Kapitel 12
„Hallo David, was machst Du denn schon auf?“ begrüßte Friedrich seinen Sohn, der ihn mit einem finsteren Blick musterte. „Warum, es ist doch kein Verbrechen mal vor 9 Uhr am Samstag aufzustehen“; grummelte er und schenkte sich Kaffee ein. Mit abwesendem Blick sah er aus dem Fenster und runzelte die Stirn. „Entschuldige, was hast Du gesagt?“ fragte er Friedrich, der ihn erwartungsvoll ansah. „Welche Deiner ... na sagen wir mal Bekannten nimmst Du den heute mit auf den Ball?“ fragte er nochmals und legte die Zeitung weg. „Keine Ahnung. Ich hab null Bock hinzugehen“, kam es genervt von David, der noch immer aus dem Fenster starrte. ‚Oha, den hat aber was die Laune verdorben’, überlegte Friedrich und ein leises Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Marcella wäre eine gute Wahl. Sie weiß zumindest, wie sie sich verhalten muss und wir müssen nicht wieder ein Kleid für eine Frau sponsern, die Du 2 Tage später nicht mehr erkennst.“ David brummte nur und drehte sich langsam um.
„Sag mal Vater, ist es Dir schon mal passiert, dass Mutter jedes Deiner Worte in den falschen Hals bekommen hat oder Dich einfach nicht verstehen wollte?“ Friedrich verbiss sich ein Lächeln und nickte. „Sicher. Frauen sind da ganz gut darin, uns die Worte im Mund umzudrehen. Aber manchmal liegt es auch daran, das wir davon ausgehen sie wissen sowieso was wir meinen. Ist aber oft nicht so.“ Er sah seinen Sohn interessiert an. „Wieso, hast Du etwas eine Frau getroffen, mit der Du auch geredet hast?“ Diesen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen. Er liebte seinen Sohn, aber dessen Frauenverbrauch war für ihn nicht nachvollziehbar.
„Ich hab mit Lisa telefoniert und sie war so komisch. Egal was ich gesagt habe, sie hat es falsch verstanden und dann ist sie ausgezuckt. Hat mir an den Kopf geworfen, was für ein Scheißkerl ich die ganze Zeit war und dass sie erwachsen ist und selber weiß, was für sie gut ist. Dabei hab ich ihr doch nur gesagt, dass ihr Äußeres jetzt natürlich schön anzusehen ist, aber ich hab sie doch schon vorher gemocht. Im Gegensatz zu Richard, der erst angesprungen ist, als er ‚Lisa neu’ gesehen hat. Jetzt vergnügt sie sich mit ihm in London, er geht in ihrem Zimmer ein und aus und .... ach egal, sie ist erwachsen und es geht mich nichts an.“ Genervt schüttelte er den Kopf und trank den Kaffee aus. „Was soll’s, ich werde mich jetzt mal um meine Beleitung kümmern“, überlegte er und hob den Blick. Friedrich sah ihn nur forschend an und schenkte David Kaffee nach. „Du hast mit Lisa in London telefoniert und missgönnst ihr den Spaß, den sie dort hat?“ fragte Friedrich vorsichtig nach. Er war extrem gespannt auf Davids Reaktion, die eindeutig in Richtung Eifersucht ging, wenn er sich nicht täuschte.
„Den Spaß gönne ich ihr, aber sie ist so unerfahren und naiv ... Richard hat Interesse an ihr, das spüre ich. Du hättest seine Blicke am Donnerstag sehen sollen“, meinte David nun ernst und nahm die Kaffeetasse wieder zur Hand. „Warum interessiert es Dich so sehr, was Lisa tut?“ wollte Friedrich wissen und lehnte sich gespannt zurück. „Weil ... ich mag Lisa. Sie ist eine wunderbare Frau, aber sie ist auch so unerfahren. Was ist, wenn Richard ihr weh tut?“ kam es leise von David, der wieder in den Garten starrte. „Hm, Richard ist nicht so hart und rücksichtslos, wie Du tust. Und Du weißt das auch. Aber ... also nur so hypothetisch ... was ist wenn er wirklich Gefallen an ihr gefunden hat und er sich mehr mit ihr vorstellen könnte, als nur eine der bei Euch üblichen Bettgeschichten? Ist es das wovor Du Angst hast? Dass er Dir Deine Assistentin ‚wegnimmt’?“ Friedrich zuckte zusammen, als David herumfuhr und ihn mit großen Augen ansah. Es sah, wie es im Gesicht seines Sohnes arbeitete und wartete gespannt. Es dauerte lange, dann schüttelte David den Kopf. „Ich hab Angst, dass er mir die Frau wegnimmt“, murmelte David und errötete leicht. „Sie hat sich einfach in mein Herz geschlichen und der Gedanke, dass sie mit einem anderen Mann zusammen ist macht mich wahnsinnig. Bis jetzt hab ich mir keine Gedanken machen müssen. Ihr Äußeres war ... sagen wir mal speziell und Männer haben sich nicht für sie interessiert, aber jetzt. Alleine den Männern bei Kerima sind die Augen aus dem Kopf gefallen.“ Davids Stimme war immer leiser geworden und ihm wurde bewusst, dass er sich in Zukunft um Lisa bemühen musste. Er straffte sich und sah Friedrich an. „Ich gehe jetzt mal rauf und ruf Lisa an, vielleicht ruft sie mich ja zurück, wenn sie sich wieder beruhigt hat“, grinste David vor sich hin und stürmte pfeifend die Treppe nach oben.
Laura betrat gerade das Wohnzimmer und sah ihrem Sohn nach. „Was ist denn mit dem los?“ fragte sie verwirrt und sah auf die Uhr. „Och nichts, er hat nur gerade erkannt, dass er sich verliebt hat“, meinte Friedrich schelmisch und angelte nach seiner Zeitung. „Wird auch Zeit, dass er erkennt, wie es um ihn steht“, gab Laura zurück und setzte sich zu Friedrich. „Lisa Plenske ist eine tolle Frau. Wenn es eine schafft ihn sesshaft und glücklich zu machen, dann sie.“ Friedrich sah sie an und nickte nur. „Sehe ich auch so. Bin schon gespannt, wie er ihr das jetzt klar machen wird“, grummelte er noch, bevor er sich wieder seiner Zeitung zuwandte.
Misstrauisch begutachtete Richard die große Einkaufstüte, die Lisa vergnügt durch die Luft schwenkte. Sie hatte an diesem Morgen noch einige Zeit gebraucht um Davids dumme Aussagen zu verdrängen, aber spätestens beim Eintritt in die St. Paul’s Cathedral war alles vergessen. Ganz fasziniert hatte sie sich umgesehen und war langsam Richard gefolgt, der sich zu ihrem Erstaunen recht gut auskannte. Eine Tour mit Band hatte sie abgelehnt und so waren sie fast eine Stunde lang gemeinsam auf Entedeckungsreise gegangen und Lisa bereute keine Minute.
Lisa hielt wohl nicht sehr viel davon, sich in einer fremden Stadt in Kaufhäusern herumzutreiben, aber ein Besuch bei Harrods musste dann doch sein. Hier jedoch hatte Richard gestreikt und es sich im Coffeeshop bequem gemacht. Lisas schlechtes Gewissen hatte Richard schnell beruhigt, indem er auf die anderen Männer mit Zeitungen etc. gedeutet hatte. „Schau Dich um, die sind alle von ihren Frauen hier abgegeben worden“, hatte er erklärt und über Lisas Gesichtsausdruck gelacht. „Das ist in England nicht so selten. In den großen Einkaufszentren gibt es sogar Männerspielecken - also so wie das für Kinder mit den bunten Bällen - nur mit Computern, Magazinen etc.“ Nach diesem Hinweis war Lisa losgezogen und durch einige der Shops geschlendert. Viele der Sachen waren absolut zu teuer für ihre Geldbörse und vieles fand sie einfach nur schrecklich hässlich. Trotzdem war es ein Erlebnis und beim Ostershop hatte sie einfach nicht widerstehen können. Einige Häschen aus Schokolade und Keramik waren direkt in den Einkaufskorb gesprungen ebenso wie andere Kleinigkeiten für ihre Eltern und Jürgen sowie Yvonne. Auch für sich selbst hatte sie sich etwas geleistet und errötete beim Gedanken an die wunderschöne Seidenunterwäsche die genau die Farbe ihres Ballkleides hatte.
„Und die Tüte schleppen wir jetzt durch London?“ fragte Richard anzüglich und grinste, als Lisa schlagartig errötete. Das Gespräch mit David hatte sie eindeutig aus der Fassung gebracht und sie war drauf und dran sich zu entschuldigen, als Richard ihre Hand fasste und sie zum Ausgang zog. „Lisa, das war ein Scherz. Wir lassen das jetzt zu Tante Meredith liefern und das war es auch schon.“ Er winkte einem Taxi und Lisa hörte nur ‚meine Frau’ und ‚mal wieder nicht nachgedacht’ und schüttelte den Kopf, als die beiden Männer lachten. Zwei Minuten später stand Richard wieder vor ihr und grinste sie an. „Alles erledigt, wir können weiter“, meinte er vergnügt und zwinkerte Lisa zu. Die hackte sich unter und seufzte tief. „Du bist ganz schön gestraft mit dieser dummen Frau - nicht wahr?“ fragte sie anzüglich und versuchte zu schmollen. Richard blieb abrupt stehen und sah sie an. Langsam hob er ihr Kinn und sah ihr fest in die Augen. „Ach damit kann ich mittlerweile ganz gut leben. Mann ist flexibel, der gewöhnt sich an vieles“, neckte er sie und strich leicht über ihre Wange. Erstaunt sah er, dass Lisa errötete und trat schnell einen Schritt zurück. Er hatte nicht vor gehabt mit Lisa zu flirten, aber langsam begann es ihm Spaß zu machen.
„Und jetzt? Wohin?“ brummte er und sah ihr fest in die Augen. „Madame Tussauds - wie vereinbart. Da entkommst Du mir nicht. Selbst wenn Du früher schon öfters dort gewesen bist, laut der Ankündigung gibt es ganz viele neue Attraktionen.“ „Juhu“, kam es leise von Richard, der sachte nach Lisas Hand fasste. Lisa war erstaunt über diese öfters wiederkehrende Geste und überlegte kurz, doch die Wärme seiner großen Hand war angenehm und es kribbelte ganz leicht, als sich der Druck verstärkte. Den Weg legten sie wieder mit der U-Bahn zurück und dank der von Friedrich bereits gekauften Eintrittskarten dauerte es nicht lange, bis sie die ‚heiligen Hallen’ wie Richard sie scherzhaft nannte, betreten konnten.
Lisa war begeistert und auch Richard gab zu, dass es Spaß machte und sich enorm viel geändert hatte in den letzten Jahren. Obwohl es witzig war, sich mit dem Besucherstrom durch die Räume treiben zu lassen, atmeten beide auf, als sie wieder auf der Straße standen. Lisa streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen und blinzelte. „So Herr von Brahmberg, jetzt bist Du dran. Wo ist meine versprochene Überraschung?“ meinte Lisa und sah ihn mit großen Augen an. Richard schüttelte nur den Kopf und seufzte. „Sag mal, bist Du bei allem so unersättlich. Lass doch einen alten Mann mal durchschnaufen. Das Tempo hält man nicht lange durch.“ Lisa grinste nur, doch dann wurde sie unsicher. „Ich … also ich wollte Dich nicht drängen, aber es gibt sicher noch viel zu entdecken und Du hast selbst gesagt, dass wir nicht viel Zeit zum Vertrödeln haben“, stotterte sie leise und senkte den Blick.
„Lisa? Was ist denn heute los mit Dir? Dauernd entschuldigst Du Dich und machst sofort einen Rückzieher, wenn Du – Deiner Ansicht nach – vorlaut warst. Was zum Geier hat David gesagt, dass Du so durch den Wind bist?“ Betroffen sah er sie an. Lisas Körperhaltung war eindeutig die eines kleinen Mädchens, das etwas angestellt hatte. Nur langsam hob sie den Kopf und sah Richard geknickt an. „Er hat mir nur gezeigt wo mein Platz im Leben ist und dass ich manchmal zum Schreien naiv bin“, antwortete sie leise. Resignierend hob sie die Schultern und starrte auf ein Liebespaar auf der anderen Straßenseite. „Ist ja auch egal. Aber warum sollte ich es nicht genießen, wenn mir Aufmerksamkeit entgegengebracht wird? So viele Jahre habe ich es nur mit meiner Art und mit meinem Können versucht und jetzt halt mit ein bisschen Make-up“, murmelte sie und rückte ihre Brille zurecht. „Er war nicht gut drauf und ... na ja ... manchmal glaube ich, dass er selbst nicht weiß, was er will und wie verletzend er sein kann.“
Richard war während ihres Ausbruchs ganz nahe an sie herangetreten und zog sie nun liebevoll in die Arme. ‚David muss sie extrem verletzt haben, wenn sie jetzt so angreifbar ist’, dachte er und musterte sie genau. Sie kämpfte mit den Tränen und lehnte sich unbewusst ein wenig nach vorne. Er spürte ihre Wärme und genoss den Augenblick. Lisa hob langsam den Kopf und sah ihn ernst an. „Er hat aber zumindest damit Recht, dass Du mich vor 2 Wochen auch nicht mochtest und jetzt verbringen wir viel Zeit miteinander und verstehen uns gut. Also macht das Äußere doch einen großen Unterschied.“ Richard überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Ja und nein. Also natürlich finde ich es toll wie Du jetzt aussiehst und ja, ich gebe zu, dass ich wahrscheinlich keinen Gedanken an gemeinsame Unternehmungen verschwendet hätte, wenn Du noch so aussehen würdest wie vor 2 Wochen. Aber! Wenn Du so bescheuert wärst wie zum Beispiel Sabrina, dann hätte ich maximal versucht Dich ins Bett zu bekommen und den Rest des Wochenendes hättest Du alleine verbracht. Es gibt nichts Furchtbareres als strohdumme Frauen und die Kombination von Klugheit und gutem Aussehen macht einen besonderen Reiz aus. Für mich zumindest.“ Langsam zeichnete er ihre Wangenknochen nach, dann drückte er einen kleinen Kuss auf ihre Stirn. Zweifelnd sah sie ihn an. „Wirklich?“ Richard lächelte und nickte bestätigend. „Wirklich. Glaub mir, guter Sex ist etwas tolles, aber ich mag es, wenn ich mit einer Frau auch reden kann“, beteuerte Richard und sah sie fest an.
„So Frau Plenske, jetzt wird es tatsächlich Zeit für die Überraschung“, meinte er betont vergnügt und hielt ihr die Hand hin. Wie selbstverständlich legte sie die ihre hinein und folgte ihm neugierig. Schon als sie die Hinweisschilder sah, schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie hatte so viel vom Regents Park gelesen und jetzt war es soweit. Richard blieb vor einer Zeichnung des Parks und dessen Umgebung stehen und zog sie ein wenig enger zu sich. „Der Zoo ist o.k., aber – wie ich finde – auch nicht so besonders. Deshalb habe ich etwas anderes mit Dir vor. Wir bummeln ein wenig durch den Park, picknicken zwischendurch und bewegen uns dann langsam zu Deinem nächsten Wunschziel.“ Lisa sah ihn fragend an und versuchte sich zu orientieren. „Schau mal, wenn wir hier den Park verlassen, dann können wir Camden Market – oder besser Camden Lock zu Fuß ganz bequem erreichen. Du wirst die vielen Stände mögen, auch wenn sicher viel los sein wird. Aber es gibt noch Teile, die sind weniger bekannt. Da kann man sich ganz gut bewegen. Es ist nicht weit und ich kenne da wirklich jede Gasse.“ Richard wartete gespannt auf ihre Reaktion und lächelte, als Lisa heftig nickte. Dann jedoch runzelte sie die Stirn. „Ist das Deine Gegend?“ fragte sie interessiert als Richard ihr zuzwinkerte. „Sagen wir mal so. Ich bin schon einige dieser Gassen entlanggewankt. Gewohnt habe ich ein wenig Stadteinwärts in einer kleines Gasse in der Nähe der Euston Station. Aber das Worlds End war unsere zweite Heimat. Ein uraltes und gemütliches Pub, mittlerweile leider außen renoviert und grün gestrichen. Wie ich noch studiert habe hat es seinem Namen Ehre gemacht. Schwarze Fassade, dreckige Fenster und innen ziemlich gewöhnungsbedürftig ... dafür moderate Preise, tolle Musik und immer gute Stimmung. Na ja und Camden Lock war auch noch nicht so modern und überlaufen – also es war schon immer viel los, aber nicht so reglementiert wie jetzt.“
Lisa versuchte, sich Richard als jungen Mann vorzustellen, der torkelnd nach Hause wankte. Die Vorstellung ließ sie kichern und als sie Richards zu einer gespielt hochmütigen Maske verzogenes Gesicht sah, war es um ihre Beherrschung geschehen. Sie prustete los und zog ihn mit sich Richtung Eingangstor.
Die gepflegte Anlage faszinierte Lisa, ebenso wie die vielen Menschen die unterwegs waren. Ganze Gruppen flanierten herum und genossen den wunderschönen Tag. Bei einem Kiosk machten sie Halt und holten sich Sandwichs, Obstsalat und Getränke. Sie folgte Richard, der nach kurzer Zeit bei einer großen Wiese anhielt, wo schon mehrere Menschen es sich gemütlich gemacht hatten. Zu Lisas Verwunderung zog er eine dünne Decke aus seinem Rucksack und deutete mit einer Verbeugung an, dass Lisa sich nun setzen könnte. Sie hatte mit vielen gerechnet, aber dass Richard ein Picknick plante überraschte sie nun doch.
Lisa hatte die Unterhaltung auf den bevorstehenden Abend gelenkt und begonnen, Richard ein wenig auszufragen, was sie denn so erwarten würde. Eine Weile unterhielten sie sich über den kommenden Abend und Richard versuchte, ihr die Nervosität vor den Gästen seiner Tante zu nehmen. „Lass Dich nicht von ihnen einschüchtern. Es sind viele Deutsche und Österreicher, die seit ewigen Zeiten hier leben, bzw. deren Kinder. Dann noch einige aus der High-Snobiety und wahrscheinlich einige junge Künstler, die Meredith im Moment sponsert“, meinte er und legte sich zurück. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt beobachtete er die Wolken und sah Lisa von der Seite an. „Du kannst Dich ruhig ein wenig ausruhen, das ist im Zeitplan. Der Abend wird lang und anstrengend, da ist eine Pause durchaus notwendig.“
Lisa sah sich verunsichert um, dann ließ sie sich neben Richard gleiten, der einladend den Arm ausstreckte und auf seine Schulter deutete. „Die Decke hab ich mitgeschleppt, als Polster kannst Du meine Schulter haben“, bot er an und wartete gespannt was sie tun würde. Zu Richards Erstaunen ließ sich Lisa nicht zweimal bitten, sondern legte sich zu ihm, drehte sich auf die Seite und bettete ihren Kopf an seiner Schulter. ‚Wenn Du Dich in die andere Richtung drehen würdest würde es mir besser gefallen’, stellte er überrascht fest, nahm aber damit vorlieb, Lisas Rücken zu betrachten. Lisa verschränkte ihre Hand mit der seinen und rückte noch ein wenig näher heran. ‚Na aber hallo, Frau Plenske. So auf Tuchfühlung mit dem Ekelpaket?’ Dieser Gedanke ließ ihn lächeln und er musste zugeben, dass es sich gut anfühlte, Lisa so nahe zu spüren.
Er konnte nicht wissen, dass Lisa mit weit aufgerissenen Augen dalag und sich überlegte, was sie da tat. Richards Nähe war angenehm und es kribbelte ein wenig. Trotzdem war sie verwirrt, da sie solche Gefühle bisher nur in Davids Nähe gehabt hatte. ‚Lass Dich bloß nicht von ihm einlullen. David hat Dich sicher nicht umsonst gewarnt. Richard ist charmant, aber auch unberechenbar’, redete sie sich gut zu, aber eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf schüttelte empört den Kopf. ‚Sei nicht albern, Richard kann auch ohne Hintergedanken sehr nett sein. Lass es doch zu, dass er Deine Gefühle ein bisschen durcheinander wirbelt. Du hast bisher keine Erfahrung mit Männern und er ist ein Mann ... und was für einer’, säuselte das Stimmchen und verschaffte sich langsam aber sicher Gehör.
Lisa betrachtete nachdenklich ein Paar, das in der Nähe vorbeischlenderte. Sie wirkten wahnsinnig verliebt und Lisas Herz zog sich schmerzhaft zusammen. ‚So etwas wirst Du mit David nie haben, also hör auf vor Dich hinzuträumen und werd endlich erwachsen’, schimpfte sie mit sich selbst. ‚Gut, also dann’, machte sie sich Mut und überbrückte noch den letzten Abstand zwischen Richards Körper und ihrem. Sie schmiegte sich an ihn und spürte, dass er den Druck auf ihre Hand verstärkte. Langsam zog sein Daumen Kreise in ihrer Handfläche und spürte, wie sich langsam eine Gänsehaut über ihren Körper ausbreitete.
„Worüber denkst Du denn so angestrengt nach?“ hörte sie Richards leise Stimme an ihrem Ohr und drehte den Kopf ein wenig. Richard hatte sich zu ihr gedreht und aufgestützt. Seine Augen strahlten sie an und sein Blick musterte sie interessiert. „Ach nur so“, log sie und zuckte die Schultern. „So, so ... und das aus dem Mund von Frau Plenske. Die denkt nicht einfach so, dass weiß ich schon seit geraumer Zeit“, neckt er sie und hielt ihren Blick mit dem seinen fest. „Hör auf, Dir Gedanken zu machen und genieß doch einfach den Augenblick“, stellte er fest und senkte langsam den Kopf. „Du bist eine wunderschöne, sehr kluge und auch begehrenswerte Frau, die es bisher gut geschafft hat, zwei dieser Eigenschaften zu verstecken. Gewöhn Dich daran, dass Männer Dich jetzt anders wahrnehmen. So sind wir eben“, murmelte er und strich sanft mit den Mund über ihre Wange. Er hauchte einen Kuss auf ihre Lippen, verstärkte ganz leicht den Druck, doch dann zog er sich wieder zurück und ließ sich zurück auf die Decke gleiten. „Und jetzt lass uns einfach ein bisschen die Ruhe hier genießen.“