Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Beloved Sina - OS
 
Richards Blick war leer und starr. Er saß zu Hause im Schein der kleinen Tischlampe an seinem schweren Holzschreibtisch und rührte sich nicht. Der Raum um ihn herum lag im Halbdunkeln. Jegliches Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen. Vielleicht saß er erst seit 10 Minuten dort, vielleicht auch schon seit Stunden – er wußte es nicht. Es kam ihm so vor, als existiere er nur noch....in seinem Inneren war eine unglaubliche Leere. Er fühlte nichts mehr, er dachte nichts mehr. Tatsächlich. Er dachte....nichts. Sein Kopf war ebenso so leer wie er sich selbst fühlte.

Das Einzige, dessen er sich bewußt war, war, dass sie da war. Die Pistole, die in der abgeschlossenen Schublade seines Schreibtisches lag. Diese Gewissheit war beruhigend. Auch, wenn er wußte, dass es keine wirkliche Option war.

Wie oft in den letzten Wochen hatte er den kleinen Schlüssel an seinem Bund hervorgeholt, die Schublade aufgeschlossen und die schwere Waffe in seiner Hand gewogen, während er sich ausmalte, wie es wohl sein würde....wie er ihm auflauern und sich der Schreck, das Entsetzen in seinem Gesicht abzeichnen würde, wenn er erkannte, was Richard vorhatte. Und dann....einfach abdrücken....
  
Richard konnte den Hall des Schusses förmlich hören, ihn sehen, wie er getroffen zusammensackte und starb....endlich starb. Eine unglaubliche Zufriedenheit durchstömte Richard bei dieser Vorstellung – bis ihm wieder gewahr wurde, dass es wohl niemals soweit kommen würde.

Einmal war Lisa in sein Büro gekommen, als er gerade die Waffe in der Hand gehalten hatte. Sie war abrupt stehengeblieben, ihr schockierter Blick war zwischen der Waffe und ihm hin- und hergewandert. Sie schien mit einem Schlag zu wissen, was er plante....oder sich zumindest ausmalte. Alles in ihren aufgerissenen Augen, dem geöffneten Mund, aus dem kein Ton kam, und ihrer erstarrten Haltung schien „Nein!!“ zu schreien...und genau das war das Einzige, was Richard zurückhielt. Wäre Lisa nicht....er hätte ihn längst abgeknallt. Sollten sie ihn doch ins Gefängnis werfen, egal.

Aber es gab Lisa....und er war für sie verantwortlich. Er liebte sie und er wußte, dass er ihr das nicht antun durfte. Sie hatte soviel mitgemacht die letzten Monate....er mußte alles dafür tun, damit es ihr langsam wieder besser gehen würde. Und das konnte er nur, wenn er an ihrer Seite war. Wenn überhaupt...

Sina....Richards Blick wanderte zu den Bilderrahmen, die auf seinem Schreibtisch standen. Der erste enthielt ein Bild seiner Tochter, Sina. Sie war bildhübsch gewesen...und so jung – erst 16. Richard biss die Zähne zusammen und schloß kurz die Augen, um den wilden Schmerz, der in ihm hochkroch, zurückzukämpfen.

Gleich daneben stand ein Bild der Zwillinge....Sina und Dominik. Trotz seiner Trauer mußte Richard lächeln. Dominik hatte Lisas Locken geerbt, die bei ihm noch ausgeprägter waren. Beide Kinder hatten dunkle Haare, Sina hatte sich zusätzlich noch dunkler gefärbt, was auch gut zu ihrem Teint paßte – und ihren hübschen, hellblauen Augen, die sie eindeutig von ihrer Mama hatte.

Dominik hatte Richards grüne Augen. Er war der ältere der zweieiigen Zwillinge und nahm es nur allzu gerne hin, dass Sina als das Nesthäkchen galt und entsprechend behütet wurde – während er die Rolle des großen Bruders einnahm. Die beiden hatten sich sehr nahe gestanden, näher als normale Geschwister.

Schon während Sinas Entführung hatte Dominik sich immer mehr zurückgezogen, war immer stiller geworden. Lisa hatte sich riesige Sorgen um ihn gemacht, während sie die Angst um Sina ohnehin fast umbrachte. Richards Hände ballten sich zu Fäusten, wenn er daran dachte, wie Lisa Nacht für Nacht schlaflos durchs Haus geirrt war. Jeden Tag war sie blasser und beinahe zusehends dünner geworden. Trotzdem versuchte sie immer noch, eine Stütze für Dominik zu sein, der sich weigerte, zur Schule zu gehen, so lange seine Schwester nicht wieder da war.

Er hatte eine ganz besondere Verbindung zu seiner Zwillingsschwester und spürte, dass es Sina nicht gut ging. Das hatte er jedoch nur seinem Vater offenbart, eines nachts, als Lisa ausnahmsweise Schlaf gefunden und die beiden Männer zusammen in Dominiks Zimmer gesessen hatten. Dominik wollte nicht, dass seine Mutter etwas davon erfuhr und sich noch mehr um Sina ängstigte.

Als sich jedoch herausstellte, dass er recht gehabt hatte und man Sina, trotz erfüllter Lösegeldforderung, nur noch tot auffand, wollte Dominik nicht mal die Beerdigung abwarten – er flehte seine Eltern an, seinem besten Freund auf das Internat in die Schweiz folgen zu dürfen und Richard hatte ihm diesen Wunsch erfüllt. Zwei Tage später war Dominik abgereist. Richard konnte nur ahnen, wie es in seinem Sohn wirklich aussah. Nach außen hin hatte er nicht geweint, war nicht zusammengebrochen, doch Richard hatte die Befürchtung, dass in Dominik etwas zerbrochen war, was womöglich nie wieder heilen würde...

 
Lisa war komplett zusammengebrochen und Richard hatte es ihr strikt verboten, mitzukommen, als er seine Tochter identifizieren mußte. Er hatte Angst, dass sie sich etwas antun würde, müßte sie ihre Kleine so sehen. Es war für ihn schon mehr als hart gewesen....doch es war ihm lieber, er trug diese Last und vergrub den Schmerz tief in sich, als das Lisa fühlen mußte, was er nun empfand.

Drei Tage lang hatte Lisa im Bett gelegen und starr die Wand angesehen. Es war schon unheimlich gewesen, wie bewegungslos sie dargelegen hatte, auch, wenn Dr. Hergarten Richard immer wieder versichert hatte, dass dies eine Kombination aus dem erlittenen Schock und den Beruhigungsmitteln sei.

Mariella war so lieb gewesen, extra aus den USA anzureisen, um ihrem Bruder und ihrer Schwägerin beizustehen. Sie war es gewesen, die zusammen mit Richard die Beerdigung organisiert hatte. Lisa war wie in Trance an das Grab ihres Kindes gegangen. Richard hatte sie nicht einen Augenblick aus den Augen gelassen und stets dafür gesorgt, dass sie bei ihm untergehakt war – für den Fall, dass sie plötzlich ohnmächtig werden würde. Lisa war ruhig gewesen....viel zu ruhig.

ER hatte seine gesamte Familie zerstört....Sina war nicht mehr bei ihnen, sein Sohn und seine Frau litten Höllenqualen....und er, Richard, konnte nur danebenstehen und zusehen, wie seine Familie litt. Seine zu Fäusten geballten Hände zitterten und seine Fingernägel gruben sich in seine Handflächen, um seine Wut auf den Mann, der ihnen das angetan hatte, zu zügeln.

Zumindest hatte die Polizei ihn gefasst. Unbegreiflicherweise war er derzeit jedoch gegen Kaution frei, bis der Prozess begann. Die Verlockung, sich die Waffe zu nehmen und ihn aufzusuchen, war groß, so groß....

Richard schloß die Augen und holte zitternd Luft, um den Drang, doch die Waffe hervorzuholen und zu ihm zu fahren, in den Griff zu bekommen. Als er die Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf die Schublade. Nur ansehen....er wollte sie nur noch einmal ansehen und sicher sein, dass sie noch da war....

Richard zog den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, suchte den kleinen Schlüssel hervor und steckte ihn in das Schloß. Doch...die Schublade war offen! Ein, zwei Sekunden lang verharrte Richard bewegungslos, dann riß er die Schublade auf. Sie war leer.

Er sprang auf und sah ungläubig in die leere Lade. Dann stürzte er hinaus auf den Flur, zum Schlafzimmer. „Lisa?“ Das Zimmer lag im Dunklen, er konnte rein gar nichts erkennen. Lag sie im Bett und schlief? Statt der Deckenlampe im Schlafzimmer machte Richard auf dem Flur Licht, damit dieses in Schlafzimmer leuchtete, ohne Lisa zu blenden. Doch auch das Bett war leer. Eine kalte Hand griff nach Richards Herz und quetschte es zusammen. Es war, als riesele Eiswasser durch seine Adern. „Nein....Lisa....bitte nicht.“ flüsterte er verzweifelt und stürzte die Treppen hinunter in die untere Etage, um nachzuschauen, ob ihr Auto noch vor dem Haus stand.

Unten stürzte er über den Flur und war noch zwei, drei Schritte von der Haustür entfernt, als diese sich langsam öffnete. Richard blieb augenblicklich stehen und sah ungläubig Lisa an, die unendlich langsam ins Haus kam. Sie wirkte nicht nur müde, sondern unglaublich fertig. Ihre Schultern hingen herab, die Ärmel ihrer Jacke bedeckten gänzlich ihre beiden Hände, was daran lag, dass ihr die Jacke halb von den Schultern gerutscht war. Lisas Blick ging ins Leere, als sie mit schweren, langsamen Schritten in den Flur trat. Angstvoll sah Richard sie an. Sie schien ihn nicht mal zu bemerken.

„Lisa....“ Seine Stimme war tonlos und nahezu nicht zu hören, als er sie ansprach. Trotzdem drehte sie quälend langsam den Kopf in seine Richtung. Ihre Mundwinkel zuckten. In ihren Augen sah er den Schmerz, der augenblicklich auf ihn überging und ihm die Kehle zuschnürte. „Richard....“ erwiderte sie ebenso tonlos. Er hörte die Tränen in ihrer Stimme, die Verzweiflung und er spürte, dass etwas Schreckliches passiert sein mußte.

„Was....wo warst du...?“ fragte er leise und ging zu ihr. In dem Moment, in dem er neben ihr stand, fiel irgendetwas polternd aus ihren Händen zu Boden. Richard starrte auf den Gegenstand, starrte und starrte, in der Hoffnung, dass er sich in Luft auflösen würde, dass nicht wahr war, was er sah. Seine Waffe. Sie war Lisa aus den Händen geglitten.

„Lisa...“ Erschrocken sah er sie an und griff nach ihren beiden Händen. Sie waren feucht. Unwillkürlich sah Richard hinab auf ihre Hände, die in seinen lagen, während Lisa sein Gesicht nicht aus den Augen ließ. Ihr eigenes war tränenüberströmt, doch sie gab keinen Laut von sich.

Blut. Lisas Hände waren über und über mit Blut bedeckt. Fassungslos, schockiert hob Richard den Blick, um seiner Frau in die Augen zu sehen. „Lisa.....“ krächzte er. „Um Gottes Willen....bitte....nein....nein....bitte sag, dass das nicht wahr ist...!“ flehte er.

Ein Schluchzen entrang sich Lisa Kehle. „Sina...“ war alles, was sie herausbrachte. „Oh Gott Lisa...“ seufzte er. Verzweifelt zog Richard sie in seine Arme, umschlang sie, so fest er konnte und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Was hast du getan....was hast du nur getan...“ flüsterte er. Lisa schluchzte in seinen Armen, zu keiner Antwort fähig.

Durch die offene Haustür sah Richard den Polizeiwagen vorfahren. Mit einer seltsamen Ruhe beobachtete er, wie zwei Polizisten, ein Mann und eine Frau, ausstiegen und den Weg zu ihrem Haus hochkamen. Er ließ Lisa auch nicht los, als die Beamten zögernd auf die offene Haustür zukamen und schließlich im Stock stehenblieben, wo sie Richard zum Gruß zunickten.

„Frau von Brahmberg....?“ sprach die Polizisten Lisa vorsichtig an. Richard löste seine Umarmung und Lisa drehte sich zu den Beamten um. Wortlos sah sie die Polizisten an, deren Blick von ihrem tränenüberströmten Gesicht zu ihren blutbedeckten Händen wanderten. Die Polizistin griff zu den Handschellen an ihrem Gürtel und löste diese. „Ich verhafte sie wegen Mordes an Marco Bauer. Bitte drehen sie sich um. Alles, was sie sagen....“

 
Ende...
 
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