Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 051
 

KAPITEL 51  – Im goldenen Käfig

 

Am nächsten Tag hatte Richard leichtes Fieber – und die größte Mühe seine Belustigung angesichts Lisa´s blasierter Miene nicht zu zeigen. Und ihr „ich hab es doch gewusst“ – und ihr Tonfall dabei, als Nathan ihm strikte Schonung auferlegte, waren einfach zu niedlich.

Für Richard war es schon seltsam – sein körperlicher Zustand war alles andere befriedigend – aber er fühlte sich so wohl, wie noch nie in seinem Leben. Es hätte ihn früher wahnsinnig gemacht so komplett von den Füßen geholt zu sein. Er war nicht fähig sich selbst zu versorgen, seine Kraft war minimal und – ja – er war in vielen Dingen einfach hilflos. Das sollte ihn stören – tat es aber nicht.

Wegen Lisa.

Und weil er wunderbarer Weise Gewissheit hatte, dass er nicht für alle üblen Dinge verantwortlich war, die die letzten Jahre passiert waren – er durfte sich selbst wieder trauen – und sich ihr anvertrauen. Das Leben hatte ihn wieder.

Conny und Nathan blieben bis Sonntagmorgen und Richard verschlief die meiste Zeit. Nathan appellierte an seinen gesunden Menschenverstand und fuhr nicht, ohne ihm nochmals deutlich aufzuzeigen, welche Risiken er einginge, wenn er zu früh wieder zu viel täte.

Sein Sohn kam öfters bei ihm herein – mit dem Nager auf dem Arm und jedes Mal bedankte er sich erneut für das Langohr.

Matty hatte seinen Schatz auf Richards Bett abgesetzt „Papa? Ist das richtig, was Oma Sophie sagt?“

„Was sagt sie denn?“

„Dass Flipper mich Nachts beschützen kann.“

Richard zählte zwei und zwei zusammen „Na klar. Schau Dir bloß mal an, wie groß der ist!“

Mattias Blick ruhte liebevoll und bewundernd auf dem Hoppler. Dann nickte er eifrig, sammelte seinen Liebling wieder ein und rief, als er das Zimmer verließ „Eric baut einen schöneren Käfig für Flipper – ich helfe ihm!“ – und weg war er.

Daher die Matty-freien Nächte... Das hätte er seiner Mutter gar nicht zugetraut – soviel Feingefühl im Umgang mit einem Kind...

Lisa betrat das Zimmer und – er gab es ja vor sich selbst zu – er genoss den besorgten Blick, mit dem sie ihn musterte.

Sie setzte sich zu ihm „So – Nathan und Conny sind weg. Das Haus gehört wieder uns.“

Lisa zog die Decke etwas herunter, ergriff die Creme, die auf dem Nachttisch lag und begann vorsichtig seine Rippen einzucremen. Inzwischen trug er keine Verbände mehr, aber seine Brust schillerte in allen Farben.

„Wurd´ auch Zeit, dass Nathan wieder fährt – meine Güte ist der überängstlich geworden!“

Lisa stoppte kurz in ihrer Tätigkeit, dann stellte sie langsam die Salbe wieder an Ort und Stelle und stützte sich dann rechts und links von Richard ab und beugte sich vor.

Er quittierte ihre drohende Miene mit einem Grinsen, beugte sich seinerseits vor und eroberte ihren Mund mit dem seinen.

Sie war zunächst überrumpelt und erwiderte den Kuss – dann jedoch zog sie sich zurück „Nathan ist nicht übervorsichtig! Du bist leichtsinnig! Willst Du vielleicht eine Rippenfellentzündung riskieren oder Lungenentzündung? “

Er seufzte „Ok, ok – habe verstanden. Liegen, schmieren, schlafen...“

„So in etwa – und heute Abend – als großes Highlight - darfst Du in die Badewanne.“

„Das sind Aussichten...“ Er blickte ihr direkt in die Augen „Lisa – ich finde es wunderbar, wie Du Dich um mich sorgst.“

Ihr Lächeln wurde weich „Was das betrifft fülle ich meinen Job als Ehefrau aus?“

„Perfekt. Niemand hat sich je so um mich gekümmert.“ Er zwinkerte ihr zu „Schmusen wir noch ein bisschen?“

Richard registrierte zufrieden, dass Lisa ihre Scheu wieder abgelegt hatte. Es war zwar wirklich etwas langweilig hier rumzuliegen – aber er hatte nicht ernsthaft vor, voreilig wieder aufzustehen. Aber ein bisschen drohen genügte und Lisa war auf Hundertundachtzig. Er liebte sie -  und wie sehr er sie liebte. Was machte es da, dass noch kein Eheleben in der letzten Konsequenz möglich war? Derzeit konnte er es eh nicht – und die Zeit würde es bringen.

„Du willst schmusen?“ Lisas Finger glitten um seinen Nacken und alle weiteren Überlegungen wurden zunächst verschoben.

 

Die nächsten Wochen gingen langsam, gemächlich und irgendwie heiter ins Land. Richard gewann nach und nach seine Kräfte wieder. Endlich durfte er wieder aufstehen – und es gefiel ihm viel besser, wenn er seine Ruhezeiten auf der Küchenbank oder auf dem Sofa absolvieren konnte, wenn Lisa dabei war. Er akzeptierte seine langsame Rekonvaleszenz  und machte Lisa das Leben nicht länger schwer.

Er hatte angefangen Pläne für die nächsten Monate zu machen. Da Eric nicht auf unabsehbare Zeit im Wohncontainer hausen konnte, wollte Richard ihm über dem Stall eine Wohnung ausbauen lassen. Und er hatte auch nicht vor, auf ewig in Lisas Schlafzimmer zu wohnen. Sie brauchten ein größeres Reich für sich. Er fand eine Möglichkeit, als Lisa den großen Spitzboden erwähnte. Er sah ihn sich ein paar Tage später an. Lisa hatte ihn begleitet und hielt ihn untergehakt.

„Das ist ja riesig!“ Vor seinem Auge entstand bereits eine große Dachgaube, die mehr Licht hereinlassen würde – vielleicht sogar mit Balkon… Hier wäre genug Platz für Ankleidezimmer, Schlafzimmer und ein bisschen Platz, wo sie sich zurückziehen konnten, wenn sie mal für sich sein wollten.

Lisa sah den ungenutzten staubigen dunkeln Raum und sah ihn etwas erstaunt an „Hier sollen wir schlafen?“

Er lachte „na ja – ein bisschen vorher Staubwischen – dann geht das schon!“

„Ach Du!“ Sie knuffte ihn ganz leicht „dann mach mal – ich lass mich überraschen. Äh – ich meine lass mal machen...“

Er wandte sich zur ihr um und hob ihr Kinn mit seinem Finger „Es wird wunderschön – wirst schon sehen!“

Ihre blauen Augen sahen ihn mit soviel Liebe an, dass er nicht anders konnte, er senkte den Kopf und küsste sie lang und intensiv. Und ihre Arme schlangen sich um ihn und ohne zu zögern erwiderte sie.

 

Es war drei Tage vor Weihnachten und sie saßen alle noch beim Frühstück, als Lisas Handy klingelte.

Sie sah auf das Display „Mariella – fein, dass Du Dich meldest! Alles klar?“

„Ja – alles gut.“ Ihre Stimme klang seltsam gleichmütig. 

Lisa stand auf und ging ans Fenster „Lisbeth gesund?“

„Ja – ihr geht es gut.“

„Und David?“

„Dem geht es gut.“

„Mariella – was ist es dann?“

„Nein –alles ist gut.“

„Süße – wenn Du noch einmal gut sagst,  platzt mir der Kragen!“

Aus dem Handy drangen nun unverkennbare Schluchzgeräusche.

„Mariella – ich komme, so schnell ich kann!“

„Du musst nicht – wirklich – alles gut.“

„Blödsinn!“ Lisa legte auf und sah zu Richard. „Ich muss zu Mariella – irgendwas ist.“

Er nickte „Ich komm schon klar hier.“

Sie ging an ihn ran und er legte seine Hände an ihre Hüften. „Versprichst Du artig zu sein?“

Matty lachte „Papa soll artig sein?“

Richard grinste ihm zu „Ich hab Deine Mutter schon verstanden – ja Lisa – ich versprech´s.“

„Mama – darf ich mit? Ich kann dann doch bei Tante Laura bleiben – die hat versprochen mit mir in den Zoo zu gehen.“

Lisa hatte das ´nein` schon auf den Lippen, als ihr einfiel, dass ein kleiner Junge wie Mattias vielleicht gar nicht das Schlechteste für Laura wäre. Richard nickte ihr verstehend zu.

Lisa – immer noch in Richards Händen – wählte die Nummer.

„Laura? Lisa hier... nein – alles bestens... ich will Mariella besuchen und Matty fragt an... oh – das ist prima ... nein, den Zoobesuch hat er nicht vergessen... ich bin dann so in etwa eineinhalb Stunden bei Dir... Danke für das Angebot – vielleicht komme ich drauf zurück... Ja – bis gleich.“

Diesmal fuhr Lisa selbst und nahm keinen der – ehemaligen – Bodyguards mit. Matty sicher im Kindersitz kutschierte sie den Benz nach Berlin hinein und zur seidelschen Villa.

Laura kam herausgelaufen und freute sich augenscheinlich wirklich, dass Lisa mit ihrem Sohn bei ihr aufkreuzte. Sie hob Matty hoch, lächelte Lisa an und fragte, ob sie über Nacht bleiben würde.

„Um die Wahrheit zu sagen – ich weiß noch nicht... hab aber vorsorglich Nachtzeug mit.“

„Kein Problem – lass Dir Zeit.“

So ließ Lisa ihren Sohn in der sicheren Obhut von Laura und fuhr zum Heim von David und Mariella. Auf ihr Klingeln hin öffnete eine sehr resolut aussehende Mitfünfzigerin.

„Ja?“

„Guten Tag – ich bin Lisa von Bramberg und möchte gerne zu meiner Schwägerin.“

„Ich weiß nicht, ob die gnädige Frau empfängt – sie liegt zu Bett.“

„Ist sie krank?“

„Die gnädige Frau ist immer krank.“

„Wieso das?“

„Na – weil sie doch nicht laufen kann!“

Lisa schüttelte unverstehend den Kopf „Mariella erwartet mich und nun lassen sie mich gefälligst herein!“ Sie hätte doch Joseph mitnehmen sollen!

Zwei Augenpaare krachten aufeinander, aber Lisas sonst so liebevollen blauen waren plötzlich wie aus Eis – die Frau trat beiseite und Lisa lief durch die Eingangshalle die Treppe empor. Was ging denn hier vor sich?

„Mariella?“

„Ich bin hier – ich bin hier...“

Lisa drückte eine Türklinke herunter und staunte – Mariella lag mit einem sehr züchtigen Nachthemd (so was trug sie doch sonst nicht!) im Bett. Das Frühstückstablett (es war bereits nach elf) stand unberührt neben ihr und sie hatte einen Gesichtsausdruck, den man nur als schmollend bezeichnen konnte.

„Bist Du krank Süße?“

„Nein! Nur müde...“

„Müde?“

„Müde des Herumkommandiert werdens, müde der mitleidigen Blicke, müde der Besorgnis, müde der Hilfe von allen Seiten!“ Mariella schlug auf die Bettdecke.

„Müde oder wütend?“

Mariellas ausdrucksvolle Augen schwammen fast über „Beides!“

Lisa ignorierte die unnahbare Miene und die verletzliche Aura, die sie umgab, ging einfach auf ihre Freundin zu, setzte sich zu ihr und nahm sie in die Arme. Ganze Niagarafälle ergossen sich über Lisas Bluse.

Lisa ließ sie weinen. Sie wusste noch nicht so recht, was hier lief – aber das hier etwas schief lief, war klar. Schließlich endete das Schluchzen und Mariella wurde ruhiger, blieb aber in Lisas Armen liegen.

Plötzlich ging die Tür auf und der Hausdrache von eben erschien „So – ich lasse Ihnen jetzt Wasser ein und dann baden wir schön.“

Lisas Brauen hoben sich empört „Schon mal was von Anklopfen gehört? Und ich glaube nicht, dass Frau Seidel mit Ihnen baden will!“

„Aber ...“

„Raus! Sie stören!“

„Aber die gnädige Frau...“

„Raus hab ich gesagt – sofort! Sind Sie taub? RAUS!!“

In nicht einwandfreier Schlachtordnung zog sich die Frau zurück. Mariella kicherte in Lisas Arm „Wo kommt das denn her Lisa? Seit wann bist Du so energisch?“

„Ich glaube Richie färbt ab... Und seit wann bist Du so verzagt?“

Mariellas Arme schlossen sich fester um Lisa und sie sagte leise „Ich weiß nicht, seit wann das Ganze schief gegangen ist... Laura hat uns Anfangs geholfen. Dann ging es David immer besser und er konnte wieder selbst alles in die Hand nehmen... Er hat dann Frau Lehmann engagiert, damit sie sich um mich und Lisbeth kümmert. Aber irgendwie geht alles schief. Alle packen mich in Watte. Ich darf kaum meine Tochter auf den Arm nehmen oder sie versorgen – ich könnte sie ja fallen lassen. Ich wollte einen Lift für die Treppe – aber David sagt, er hat Angst, wenn ich den alleine benutze. Wir haben ein Schwimmbad – aber es ist zu gefährlich für mich zu schwimmen. David hat ein neues Hobby – Mariella tragen! Und Frau Lehmann schmeißt den ganzen Haushalt. Ich bin hier so nötig, wie ein Kropf! Und Lisa ...“ ihre Stimme wurde noch leiser „David hat mich seit wir hier sind nicht einmal angefasst... ich meine..“

„Ich verstehe schon...“

Lisa hatte mit wachsendem Entsetzen Mariellas Ausführungen gelauscht. Man hatte sie behütet, beschützt und mit Fürsorge und Liebe erstickt. Sie war in einem goldenen Käfig gefangen – und wahrscheinlich meinte ein Jeder, dass er das Beste für Mariella tat... Handeln tat Not! Jetzt!

Sie schob Mariella auf Armeslänge von sich. „Ok – eines nach dem anderen. Erst mal stehst Du jetzt auf und dann gehen wir eines nach dem anderen an. Einverstanden?“

Mariella nickte, noch etwas verheult, aber mit etwas mehr Glanz in den Augen. 

 

 
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