Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Kapitel 4
 

Kapitel 4

Das eisige Schweigen während der Fahrt zu einer der exklusivsten Damenboutiquen Berlins zerrte an Lisas Nerven, aber sie hatte beschlossen, Richard so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Sie konnte doch nichts dafür, dass sie gewonnen hatte und sich der alte Seidel jetzt einbildete, sie könnte gleich so nebenbei als Sozialprojekt für Richard fungieren. Wie kam sie denn dazu, den äußerst reizbaren und nicht gerade geduldigen Mann zu zeigen, dass es etwas anderes gab als Arbeit, Millionäre, Dienstboten und Geliebte, die man nach Belieben wieder wegschicken konnte.

Unbemerkt hatte sich ein leises Lächeln auf ihre Lippen geschlichen. Sie musste zugeben, dass Richard seit der Abreise seiner Mutter vor knapp 10 Monaten umgänglicher geworden war. Seine Wutausbrüche hielten sich in Grenzen und vor allem sein Umgang mit David hatte sich extrem gebessert. Früher hatte schon ein falsches Wort zu einem Wortgefecht und fast zu Handgreiflichkeiten geführt, jetzt gingen die Halbbrüder gesittet miteinander um und immer öfters sah man sie zusammen lachen oder plaudern. Eine Entwicklung, die auch gut für Lisas Gemüt war, da sie ganz am Anfang ihrer Arbeit bei Kerima des öfteren bei solchen Streitigkeiten anwesend war und sich immer wieder gewünscht hatte, dass es Mäuselöcher in ihrer Größe gab. Ihr Grinsen verstärkte sich, als sie sich ein riesiges Loch in der Wand von Davids Büro vorstellte, das mit einer massiven Holztüre zu verschließen war.

„Lassen Sie mich auch mitlachen? Oder ist das zu privat“, riss Richards Stimme sie aus ihren Gedanken und für einige Sekunden musste sie sich orientieren. Langsam wandte sie ihren Kopf zu ihm und stellte fest, dass er sie tatsächlich anlächelte. „Sie grinsen schon die ganze Zeit so vergnügt vor sich hin, schön langsam werde ich neugierig“, meinte er und hielt abrupt an. „Kaum zu glauben, dass es hier tatsächlich Parkplätze gibt“, wunderte er sich und parkte ein. Lisas leises Lachen lenkte ihn ab und sobald er den Motor abgestellt hatte wandte er sich ihr zu. „Was?“ fragte er etwas schärfer als beabsichtigt und verdrehte die Augen, als sich Lisas Gesicht sofort wieder verschloss. „Na kommen Sie schon Lisa, sie ersticken mir sonst noch dran und ich bin nicht sicher, wie ich das David dann beibringen soll“, neckte er sie. „Mein Vater sagt immer, dass ich ein Glücksbringer für Parkplätze bin“, stotterte Lisa und errötete, als ihr bewusst wurde, wie dumm sich das anhörte. Richard sah sie nur erstaunt an, dann begann er zu lachen. „Sie sind leider zu groß, sonst könnte ich Sie mir auf den Rückspiegel hängen. Weil freie Parkplätze und ich ... das ist eine Geschichte der anderen Art“, meinte er gelassen, stieg aus und nahm verblüfft wahr, dass Lisa natürlich nicht wartete, bis er ihr die Türe öffnete.

Er deutete in Richtung eines Cafés und zuckte entschuldigend die Schultern. „Ich denke, Sie sind da in eine Privatfehde zwischen meinem Vater und mir hineingezogen worden und ... ich möchte kurz mit ihnen sprechen.“ Lisa zuckte bei seinen Worten zusammen, doch dann siegte ihre Neugierde und sie folgte sie ihm wortlos. Ohne sich um ihren Sessel zu kümmern, setzte er sich und winkte nach der Kellnerin. Die Art wie sie ihn begrüßte machte Lisa klar, dass er hier Stammgast war und der abschätzende Blick der Frau trug noch einiges zu ihrer plötzlich wieder sehr großen Nervosität bei. Sie bestellten Kaffee und Richard bemühte sich um einen halbwegs zivilisierten Umgangston. Die Aktion seines Vaters mit dem Einkaufen war reine Schikane und Richard war bei der Fahrt hierher klar geworden, dass es auch für Lisa extrem unangenehm sein musste, als Spielball von Friedrich Seidel zu agieren. Auch wenn er die Plenske nicht wirklich leiden konnte, so wusste er, wie loyal, zurückhaltend und bescheiden sie war. Alles Eigenschaften, die er an einer Frau schätzte und so hatte er sich überlegt, ob er Friedrich nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen sollte. Alle rechneten damit, dass er Lisa unfreundlich behandeln würde und bis vor wenigen Minuten war es auch genau das, was er vorhatte.

Er wusste nicht so genau, was seine Meinung geändert hatte, aber nun verfolgte er einen ganz anderen Plan, der vielleicht für alle überraschend, aber gewinnbringend sein konnte. Er wusste, dass er sich dieser Einkaufssache nicht entziehen konnte, also warum nicht das beste daraus machen und so bei Lisa ein wenig punkten, damit London kein Totalreinfall wurde. Als er aufsah, blickte er direkt in Lisas ängstliche Augen. ‚Sie hat wirklich Angst’, zuckte es durch seine Gedanken und er fragte sich, ob er tatsächlich auf viele Menschen so einschüchternd wirkte. „Lisa, das mit London ... also mich hat das am falschen Fuß erwischt. Wir beide sind eben nicht die besten Freunde und ... na ja, die Aussicht mit Ihnen ein Wochenende zu verbringen finde ich persönlich jetzt nicht gerade prickeln.“ Er sah sie an und lächelte leicht. „Und wenn Sie ehrlich sind, geht es Ihnen genauso.“ Lisa nickte und wartete ab, was jetzt kommen würde. „Mein Vater ist ein Dickkopf und ich bin nicht sicher, was genau er damit bezweckt, aber ich denke mal, wenn wir soweit mitspielen, dass er zufrieden ist, dann haben wir unsere Ruhe und können uns ein schönes Wochenende machen, an dem jeder das macht, was er will.“ Lisa nickte nur und griff dankbar nach der Kaffeetasse, die die Kellnerin gerade gebracht hatte.

„Herr von Brahmberg?“ „Hm? Ja, also was?“ „Was genau wollen Sie mir jetzt damit sagen?“ fragte sie leise und sah ihn über den Rand der Tasse an. „Sie haben ja mitbekommen, dass ich sie bei Ihrem Einkaufsbummel beraten soll und das werde ich auch tun. Vater hat uns kein Limit gestellt, also würde ich vorschlagen, dass wir das Budget mal so ziemlich strapazieren und sie einfach neu einkleiden. Und ich versprechen, nicht böse rumzumeckern.“ Mit einem gespielt treuherzigen Blick sah er Lisa an und lächelte leicht. Seine Lippen pressten sich jedoch sofort zusammen, als Lisa vehement den Kopf schüttelte. „Das geht nicht und sie wissen das ganz genau. In Ordnung, ich kann damit leben, dass mir Kerima ein Abendkleid finanziert, da ich das tatsächlich brauche, aber der Rest? Sorry, das geht nicht.“ Genervt atmete Richard tief durch, dann sah er sie abschätzend an. „Lisa, so gehe ich keinen Meter mit Ihnen. Also, auch wenn Sie jetzt beleidigt sein sollten, Sie sehen aus wie eine Vogelscheuche. Die Mode war vor Jahren modern, aber wann genau müsste ich pro Kleidungsstück sagen. Sie arbeiten in der Modewelt und sie sehen nicht ein, dass sie sich den neuesten Trends unterwerfen – gut o.k., damit kann ich leben. Das mit den Trends finde ich auch bescheuert – aber sagen sie das bitte nicht weiter – vor allem ist mir schon klar, dass sich das nicht jeder leisten kann. Aber!! Es schadet nichts, wenn Sie sich ein paar Basics kaufen.“

„Das kann ich mir nicht leisten, also die Art von Basics, die Sie sich vorstellen. Tut mir leid“, meinte Lisa und trank ihren Kaffee aus. „O.k., dann mal anders formuliert. Wir zwei gehen jetzt bummeln, wir kaufen Ihnen einige Kleidungsstücke, die sie gut kombinieren können und den Rest kaufen Sie sich – wenn Sie Lust haben – selbst dazu“, bot Richard nun an und trommelte auf dem Tisch. „Für London brauchen Sie nicht viel. Jeans, einen Hosenanzug, ein paar Pullover. Lisa, warum sind Sie so stur?“ Er winkte der Kellnerin, dann sah er sie ernst an. „Agnes hat erzählt, dass sie sich immer mehr mit Modejournals beschäftigen, die giftigen Bemerkungen von Sabrina & Co sie aber total verunsichern. Warum geben Sie nicht zu, dass Sie sich verändern wollen? Haben Sie Angst, dass dann Erwartungen, die sich daran knüpfen nicht eintreten?“ Lisas Kopf ruckte hoch und Richard wusste, dass er Lisas Schwachstelle gefunden hatte. „Ein weit verbreiteter Irrtum, dass man sich für jemanden anderen ändern will und muss. Wenn Sie es wollen, dann ist es o.k., wenn es jemanden anderen auch gefällt, dann ist es ein netter Nebeneffekt“, setzte er nach und konnte genau sehen, dass Lisas Widerstand langsam zu bröckeln begann.

Nachdem er gezahlt hatte stand er auf und hielt Lisa die Hand hin. „Wir schauen jetzt erst mal wegen eines Abendkleids und wegen so einem Fummel für den Nachmittag bei Tante Meredith, die ist da ziemlich formell ... alles andere sehen wir später – in Ordnung?“ Lisa nickte ergeben und folgte Richard, der zielstrebig auf eine der Boutiquen zuging, vor deren Auslage Lisa in der Vergangenheit schon des öfteren gestanden hatte.

„Herr von Brahmberg?“ Richard blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Was denn noch?“ kam es nun etwas ungeduldig von ihm. „Warum sind sie plötzlich so nett? Ist das nur so eine Art ‚versteckte Kamera’ und morgen bin ich wieder das Gespött der ganzen Firma, weil sie allen erzählen, wie dämlich ich mit dem einen oder anderen Kleid ausgesehen habe, bzw. weil ich auch nur eine Sekunde daran gedachte habe, dass sie es ehrlich meinen könnten.“ Lisas Augen hatten sich mich Tränen gefüllt und Richard schluckte hart. „Sagen wir mal so“, kam es nach einer kleinen Weile. „Das hier, das bleibt unser kleines Geheimnis. Sie verraten niemanden – wirklich niemanden, dass ich halbwegs nett war und ich erzähle niemanden, was ich in den nächsten Minuten zu sehen bekommen.“ Als sie ihm nicht antwortete trat er einen Schritt auf sie zu. „Ist ziemlich verwirrend, was wir da mit Ihnen abziehen, nicht wahr? Glauben Sie mir, ich kann auch nett sein. Ich muss es mir wohl immer wieder vorbeten, aber es funktioniert. Und ab morgen bin ich wieder genau so gemein wie eh und je, wenn sie das sicherer macht.“ Ein breites Grinsen begleitete seine letzten Worte und Lisa konnte gar nicht anders, als zu kichern. Es sah komisch aus, wenn Richard Davids Dackelblick aufsetzte und versuchte, so richtig nett und überzeugend zu sein.

1 ½ Stunden und viele, viele Abendkleider später, drehte sich Lisa fasziniert vor dem Spiegel und sah Richard mit geröteten Wangen an. „Ist es das?“ wollte sie wissen und konnte Richards Gesichtsausdruck nicht deuten. Dieser ließ immer wieder seinen Blick über Lisas Figur gleiten und musste zugeben, dass ihm eindeutig gefiel, was er da sah. Die unvorteilhafte Kleidung hatte Lisas wahre Figur meisterhaft versteckt und nachdem alle Hüllen gefallen waren, stand eine schlanke und extrem gut gebaute Frau vor ihm. Das Blau des Kleides unterstrich Lisas Augen und der Schnitt war wie für sie gemacht. Ein enges Oberteil mit Verschluss im Nacken, das in einen etwas weiter schwingenden, bodenlangen Rock überging. „Das ist es – definitiv und ohne Frage“, stimmte Richard zu und deutete mit erhobenen Daumen, wie gut es ihm gefiel. Nach dem knapp knielangen dunkelroten Kleid für den Nachmittag und dem klassisch eleganten, schwarzen Hosenanzug mit weißer Bluse war dies nun das dritte Stück, das seine Zustimmung fand. Lisas anfängliche Nervosität hatte sich gelegt und Richard hatte sein Versprechen gehalten und sich kein einziges Mal lustig gemacht, obwohl einige der Kleider Lisa sehr unvorteilhaft hatten aussehen lassen. ‚Wenn man jetzt noch das Gesicht austauschen könnte, wäre sie ganz annehmbar’, dachte er bei sich und zuckte zusammen, als Lisas Handy zum wiederholten Male läutete.

„Lisa? Wollen Sie nicht endlich einmal abheben? Es ist sicher wieder David und langsam tut mir der Kerl schon leid.“ Mit Schwung überreichte er Lisa das piepsende Ding und verdrehte die Augen, als sie errötete. Vor knapp einem Monat hatte sie die Melodie von Pippi Langstrumpf gegen einen dezenteren Klingelton ausgewechselt mit dem Erfolg, dass sie es nun des öfteren nicht hörte.

Mit einem freudigen Lächeln hob sie ab und erstarrte, als sie Davids extrem ungehaltene Stimme hörte. „Wo zum Teufel bist Du? Wenn Du schon weg musst, dann sag’ mir das gefälligst oder melde Dich offiziell ab“, blaffte er ins Telefon. Warum er so auszuckte wusste er selbst nicht, aber die Tatsache, dass Lisa mit Richard unterwegs war und sie nicht ans Handy ging, hatte ihn die ganze letzte Stunde ziemlich verunsichert und zunehmend in Rage gebracht.

 

 

 
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