Navigation |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Chap 4 – Der Herr des schwarzen Monsters
„Verdammt! Was ist? Das Auto nicht gesehen?? Geträumt?“
Lisa sah erst auf ihre abgeschürften Hände, dann in das zornige Gesicht des Mannes, der ihr so wenig freundlich hoch geholfen hatte. Es war ein schmales Gesicht, er war wohl Mitte bis Ende dreißig, bartlos mit hellbraunen Haaren, die windverzaust um seinen Kopf abstanden.
„Tut mir leid“, sagte sie etwas trotzig „Sie waren aber bestimmt auch zu schnell!“
„War ich nicht!“ Er sah sie durchdringend an und Lisa trat einen Schritt zurück. Rasch packte er wieder zu und zerrte sie von der Straße weg „Lebensmüde oder was?!“
Das Zittern kam, obwohl sie es nicht wollte. Die Tränen auch.
„Bitte lassen Sie mich los – ich bin ok. Ich nehm mir jetzt ein Taxi und dann sind Sie mich los.“ Sie rieb sich die schmerzenden Handflächen und fand sich selbst furchtbar lächerlich, wie sie da flennend und wie ein kleines Mädchen vor ihm stand.
Er seufzte, fuhr sich durch die Haare „So geht das nicht. Wissen Sie was? Da drüben ist ein Café. Sie bekommen jetzt einen Kaffee und dann versuchen Sie sich wieder zu beruhigen, ja?“
Warum sie mitging, wusste sie nicht.
Der Mann parkte seinen Wagen – einen uralten schwarzen Ford Granada, der sicher schon etliche bessere Zeiten gesehen hatte – griff sie dann am Ellenbogen und bugsierte sie kommentarlos über die Straße in besagtes Café.
Bald darauf setzte Lisa dankbar die heiße Flüssigkeit an den Mund und protestierte auch nicht, als er ihr eine heiße Waffel mit Kirschen hinzu bestellte.
Der Kaffee und die süße Speise taten ihr gut. Das Zittern hörte auf und ihr Gehirn begann wieder zu arbeiten. Sie stellte die Tasse ab und sah ihrem Gegenüber ins Gesicht.
„Danke für die Rettung. Ich war eben wirklich völlig fertig. Geht jetzt wieder.“
„Keine Ursache.“ Er lächelte nicht. Seltsam forschend sah er sie an. „Wirklich alles in Ordnung?“
Wieder musterte sie den ihr Fremden. Alles an ihm war etwas schäbig… nein schäbig war nicht das richtige Wort. Aber er sah aus, wie Jemand, der wenig Geld hatte sich zu kleiden oder ein teures Auto zu fahren.
Auf eine etwas wilde Art sah er dennoch gut aus. Der Ledermantel – obwohl an etlichen Stellen schon etwas speckig – verlieh ihm etwas Verwegenes. Darunter das schwarze T-Shirt und ihr war auch die ausgewaschene Jeans aufgefallen, die an den Knien schon begann dünn zu werden. Definitiv war er einer, der bestimmt jeden Cent zweimal umdrehen musste.
Und dann dieser Blick! Als wolle er durch sie hindurchstarren!
„Nun?“
„Nun, was?“ fragte sie irritiert.
„Ist wirklich alles in Ordnung? Sie sehen so… verletzlich aus...unsicher… vorhin dachte ich schon, Sie wollten sich gänzlich in Tränen auflösen!“
Lisa sah hinab auf ihre Hände, wich dem Blick des Unbekannten aus und drehte an dem goldenen Ring an ihrem Finger. Leise sagte sie „Ist schon wieder gut. Ich möchte sie nicht mit meinen Problemen belästigen.“
Seine Hand legte sich warm und ruhig auf ihre unruhigen Finger. Erschrocken sah sie hoch – doch er lächelte „Belästigen Sie mich doch. Ich hab Zeit. Und – es soll helfen, sich auszusprechen.“
Sie schüttelte zögerlich, wenn auch nicht überzeugt den Kopf.
„Kommen Sie – ich kann zuhören…“
Es war einfach zu verlockend. Erst stockend, dann immer und immer rascher sprudelte ihre Geschichte aus ihr heraus.
Er unterbrach sie nicht ein Mal.
Nur zwischendurch orderte er einen weiteren Becher Kaffee für sie und Wasser für sich.
„Ja – und nun sitze ich hier“ – schloss sie „eine Frau, die erst seit ein paar Tagen eine Vergangenheit hat – mit einem toten Mann – ohne Heim – mit tausenden von Fragen und einer riesengroßen Angst vor der Zukunft…“
Da von ihm keine Antwort kam, sah sie von ihren Fingern wieder zu ihm hoch. Er hatte sich entspannt auf der Bank zurückgelehnt, seine rechte Hand balancierte einen Bierdeckel auf der Spitze und er sah sehr nachdenklich aus.
„So wie ich das sehe“- sagte er langsam „haben Sie zwei Ansatzpunkte: Das verkaufte Haus in Dänemark. Der Anwalt, der den Kaufvertrag gemacht hat müsste mehr über sie wissen – oder die Nachbarn oder die Polizei dort – da gibt es bestimmt Informationen… und zum anderen das Bankschließfach in Berlin, nebst dem ehemaligen Kiosk ihres Mannes.“
Angesichts ihrer Verblüffung lachte er auf – es machte sein Gesicht irgendwie jungenhafter und sympathischer.
Sie stimmte ein. Seltsam – sie konnte tatsächlich lachen… „Das heißt also für mich Esbjerg oder Berlin?“ Sie sah ihn fragend an „Was würden Sie zuerst machen?“
Er dachte kurz nach „Ich denke, ich würde an Ihrer Stelle zunächst nach Dänemark fahren. Vielleicht weiß man dort, warum sie alle Zelte dort hinter sich gelassen haben…“
„Das hört sich logisch an.“ Doch Lisa sank der Mut. Konnte sie Auto fahren? Hatte sie einen Führerschein? Wenn ja – müsste sie doch in Esbjerg Duplikate ihrer Papiere machen lassen können…
Sie räusperte sich „Danke – das ist ein guter Tipp, Herr…“
Er zögerte nur ganz kurz mit der Antwort – aber es fiel ihr auf „Raimund…. Raimund Bruckner.“
„Herr Bruckner. Wirklich – Sie haben mir sehr geholfen.“
Sie machte Anstalten aufzustehen, doch eine Handbewegung von ihm ließ sie sitzen bleiben.
„Hören Sie…“, er verzog das Gesicht „ich kann Sie hier nicht so einfach rausrennen lassen – so ohne … Schutz – so ganz alleine in einer Welt, die nicht die Ihre ist…“
„Nun“ – sie lächelte gezwungen „ich denke, das ist mein Problem…“
Er schüttelte ansatzweise den Kopf „…nun ist es auch mein Problem. Sie haben sich mir anvertraut und mein Verantwortungsbewusstsein regt sich gar mächtig. Wissen Sie was? Ich bin eh arbeitslos und hab Zeit ohne Ende – ich biete Ihnen an, Sie zu begleiten. Und wenn Sie die horrenden Spritkosten für mein schwarzes Monster übernehmen – dann fahre ich Sie auch, wohin Sie wollen.“
„Nein!“ – die Antwort von ihr kam spontan und unaufhaltsam.
„Bitte – überlegen Sie es sich. Ich hab kein gutes Gefühl Sie da alleine in Ihrer Vergangenheit graben zu lassen. Immerhin ist ihr Mann wahrscheinlich ermordet worden!“
„Und Sie könnten ja z.B. sein Mörder sein – und ich wüsste das nicht…“
Seine Brauen zogen sich in die Höhe „…ein gutes Argument. Würd wohl auch wenig nutzen, wenn ich Ihnen schwöre, dass ich es nicht getan habe. Dennoch: mein Angebot steht – gegen Kost, Logis und Sprit für´s Ungeheuer begleite ich Sie – was immer da kommen mag!“
„Warum tun Sie das?“
Sein Lächeln kam etwas gequält „Nennen Sie es Beschützerinstinkt oder Neugierde – wie auch immer… und Sie können jederzeit sagen, dass ich verschwinden soll – dann tue ich es auf der Stelle!“
Sie sah ihn an, versuchte zu erkennen, ob sie ihm trauen konnte. Versuchte seine Beweggründe neben seiner Erklärung zu finden. Sein Angebot war ebenso verlockend wie beängstigend.
Er hob sein Glas und prostete ihr zu „Sehen Sie mich doch einfach als eine Art von Privatdetektiv…“
Lisa – sag nein und verschwinde hier ganz schnell, sagte die eine Stimme in ihr, während die andere den Schutz und den Beistand, den er ihr bot, begrüßte.
Sie würde ihn jetzt zum Teufel schicken – jetzt gleich!
„Verdammt – was soll ich denn jetzt sagen? Ich kenne Sie nicht und gleichzeitig bieten Sie einer Ertrinkenden einen Strohhalm!“
Sein seltsam durchdringender Blick machte die Sache nicht besser. Er sagte nichts, wartete fast stoisch ab.
Lisa sah hinaus auf die Straße, ließ ihren Blick zu dem Hochhaus gleiten, in dem ihr Leben vor zwei Wochen begonnen hatte. Die Einsamkeit und die Verzweiflung drohten sie einmal mehr zu überwältigen. Sie schlug alle Vorsicht in den Wind.
„Ok“ – sagte sie schließlich mit erstickter Stimme „wann fahren wir los?“
|
|
|
|
|
|
|
Seit dem 29.02.2008 waren schon 112617 Besucher (248228 Hits) auf dieser Seite! |
|
|
|
|
|
|
|