Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 037
 

KAPITEL 37 - Lisbeth

     

Es war fünf Uhr Morgens, als es klingelte.

„Lisa Plenske“, nuschelte sie müde in ihr Handy.

„Lisa, Lisa wach auf!– ich habe eine Tochter! Ich bin gerade wieder auf dem Zimmer. Die Wehen haben kurz vor Mitternacht eingesetzt, aber meine Süße ist dann doch mit Kaiserschnitt gekommen.“
“Mariella...“ Lisa setzte sich aufrecht hin, schlagartig wach. „Wie, was – geht es Dir gut? Ist die Lütte gesund?“

„Mir geht es gut, wirklich. Alle sagen mir, ich müsste müde sein – aber ich bin so aufgekratzt! Die haben eben David nach hause geschickt, damit ich schlafen kann. So ein Blödsinn! Die Kleine ist natürlich im Brutkasten und wird erst mal darin bleiben müssen – aber mit viel Glück, kann ich sie bald schon mal anfassen und auch rausnehmen.“

Lisa schämte sich nicht, ihr rannen stille Tränen die Wangen herunter „Mariella – das ist wundervoll. Endlich mal gute Nachrichten. Ich komme heute noch zu Dir.“

„Wirklich? Oh – ich freu mich! Meinst Du, Du könntest mir ein Eis mitbringen – ich hab so einen Appetit darauf!“

Lisa lachte unter Tränen „Du bekommst den dicksten Eisbecher überhaupt!“

Die beiden Frauen unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis eine Schwester bei Mariella ins Zimmer schaute und feststellte, dass diese nicht schlief, sondern putzmunter telefonierte.

Lisa legte auf und blieb noch eine kleine Weile im Bett. Sie hatte sich solche Sorgen gemacht, wie Mariella  reagiert hätte, wenn dem Kind etwas zugestoßen wäre. Mariella hielt sich so tapfer. Mit der Geburt dieses Winzlings war etwas Merkwürdiges passiert. Trotz aller üblen Vorkommnisse der letzten Jahre – das Leben ging weiter. Und obwohl Mariella nie mehr würde gehen können – sie würde dennoch eine Familie bilden.

Lisa warf einen Blick auf die Uhr – es ging bereits auf halb sieben zu. Sie stand rasch auf, duschte und zog sich an. Dann lief sie runter und schloss Richards Zimmer auf. Fast eine Stunde früher als gewöhnlich.

„Richard?“

Er setzte sich abrupt im Bett auf „Was ist passiert?“ Dann sah er ihr strahlendes Gesicht. „Ich formuliere um: Was ist ausnahmsweise mal Gutes passiert?“

„Mariella ist Mama. Das Mädchen ist zwar noch im Brutkasten, aber es ist wohl alles ok. Ich will gleich hinfahren – kommst Du mit?“

Er nickte und schlug die Bettdecke zurück „ich mach mich schnell fertig und informiere dann Joshua.“

Lisa ging in die Küche, setzte Wasser auf und weckte dann Mattias.

Gegen neun waren alle abfahrbereit.

Richard verstaute bereits ihre Sachen in Lisas Wagen, als Lisa noch etwas einfiel. Sie ging rasch ins Wohnzimmer ans Telefon. „Conny – hier Lisa – hast Du heute Zeit für mich? Ich fahre erst Mariella besuchen und dann.... Du hast? Prima.  ... ja – bis dann!“

Lisa atmete tief durch – sie hatte Nathan versprochen wieder einmal mit Conny zu sprechen – und sie hielt ihr Wort.

 

Ihre Ankunft im Krankenhaus verzögerte sich dann doch etwas, da man nicht ein Eis einfach so besorgen konnte, wenn ein Vierjähriger dabei war... Lisa winkte schließlich auch die beiden Bodyguards hinzu und sie aßen alle noch ein Eis, bevor sie eines für Mariella zurecht machen ließen und endlich zu der frisch gebackenen Mama konnten.

Für Mattias war die Anwesenheit der Bewacher kein Problem. Da sie ihn nett behandelten, fand er sie ganz schwer in Ordnung. Und Lisa hatte schon beobachtet, dass fast jeder der Herren schon mit Matty gespielt und gelacht hatte.

Mariella empfing sie in fast übermütig zu nennender Laune. Sie sah so schön aus, dass Lisa schon wieder fast weinen musste. Die beiden Frauen umarmten sich sehr lange, bis Mattias besorgt meinte „Wenn ihr das noch lange macht, schmilzt das Eis!“

„Matty!“ rügte Richard.

„Ist doch wahr“ – kam es trotzig – aber Mattias verstummte unter dem Blick seines Vaters.

Auch Richard umarmte seine Schwester. „Gut schaust Du aus Majella.“

Sie knuffte ihn leicht „Du aber auch!“

Dann lachte sie den jüngsten Plenske an „Komm her Matty.“

„Mama sagt, ich muss vorsichtig mit Dir sein – sie haben Dich aufgemacht... darf ich das sehen?“

Lisa stöhnte, doch Mariella lachte „Geht nicht Schatz – da ist ein dicker Verband drüber.“

Doch sie zog die Bettdecke fort und zeigte Matty den Verband, den er gebührend bewunderte.

„Stimmt es, dass Du nicht mehr laufen kannst?“

„Mattias – jetzt reicht es aber!“

„Nein Lisa – ist schon gut. Ist mir lieber, er fragt. Ja Matty – das stimmt.“

„Bekommst Du dann einen Rollstuhl?“

„Den hab ich schon. Schau mal da in der Ecke.“ Sie deutete auf eine Nische im Zimmer.

„Darf ich mal...“

„Na los – probier ihn aus.“

Während Mattias an dem Rollstuhl herumhantierte zogen sich Lisa und Richard Stühle heran und unterhielten sich mit Mariella. Wie sie da lag, sah sie ganz und gar aus wie eine glückliche Mutter – kein Mensch wäre auf den Gedanken gekommen, dass sie nicht in der Lage war aufzustehen.

Sie blieben fast eine Stunde und waren schon am Aufbrechen, als David hereinkam. Er stutzte kurz, als er sie alle sah und klaubte sich dann zunächst Mattias vom Bein, der sich daran festklammerte. Er hob ihn hoch und warf ihn die Luft „Hey Plenske – alles klar?“

Matty juchzte und als David ihn auf dem Arm behielt, wurde er sofort von großen grünen Augen fixiert „Bist Du jetzt auch ein Papa?“

David schluckte „Ja Matty – jetzt bin ich ein Papa.“

„Aber Du hast ein Mädchen!“ rümpfte Mattias die Nase.

David antwortete gespielt nachdenklich „Ja – weißt Du – es können nicht nur Jungen geboren werden. Und ich wollte gerne ein Mädchen – eines, das eines Tages so aussieht wie Mariella.“

Mattias Blick glitt zu ihr „Hat sie denn schon so lange Haare?“

Mariella gluckste „Noch nicht Schatz – noch hat sie gar keine Haare.“

„Keine Haare?“ Mattias war entsetzt „Aber...“

Richard rettete die Eltern „Wie heißt die Lütte denn nun eigentlich?“

David und Mariella tauschten einen Blick. Mariella antwortete „Eigentlich wollten wir sie Elisabeth nennen, aber dann haben wir uns für Lisbeth entschieden.“ Sie lächelte Lisa zu. „Es war Davids Idee.“

David setzte Mattias runter und wandte sich Lisa zu „Ich dachte, vielleicht könntest Du ja auch die Patin werden?“

Lisas Blick wurde schon wieder ganz wässrig. Sie überbrückte die zwei Schritte zu David und umarmte ihn. Und trotzdem er so groß war wie immer und sie sein Rasierwasser riechen konnte – es machte nichts. Das war David – und sie musste keine Angst mehr haben.

Auch David merkte, dass von Lisa keinerlei Anspannung ausging und wollte gerade etwas sagen, als es von unten murrte.

„Jetzt geht das schon wieder los mit der Umarmerei! Erwachsene sind echt blöd!“

Richard klemmte sich blitzschnell seinen Sohn unterm Arm “Hey Du Fratz! Das war aber nicht sehr höflich!“

Matty lachte „Ich tue es nie wieder, nie wieder!“

Sowohl David als auch Mariella betrachteten erstaunt den Umgang von Vater und Sohn. Mariella – gedeckt durch Davids Rücken – lächelte Lisa gerührt zu.

Richard, der sich Mattias auf die Hüfte gesetzt hatte, sagte „Ich nehm jetzt den Knirps mit und gehe mit ihm, wie versprochen, in den Zoo.“ Er beugte sich zu Mariella herunter „mach´s gut Liebes – ich ruf Dich an. David. Lisa – wir sehen uns dann gegen vier.“ Er nickte allen zu und verließ den Raum.

Einen Augenblick war Stille, dann sagte David „Kann mir mal Jemand verraten, wo ihr meinen ekligen Halbbruder versteckt habt? Was war das denn?“

Lisa betrachtete interessiert ihre Schuhe „Ich muss auch los – Conny Rittinghaus erwartet mich.“

Sie drückte Mariella noch einmal. Diese hielt sie kurz fest und sah ihr in die Augen „Lisa – wir beide. Man kann uns biegen, aber nicht brechen, nicht wahr?“

Lisa legte ihre Wange an die Mariellas „Nie und nimmer Liebes. Ich meld mich heute Abend nochmal.“

Sie ging Richtung Ausgang, lächelte David zu und strich ihm über den Arm „Ich überlasse Euch jetzt Euren Mutmaßungen und Eurer Zweisamkeit.“

Sie ging noch zur Säuglingsstation und ließ sich Lisbeth zeigen. Jetzt begriff Lisa, was alle gemeint hatten, als sie Matty nach der Geburt für riesig hielten – das Mädchen war so so winzig! In Lisa wallte Dankbarkeit hoch. Dafür, dass dieses kleine Wesen lebte und dafür, dass Matty so ein kräftiger kleiner Junge war. 

 

Conny Rittinghaus erwartete sie bereits, kam ihr entgegen und umarmte sie. „Lisa – Du siehst großartig aus!“

„Danke.“ Sie drückte Conny leicht „Hier bin ich – wie ich es Deinem Mann versprochen habe!“

„Aber hoffentlich nicht nur deshalb...“

„Nein – natürlich nicht.“

Die beiden Frauen setzten sich und Lisa begann ungefragt zu erzählen. Über den Hof, Richard, die seltsamen Unfälle und Mariella. Sie ließ nichts aus. Nicht ihre Freude darüber, dass sie wieder fähig war zu berühren, nicht die ersten zarten Gefühle, die Richard in ihr erweckte, auch nicht ihre Angst vor dem Briefeschreiber oder ihre Dankbarkeit über Mariellas Niederkunft.

Conny unterbrach sie nicht ein einziges Mal. Als Lisa geendet hatte, sah sie diese sehr nachdenklich an.

„Und nun Lisa? Wie soll es weitergehen?“

Zu ihrer Überraschung lachte Lisa auf „Weißt Du was Conny? Ich weiß es nicht! Und weißt Du was? Es ist mir so was von egal! Heute bin ich glücklich über Mariella. Ich bin dankbar dafür, dass ich einen gesunden Sohn habe. Und ich werde mich erst wieder um weitere Dinge kümmern, wenn dieses Damoklesschwert über unseren Köpfen entfernt worden ist.“

„Weitere Dinge – wie Richard?“

„Ja – wie Richard. Wie meine Gefühle zu ihm oder seine zu mir. Oder wie es mit uns weitergehen kann oder soll oder darf.“

„Ich verstehe nicht – Du kannst doch nicht die Augen zumachen vor Deinen Gefühlen.“

„Nein – das tue ich auch nicht. Vielleicht werden Richard und ich ein Paar. Vielleicht auch nicht. Vielleicht kann ich nie wieder eine vollständige Frau sein, vielleicht aber doch. Ich lass es auf mich zukommen.“

„Lisa...“

„Nein – Conny – bitte – hör mich an. Erst muss dieser Mensch geschnappt werden, der da sein Unwesen treibt. Erst dann kann Richard gegen seine Dämonen ankämpfen. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass er nichts mit Davids Entführung oder den seltsamen ... hmh.... Unfällen zu tun hat.“ Lisa hob die Hand „ich weiß, was Du sagen willst – die Vergewaltigung bleibt. Ja – die bleibt und wird immer in meinem Kopf verankert bleiben. Aber – ich bin bereit, dennoch offen in die Zukunft zu blicken – und wenn das eine Zukunft mit Richard sein sollte – in welcher Weise auch immer – ist das für mich ok. Conny – ich bin unendlich dankbar, für alles, was Du für mich getan hast – aber heute ist meine letzter Besuch bei Dir als Patientin. Ich bin bereit mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen – mit allen Konsequenzen. Mit oder ohne Richard.“

Conny sah eine Weile Lisa ins Gesicht „Du bist Dir ganz sicher oder?“

„Ganz sicher. Lisa ist wieder da. Das Leben hat mich wieder. Und ich bin bereit um das zu kämpfen, was mir wichtig ist.“

„Und Richard gehört dazu?“

„Ja – er gehört dazu.“ 

„Bist Du Dir seiner ganz sicher?“

„Nein – aber ich bin bereit das Wagnis einzugehen und wenn er auch dazu bereit ist, sehen wir weiter.“

„Lisa – ein letzter Versuch – dieser Mann hat Dir sehr wehgetan!“

„Ja – und sich selbst dabei mindestens genau so sehr. Und er ist der Vater meines Sohnes. Er hat sein Leben für uns riskiert. Er ist Matty ein guter Vater. Und er akzeptiert mich – zum ersten Mal in meinem Leben nimmt mich ein Mensch so wie ich bin. Nimmt mich ernst, unterstützt mich, hört mir zu.“

„Lisa – liebst Du ihn?“

„Ich weiß es nicht. Ich habe ihn sehr gerne, ich hatte eine unendliche Angst um ihn, als ich dachte, ihm sei etwas passiert… Und er löst definitiv Gefühle in mir aus. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Sie lächelte Conny an „Aber das ist für mich auch nicht schlimm. Die Zeit wird es zeigen. Und ich bin bereit meinen Weg zu gehen.“

Conny nickte langsam „Ich akzeptiere Deine Entscheidung.“ Sie brachte ein etwas gequältes Lächeln zustande „Selten habe ich eine Patientin mit so gemischten Gefühlen entlassen. Einerseits bin ich unendlich stolz auf Dich und andererseits habe ich Angst um Dich.“

„Ich weiß.“

Conny lachte nun wirklich „Lisa, Lisa – so weise.... Gut geh Deinen Weg! Aber wir bleiben als Freunde in Kontakt, ja? Und wenn Du mich brauchst – Du kannst immer anrufen!“

Lisa war schon an der Tür, als sie Connys Stimme noch mal vernahm „Lisa?“

„Ja?“

„Grüß Richard von mir. Er war mal ein sehr guter Freund von Nathan und mir. Vielleicht bringst Du es sogar zustande, dass er es wieder wird. So langsam glaube ich, Du kannst unendlich viel erreichen, wenn Du willst.“

Lisas Lächeln wurde weich – sie wusste über welchen Schatten ihre Freundin da gerade gesprungen war. „Ich grüße ihn von Dir. Herzlich gerne.“

 

 
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