Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Chap 10
 

Chap 10 - Erkenntnisse...

Am nächsten Morgen war es, als hätte es den verzweifelten Raimund Bruckner nie gegeben. Als Lisa gegen neun die Treppe herunterkam, war er bereits in der Küche am wirtschaften. Zwar waren da noch Schatten unter seinen Augen, aber er begrüßte sie auf seine gewohnte etwas herrische Art.
„War schon einkaufen. Frühstück ist gleich fertig. Wenn der Anwalt sich bis dahin nicht bald meldet, fahren wir hin! Und vorher sehen wir zu, dass wir Dein Handy freigeschaltet bekommen. Wenn alles nicht hilft, gehen wir zur Polizei.“
So – sie blieben also beim „Du“ – und der Tag war auch schon mehr oder minder geplant.
Lisa ließ sich auf die Küchenbank plumpsen, ergriff den Kaffeebecher, stellte fest, dass er noch leer war, setzte ihn wieder ab und nuschelte ein „Morgen“ hervor. Hatte sie die letzte Nacht nur geträumt?
Ray legte ihr ein bereits geteiltes Brötchen auf den Teller, schenkte Kaffee ein und setzte sich ihr gegenüber.
Etwas rebellierte mal wieder in ihr „Eigentlich trink ich Morgens lieber Tee.“
„Werd ich mir merken“ – kam es ungerührt von ihm, während er mit der linken die Zeitung aufschlug und die Überschriften überflog.
„Hier – ist was über Deine beiden Ex.“ Er schob ihr die Zeitung zu.
Es war der Boulevard-Teil und er zeigte auf ein Foto, welches darstellte, wie David Seidel seinen Kontrahenten am Jackettkragen gepackt hatte. Die Gesichter beider Männer waren zornerfüllt auf den anderen gerichtet.

Die kurze Notiz darunter gab Aufschluss:
Bei der diesjährigen – von der Charité organisierten - Wohltätigkeitsgala zu Gunsten krebskranker Kinder, gerieten die Modezare David Seidel (Kerima Moda) und Rokko Kowalski (Yellow Art) einmal mehr aneinander. Der Streit zwischen den beiden währt nun schon einige Jahre und scheint sich immer mehr zu manifestieren.
Schlimmeres konnte allerdings durch das beherzte Eingreifen der Star-Designerin von Yellow Art - Hannah Refrath - verhindert werden.
Die beiden Herren ließen es sich danach nicht nehmen bei der anschließenden Versteigerung sich gegenseitig immer wieder zu überbieten – solange bis das gestiftete Ölgemälde (selbst kreiert von der Gattin des Bürgermeisters) zu einem Preis von 43.000,- € an Kerima Moda ging.

Lisa sah lange das Foto an, versuchte irgendetwas zu fühlen, vielleicht eine Vertrautheit zu empfinden oder auch Wut oder Enttäuschung – aber da war nicht, gar nichts…
Sie schob die Zeitung energisch wieder fort „Das ist doch albern – sollte diese Rivalität immer noch um mich gehen. Himmel – schau mich doch mal an!“
Er sah auf, zog etwas spöttisch seine Brauen hoch „Fishing for Compliments?“
„Nein – ganz gewiss nicht!“ Sie bestrich ihr Brötchen mit unnötig viel Nachdruck, dann biss sie energisch hinein und fixierte Ray fast drohend.
„Weißt Du – es kommt mir vor, als müsse ich in eine Haut zurück, die mir nicht passt!“
„Wie meinst Du denn das?“
Das Brötchen beschrieb mitsamt ihrer Hand einen Bogen „Die Kleidung, die Brille, Abhauen für Jahre, wenn es wohl irgendwie schwierig geworden ist, ich hab einen Mann geheiratet, von dem ich glaube, dass er so was wie mein bester Freund war…“
Er beugte sich gespannt vor „Woher weißt Du denn das?“
Ihr Brötchen kam wieder auf dem Teller zu liegen und zu diesem sprach sie auch „Ich… ich träume von Jürgen.“
„Albträume?“ fragte er mitfühlend.
„N..nein – eigentlich nicht. Es ist, als ob er mir helfen will, aber dies nur in sehr engen Grenzen kann…“
„Hmhm – weil es wohl Dein Gedächtnis ist, das sich da mit Dir selbst austauscht, denke ich – aber das heißt, die Erinnerung wird zurückkehren…“
„Ich weiß nicht – ich….“
Jürgens Handy klingelte, beide zuckten zusammen und Lisa griff schnell danach.
„Das war Dr. Diebholt“ – sagte Lisa nach dem kurzen Gespräch „wenn wir jetzt gleich kommen, hat er Zeit für uns.“
Zeitgleich erhoben sie sich und sehr kurze Zeit später schnurrte das schwarze Monster bereits wieder durch die Vorstraßen von Berlin. Ray saß wieder am Steuer – gefasst und in sich ruhend, wie immer.
Die Praxis von Dr. Diebholt lag in einer besseren Gegend Berlins. Die Einrichtung des Büros wirkte jedoch eher schwer als hoch modern. Dicke Ledersessel, ein wuchtiger Schreibtisch aus Eiche und schwerer dunkelroter Teppich.
Der Anwalt erwies sich als ebenso großer und schwerer Mann, wie sein Büro. Er war mindestens 1,90 m und nicht wirklich schmal gebaut. Er war ein Mann, der recht gewichtig und gewaltig wirkte.
Doch sein Händedruck war normal, seine Stimme angenehm und er lotste sie sofort in sein Büro.
„Meine Sekretärin ist noch nicht da… möchten Sie Wasser oder Saft? Kaffee oder Tee gibt es erst mit dem Erscheinen meines guten Geistes…“
Beide verneinten und sie setzten sich.
„Nun – wie kann ich Ihnen helfen?“
Lisa erzählt so kurz und knapp wie möglich von den Erlebnissen der letzten Wochen. Der Anwalt unterbrach sie ab und an und stellte Nachfragen. Als sie geendet hatte, schüttelte er leicht den Kopf „Unglaublich, einfach unglaublich… und wer sind Sie?“
Ray zuckte leicht zusammen, nickte dann aber dem Anwalt zu „Raimund Bruckner, mein Name… ich bin – ja irgendwie in die Sache hineingeschlittert.“
Der Anwalt nahm das so hin und wandte sich wieder Lisa zu.
„Also Frau Decker – Ihr Mann war tatsächlich bei mir. Ich hab den Kaufvertrag des Hauses in Göberitz – den mein dänischer Kollege vorbereitet hat – zum Abschluss gebracht. Ihr Mann war ziemlich aufgeregt den Tag. Er sagte, neun Jahre auf der Flucht seien genug und seine Frau hätte einfach zu große Sehnsucht nach ihren Eltern…“
„Sie leben noch?“ warf Lisa rasch ein.
„Soweit ich weiß, ebenfalls in Göberitz – deshalb sollte das Haus auch in der Nähe sein. Ihr Vater hatte wohl vor ein paar Monaten einen Herzinfakt und kann seitdem nur noch leichte Arbeit verrichten. Sie machten sich wohl Sorgen und wollten einfach wieder näher bei den beiden sein.“
Der Anwalt machte eine Pause und sah Lisa dann ernst an. „ich weiß nicht genau, was damals passiert ist – aber Ihr Mann war sehr besorgt. Er sagte aber auch, es sei Zeit sich der Vergangenheit zu stellen und – auch wenn es seiner Lieselotte sehr viel Angst machen würde zurückzukehren - sie hätten das aber beide miteinander beredet und es gäbe keinen anderen Weg.“
Lisa sah Jürgen geradezu vor sich, wie er klein und eher schmächtig in diesen riesigen Ledersesseln versunken war und dem Anwalt sein Herz ausschüttete. Sie blinzelte ein paar Mal heftig und überließ Ray das Wort.
„Wissen Sie, worum es vor neun Jahren ging?“
„Nicht genau. Nur das, was in allen Zeitungen Damals stand. Das Buhlen – Verzeihung Frau Decker für dieses Wort – von Herrn Seidel und Herrn Kowalski um die damalige Frau Plenske hat die Presse ganz schön beschäftigt. Zumal die Entführung von Herrn Seidel noch nicht allzu lange her war…“
„Entführung?“ fragte Lisa scharf.
„Ja – Herr Seidel wurde entführt. Sein Halbbruder – Richard von Brahmberg ging dafür ins Gefängnis, soviel ich weiß.“
„Sein eigener Bruder hat ihn entführt?“
„Ja“ – der Anwalt nickte „und Herr Seidel ist nur ganz knapp mit dem Leben davongekommen.“
Lisa fiel es schwer das alles zu verdauen, zumal der Anwalt noch hinzusetzte.
„Zum Zeitpunkt der Entführung war Herr Seidel mit Ihnen verlobt. Kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus ist die Verlobung dann wohl gelöst worden und Sie sind immer häufiger mit Herrn Kowalski gesehen worden. Allerdings – obwohl die Hochzeit mit Herrn Kowalski anstand – gab es viele, die darauf wetteten, dass doch David Seidel der Glückliche sein würde.“
„Und dann bin ich einfach verschwunden und hab keinen von beiden geheiratet…“
„Ja – wobei Herr Kowalski der Presse damals mitgeteilt hat, dass Sie ihm einen Brief hinterlassen hätten. Was darin stand, hat er nicht verlauten lassen – aber er beteuerte, dass es Ihnen gut ginge. Die Presse hat in der Zeit nicht gerade charmant über Sie gesprochen…“
Lisa presste die Hände in Ihrem Schoß zusammen. Sie fühlte sich nicht gut, gar nicht gut.
Ray sprach erneut „Wissen Sie etwas über ein Kind von Herr und Frau Decker?“
„Nein – Herr Decker hat nichts dergleichen erwähnt.“
Kurze Zeit später erhoben sie sich und Lisa wandte sich Richtung Ausgang. Doch der Anwalt hielt sie auf. „Zwei Dinge noch, Frau Decker. Zum einen hat Ihr Mann bei mir Vollmachten von Ihnen und Ihrem Mann hinterlegt – diese besagen, dass der andere komplett über das Eigentum und den Besitz des anderen verfügen kann. Eine Patientenvollmacht war auch dabei. Ein Testament wollten sie beide machen, wenn sie in Berlin angekommen sind – dazu kam es ja nie – aber die Vollmachten werden auch so ausreichen. Zum anderen – Ihr Mann war sehr besorgt und er meinte die Unklarheiten der Vergangenheit müssten beseitigt werden – was immer er damit auch meinte…“
Lisa sah ihn aufmerksam an.
„Das heißt – wenn Sie ihr Testament machen wollen – gerade wenn es ein Kind geben sollte, stehe ich selbstverständlich zur Verfügung. Und bitte – seien Sie vorsichtig. Die ganze Sache gefällt mir gar nicht!“


***
Lies diese wirklich lohnenswerte, schöne FF
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Grauzonen (vib-ff.de)

 
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