Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Disappeared - SF
 

Jeden Abend wartete er, bis es so spät war, dass er garantiert niemandem mehr begegnen würde. Es war derselbe Friedhof, auf dem auch das Mausoleum der Familie von Brahmberg lag. So konnte er jederzeit behaupten, er habe lediglich seinen Vater, seinen angeblichen Vater, besucht, sollte ihn doch einmal jemand erwischen.

Jeden Abend kam er her, an ihr Grab. Wenigstens hier konnte er ihr ein wenig nahe sein.

On and on (Weiter und Weiter)
I've tried to move on alone (Ich habe versucht, allein weiterzumachen)
(It won't stop) (Es wird nicht aufhören)
Tried to find the strength to turn it around (Versuchte die Stärke zu finden es umzukehren)
(It won't stop) (Es wird nicht aufhören)
Everything's been off (alles ist vorbei)
Since you went away (seit du gegangen bist)
And time just broke the promise to ease the Pein (und die Zeit hat ihr Versprechen, dass der Schmerz vergeht, gebrochen)

Richard stellte den Kragen seines Mantels hoch gegen den kalten Wind und vergrub die Hände wieder tief in den Taschen. Regungslos stand er da und starrte auf den weißen Marmorgrabstein: Lisa Plenske. Seit einem Jahr lag sie hier. Ein Jahr war es nun her…

„Was machst DU denn hier!“ fauchte Richard Sabrina an, die - entgegen ihrer Absprache - doch plötzlich auf der Toga-Party aufgetaucht war. Richard war mit Lisa auf diese Party gegangen, da David zu beleidigt gewesen war, weil Lisa mit Hilfe von B.Style Kerima zurückgekauft hatte und ihn nicht umgehend wieder zum Geschäftsführer ernannt hatte.

Richard seinerseits hatte Sabrina, die ihm in letzter Zeit einfach nur noch auf die Nerven ging, nicht dabei haben wollen. Er genoss den Abend mit Lisa. Sie trug das Kostüm von Victoria, der Siegesgöttin und sah einfach bezaubernd aus.

Richard hatte Sabrina grob am Ellbogen gepackt und sie in den Partyraum zurückgezerrt. Lisa war draußen auf der Terrasse geblieben. Er hatte nur kurz Sabrina rauswerfen und dann zu Lisa zurückkehren wollen. Sabrina…

Richard biß die Zähne zusammen, dass sie knirschten. Wenn Sabrina nicht gewesen wäre, wäre das alles nicht passiert. Niemals hätte er Lisa über diese Balustrade klettern lassen. Schon gar nicht wegen dieser bescheuerten Kette!

 

Als er auf die Terrasse zurückgekehrte, war von Lisa nichts mehr zu sehen. „Frau Plenske?“ Suchend sah er sich um. „Herr von Brahmberg! Hilfe!“ Lisas Stimme klang hysterisch und sie kam….vom Rande des Daches!

Richard rannte zur Balustrade und sah durch die Plexiglasabtrennung Lisa, die sich an dem Sims des Daches klammerte. Verzweifelt sah sie zu ihm hoch.

„Lisa!“ stieß er entsetzt aus und beugte sich über die Balustrade. „Nimm meine Hand!“ Er beugte sich so weit vor, wie es ging und streckte ihr seine Hand hin. „Ich kann nicht!“ weinte Lisa. „Ich stürze ab!“ „Unsinn!! Nimm eine Hand! Los!“ herrschte Richard sie an.

Doch statt seine Hand zu nehmen, weinte Lisa nur noch heftiger. Richard sah, wie ihre Finger immer mehr von dem Sims abglitten. Panisch beugte er sich noch weiter vor, doch er bekam Lisa nicht zu fassen. „NIMM MEINE HAND!“ schrie er sie an. Lisa schluchzte, bewegte sich jedoch nicht. „LISA!“

Richard setzte gerade dazu an, ebenfalls über die Balustrade zu klettern, als Lisa den Halt verlor.

Ungläubig sah er ihr nach, wie sie fiel und fiel. Er war unfähig, sich zu bewegen. Konnte nur starren. Er war steif. Seine Gedanken hörten auf. Dann: Nein. Nein. Nein. Immer wieder nur dieses eine Wort in seinem Kopf, während er starr da stand. Nein. Als könne er durch bloßen Unglauben die Realität ändern.

Dann merkwürdig logische Gedanken: Was tun? Runter. Schnell. Auf den Aufzug warten? Nein, die Treppen runter rennen.

Richard riß sich los und rannte. Über die Terrasse, durch den Partyraum, raus ins Treppenhaus. Er stürzte die Treppen hinab, sprang die jeweils 6 letzten Stufen hinunter, taumelte mehrmals gegen die gegenüberliegende Wand, schürfte sich die Hände auf. Es war ihm egal. Egal, dass er fast stürzte, sich selber fast die Knochen brach. Er mußte zu Lisa.

Mit beiden Händen voraus stürzte er zur Tür, schob sie auf und rannte hinaus. Als er Lisa sah, wurde er langsamer. Sie lag auf dem Rücken dem Boden. Beine und Arme merkwürdig verdreht. Der Kopf war zur Seite gekippt. Sie rührte sich nicht und Richard war sofort klar, dass es sinnlos war.

Wie in Trance ging Richard langsam auf Lisa zu, ließ sie dabei nicht aus den Augen. Er wollte nicht bei ihr ankommen, nicht bei ihr sein, spüren, dass kein Leben mehr in ihr war. Doch der Moment kam, in dem er neben ihr stand und auf sie hinab sah. Richard starrte unbeweglich auf Lisas Brustkorb, der sich nicht mehr hob und senkte, so lange er auch hinsah. Nichts mehr.

Richard fiel auf die Knie, ohne den Schmerz zu bemerken. Zitternd streckte Richard die Hand nach Lisa aus und berührte ihre Wange. Ihre Haut war warm und weich. Und doch…es war zu spät.

Richard hörte sie nicht kommen. Irgendwann sah er sie plötzlich vor sich. Jemand redete auf ihn ein, er hörte es nur wie durch Watte. Die Person rüttelte ihn immer wieder an der Schulter. Unendlich langsam hob Richard den Kopf, wandte den Blick von Lisa ab und sah auf. Vor ihm kniete ein Mann in weißen Kleidern. Seine Lippen bewegten sich, doch Richard hörte nicht, was er sagte.

Richard wandte den Kopf langsam nach rechts. Dort stand ein Notarztwagen. Ein rot weißes Ding mit rotierenden, blauen Leuchten. Er saß auf dem Boden, Lisas Kopf ruhte in seinem Schoß, ein Arm umschlang ihre Hüfte. Er realisierte nicht, was um ihn herum passierte. Sein Oberkörper wiegte ununterbrochen vor und zurück.

„…geben sie sie uns….müssen sie mitnehmen…“ Die Worte rauschten an ihm vorbei, ohne, dass er sie wahrnahm, begriff, was man von ihm wollte. Zwei weitere Männer in weißen Kleidern kamen zu ihnen und stellten eine Trage auf dem Boden ab. Jemand griff nach Richards Händen, löste sie von Lisa. Er wehrte sich nicht, als sie Lisa hochhoben, um sie auf die Trage zu legen. Bewegungslos und stumm sah er ihr nach. Keine einzige Träne lief über seine Wangen. Jetzt nicht und später nicht. Richard von Brahmberg war innerlich tot. Gestorben, in dem Moment, in dem er Lisas Wange berührt hatte. Der Rettungswagen fuhr weg, der Mann, der auf Richard einsprach, blieb. „…Schock…soll ich ihnen was geben?“

Taumelnd stand Richard auf. Seine Beine waren taub, trugen ihn kaum. Schwankend ging er davon, ließ den Arzt einfach stehen. Ohne Ziel lief er los, in die Nacht hinein.

Irgendwann war er irgendwie bei seiner Wohnung angekommen, hatte sich ins Schlafzimmer geschleppt und war aufs Bett gefallen, um zu schlafen wie ein Stein.

Als er am nächsten Tag aufgewachte, war es bereits früher Nachmittag. Er erinnerte sich an alles, aber es kam ihm vor, als sei es Wochen, Monate her. Schweren Schrittes ging er ins Wohnzimmer auf der Suche nach etwas Trinkbarem.

Der Anrufbeantworter blinkte. Obwohl es ihn nicht interessierte, drückte er auf „Play“. Der erste Anruf war von Mariella. Sie schluchzte, war kaum zu verstehen. „Richard…Richard, wo bist du…es ist so schrecklich, ich kann es nicht glauben…bitte, melde dich!“ Der zweite David, außer sich vor Wut: „Was hast du getan! Wie konntest du nur!!“ schrie er tränenerstickt. Dann seine Mutter: „Richard…Richard, bist du da? Ich…Richard, hast du etwas damit zu tun….?“ Mit einem Aufschrei riß Richard den Apparat hoch und das Kabel aus der Wand. Dann flog das Gerät gegen die Wand und zersprang in 1000 Teile.

In der Zeit danach hatte die Hälfte der Leute ihn immer misstrauisch und ängstlich angesehen. Hinter vorgehaltener Hand tuschelte man über ihn, glaubte nicht, dass es ein Unfall gewesen war. Selbst Sophie war sich anfangs nicht sicher gewesen, ob ihr Sohn Lisa Plenske nicht hatte vom Dach stürzen lassen, ohne ihr zu helfen. Doch als er nichts unternahm, um bei Kerima die Führung zu übernehmen, schloß sie sich Mariellas Meinung an, die von Anfang an als Einzige zu ihrem Bruder gehalten hatte.

Ganz im Gegensatz zu David, der fest daran glaubte, dass Richard etwas mit Lisas Tod zu tun hatte. Dies hatte schließlich dazu geführt, dass David und Mariella sich getrennt hatten.

Richard war das alles egal. Egal, was die Leute glaubten und redeten. Egal, was aus Kerima wurde. Sie war nicht mehr da. Sein Leben hatte keinen Sinn mehr.

Nachdem Lisa ihm Kerima mit Hilfe von B.Style wieder entrissen hatte, war er anfangs sauer gewesen. Dann hatte sich seine Wut in Bewunderung verwandelt. Die Art, wie Lisa das angestellt hatte, imponierte ihm. Er begann, sie mit anderen Augen zu sehen, verbrachte mehr Zeit mit ihr, lernte sie besser kennen.

An dem Abend der Party war er kurz davor gewesen, ihr zu sagen, was er für sie empfand. Dazu war es nicht mehr gekommen.

Cause you got into my heart of stone (weil Du in mein Herz aus Stein gekommen bist)
And I don't do well here on my own (und es geht mir nicht gut hier allein)
Now the silence keeps me up at nicht (jetzt hält mich die Stille nachts wach)
And I can't get used to being all alone (und ich kann mich nicht daran gewöhnen, ganz allein zu sein)

Richard hatte niemandem erzählt, was wirklich passiert war. Schon gar nicht, was das für ihn bedeutet. Wie er auf dem Boden gekniet hatte, mit Lisa in seinem Schoß. Er verschloss dies tief in seinem Herzen.

Sophie bemerkte natürlich, wie ihr Sohn sich veränderte seit diesem schrecklichen Erlebnis. Zwar ging er seinem gewohntem Leben nach, jedoch ohne wirklich zu leben. Richard von Brahmberg fehlte der Biss. Er arbeitete bei Kerima, jedoch fehlten seine Intrigen, seine Geheimpläne, seine Boshaftigkeit. Er war einfach nur da und tat, was ein Geschäftsführer eben tat.

Seine Mutter weinte oft wegen ihm und Richard wusste das. Auch er weinte. Um Lisa. Abends, wenn er allein in seiner Wohnung war, nachdem er vom Friedhof zurückkam. Doch davon erfuhr nie jemals auch nur eine Menschenseele.

Oft lag er nächtelang wach und starrte das eine Bild an, das er von ihr hatte. Nur dann holte er es raus. Tagsüber verbarg er es in der Schublade seines Nachttisches. Manchmal wurde er morgens wach und hielt es noch in Händen, wenn ihn irgendwann doch der Schlaf übermannt hatte.

Cause I need you here (Weil ich die hier brauche)
And it's just not fair (und es ist einfach nicht fair)
That it won't get better (das es nicht besser werden wird)
Why did you disappear? (warum bist du verzweifelt?)
And we got nowhere (und wir kommen nirgendwo an)
But it won't stop teere (aber hier wird es nicht enden)
Though you're gone forever (obwohl du für immer gegangen bist)
I can't make you disappear (ich kann dich nicht verzweifeln lassen)

Crashing, breaking memories in my mind (Zerbrochene Erinnerungen in meinen Gedanken)
(it won't stop) (es wird nicht aufhören)
Never ever close to getting it right (niemals jemals so nah um es richtig zu fassen)
(It won't stop) (Es wird nicht aufhören)
Best time of my life (Die beste Zeit meines Lebens)
Now it's washed away (jetzt ist sie fortgespült)
Still the stars the know how to spell your name (noch immer wissen die Sterne, wie man deinen Namen schreibt)

Ein Jahr war es nun her und er fühlte sich immer noch wie am Abend der Toga Party, als er neben ihr auf dem Betonboden gesessen hatte. Leer. Betäubt. Kalt. Es wurde nicht besser.

Langsam wandte Richard sich von dem Grab ab und ging den Weg entlang, der ihn zum Ausgang des Friedhofs führen würde. Er wusste nicht, wofür er eigentlich jeden Tag noch aufstand, zu Kerima ging, seine Pflicht erfüllte. Es war ihm eh alles egal.

Aber er war dankbar für jeden Tag, der vorbei war. Denn mit jedem Tag, der verging, kam er Lisa wieder näher. Ein leichtes Lächeln umspielte Richard von Brahmbergs Lippen, als er das Tor des Friedhofs öffnete und ihn verließ…

 (Songcredit: No Angels - alle Rechte liegen bei den No Angels!!)

 
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