Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 026
 

KAPITEL 26 -  Der Kampfhund

 

Der nächste Morgen brachte wieder strahlenden Sonnenschein. Sie frühstückten zeitig, da die Arbeit an den Bäumen und Sträuchern recht schweißtreibend war und Richard und Niklas lieber in der kühleren Tageszeit beginnen wollten.

Lisa hatte es sich auf dem Rasen vor dem Haus auf einer Wolldecke gemütlich gemacht und arbeitete an ihrem Laptop. Um sie herum tobte Mattias durch die Gegend, der dabei war imaginäre Delphine zu dressieren. Bei diesem Spiel übernahm er nicht nur die Rollen aller Delphine und Trainer, sondern machte auch sämtliche Geräusche, einschließlich des Aufklatschens auf das Wasser oder den Klang der Trillerpfeife.

Es war nicht ganz leicht sich dabei auf ihre Kalkulation zu konzentrieren, zumal die Männer des Öfteren die Motorsäge erdröhnen ließen, so dass sie lieber Tiger beschmuste, der sich zu ihr auf die Decke geflüchtet hatte. Träge sah sie abwechselnd ihrem Sohn zu und den beiden arbeitenden Männern. Die Sonne wärmte sie angenehm und es war ein durch und durch friedlicher Morgen…

Tiger war es, der sie warnte. Er schoss plötzlich in die Höhe, den Schwanz zur Bürste und raste Richtung Haus. Verwundert sah Lisa nach dem Grund für das plötzliche Verschwinden des Katers und sah auf. Ganz in der Ferne sah sie etwas auf sich zukommen. Was war das? Ein Hund? Ja – es schien ein Hund zu sein. Er kam stracks auf sie zu gerannt… nein – nicht auf sie… Lisa´s Mutterinstinkte schlugen Alarm, sie schrie auf „MATTY!!“

Mattias drehte sich um und da sie ihre Arme geöffnet hatte, lachte er auf und kam auf sie zugelaufen. Doch auch die beiden Männer hatten sie gehört und auch den schrillen Ton ihrer Stimme. Richard kam quer über die Wiese gerannt, Niklas spurtete zu seinem Wagen.

Lisa riss ihren Jungen in die Arme, hob ihn hoch und presste ihn an sich. Der Hund kam immer näher. Das war kein Tier, das spielen wollte, dieser Hund griff an! Das Haus war zu weit weg, sie würde es nicht mehr erreichen. Sie konnte nur noch eines tun. Sie drehte dem Hund den Rücken zu und schützte den Jungen mit ihrem eigenen Körper. Würde er gleich an die Kehle losspringen? Würde Richard sie erreichen, bevor er auch Matty angreifen konnte? Wieso nur waren ihre Gedanken so kühl und überlegt?

Sie hörte den Hund näherkommen und sie hörte auch Richard´s Füße. Lisa verkrampfte sich und erwartete den Biss des Tieres. Es erfolgte zwar ein tiefes Grollen, aber kein Biss! Lisa drehte sich halb um. Richard hatte es geschafft rechtzeitig da zu sein und die Wolldecke hochzureißen, auf der Lisa eben noch gelegen hatte. Diese hatte er sich um den linken Arm geschlungen und der Hund hatte sich weiterhin fürchterlich bedrohlich knurrend darin verbissen. Lisa presste Mattias noch enger an sich und starrte auf diesen ungleichen Kampf. Die Decke konnte unmöglich vor den Zähnen des Hundes schützen!

Doch Richard ging seitlich von ihr weg, den Hund mit sich zerrend. Sein Gesicht war aschfahl und schweißnass. Lisa wusste nicht, was sie tun sollte – tun konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der Hund von Richard ablassen würde und sich erneut auf Lisa und ihren Sohn stürzen würde. Langsam begann sie rückwärts zu gehen – doch das erregte die Aufmerksamkeit des Hundes, der kurz von Richard abließ und wieder seine alte Beute fixierte. Erst Richard Fußtritt brachte ihn wieder dazu erneut mit seinem Arm vorlieb zu nehmen.

Endlich – endlich war Niklas von seinem Wagen zurück. In seinen Händen seine Jagdflinte. Er blieb stehen, zielte und schoss. Der Hund sackte zusammen, ein weiterer Schuss – der Hund war tot.

Richard ging mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie. Niklas schmiss die Flinte weg und riss die Decke von Richards Arm. Dunkelrotes Blut floss auf den Rasen.

Nun kam auch wieder Leben in Lisa. „Bleib hier stehen!“ befahl sie Mattias, rannte ins Haus und holte den Verbandskoffer und den Autoschlüssel. Vor Richard angekommen, ging sie ebenfalls auf die Knie. Niklas sagte „Am besten die Decke straff drumrum wickeln und ab zum Arzt!“

Lisa nickte. Niklas faltete die Decke. Lisa nahm all ihrem Mut zusammen und wickelte eine Mullbinde um seinen Arm, dann die Decke und eine weitere Binde.

„Ich hole das Auto!“ Sie stand wieder aus und fuhr kurz darauf den Benz auf die Rasenfläche. Niklas half Richard auf den Beifahrersitz. Mattias kam herbeigelaufen, seine Augen waren tellergroß. „Mama?“

„Bleibst Du bei Onkel Niklas, Liebling? Ich bin so schnell ich kann wieder da!“

Niklas legte den Arm um den kreideweißen Jungen und schlug die Autotür zu.

Lisa fuhr so rasch sie konnte ins Dorf. Zwischendurch warf sie Richard einen Blick zu. Er hatte den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt und so wie es aussah, die Zähne fest zusammengepresst.

Schon als sie vor dem Haus des Doktors ankam drückte sie auf die Hupe. Das Gute am Dorfleben ist, dass dies hier keiner für Lärmbelästigung hielt, sondern für ein Alarmzeichen. Zahlreiche  hilfreiche Hände halfen Richard aus dem Wagen und er wurde sofort in das Behandlungszimmer gebracht.

Lisa ging mit und keiner hinderte sie daran.

Der Arzt war bereits im vorgerückten Alter und asketisch dürr, mit sehr faltigem, strengem Gesicht. Lisa gab ungefragt rasch Auskunft „Hundebiss – der Hund hatte sich mindestens zwei Minuten in seinem Arm verbissen.“

„Ihr Hund?“

„Nein – keine Ahnung, wo der herkam!“

Der Arzt entfernte den provisorischen Verband und sprach zu einer Frau, die so rund war, wie er dünn „Marga – örtliche Betäubung, danach Tetanus und Tollwut!“

Richard suchte den Blickkontakt mit ihr und ließ sie während der Behandlung nicht einmal aus den Augen. Es waren vierzehn Stiche bei dem großen Biss und sechs bei dem kleineren notwendig.

Am Ende war er fähig auf eigenen Beinen wieder zum Auto zurück zu gehen. Der Arzt drückte ihr zwei Tütchen und eine Menge Verbandsmaterial in die Hand „Hier – eines, wenn Sie ihn ins Bett gesteckt haben – eines zur Nacht. Wenn es ihm nicht zu schlecht Morgen geht, darf er aufstehen, aber mit dem Arm nichts machen. In 10 Tagen ist Fäden ziehen dran! Den Verband wechseln Sie bitte täglich.“

Lisa dankte und öffnete Richard die Tür. Mühsam setzte er sich hinein. Lisa beugte sich über ihn, um den Sicherheitsgurt zu schließen. Es ging – sie vermeid es aber, ihn dabei zu berühren. Sie setzte sich wieder hinters Lenkrad. Ihre Hände begannen zu zittern. Jetzt nicht schlapp machen Lisa! Reiß Dich zusammen!

Richard hatte die Augen geschlossen und den Kopf an die Stütze gelehnt. Noch immer hatte er seit dem… Unfall… war es denn ein Unfall gewesen? Jedenfalls hatte er seitdem nichts mehr gesagt.

Lisa fuhr nun sehr viel ruhiger zurück. Zwischendurch rief sie bei Niklas und Bea an, dass sie Matty später holen würde. Niklas beruhigte sie – er brächte ihn nachher rum und würde Matty auch erklären, dass alles noch einmal gut gegangen sei.

Sie parkte das Auto direkt vor dem Haus und bevor sie überlegen konnte, ob sie Richard beim Aussteigen helfen musste, hatte dieser schon selbst die Tür geöffnet und ging auf´s Haus zu.

Erst als Lisa mit in das Gästezimmer ging, sprach  er das erste Mal „Geht schon – ich kann das alleine.“

Doch Lisa schüttelte den Kopf „Ich helf Dir das T-Shirt auszuziehen.“

„Lisa – Du weißt, das Du das nicht kannst…“

„Setz Dich.“ Sie ergriff den Stoff des T-Shirts der gesunden Seite und er zog seinen Arm heraus. Dann schob sie es vorsichtig über Kopf und über den Verband ganz herunter.

Er lächelte sie an „Hat gar nicht wehgetan!“

Sie bückte sich und befreite ihn von Schuhen und Strümpfen. Dann ging er langsam ins Bad und kam halbwegs sauber und nur mit Slip bekleidet wieder.

Lisa hatte derweil das Bett aufgeschlagen und ein frisches T-Shirt herausgesucht. Nun wiederholte sie die Prozedur umgekehrt und Richard legte sich vorsichtig hin. „Danke“ murmelte er, als sie ihm ein Kissen unter den verletzten Arm schob.

Lisa ging hinaus und kam kurze Zeit später mit einem Glas wieder, in dem eine milchige Flüssigkeit war. „Hier“ – sie hielt ihm das Glas hin.

„Danke – ich brauch nichts.“

„Sei nicht albern!“

Um seine Mundwinkel zuckte es in ihr bereits bekannter Weise und er trank das Glas leer.

Lisa räumte noch Zimmer und Bad leise auf und bereits nach kurzer Zeit wurden seine Atemzüge entspannter und tiefer. Sie blieb vor dem Bett stehen und sah ihn an. Er hatte heute sein Leben für Matty und sie riskiert. Das war heute alles sehr knapp gewesen…

Sie ging näher an ihn heran, sah ihn weiter an. Dieser Mann hatte ihr unendliches Leid angetan. Er hatte ihr einen wunderbaren Sohn geschenkt. Und heute hatte er sein Leben riskiert.

´Wer bist Du Richard? Ich möchte Dir so gerne vertrauen können…`

 

Niklas brachte Mattias am frühen Abend vorbei und nachdem Lisa ihrem Sohn kurz den schlafenden Richard gezeigt hatte, war dieser auch so weit beruhigt, dass er Abendbrot essen konnte. Da Lisa ihn nicht durch das Haus toben lassen wollte, durfte er ausnahmsweise noch ´Das Dschungelbuch` gucken und sie brachte ihn danach ins Bett.

Erst am späten Abend hörte sie die Toilettenspülung, so dass sie wusste, dass Richard wach war. Sie machte den zweiten Cocktail des Arztes fertig, ging in sein Zimmer und war gerade dabei das Bett aufzuschütteln, als Richard aus dem Bad kam. Er sah total müde aus, aber deutlich besser.

„Wie geht es Dir?“ fragte sie leise.

„Als hätte mich ein Hund gebissen!“

„Sehr witzig!“

Er legte sich wieder hin und sie zog die Bettdecke über ihn.

„Möchtest Du was essen oder trinken?“

„Nein danke. Bin immer noch müde von dem Zeug!“

„Und hier ist Nachschub.“ Sie hielt ihm das Glas hin.

„Och nö!“

„Komm sei lieb.“

„Es ist doch wahr – in jeder Frau steckt ein kleiner Tyrann!“

„Ja – den entdecke ich auch gerade!“  Sie lachte und schüttelte das Glas ein wenig und hielt es ihm an die Lippen.

Er trank es in einem Zug leer und lüftete überrascht die Brauen, als sie sich auf die Bettkante zu ihm setzte.

„Ich hab noch gar nicht danke gesagt, dafür, dass Du Matty und mich heute gerettet hast!“

„Jederzeit und immer wieder…“ Er fixierte sie „Wir müssen über den Vorfall reden.“

„Aber nicht mehr heute Abend. Niklas hat die Polizei eingeschaltet. Mal sehen, ob er Morgen Neuigkeiten für uns hat.“

Sie sah ihn an und ihre Blicke sanken eine Weile ineinander. Lisa hätte unendliche gerne die Hand ausgestreckt. Sie meinte fast zu fühlen, wie ihre Finger durch sein Haar fuhren… Doch ebenso wusste sie, dass sie das nicht konnte.

„Lisa?“ Obwohl sein Gesicht nach wie vor nichts preisgab, war seine Stimme sehr sanft „Du bist heute nah bei mir, wie noch nie seit…. Geht es Dir besser?“

Sie wusste, was er damit meinte „Näher ja – aber“ – nun streckte sie doch die Hand nach ihm aus „berühren ist immer noch nicht…“ Klang ihre Stimme tatsächlich so traurig, wie sie sich anhörte?

Abrupt stand sie auf und schickte sich an das Zimmer zu verlassen.

„Lisa?“

Sie blieb stehen und drehte sich noch einmal um.

„Vergiss nicht die Tür abzuschließen.“

„Aber…“

„Bitte!“

Sie nickte und tat, wie er ihr geheißen.

 

 

 
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