ganz gut. Er ist .... also er bemüht sich.“ Gerade noch rechtzeitig fiel Lisa das Versprechen ein, nicht zu sehr von seiner netten Art zu schwärmen. „Das ist gut, das hätte ich vor zwei Wochen nicht gedacht, aber bei Deinem jetzigen Aussehen fällt es sogar Richard leicht, Dich als Frau zu sehen.“ David wurde heiß, als ihm bewusst wurde, wie abwertend dies geklungen hatte und wie erwartet brauchte Lisa ein wenig, bis sie ihm antwortete. Für Davids Geschmack blieb es viel zu lange still in der Leitung und er wurde unruhig. Lisa war ein wenig sprachlos, dann schnaubte sie unwillig. „Da muss ich Dir zustimmen. Seit ich andere Kleidung trage und ein wenig anders gestylt bin fällt es Euch nicht mehr schwer mich anzusehen und in aller Öffentlichkeit freundlich zu sein. Schade, dass Herr Petersen am Donnerstag nicht da war, dann hätte ich meinen Fanclub noch erweitern können“, kam es bitter von Lisa und David zuckte leicht zusammen. „Ich hab Dich schon vorher sehr gemocht“, murmelte er und nickte heftig. „Gemocht vielleicht, aber Deine Vogelscheuchenwitze vor den anderen oder so Vergleiche zwischen mir und Sabrina – also was leichter zu ertragen ist, Dummheit oder Hässlichkeit – tun auch weh. Wie war das am Ball? Du kannst wählen zwischen Pest und Cholera.“
David schloss schuldbewusst die Augen. Er hatte schon lange ein schlechtes Gewissen wegen seiner Aussagen, aber er hatte nie mitbekommen, dass Lisa davon wusste. „Du weißt, dass ich ... also wie ich mich manchmal über Dich ... also was ich gesagt habe?“ „David ich bin die, die hässlich ist ... war, aber ich höre recht gut und ich bin nicht dumm. Aber was soll’s ich hab nicht vor, mir die Tage in London mit Gedanken darüber zu versauen. Ich muss mich noch anziehen, wir wollen bald los.“ Es entstand eine kurze Pause, die an Davids Nerven zerrte. „Lisa?“ Sie nahm den gequälten Ton sehr wohl wahr, wunderte sich aber darüber. David war seit einigen Tagen komisch, aber dieses Telefonat war schon ein wenig schräg.
Lisa sah auf, als Richard ins Zimmer kam und sich auf das Bett setzte. „Was ist jetzt, Lisa. Kannst Du dann bitte mal in die Puschen kommen. Du hast Dir ein ziemliches Programm ausgesucht, da sollten wir mal langsam damit beginnen“, grinste er sie an und nahm ihr das Handy aus der Hand. „Hallo David. Sorry, dass ich Euch unterbreche, aber London wartet auf uns. Ihr könnt am Montag quatschen so viel ihr wollt.“ Er lachte und gab Lisa das Handy zurück, wich geschickt ihrer Hand aus, die ihn vom Bett zu schieben versuchte und deutete auf die Kleider. „Die nehme ich mal mit“, grinste er Lisa an und verschwand wieder.
„David?“ Lisa war diese Unterbrechung unangenehm, aber Richard hatte Recht. So langsam sollte sie sich tatsächlich fertig machen. „Ich habe anscheinend einen wichtigen Schritt in der wundersamen Beziehung zwischen Lisa & Richard versäumt“, meinte David ein wenig heiser. „Der geht in Deinem Schlafzimmer ja ein und aus ... oder sollte ich vielleicht Euer Schlafzimmer sagen?“ Lisa errötete heftig und atmete scharf ein. „Sag mal spinnst Du? Wie kommst Du denn auf diese Idee. Dein Bruder ist … und selbst wenn, würde es Dich nichts angehen. Ich bin alt genug und kann tun und lassen, was ich will“, giftete Lisa ihn an. ‚Was denkt dieser blöde Kerl eigentlich von mir. Nur weil er sofort mit jeder Frau in die Kiste springt’, ärgerte sich Lisa. „Alt genug ja, aber wahrscheinlich nicht erfahren genug. Er würde nur seinen Spaß wollen und am Montag grüßt er Dich nicht einmal mehr“, grantelte David zurück und wurde immer wütender. Es war wohl tatsächlich ihr Problem und ging ihn absolut nichts an. Es entstand eine kurze Pause, dann räusperte sich Lisa.
Sie war nun richtig wütend. David verhielt sich komisch und raubte ihr mit seinen Ansagen den letzten Nerv. Ohne so richtig nachzudenken, machte sie ihrem Ärger weiter Luft. „David, das Gespräch ist mir zu schräg. Du solltest nicht von Dir auf andere schließen. Nur weil Du mit jeder, die nicht bei 3 auf den Bäumen ist, ins Bett hüpfst, muss das nicht für alle Männer gelten“, blaffte sie ins Handy und wischte sich eine Träne von der Wange. ‚Blöder Kerl’, grummelte sie und schüttelte genervt den Kopf. Der Tag hatte so schön begonnen, aber David hatte es geschafft, dass sie sich am liebsten sofort wieder im Bett verkriechen würde.
Völlig verunsichert saß David in Berlin und starrte aus dem Fenster. Das Gespräch war ihm aus dem Ruder gelaufen und dabei hatte er einfach nur mit Lisa reden wollen und sich darauf gefreut ihre Stimme zu hören. Jetzt tobte in seinem Inneren ein kleines Teufelchen und lachte ihn aus, weil er sich aufführte wie ein betrogener Freund oder Ehemann. Seine Augen wurden immer größer und auf einmal wusste er, dass diese innere Stimme verdammt Recht hatte. Er war eifersüchtig. Eifersüchtig darauf, dass Richard und Lisa eine gute Zeit hatten und der Gedanke daran, dass da mehr sein könnte, machte es nicht leichter. Er atmete einige Male tief durch und versuchte sich zu beruhigen. ‚Sie hat sich still und heimlich in dein Herz geschlichen und du Idiot hast es nicht mal gemerkt’, feixte seine innere Stimme und das Teufelchen schüttelte nachsichtig den Kopf. ‚Na dann sie mal zu, wie du sie besänftigst.’
Er holte tief Luft und lächelte verlegen. „Lisa, das … Du hast ja Recht. Das mit Richard war nicht so gemeint. Und zu mir, also … Du wirst sehen, ich werde mich ändern. Und sieh es mal so. Bei Dir war das nie so. Dich hab’ ich immer mit Respekt behandelt. Du bist nicht so wie die anderen.“ ‚Das war doch gar nicht so schlecht’, gratulierte er sich und erstarrte, als er Lisas trauriges Lachen hörte. „Ich weiß David, aber das hatte nichts mit Respekt zu tun, sondern nur damit, dass ‚Mann mich nur mit einer Kneifzange anfassen würde’ oder - wie sagt Petersen so schön - ‚zur Not kann man sie sich ja schön saufen’. Die Sprüche wurden wir alle überliefert und sie haben verdammt weh getan. Lass einfach gut sein David. Es ist sinnlos darüber zu diskutieren. Ich werde mir jetzt einen schönen Tag in London machen und wünsche Dir und Deiner Begleitung viel Spaß beim Charity-Abend.“ Sie beendete das Gespräch und drehte das Handy ab. Gedankenverloren zog sie sich an und wischte immer wieder eine Träne vom Gesicht.
10 Minuten später kam sie ins Wohnzimmer, wo Richard gemütlich Zeitungen durchstöberte. Erstaunt sah er ihre geröteten Augen und erhob sich. „Ist was passiert?“ fragte er leise und zog Lisa an sich. Wie von selbst legte sich ihre Stirn an seine Schulter und sie hielt ihn kurz fest. Dann streckte sie sich und versuchte ein gequältes Lächeln. „Nur das reale Leben. Aber es geht schon wieder. Können wir?“ Richard hob ihr Kinn ein wenig und küsste sie sanft auf den Mund. „Lass Dich nicht davon unterkriegen“, murmelte er und fasste ihre Hand. Zärtlich musterte er sie und strich beruhigend über die Wange. „Willst Du noch hier bleiben oder bist Du bereit für Deinen zweiten Tag in London?“ „Bereit und schon sehr neugierig, was der Tag noch bringen wird“, antwortete sie betont fröhlich und zwinkerte Richard zu. ‚Ich lass mich doch nicht von David unterkriegen. Der hat doch ein Rad ab. Was bildet sich dieser doofe Kerl eigentlich ein? Es geht ihn überhaupt nichts an, was ich mache“, tobte es in ihrem Inneren.
Richard, der sie aufmerksam beobachtete, schüttelte leicht den Kopf. Es tat ihm weh, dass sie so verbissen darum kämpfte, ihre gute Laune wieder zu erlangen und am liebsten hätte er David erwürgt. Der Tag hatte so schön begonnen und alleine die Szene mit dem Balkon hatte ihn in der letzten Stunde immer wieder zum Grinsen gebracht. Der lockere Umgang mit Lisa machte ihm Spaß und erinnerte ihn an lang vergangene Zeiten, die er sonst sehr erfolgreich verdrängte. Seit einer sehr bitteren Erfahrung vor mehr als 7 Jahren hatte es keine Frau mehr geschafft, ihn so aus der Reserve zu locken und er musste zugeben, dass er es genoss, von Lisa herausgefordert zu werden und sich auf sie einzulassen.