Navigation |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Chap 2 - Erwachen
„Frau Decker – hören Sie mich? Frau Decker??“
Die Stimme störte.
Störte den Frieden ihres Körpers und holte den Schmerz zurück.
Der Kopfschmerz war sofort wieder da, doch die Übelkeit ließ sich im Schach halten.
„Sie kommt zu sich!“
Welch eine Erkenntnis…
„Frau Decker!“
Nun – dann war das wohl ihr Name… Sie runzelte die Stirn und ein dumpfes Gefühl von etwas, das nicht in Ordnung war, überkam sie.
Sie öffnete die Augen. Alles war komplett verschwommen – grässlich unscharf – wie verwischt…
Sie sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und erkannte eine weiße gesichtslose Gestalt, in der sie den Arzt vermutete.
„Na wunderbar, ganz wunderbar – da sind sie ja wieder!“
Kein Grund, für so einen Heiterkeitsausbruch, dachte sie verdrießlich.
„Dann wollen wir mal schauen…“
Etwas Helles blendete ihre Sicht, die Übelkeit nahm Überhand.
Doch rasch griff von ihrer anderen Seite eine Hand sanft zu, stützte ihren Nacken ab und hielt ihr etwas unter den Mund.
Gott, war das alles peinlich.
„Sie haben eine ganz hübsche Gehirnerschütterung – aber das CT war negativ – also keine Sorge“ – kam es fröhlich von der weißen Gestalt.
Die andere Seite reichte ihr einen Becher Wasser zum Spülen und wischte ihr dann den Mund ab.
Dankbar sank sie in die Kissen zurück.
Doch die gnädige Schwärze wollte nicht wiederkommen.
„Können Sie mir sagen, was das Letzte ist, an das sie sich erinnern?“
Sie sammelte sich „Unfall – Hilfe geholt.“
„Stimmt – ganz großartig! Und – nur so für die Aufnahme – wie ist ihr Vorname?“
Diese Frage rührte an etwas, an das sie nicht denken mochte… sie riss sich zusammen
„er nannte mich Lisa…“
„Hä? – wer nannte Sie Lisa?“
„Der Mann - der verletzte Mann im Wagen…“
Ein Räuspern – dann: „Frau Decker – wann wurden sie geboren?“
„Ich.. ich weiß nicht...“
„Wie ist ihr Mädchenname? Wie ist der Name ihrer Mutter?“
„Ähem – ich – ich weiß nicht…“
„Können Sie sich an irgendetwas vor dem Unfall erinnern?“
Sie dachte nach. Ihr Kopf tat weh. Doch war nichts – da war rein gar nichts!
„Ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts mehr!“
Sie riss die Augen auf, versuchte den unscharfen Umriss des Arztes scharf zu stellen „und ich sehe gar nicht gut – alles ist verschwommen…“
Sie begann zu weinen. Die Tränen kamen ungewollt, ungebeten – aber sie kamen. Sie fühlte sich so hilflos – so komplett verloren.
Wer war sie? Wer war…
„Das mit der Sicht ist erklärbar. Hier ist Ihre Brille.“
Jemand drückte ihr etwas auf die Nase. Die Welt klärte sich zumindest optisch – auch wenn das eine Glas der Brille einen Riss hatte.
Der Arzt war noch recht jung. Blond und blauäugig und sah sie mit einem strahlenden Werbelächeln an. Die Schwester auf ihrer anderen Bettseite war groß und sehr dürr und absolut nicht mehr jung. Und obwohl diese nicht lächelte, strahlte sie doch deutlich mehr Sicherheit aus.
Dennoch sah sie jetzt wieder den smarten Doc an „Der Mann im Wagen...?“
„Ist ihr Mann. Er heißt Jürgen Decker. Sagt Ihnen das etwas?“
„Nein.“ In ihr regte sich gar nichts – doch sie musste nachhaken „Ist er…tot?“
Das blütenweiße Lächeln wich aus dem Gesicht des Arztes „Seine Verletzungen sind sehr schwer… wir haben viele Stunden operiert. Wir wissen noch nicht, ob er durchkommt. Es war so schon sehr knapp. Eine Nacht auf dem Feld hätte er in keinem Fall überlebt.“
„Ich möchte ihn sehen.“
„Er ist noch nicht wieder wach. Sie können zu ihm, sobald sich sein Zustand ändert.“
„Aber ich möchte…“
„Frau Decker! Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung. Sie können nicht aus dem Bett. Vielleicht in ein paar Tagen … dann im Rollstuhl…“
„Bitte…“
Zum ersten Mal schwand das Sunnyboygehabe. Er sah sie ernst an. „Wirklich. Ihr Mann ist bewusstlos – sie können da gar nichts helfen.“
Dem Blick der blauen Augen hielt er nicht stand. Er kratzte sich den Hinterkopf.
„Ok – im Rolli – und nur kurz – Schwester Sigrid hilft Ihnen.“
Der Umstieg in den Rollstuhl war Dank der Hilfe der Schwester nicht gar so schrecklich. Und sie fuhr ihn langsam und sachte. Lisas Kopf hielt das aus.
Sie führen lange Korridore entlang, dann Fahrstuhl und wieder lange Korridore.
„Das ist ein großes Spital oder?“
„AK Altona. Eines der größten in Hamburg.“
„Hamburg - ich bin in Hamburg?“ Nun das war so gut oder schlecht, wie jede andere Stadt – dennoch war da ein Gefühl in ihr, das ihr sagte, dass das seltsam sei…
Schwester Sigrid fuhr sie in die Intensivstation, sprach dort kurz mit einer anderen Schwester und dann stülpte sie Lisa vorsichtig einen Mundschutz über.
Er lag in einem großen Raum, in dem drei Betten standen. Mit Menschen darin, die an vielen Schläuchen hingen.
Sie erkannte ihn wieder. Es war der Mann aus dem Auto.
Sie sah ihn lange an. So viele Schläuche waren an ihm dran. Und ein Verband verdeckte fast gänzlich seine dunkelblonden Haare.
Dennoch kam von ihr kein Wiedererkennen, kein Gefühl der Verbundenheit, keine Vertrautheit.
Trotzdem streckte sie die Hand aus und legte sie auf die seine. Sie war kühler als erwartet.
„Hallo Jürgen. Ich bin es – Lisa. Ich könnte Dich brauchen, weißt Du. Bitte halte durch. Bitte lass mich nicht alleine…“
Es war ein gutes Gesicht, das sie da sah. Er sah aus, wie Jemand, mit dem man reden könnte. Auch wenn er jetzt sehr blass war und etliche Schläuche und Verbände ihn verunstalteten – sie war sich sicher, er war ein netter, sympathischer Mann – und einer, zu dem man Vertrauen haben könnte.
Sie sah zu der Schwester, die gerade eine neue Infusion legte.
„Wie geht es ihm?“
„Ungewiss. Die nächsten Stunden werden wohl entscheidend sein.“
Man ließ sie ein paar Minuten, bei dem Mann, der ihr Mann war.
Dann schob Schwester Sigrid sie zurück in ihr Zimmer, verfrachtete sie ins Bett und deckte sie zu.
Mehr bekam Lisa nicht mehr mit. Bleierne Müdigkeit senkte sich über sie. Sie wehrte sich nicht dagegen.
Der nächste Morgen war etwas besser.
Die Übelkeit hatte nachgelassen und Lisa war fähig ein bisschen zu trinken und sogar ein trockenes Brötchen zu essen. Sie wurde zwei Stunden an einen Tropf gehängt und dieser tat ihr gut.
Später wollte sie wieder darum bitten, dass man sie zu ihrem Mann brachte. Er war die einzige Brücke zur Vergangenheit, die sie hatte. Er würde ihr alles erklären.
Die klare Flüssigkeit war noch nicht gänzlich in sie gelaufen, als die Tür aufging und zwei uniformierte Polizisten den Raum betraten.
Leider konnte sie ihnen wenig weiterhelfen, da ihre einzige Erinnerung sich auf Dinge bezog, die eindeutig nach dem Unfall passiert waren.
Die beiden Männer wechselten einen Blick.
„Frau Decker - die Spurensicherung ist noch bei der Arbeit – aber es gibt deutliche Hinwiese darauf, dass dieser Unfall gar kein Unfall war.“
„Wie meinen Sie das?“
„Nun“, wieder ein Blickwechsel „zum einen ist der Wagen auf ebener Fahrbahn abgekommen und hat sich aufgrund des unebenen Bodens des Ackers erst mehrfach überschlagen – und zum anderen…“
„Nun – sagen Sie es schon!“ fuhr Lisa ihn an, als der Gesetzeshüter zögerte.
„…zum anderen – wurde eine Kugel aus dem Schädel ihres Mannes entfernt.“
|
|
|
|
|
|
|
Seit dem 29.02.2008 waren schon 112611 Besucher (248222 Hits) auf dieser Seite! |
|
|
|
|
|
|
|