Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 02
 

KAPITEL 2  - Märchenprinz

 

Er kam näher zu ihrem Fensterplatz und sie sah nahm jedes Detail an ihm wahr. Die dunklen Haare, etwas zu lang, das weiße Hemd mit der schwarzen Lederjacke darüber, die ausgeblichene Jeans. Er sah so umwerfend gut aus, wie eh und je. Äußerlich erinnerte nichts mehr an die Entführungsgeschichte.

 

David blieb vor ihr stehen. Wie sie da saß in ihrem langen Flanellnachthemd mit den kleinen rosa Blümchen, die immer etwas wirren Haare mit einer Schleife zurückgebunden, sah sie mehr denn je als wie ein kleines Mädchen. Einem Mädchen, dem er sehr sehr wehgetan hatte. Er hatte lange überlegt, ob er heute Abend noch einmal herkommen sollte, aber er wollte es nicht so enden lassen. Er wollte, dass sie verstand. Ihn verstand. Seine Situation. Die Änderung seiner Gefühle.

Und doch war dies seine kleine Lisa. Die immer für ihn da gewesen war, die ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Die immer an ihn geglaubt hatte, die immer zu ihm stand.

Ihre großen Augen hinter den dicken Brillengläsern sahen ihm so erwartungsvoll und ängstlich entgegen, dass sich sein Magen zusammen zog. War es wirklich richtig gewesen zu kommen?

 

Leise begann er zu sprechen „Lisa, wahrscheinlich wunderst Du Dich, warum ich gekommen bin...“

Womit er nicht gerechnet hatte war, dass sie aufschluchzte und ihre Arme um seine Mitte schlang. Sie sah nicht nur aus, wie ein kleines Mädchen, sie weinte auch so: Recht laut und recht nass.

Er legte die Arme um ihre zuckenden Schultern und streichelte ihr über das Haar.

„Lisa – bitte nicht weinen.“ So hatte er das befürchtet. Während er zuhause die Vorbereitungen für den morgigen Tag traf, saß sie hier im kleinen Zimmer bei ihren Eltern und heulte sich die Augen aus dem Kopf.

Er wartete ab, bis ihr Tränenstrom versiegt war, hielt sie nur fest, sagte aber nichts. Er wusste worauf sie wartete. Sie wollte, dass er sagen würde, dass er sich geirrt hätte, dass er nur sie lieben würde. Doch das konnte er nicht. Daheim wartete Mariella auf ihn. Er hatte ihr gesagt, wo er hingehen würde und sie hatte dies verstanden. Auch Mariella war gereift in den letzten Monaten... aber deshalb war er nicht hier. Er war hier, um einen sehr unglücklichen kleinen Mädchen zu erklären, was geschehen war. Doch würde sie verstehen?

 

Lisa merkte langsam, was sie da tat. Sie umklammerte die Taille eines Mannes, der sie verlassen hatte und der auch jetzt nichts sagte, was Anlass zu irgendeiner Hoffnung geben würde. Lisa Plenske! Lass das. Lass ihn sofort los und benimm Dich! Zögernd löste sich Lisa von ihm und seine Hände ließen sie sofort frei. Sie schniefte und suchte ein Taschentuch und fand so schnell keines. David senkte leicht den Kopf und hielt sein frisch gebügeltes hin.

Lisa ergriff es und schnäuzte sich geräuschvoll hinein. Er wehrte ab, als sie es ihm wiedergeben wollte. Sie rückte ein bisschen von ihm ab und sah ihn an „Warum bist Du gekommen, David?“

Er erwiderte offen ihren, immer noch recht feuchten Blick. „Ich möchte nicht, dass es so zwischen uns endet, Lisa. Ich möchte, dass Du verstehst, was passiert ist, was mit mir passiert ist.“

Er betrachtete fast zärtlich ihren nun gesenkten Kopf „Glaub mir – das letzte, was ich wollte, war Dir wehzutun. Und nun tue ich es doch und es bricht mir fast das Herz.“

„David“, ihre Stimme war so leise, dass er Mühe hatte sie zu verstehen „es ist doch alles gesagt. Und Morgen wirst Du heiraten. Was ändert es da noch, dass Du mir das Warum erklärst?“

Er ergriff ihre eiskalten Hände „Bitte Lisa – glaub mir – vor der Entführung war ich wirklich der Überzeugung, dass nur Du die Frau für mich bist.“ Seine Daumen massierten von ihm unbemerkt ihre Handrücken. Lisa starrte wie hypnotisiert darauf. So schöne Hände hatte er, sie liebte seine Hände so sehr.

„Und was hat die Entführung verändert?“

„Einfach alles. Meine Einstellung zum Leben, zur Arbeit, zu den Menschen, die ich liebe..“

„Und zu mir.“

„Ja Lisa – auch zu Dir.“

„Aber wieso?“ brach es aus ihr heraus „Ich möchte immer für Dich da sein, ich liebe Dich so sehr.“

„Ich weiß“, sagte er leise „und ich wünschte, ich könnte meine Gefühle wieder hervorholen, aber es geht nicht. Die Entführung hat mich innerlich altern lassen. Ich glaube, weit über meine Jahre hinaus. Man sagt, Männer würden später erwachsen. Ich musste es jetzt sehr rasch und hart werden.“

„Und Du meinst, ich sei es nicht?“

„So meinte ich das nicht. Es ist nur so, dass meine ganzen Werte sich jetzt so von den Deinen unterscheiden, dass ich glaube, dass es keine gemeinsame Basis mehr gibt.“

„Und mit Mariella hast Du diese?“

Mariella. David schloss kurz die Augen, während ein warmes Gefühl ihn bis ins Innerste durchwärmte. „Ich glaube, Mariella und ich hatten Damals keine Chance, weil ich ein egoistischer widerlicher Kindskopf war.“

Sie sah ihn schockiert an und er lachte „Keine Ahnung, wieso die Menschen in meiner Umgebung es so lange mit mir ausgehalten haben. Im Nachhinein kann ich mich selber nicht sehr leiden.“

„Nein David – ich mochte Dich auch da schon – Du warst nie widerlich.“

„Doch – war ich. Und eine Frau wie Mariella konnte das auf die Dauer nicht ertragen. Doch ich habe eine zweite Chance bekommen und ich möchte diese nutzen.“

„Mit Mariella.“

„Ja, mit Mariella.“ Er hob eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie sanft, ihn anzusehen. „Lisa, Du bist ein sehr liebes Mädchen. Es bricht mir das Herz, Dich hier so zu sehen und ich hasse mich selbst dafür, dass ich der Grund für Deine Tränen bin. Aber Lisa: Es ist besser so für uns beide. Ich weiß es. Unsere Beziehung hätte keine Chance mehr. Und es wäre keine Basis für uns zwei, wenn ich nur aus Dankbarkeit mit Dir zusammen wäre.“

„Aber ich liebe Dich! Genug für uns beide!“ Ihre Augen waren so voller Liebe und Verzweiflung auf ihn gerichtet, dass er zu gerne etwas gesagt hätte, was das Lachen in diese Augen zurück gebracht hätte. Doch das konnte er nicht. Es wäre nicht fair. Nicht ihr oder Mariella gegenüber und auch nicht  für sich selbst.

„Lisa – das ginge nicht gut. Wir würden beide unglücklich werden. Lass mich gehen Lisa. Bitte. Lass mich los und versuche neu anzufangen. Es ist besser so – glaub mir.“

Da stand er vor ihr, ihr David, ihr Held, ihr ein und alles und erzählte, dass sie ihn loslassen müsse. Sie entriss ihm ihre Hand und drehte den Kopf weg „Geh David, bitte geh. Du hast alles gesagt, was Du sagen wolltest. Bitte geh.“

„Lisa – bitte, versteh doch....“

„Geh!“

David warf ihr noch einen letzten unglücklichen Blick zu. Sie hatte nicht begriffen oder sie wollte es nicht. Er schüttelte langsam den Kopf und ein schwerer Stein schien sich in seinen Magen zu senken. Er wollte sie so nicht alleine lassen. Aber er hatte keine andere Möglichkeit mehr.

„Leb wohl Lisa.“ Er wandte sich zur Tür und hinter sich hört er ihre leise Stimme „Leb wohl David.“

  

Lisa sah vom Fenster aus zu, wie er aus der Haustür kam. Er drehte sich auf der Straße noch einmal um und sah zu ihr hoch. Er hob die Hand wie zum Gruß. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr los. Er war fort. Für immer fort. Alles war zuende. Sie war todtraurig, aber hassen konnte sie ihn nicht mehr. Er hatte gemeint, was er sagte. Er glaubte wirklich, dass ihre Liebe keine Chance hätte. Er glaubte, sie nicht mehr zu lieben.

Die Verzweiflung blieb, die Abscheu war fort.

 

 

Helga und Bernd sahen sie etwas verzweifelt am. Helga versuchte einen erneuten Vorstoß „Lisalein, bitte, Du musst da nicht mit hin. Keiner zwingt Dich dazu.“

„Doch. Ich muss mit. Ich muss sehen, wie David und Mariella sich das Jawort geben.“

„Aber Liebelein, das ändert doch nichts. Standesamtlich sind die zwei schon verheiratet. Jetzt folgt doch nur noch die Kirche.“ Doch Lisa blieb stur. Sie wollte es sehen, sie musste es sehen. Vielleicht konnte sie dann einen Schlussstrich ziehen.

„Schnattchen, Mensch, dann fahr doch wenigstens mit uns.“ Lisa schüttelte den Kopf „Jürgen holt mich gleich ab.“ Im Schlepptau der Eltern wollte sie da nicht auftauchen. Etwas Stolz war ihr auch noch geblieben.

„Aber zurück fährste doch mit uns, wa? Der Jürgen muss doch dann den Kiosk übernehmen.“

Lisa nickt wage und strich ihr Kleid glatt. Ein Kleid in dunkelblau, mit weißen Streifen am Arm, am Kragen und am Saum, mit einem weißen breiten Gürtel. Eines ihrer ganz normalen altmodischen Kleider. Sie hatte keinerlei Lust gehabt sich etwas Neues zu diesem Anlass zu kaufen. Nur den Gürtel hatte sie etliche Löcher enger stellen müssen. Da sie seit Wochen kaum etwas herunter bekam, musste sie recht heftig abgenommen haben. Das Kleid, sonst immer recht eng, saß fast zu locker an ihrem Körper – gut, dass das einen Gürtel hatte.

Bernd Plenske sah auf die Straße „Da kommt der Decker. Nun is´ eh zu spät.“

Lisa ging zur Haustür und öffnete sie. Jürgen Decker stand vor ihr. Schmal und nicht sehr groß, mit ziemlich abstehenden Ohren – er sah aus wie ein zu groß geratener Lausbub, den seine Mutter in einen Smoking gestopft hatte.

Auch grinste er sie an „Na Lieselotte? Können wir? Hab mir vom Nachbarn das Auto geliehen!“ Er zeigte stolz auf den aufgemotzten Golf GTI der vor dem Haus geparkt stand. Lisa ergriff ihren hellen Sommermantel und ihre weißen Handtasche, überlegte noch kurz, ob sie was vergessen hatte und nickte dann „Ja – ich hab alles – wir können.“ Und dann zu ihren Eltern „Wir sehen uns dann gleich dort.“

„Aber Schnattchen – wir können doch auch zu viert...“

Doch Lisa war bereits aus der Haustür und stieg ins Auto, während ihr Jürgen die Türe aufhielt.

Jürgen suchte und fand den ersten Gang  und fuhr los. Lisa bemerkte nicht die etwas ruckartigen Bewegungen des Autos, sondern lächelte ihrem besten Freund zu „Warum nur Jürgen können wir zwei uns nicht verlieben?“

„Ne – lass mal Lieselotte. Das haben wir schon versucht. Und was war der Erfolg? Du hast Dir den Fuß gebrochen!“

„Ja – aber nur, weil ich über das blöde Fahrrad im Hausflur gestolpert bin!“

„Wär´s das nicht gewesen, wär´ was anderes dazwischen gekommen. Das soll nicht sein mit uns...“

„Hast ja Recht.“ Lisa legte den Kopf zurück und betrachtete die vorbeiziehenden Straßen.

„Danke.“

„Wofür?“ fragte Jürgen und gab etwas zuviel Gas, der Wagen schoss nach vorne – er bekam ihn gerade noch in den Griff – verdammtes Raubtier dieses Auto.

„Dafür, dass Du immer für mich da bist. Und dafür, dass Du nicht versuchst mir auszureden heute in der Kirche dabei zu sein. Dafür, dass Du mich begleitest und dafür, dass Du mich so nimmst, wie ich bin.“

„Lisa – also wirklich – Du machst mich ganz verlegen...“

„Nein Jürgen, ich musste das mal sagen. Gerade in den letzten Wochen habe ich sehr genau bemerkt, wer zu mir steht und wer nicht.“

„Na gut, dann sage ich einfach Danke für Deine Worte. Aber mal was anderes – hast Du Dir schon überlegt, was Du weiter machen willst. Willst Du bei Kerima bleiben?“

„Ich weiß noch nicht Jürgen. Ich weiß es wirklich noch nicht. Lass uns bitte erst mal diesen Tag hinter uns bringen.“

„Du schaffst das, Lisa - ganz bestimmt! Eine Elizabeth Plenske schafft das! Und ich bleibe heute die ganze Zeit an Deiner Seite!“

„Selbst wenn heute eine wunderschöne hohlköpfige Blondine nach Dir Ausschau hält?“ versuchte sie zu frotzeln.

„Selbst wenn Marylin Monroe persönlich auftauchen würde!“

Jürgen schaffte es den Golf und seine Fracht heil auf dem Kirchenparkplatz zu parken. Uff – das war ein eklig flotter Wagen. Er sah Lisa an, die die Lippen fest zusammengepresst hatte und sich anschickte das Auto zu verlassen. „Bereit?“

Lisa nickte entschlossen „Bereit – lass uns reingehen und sehen wie David Seidel ein für alle Mal mein Leben verlässt!“

 

 
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