Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 036
 

KAPITEL 36  – Eine Art von Familienleben   

 

Der nächste Tag verlief ruhig. Richard stand zu den Mahlzeiten auf und wirkte wesentlich fitter als Tags zuvor. Matty erhob Richards Zimmer zu seinem Hauptquartier. Einen Erwachsenen zur alleinigen Verfügung zu haben – und dann noch den Vater, das war für ihn einfach das Größte.

Als Lisa nach dem Mittagessen ihren Sohn suchte, fand sie ihn bei Richard. Beide schliefen. Richard hatte Mattias ihm Arm.

Lisa stand in der Tür und betrachtete das Bild eine ganze Weile. Nie hatten sich die beiden ähnlicher gesehen, als in diesem Moment. Richards Gesichtszüge waren ebenso entspannt, wie die seines Sohnes – und die Haarfarbe war exakt die gleiche.

Würde Richard bleiben, auch wenn der Übertäter gefasst werden würde? Wenn nicht – wie würde Mattias darauf reagieren? Und was würde das für sie bedeuten? Lisa umfasste mit ihren Händen ihre Oberarme und hatte auf einmal den Wunsch sich zu den beiden dazu zu legen. Wie das wohl wäre, eine richtige Familie zu sein? Wie wäre es, von Richard berührt zu werden?

Lisa senkte den Blick. Gut – sie konnte ihn jetzt berühren – aber würde je ein Mann mit ihr intim werden können? Sie fröstelte. Geduld, Lisa, Geduld – bis vor kurzem hast du noch nicht einmal geglaubt, dass es möglich wäre, dass du Jemanden berühren kannst. Und heute Abend würde sie es wieder tun.

Lisa drehte sich um und schloss leise die Tür.

 

Mattias musste Richard ganz schön auf Trab gehalten haben, denn nachdem sie Matty ins Bett gebracht hatte, ging sie wieder zu Richard und musste lachen. Er war eingeschlafen – inmitten einer wahren Armada von Papp- und Plastikfischen.  

Immer noch vor sich hinlächelnd ging sie ins Bad und ließ Wasser in die Wanne. Dann setzte sie sich zu ihm und berührte ganz vorsichtig seine Wange. Er war sofort wach. Sein Lächeln kam so warm und spontan, dass es sie völlig überraschte. Dann zog sich wieder der altbekannte Ausdruck über sein Gesicht.

„Ich muss eingeschlafen sein...“

„Dein Sohn schafft Dich!“

Er grinste und hob etwas irritiert einen gelben kugelrunden Fisch hoch, auf dem er gelegen hatte. „Ich muss mal richtig mit ihm zum Angeln gehen – er ist ja völlig verrückt danach.“

„Das wird ihn freuen. Ich hab die Badewanne schon volllaufen lassen – Du kannst baden gehen.“

„Danke.“ Er schob eine Pappflunder aus dem Weg, schlug die Bettdecke zurück und erhob sich.

Lisa nutzte die Zeit sämtliche Wasserbewohner wieder in ihre Pappschachtel zu verbannen und das Bett neu zu beziehen.

Als sie mit den Medikamenten aus der Küche kam, war Richard gerade dabei wieder ins Bett zu steigen.

Diesmal war Lisa wesentlich weniger unsicher. Sie ließ zu, dass sie das Gefühl genoss, ihn mit ihren Händen Gutes tun zu können. Wann hatte sie schon je einen Mann angefasst? Die Male konnte sie an einer Hand abzählen.

Obwohl Richard auch diesmal komplett still lag, hatte er seine Augen geöffnet. Es störte sie nicht. Sie war fast mit dem zweiten Arm fertig, da schlossen sich seine Finger sanft um die ihren. Nicht fest, sie hätte sie ihm entziehen können, aber sie tat es nicht. Sie hob den Blick, als er leise zu sprechen begann.

„Lisa – wir müssen reden.“ Er schob seinen anderen Arm hinter seinen Kopf, ließ aber seine Finger mit den ihren verschränkt. „Ich habe gedacht, ich könnte Euch hier beschützen – mein Besuch in der Kälte hat mich allerdings vom Gegenteil überzeugt. Lisa – wir müssen uns Wachpersonal besorgen – alles andere wäre fahrlässig.“

Lisa´s Blick war auf ihre ineinanderverschränkten Hände gerichtet und ihre Stimme klang recht gequält „Fremde Leute hier im Haus? Immer um mich herum? Ich weiß nicht, ob ich das ertrage. Ich weiß ja, dass Du Recht hast, aber...“ Sie ließ den Satz unvollendet – vielleicht auch, weil sein Daumen begonnen hatte, ihren Handrücken zu streicheln.

„Ich habe dazu eine Idee. Hier drinnen ist eh nicht genug Platz. Wir stellen draußen Wohncontainer auf. Das geht schnell und ist für die Wachmänner auch bequem. Auch das Essen können wir für sie kommen lassen. Ich kümmere mich Morgen um alles.“

Lisa nickte recht unglücklich.

„Lisa – ich weiß, das widerstrebt Dir ganz ungemein, aber es muss sein. Ich würde mir nie verzeihen, wenn Matty oder Dir was passieren würde.“

„Du hast ja Recht, ich weiß das. Himmel, Richard – ich möchte endlich wieder ein nettes, friedliches Leben haben! Eines, in dem ich nicht ständig Angst um Jemanden haben muss. Hätte ich Dich nicht gefunden...“

„Aber das hast Du. Du siehst doch Lisa – ich bin zäh. Mach Dir um mich keine Sorgen – das ist auch gänzlich verschwendet. Das bin ich nicht wert.“

„Hör auf so zu reden.“     

„Was?“

„Du hast mich schon verstanden. Hör auf so von Dir zu sprechen, als ob es egal wäre, was mit Dir ist.“

„Aber es ist egal!“

„Mir nicht.“

Einen Augenblick war er still, dann sagte er etwas gepresst „Lisa – sprich nicht so mit mir – Du kannst doch nicht vergessen haben, was ich Dir angetan habe.“

„Nein – und das werde ich auch nie. Aber andererseits – ohne Dich hätte der Hund Matty und mich angegriffen. Und Du tust alles, um uns so gut es geht zu beschützen. Das zählt auch.“

Sie sah ihn wieder an und fixierte ihn geradezu „Den Tag, als wir Dich alle gesucht haben, da hatte ich Angst um Dich. Große sogar. Hätte ich die, wenn ich nur immer an diesen furchtbaren Abend denken würde? Meinst Du, ich hätte Dir erlaubt mit Matty Kontakt zu haben, wenn alles, was ich von Dir wüsste, sich auf dieses Ereignis beziehen würde?“

„Lisa – mach keinen Heiligen aus mir. Ich bin keiner – war auch noch nie einer.“

„Ich weiß.“ Sie drückte leicht seine Hand „Dafür habe ich Dich auch nie gehalten.“ Sie zögerte etwas „Meinst Du, wir könnten trotz allem die Dorfbewohner zum Grillen bei uns einladen? Es habe so viele den Tag geholfen – so etwas habe ich noch nie erlebt.“

Richard nickte „Warum nicht – ich glaube nicht, dass unser Übeltäter bei so was zuschlägt – der versucht doch alles irgendwie seltsam aussehen zu lassen.. Selbstmord, Unfall, Versehen...“

 

Den nächsten Tag machte Richard Ernst. Er orderte zwei Container, sprach mit Bewachungsfirmen und organisierte die Versorgung der Bodyguards aus der dörflichen Gastwirtschaft. Die gute Frau war ganz entzückt über diesen Auftrag.

Bis zum Mittag hatte Richard alles unter Dach und Fach. Beim Essen sah Matty seinen Vater schelmisch an „Musst Du heute auch wieder Mittagsschlaf machen?“

Lisa sah die Chance und konnte ihr nicht widerstehen „Gut wäre es.“

Richard zog die Augenbrauen hoch, äußerte sich allerdings nicht.

Während sie den Tisch abräumten, zupfte Mattias an Richards Hosenbein. „Ja - Knirps?“

„Wenn Du schläfst, mache ich das auch.“

Lisas Schultern zuckten leicht. Richard bemerkte es und nutzte nun seinerseits die Situation aus „Nur wenn Deine Mama uns beide ins Bett bringt.“

Zwei grüne Augenpaare wandten sich ihr zu. Was wurde das? Fing Richard an mit ihr zu spielen? Was veränderte sich da in ihrem Verhältnis zueinander?

Nun jedenfalls nahm sie es mit Humor „Nun geht  schon mal vor – ich komme gleich nach.“

Vater und Sohn lagen bereits aneinander gekuschelt da, als Lisa das Zimmer betrat, die Vorhänge zuzog und schließlich die Decke über beide zog. Matty schlang die Arme um sie und sie drückte ihn kurz an sich. Richard – einen Arm immer noch um den Jungen, sah zu diesem hin. Daher war er überrascht, als sie ihre Hand in seinen Nacken legte und ihre Lippen bereits das zweite Mal seine Stirn streiften.

Er murmelte leise „Daran könnte ich mich gewöhnen...“

„Blödes Geknutsche!“ moserte es aus seinem Arm.

Lisa und Richard tauschten einen lächelnden Blick und Lisa verließ das Zimmer.

 

Richard blieb danach auf und sie bereiteten die Einladung an die Dorfbewohner vor. Bevor er sich zurückzog, blieb er noch in der Wohnzimmertür stehen – „Darf ich noch auf ein Verwöhnprogramm hoffen?“

Lisa war etwas verlegen „Nathan meint, mindestens eine Woche lang...“

Richard grinste „Das nenn ich einen wahren Freund.“

„Geh baden und red nicht!“

 

Als Lisa am ihn am nächsten Morgen wecken wollte, lag Richard zusammengekrümmt im Bett, kalten Schweiß auf der Stirn.

„Wadenkrampf, rechtes Bein – und wie!“ presste er hervor.

Mattias, der ins Zimmer gefolgt war, sah erschrocken auf seinen Vater.

„Schatz – holst Du mir den Cremetopf aus der Küche?“

Matty flitzte los.

Lisa ging rasch zum Bett. „Dreh Dich auf den Rücken.“

Er tat es, wenn auch mühsam.

Sie nahm das Bein hoch, ergriff die Zehen und bog sie mit aller Kraft in Richtung seines Körpers.

Mattias kam herbeigerannt.

„Machst Du den Deckel ab? Ja – so ist´s gut. Und holst Du mir noch zwei Kissen aus dem Wohnzimmer – von der Couch?“

Lisa hatte sich gesetzt. Mit der rechten Hand bog sie nach wie vor die Zehen zurück, mit der linken begann sie die Creme einzumassieren.

„Himmel – das ist ja alles steinhart!“

„Ich weiß“, presste er hervor.

Matty kam wieder, zwei große Kissen hinter sich herschleifend. „Oh prima Matty – pack sie unter das Bein, ja?“

Lisa ließ Richards Bein darauf niedersinken und sah ihn an. Er sah deutlich entspannter aus. „Danke“, brachte er hervor „So etwas kenne ich nicht!“

„Welch ein Glück für Dich – ich schon. Mein Vater hat das öfter.“

„Mama – soll ich noch was holen?“

„Ja Liebling. Schaffst Du es ein Handtuch nass zu machen? Und dann bringst Du mir ein großes trockenes und ein kleineres nasses. Kriegst Du das hin?“

Matty nickte feierlich und stob wieder davon.

Lisa massierte weiter und grinste ihn an „Und das nächste Mal, wenn Nathan von drei Tagen Bettruhe spricht, halten wir uns dran!“

Er grinste zurück „Einverstanden.“

Ein Poltern auf der Treppe kündigte Mattys Rückkehr an. Er kam stolzgeschwellt, eine Wasserspur hinter sich herziehend  und höchst ernst mit den gewünschten Handtüchern zurück.

Lisa schlang das nasse Handtuch um das weich massierte Bein und wickelte dann das trockene darüber. Dann zog sie die Bettdecke wieder über ihn.

Die Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt. „Das war ein ungemütliches Aufwachen!“

„Kann ich mir vorstellen. Oder Du wolltest bloß Frühstück ans Bett...“

 

Doch nach diesem kleinen Rückfall kam Richard schnell wieder auf die Beine.

Die Wohncontainer wurden geliefert und angeschlossen und tags darauf hielt das Geschwisterpaar Joseph und Joshua Müller, sowie deren Kollege Eric Hagen Einzug. Das Brüderpaar erinnerte Lisa an eine blonde Version der Klitschko-Brüder und der andere sah mit seinen etwas zu langen schwarzen Haaren und den Akne-Narben ein bisschen aus, wie ein Gangster.

Lisa sah ihre Ankunft mit sehr gemischten Gefühlen – aber die drei Männer benahmen sich ausgesucht höflich. Nur dass nun jeder einen Schatten an sich kleben hatte, der von ihnen das Haus verließ. Das war sehr gewöhnungsbedürftig und Lisa bekam ehrliches Mitleid mit Prominenten, die dies immer ertragen mussten.

Auch die Dankeschön-Feier für die Dorfbewohner fand statt. Ein war ein feucht-fröhliches Grillen – und obwohl es fast Oktober war, hatte das Wetter ein Einsehen und machte mit.

Lisa war im Nachhinein sehr froh, dass sie Damals keine Strafanzeige gestellt hatte und Richards Verurteilung so rasch und leise geschehen war. Die Presse hatte Damals nichts mitbekommen – eine wahre Meisterleistung von Mariella. Dadurch war von Richards Vergangenheit nichts durchgesickert und Lisa war das sehr recht so. Und wenn sie sah, wie Matty ungeheuer stolz seinen Vater überall präsentierte – umso mehr.

 

 

 
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