Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 017
 

KAPITEL 17  Mattias Raphael Plenske

 

Lisa saß am Frühstückstisch und rührte sehr gedankenverloren in ihrem Tee herum. Jürgen war bereits seinen Kiosk aufsperren gegangen und sie hing immer noch ihren Gedanken nach, die sich samt und sonders um den gestrigen Abend drehten.

Der Zwist mit ihren Eltern belastete Lisa tief, doch der Preis für eine Versöhnung war ihr zu hoch. Gefreut hatte sie andererseits die Unterstützung, die sie von den anderen erhalten hatte – auch von David, der eigentlich so gar nicht ihrer Meinung war.

Hier Rumsitzen brachte gar nichts. Sie lieh sich Jürgens Digi-Cam und fuhr wieder zu ´ihrer kleinen Farm`, wie sie sie in Gedanken nannte.

Als sie ankam, sah sie schon, dass die Schwestern Martens bereits am Werk gewesen waren. Das kleine zu-verkaufen-Schild war verschwunden – und obwohl es erst einen Tag nach den Weihnachtsfeiertagen war, werkelten Handwerker vor Ort.

Lisa zückte die Camera und knipste das HanHan

Haus, die Nebengebäude und die schöne Landschaft drum herum. Dann setzte sie sich vorsichtig auf eine verwitterte Gartenbank und sah dem Treiben von Ferne zu. So wie es aussah, würde gerade die alte Küche in einen Container entsorgt.

Trotz des Lärms entspannte Lisa sich zunehmend und in Gedanken zog sie bereits ein. Sie blickte sich um – ob es ihr nicht doch zu einsam werden würde? Sie schrak furchtbar zusammen, als etwas ihre Beine streifte. Und wie als Antwort sah der rote fette Kater mit seinen gelben Augen zu ihr hoch. Zögernd streckte sie die Hand nach ihm aus und er gab sofort Köpfchen und strich schnurrend um ihre Hand. Dann sprang er elegant auf die Bank und eRicharde ihren Schoß, ringelte sich zusammen und streckt die Pfoten noch einmal genüsslich. Die Krallen blitzten auf, taten ihr aber nicht weh.

„So so“, sagte sie leise – „Du willst also zusammen mit meinem Sohn und mir hier wohnen?“

Schnurrend blinzelte er ihr zu und brummte noch lauter, als sie begann seine dicken Hamsterbacken zu kraulen. „Ich glaub´ an dich könnte ich mich gewöhnen…“

Sie überlegte, ob sie auf dem Rückweg in Göberitz vorbei fahren sollte, entschied sich dann aber dagegen – dafür war es zu früh. Der Abend Gestern war auch ihr noch in zu lebhafter Erinnerung.

So lenkte sie den Wagen an der Straße nach Göberitz vorbei und erst als sie vor dem Krankenhaus hielt, kam ihr zu Bewusstsein, wohin sie gefahren war. Zwischen Weihnachten und  Neujahr hatte Richard keine Anwendungen. Sie hatte absolut keinen Grund hier zu sein. Sie sollte den Wagen wieder starten und wieder… Sie stieg aus. Und da man sie kannte wurde sie ohne weiteres durchgelassen. Eine der Schwestern lächelte ihr zu „Ihr Freund ist im Gymnastikraum.“ Lisa bedankte sich und änderte die Richtung. Immer noch Zeit umzudrehen, Lisa! Du machst Dich lächerlich!

Was zum Geier suchst Du hier? Du solltest diesen Kerl meiden wie die Pest – dreh sofort um und setz dich gefälligst in dein Auto!

Doch ihre Hand drückte bereits die Klinke herunter und sie trat ein. Richard bemerkte sie nicht. Er war alleine in dem Raum, abgesehen von dem Wachmann, der auf einem Stuhl saß und gelangweilt aufpasste.

Richard übte am mechanischen Laufband. Er hatte sich selbst durch einen Haltegurt gesichert, hing allerdings nicht mehr in diesem, sondern war fähig alleine die Beine zu setzen. Er sah noch nicht wirklich elegant aus, aber erinnerte schon deutlich mehr an normales Gehen als am Anfang.

Als er plötzlich hoch sah und sie entdeckte, stockte er kurz und da das Laufband unbeirrt weiterlief, kam er fast ins Straucheln. Aber nur fast. Er schaltete es aus und stützte sich mit den Unterarmen beidseits darauf „Lisa – das nenne ich eine Überraschung!“

„Ich wollte nicht stören – wenn ich ungelegen komme...“

„Soll das ein Witz sein – der Tag geht kaum voran, zumal hier zwischen den Feiertagen nur Grundversorgung betrieben wird.“ Sein aufmerksamer Blick traf ihre verlegene Miene. „Hast Du Lust mir Bälle zuzuwerfen? Ich meine das ganz im praktischen, nicht im verbalen Sinne…“

Lisa legte Tasche und Mantel ab und stellte sich ein paar Meter von Richard entfernt auf und warf ihm weiche Schaumstoffbälle zu. Zunächst fing er mit rechts – seiner unbeschadeten Seite, dann deutete er auf eine Bandage. „Lisa – ist es Dir möglich mir das umzubinden, so dass der rechte Arm festgesetzt wird.“

Lisa atmete tief durch und trat näher. Richard hob den linken Arm und legte den rechten an den Körper. Lisa vermied es ihn anzufassen, aber da er absolut stillstand und anscheinend sogar das Atmen auf eine Minimum reduziert hatte, brachte sie es fertig die Bandage um ihn zu schlingen und an seinem Rücken mit einer Schleife arretieren. Er ließ den Arm erst wieder runter, als sie außer Reichweite war.

Nun ging das Fangen der Bälle wesentlich schwerer und Lisa bemühte sich, ihm die Bälle so exakt wie möglich zuzuwerfen. Nach einer Weile fing er gar keinen mehr und es schien ihm schwerer zu fallen den Arm zu bewegen. Leise meinte sie „Ich glaube, es ist genug für heute.“ Er nickte und sie trat hinter ihn, um das Band wieder zu lösen. Diesmal allerdings verließ ihn die Kraft im linken Arm und er sank zu früh herunter und streifte den ihren. Instinkttief sprang sie zurück und er hob den Arm sofort wieder „Tut mir leid…“

Lisa zog schnell die Bandage auf und ging außer Reichweite. Richard angelte mit der gesunden rechten nach dem Gehwagen und sein Blick streifte ihr abgewandtes Gesicht. Einen Augenblick sah es so aus, als wolle sie die Flucht ergreifen. Er sagte rasch „Ich geh jetzt  wieder auf´s Zimmer. Meinst Du, Du könntest aus der wunderbaren Kantine hier was Essbares besorgen?“

Sie fasste sich „So was wie Kaffee und Kuchen?“

„Ja – so was in der Richtung.“

Sie nickte und kam kurze Zeit später mit einem Tablett wieder. Sie setzten sich an den kleinen Tisch am Fenster und Lisa schenkte Tee ein „Ich wusste nicht, ob Kaffee oder Tee...“

„Ist schon ok.“ Und nach einer kurzen Pause „Alles in Ordnung Lisa? Nicht, dass ich nicht dankbar über Deine Gesellschaft bin – aber... da ist doch was!“

Und ehe Lisa es sich versah, hatte sie ihm die ganze Geschichte des Abends und den Krach mit ihren Eltern erzählt. Wieso sie es ausgerechnet ihm erzählte, konnte sie nicht sagen – aber sie tat es.

Richard rührte eine ganze Weile und völlig unnötig lange in seinem Tee herum „Und was wirst Du jetzt tun?“

Lisa war dabei die Sahne über ihrem Apfelkuchen glatt und glatter zu streichen „Erst mal bleibe ich bei Jürgen, bis das Kind da ist. Ich habe mit Dr. Vidras gesprochen. Ich kann nach der Entbindung so lange im Krankenhaus bleiben, bis ich bereit und gesundheitlich in der Lage bin, mich und das Kind selbst zu versorgen. Bis dahin sollte der Hof fertig sein und ich kann umziehen.“

Sie holte die Digi-Cam aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Er nahm sie und sah die Bilder von Lisa´s neuem Heim durch.

„Idyllisch.“ Sein undurchdringlicher Blick lag wieder auf ihr „Aber ist das nicht zu einsam auf Dauer?“

„Ich hoffe nicht. Zur Zeit ist das genau das, was ich möchte.“ Sie packte die Camera wieder weg und sah ihm ins Gesicht. Ein recht müdes Gesicht und eines, in dem man sehr schlecht lesen konnte. Der Mann mit der Maske, schoss es ihr durch den Kopf. Nur wieso war sie hier und wieso hörte sie auf das, was er sagte und wieso war da kein Hass mehr? Gut – anfassen konnte sie ihn überhaupt nicht. Alleine der Gedanke verursachte Panik. Und doch – konnte sie ihn ansehen, mit ihm reden, sich mit ihm austauschen.... Den Blick immer noch auf ihre Tasche gerichtet, sagte sie leise „Ich habe auch noch keinen Namen für den Zwerg.“

Es war eine ganze Weile still, dann sagte Richard mit seltsam gepresster Stimme „Lisa – ist das Dein Ernst, dass Du ausgerechnet mich nach einem Namen für Dein Kind fragst?“

Ihr Blick blieb starr auf die Handtasche gerichtet. „Ist es nur mein Kind oder ist es auch Deines?“

Er holte vor Verblüffung scharf Luft „Was möchtest Du mich damit fragen?“

„Hast Du Interesse an dem Kind? Willst Du wissen, wenn es geboren ist? Willst Du wissen, wie es ihm geht?“

Richard lehnte sich im Stuhl zurück und da er gar nicht antwortete, sah sie hoch. Verblüffung war wohl die treffendste Bezeichnung für seinen Gesichtsausdruck. Der maskenhafte Ausdruck war definitiv verschwunden.

Sie schluckte „Ich darf so etwas nicht fragen oder? Ich verstoße gegen alle Normen...“

„Zum Teufel mit den Normen. Lisa – was erwartest Du von mir? Ja – ich bin der Vater des Kindes und rechtlich gesehen stehe ich dazu. Aber – um Himmels willen, Lisa! Du weißt doch am besten, wie es dazu kam... Wie kannst Du mich hier fragen, ob ich Interesse habe...“

„Dann hast Du keines?“ kam es leise von ihr.

„Doch – natürlich. Großes Interesse sogar. Aber ich habe keinerlei Recht dazu, es zu haben! Ich habe großes Unrecht an Dir getan. Und Du ... Lisa – Du musst mich doch hassen...“

„Ich kann es aber nicht. Ich bin unsicher in Bezug auf Dich. Ich weiß nicht, was Wahrheit und was Lüge ist. Aber ich weiß auch, dass uns das, was in mir heranwächst, verbindet. Und Du weißt das auch.“

„Ja – ich weiß“ – auch seine Stimme war leise „aber ich sehe es eher so, dass ich mein Leben lang versuchen muss wieder gut zu machen, was ich getan habe und es doch nicht kann.“

„Lässt Du mich deshalb zu Dir – weil Du Dich schuldig fühlst?“

„Zum Teil – ja. Zum Teil aber auch, weil ich es möchte. Und ich habe auch kein Recht dazu, Deine Gesellschaft zu genießen.“

Sprach er die Wahrheit oder manipulierte er sie?

Nach einer Weile sagte er leise „Ja  - ich würde gerne wissen, wie es Dir und dem Kind geht.“

Sie nickte und lächelte zum ersten Mal, seit sie heute angekommen war „Gut – dann schreib ich Dir regelmäßig, wenn ich auf dem Hof wohne. Wirst Du antworten?“

„Ja – ich denke - ja.“ Er fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar „Ist das eine verrückte Situation! Wenn wir schon so miteinander sprechen, wie wir es eigentlich nicht sollten, können wir auch über einen Namen nachdenken. An was hat Du denn überhaupt gedacht?“

„Es sollte ein Name mit Bedeutung sein – ein positiver Name.“

„So wie David was?– das heißt auf hebräisch Geliebter oder Liebling...“

„Und was heißt dann Richard?“

„In etwa - reich, stark, mächtig...“

„Ich möchte etwas... etwas Positiveres!“

„Felix – das heißt der Glückliche.“

„Ein blöder Name!“

Um seinen Mund zuckte es bereits wieder „Nathan – Gott hat gegeben.“

„Gar nicht so schlecht – aber dann denkt Dr. Rittinghaus bestimmt was Verkehrtes!“

„Hm – Matthias, Mattias-ohne-H, Mattes - bedeutet alles Geschenk Gottes. Oder Raphael – das heißt so was wie Gott-heilt“ und ganz leise kam von ihm hinterher „wie passend…“ Hatte er das wirklich gesagt?

Lisa schloss die Augen und ihre Lippen bewegten sich stumm. Dann sagte sie bestimmt „Mattias Raphael Plenke.“

„Na – wenn mein Sohn mich schon hassen wird, wenn er weiß, was ich getan habe – wie wird er mich dann erst wegen dieses Namens hassen?“

  

In der ersten Januarwoche hatte Lisa einmal mehr einen Termin mit Conny Rittinghaus. Lisa hatte sich gerade ihr gegenüber in den Stuhl gesetzt, als Conny anfing zu lachen „Lisa – Du siehst aus, als hättest Du etwas ausgefressen…“

Lisa sah sie erstaunt und gleichsam schuldbewusst an „Na ja – hab ich auch…. Ich war jeden Tag bei Richard. Jeden Tag mehrere Stunden.“

Conny hörte auf zu lachen, studierte Lisa´s offenes Gesicht und es klang nun doch besorgt, als sie antwortete „Weißt Du Lisa – ich hatte gehofft, wenn Du mehr Zeit mit diesem Mann verbringst, würdest Du erkennen, dass da nichts ist, was Dir gefallen könnte. Meine Hoffnung ging in die Richtung, dass er selbst sich so benehmen würde, dass Du abgeschreckt werden würdest. Ich hätte nie erwartet, dass Du ins Gegenteil umschlägst und Deine Zelte in der Klinik aufschlägst.“

„Ich auch nicht – und es verwirrt mich.“

„Und wie soll das werden, wenn er wieder einsitzt und Du auf Deinem Hof lebst?“

„Wir werden uns schreiben.“

„Lisa – verdammt. Das ist nicht Dein Freund! Biologisch gesehen ist er der Kindsvater, aber ansonsten…“

„Ich weiß.“

„Du weißt und handelst dennoch dagegen?“

„Da ist etwas zwischen ihm und mir, was ich nicht deuten kann – aber es ist da.“

„Lisa – liebst Du diesen Mann?“

„Ihn lieben?“ Lisa sah noch erstaunter aus.

„Ja – was für Gefühle hast Du, wenn Du ihn siehst?“

Lisa kaute an ihrer Unterlippe und dachte nach „Ein bisschen Angst, Verwirrung, Nicht-Verstehen und der Wunsch es doch zu können. Ich möchte die Wahrheit wissen!“

„Welche Wahrheit denn?“

„Ist er ein böser Mensch oder war er nur krank? Würde er so etwas noch mal tun? Hat er David entführt? Es macht mich wahnsinnig nicht zu wissen, wer er ist.“

„Warum macht Dich das so wahnsinnig?“

„Nun – er ist der Vater meines Kindes… Worauf muss ich  mich bei Matty einstellen...“

„Bei Matty?“

„Ja – ich hab mit Richard zusammen einen Namen ausgesucht.“

„LISA!“ Nun war es Conny, die aufstand und im Zimmer umhermarschierte. Sie versuchte ihren Ton zu mäßigen „Lisa – Du suchst mit Deinem Vergewaltiger zusammen einen Namen aus?“

Lisa nickte und sah Conny zwar etwas eingeschüchtert – aber wie Conny feststellte -  auch recht halsstarrig an.

„Lisa – dieser Mann hat Dir wehgetan.“

„Ich weiß.“

„Er sitzt Deinetwegen im Gefängnis.“

„Ich weiß auch das.“

„Was ist – willst Du ihn adoptieren?“

Lisa lachte „So ein Wort im Zusammenhang mit Richard ist lächerlich.“

„Ich bin nahe daran, mir die Haare zu raufen.“

„Das tut er auch dauernd wegen mir – also tu Dir keinen Zwang an.“

Conny schüttelte den Kopf „Kannst Du mir erklären, warum es Dich immer wieder zu ihm zieht?“

„Uns verbindet etwas. Ich möchte ihn verstehen können. Und er versteht mich.“

„Bitte sei vorsichtig Liebes – wenn Du Dich in ihm irrst, kann das ziemlich schlimm für Dich werden.“

„Ich weiß.“

 

 

 
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