Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Happy new year
 

Kapitel 1

Lisa Plenske ging am Vormittag des 30. Dezember vom Taxi-Stand zum Eingang des Berliner Flughafens, und hielt Ausschau nach David Seidel, mit dem sie hier vor einer Viertelstunde verabredet war. Sie kam absichtlich ein bisschen zu spät. Sie war immer noch sauer über den kurzfristig angesetzten Termin und wollte auch, dass David das merkte. Also gab Sie sich keinerlei Mühe, ihn früher als nötig zu erlösen. Deshalb hatte sie auch sein Angebot, sie zu Hause abzuholen abgelehnt. Lisa wollte so wenig Zeit wie nur irgendwie möglich an seiner Seite verbringen. Dass Ihre Eltern sie zum Flughafen bringen würden war eine willkommene Ausrede gewesen, sie hatte sich schon zu Hause verabschiedet und sich dann ein Taxi gegönnt, dessen Rechnung sie mit Genuss als Reisekosten bei Kerima Moda abrechnen würde.

 

Lisa war nun seit einigen Monaten bei der Firma und von der kleinen Assistentin zur Mehrheitseignerin von Kerima Moda aufgestiegen.  David Seidel, ihr ehemaliger Chef, war mittlerweile der kreative Geschäftsführer. Sein, wie sich erst vor kurzem herausgestellt hatte Halbbruder, Richard von Brahmberg, führte den betriebswirtschaftlichen Teil, da David sonst mit seinem Chefdesigner Hugo Haas das Geld mit vollen Händen ausgeben würde. Erstaunlicherweise klappte die Zusammenarbeit nach einigen Anfangsschwierigkeiten mittlerweile so weit, dass zumindest von einem „Waffenstillstand“ zwischen den beiden Erben von Kerima gesprochen werden konnte.

 

So sauer Lisa auch über den in ihren Augen unmöglichen Termin war (wer hatte jemals davon gehört, dass wichtige Geschäfte unbedingt noch am 30.12. über die Bühne gebracht werden mussten, wenn nicht vorher geschlampt worden war?), so froh war sie im Grunde, für zwei Tage der Fürsorge ihrer Eltern zu entfliehen. Das ganze Weihnachtsfest über musste sie sich anhören, dass sie zu wenig essen würde, ganz furchtbar dünn geworden sei, und blass wäre und überhaupt zu viel arbeiten würde. Lisa hatte alles tapfer über sich ergehen lassen und versucht, wenigstens einige der selber gebackenen Plätzchen ihrer Mutter zu essen. Seit sie bei Kerima arbeitete kam sie einfach nicht mehr dazu, so häufig bei ihrer Mutter zu essen wie früher und das hatte sich durchaus positiv auf ihre Figur ausgewirkt, wie ihr bester Freund Jürgen kritisch angemerkt hatte. Er hatte sie über Weihnachten mit einem Geschenk überrascht – ein „Wellness Tag mit allem Pipapo“, wie er so schön auf den Gutschein geschrieben hatte. Diesen hatte Lisa direkt am 28. wahrgenommen und danach hatte sie Jürgen besucht. Jürgen dreht Lisa wie eine Puppe vor sich um ihre eigene Achse. „Du bist nicht gerade Heidi Klum, aber deine Rundungen sitzen schon genau an den richtigen Stellen“ hatte er sein Urteil abgegeben. „Und was so eine hochmoderne Erfindung wie ein Haarschnitt und eine Bürste vermögen… . Aua“.

Lisa hatte ihn heftig in die Seite geboxt. Auch wenn sie ihm insgeheim natürlich Recht geben musste, dass ihre Haare nun viel schöner und glänzender über ihre Schultern fielen, so eine Frechheit konnte sie ihm ungestraft nicht durchgehen lassen.

„Na, für den Schlag hab ich aber noch einen gut“ murmelte Jürgen.

„Was denn noch?“ Lisa beäugte ihn misstrauisch.

„Aber nicht noch mal hauen, abgemacht?“

„Das kann ich nicht garantieren“ erwiderte Lisa, „aber ich versuche es. Nur weißt Du, manchmal ist das einfach so ein Reflex“. Lisa schaute ihn unschuldig an.

„Ok, du kannst ja gar nix dafür, schon klar! Also geh ich mal in Deckung und sag: magst Du nicht vielleicht mal über eine neue Brille nachdenken?“

Jürgen duckte sich weg, aber erstaunlicherweise zuckte Lisa nicht mal. Erstaunt zog Jürgen die Augenbrauen hoch.

„Lisa? Schläfst Du mit offenen Augen? Warum haust Du mich nicht?“

„Ich habe von meinen Eltern Kontaktlinsen bekommen, die hatten wir schon vor zwei Wochen gemeinsam ausgesucht.“

„Ja, und?“ wollte Jürgen wissen.

„Nix und, ich wollte halt noch ein bisschen warten, das ist alles.“

„Aaah ja, klar. Logisch. Ist ja auch ein großer Schritt. Will gut überlegt sein. Verstehe ich. Macht man nicht mal einfach so. Und so ein Hornbrillengestell hat ja auch Gefühle. Legt man nicht einfach weg. Klar. Autsch, das tut weh!“ Nun hatte er sich doch noch eine eingefangen und rutschte vorsichtshalber ein Stück weg von Lisa.

„Und wann geht’s denn nun los? Freust Du Dich schon darauf, mit David ein paar romantische Tage zu verbringen?“

„Haha, zu witzig Herr Decker! Erstens: es sind nur 24 Stunden, wir fliegen am 30. mittags hin, abends wird der Vertragsabschluß gemacht und am 31. bin ich rechtzeitig zum Mittagessen wieder in Berlin. Zweitens: nein, ich freue mich nicht, denn es sind meine ersten Urlaubstage, seit ich bei Kerima angefangen habe und nur weil David gepennt hat muss ich die nun opfern. Und drittens: mit Romantik ist da schon mal gar nix. Wie oft muss ich Dir noch sagen, dass meine vorübergehende Verliebtheit in David Seidel nur von kurzer Dauer war?“ Lisa sah Jürgen entnervt an.

„Ja, ja, du erwähntest es. Warum kann ich Dir nur nicht glauben?“

„Weil Du mir nicht zuhörst, deshalb!“ sagte Lisa trotzig.

„Gibt es einen anderen?“ fragte Jürgen neugierig.

„Ja….“ antwortete Lisa zögerlich.

Jürgens Augen wurden immer größer.

„Wie bitte? Und warum weiß ich davon nix? Wer? Wann? Wo?“

„Naja, er war in den letzten Wochen irgendwie immer da… er hat so einen schönen roten Mantel und einen ganz kuscheligen weißen Bart….“. Lisa prustete beim Anblick von Jürgens beleidigtem Blick los.

„Sehr witzig! Haha! Verarschen kann ich mich auch alleine, danke Lisa!“

„Ach komm, frag nicht immer so dummes Zeug, dann bekommst Du auch keine dummen Antworten.“

„Ok, dann eine ernsthafte Frage: Du bist sicher am 31. zurück und feierst mit mir Silvester?“

„Ganz sicher!“ bekräftigte Lisa, „ich werde nicht länger als nötig wegbleiben und dann werden wir beide mal so richtig abfeiern, das kannste aber glauben!“

 

 

Suchend schaute sich Lisa am Flughafen um. David müsste doch schon lange da sein. Ob er noch unpünktlicher war als sie? Nein, das würde er sich nach der letzten Standpauke die er von ihr bekommen hatte wegen des verschwitzten Termins nicht trauen. Eher war er schon zum Check-In gegangen und wartete dort auf sie. Aber auch da konnte sie David nirgends entdecken. Lisa ging zum Schalter und zeigte Ihr Ticket vor.

„Guten Tag Frau Plenske! Ihre Begleitung ist schon eingecheckt und wartet am Gate auf Sie“ informierte sie die Dame am Schalter.

„Oh, gut, dann kann ich ja lange schauen!“

„Guten Flug Frau Plenske!“

„Vielen Dank und einen guten Rutsch wünsche ich Ihnen!“

 

Lisa ging nun schnurstracks zum Abflug Gate, denn mittlerweile war sie doch recht knapp dran. Sie kam gerade an, als die letzten Passagiere an Bord gingen, zeigte schnell ihre Bordkarte vor und eilte hinter den anderen her.

 

„Uuh, Frau Plenske gibt sich doch noch die Ehre!“

Lisa blieb wie angewurzelt stehen.

„Was machen Sie denn hier?“ fragte sie und starrte den Mann auf dem Sitz neben ihrem ungläubig an.

„Na, das ist doch mal eine nette Begrüßung! Erst lassen Sie mich fast eine halbe Stunde warten, verpassen nahezu den Flieger und dann wissen Sie nicht mal Bescheid?“

„Über was Bescheid?“ forschte Lisa nach, die irgendwie gar nix kapierte.

„Darüber, dass es mein trotteliger Bruder geschafft hat, auf dem einzigen Fleckchen Glatteis in ganz Berlin, auszurutschen und sich das Bein zu brechen. Hat er Sie nicht informiert?“ Ein süffisantes Grinsen huschte über das Gesicht von Richard von Brahmberg.

‚Die sms!’ fuhr es Lisa durch den Kopf. Sie hatte gestern Abend eine sms von David bekommen und hatte sie aus Trotz nicht gelesen. Wer rechnete auch mit so was?

„Ja, äh, doch, natürlich weiß ich Bescheid!“ stotterte Lisa verlegen.

„Ach, tatsächlich? Na dann ist ja alles klar. Setzen Sie sich und entspannen Sie, der Flug wird nicht lange dauern.“

Aber Richard machte keinerlei Anstalten aufzustehen.

„Soll ich über Sie rüberklettern oder möchten Sie gerne aufrutschen?“ fragte Lisa genervt.

„Wir könnten bei Gelegenheit Beides mal ausprobieren…“.

Lisa wurde knallrot im Gesicht, als ihr klar wurde, wie Richard ihre Worte gerade gedeutet hatte. Der lachte kurz auf, aber dann bequemte er sich doch dazu, aufzustehen und Lisa auf den Platz am Fenster sitzen zu lassen. Lisa schaute sicherheitshalber bis das Flugzeug abhob nur noch hinaus.

 

Kaum war der Flieger in der Luft, schien Richard tief und fest zu schlafen. Nun traute Lisa sich langsam wieder in die andere Richtung zu schauen, denn Berlin war eh längst im Nebel verschwunden. Sie starrte Richard feindselig von der Seite an.

‚Warum? Warum ist er seit diesem einen Abend nur noch eklig zu mir?’ fragte Lisa sich. Schon tausend Mal hatte sie überlegt, was sie wohl falsch gemacht haben könnte, aber sie fand keine Erklärung. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass Richard von Brahmberg, genau wie sie von Anfang an dachte, einfach ein Blödmann und Miesepeter war.

‚Naja, die nächsten paar Stunden werde ich schon schaffen, von Dir laß’ ich mich auf jeden Fall nicht unterkriegen!’ formulierte Lisa in Gedanken eine Kampfansage an ihn.

Und dennoch, wie er da so friedlich schlief, hatten seine Züge beinahe etwas Sanftes. Lisa konnte sich nun nicht dagegen wehren, dass sie doch noch einmal über diesen einen, beinahe unwirklichen, Abend im letzten Sommer nachdachte…

 

 

Sie hatte Überstunden gemacht, mal wieder, und war in die Unterlagen vertieft, als auf einmal Richard mit einem Glas Saft vor ihr stand.

„Sie brauchen Vitamine, wenn Sie immer so viel arbeiten, Frau Plenske!“

Lisa war völlig geplättet gewesen. Bisher hatte sie wenig mit Richard von Brahmberg zu tun gehabt. Und dass der nett sein konnte hatte sie schon gar nicht gewusst, der schaute immer den ganzen Tag so griesgrämig aus seinem Anzug.

Lisa blickte hoch und musste gleich zweimal hinschauen: da stand Richard in Jeans, T-Shirt und einem Kapuzenpulli drüber vor ihr, seine  Haare waren leicht feucht und hingen ihm zerzaust ins Gesicht.

„Herr von Brahmberg?“ hatte Lisa mit weit aufgerissenen Augen und Mund gefragt.

„Ja“, lachte er, „ich hoffe, ich habe sie mit meinem legeren Aufzug nicht erschreckt!“

„Doch, nein, ich meine, erschreckt ja, aber nicht mit dem Anzug, äh, also, Nicht-Anzug, also der Aufzug, also…“ Lisa hatte sich total verheddert und brachte ihren Satz gar nicht erst zu Ende sondern fragte einfach schnell:

„Was machen Sie denn so spät noch hier?“

„Ich komme gerade aus dem Fitnesscenter im Dachgeschoss oben und wollte noch ein paar Unterlagen holen. Und da hab ich bei Ihnen noch Licht gesehen und mir gedacht, na, da braucht vielleicht jemand einen kleinen Energieschub.“ Erwartungsvoll hatte er ihr noch mal das Glas mit Saft hingehalten.

„Danke, das ist wirklich nett von Ihnen“.

Lisa konnte nur staunen. Hatte den einer ausgewechselt? War der auf Drogen? Oder halluzinierte sie etwa von der vielen Arbeit schon? Normalerweise saß Richard von Brahmberg den ganzen Tag in seinem Büro, sagte nicht muh und nicht mäh, kam vielleicht mal an die Theke und holte sich einen Kaffee und weg war er wieder hinter verschlossenen Türen. Lisa hätte nicht mal gedacht, dass er den Namen der kleinen Assistentin von David Seidel wusste.

 

„Was machen Sie denn da so spät noch?“

„Oh, nur die Bilanzen, die müssen fertig werden für’s Finanzamt!“

Richard hatte die Stirn gerunzelt und gemeint:

„Das ist doch aber eigentlich David’s Aufgabe, oder nicht?“

„Wollen Sie die Firma in den Ruin treiben?“ hatte Lisa gefragt.

Richard hatte laut gelacht und ihr dann Recht gegeben, David hatte viele Talente, aber die Buchführung gehörte mit Sicherheit nicht dazu, das war ihm auch klar.

„Aber ich bin eh gleich fertig, dann mach ich auch Feierabend“, sagte Lisa.

„Kann ich Ihnen helfen, dann geht’s vielleicht schneller“, kam das Angebot von Richard.

„Gerne. Wenn Sie die Ergebnisse hier noch mal nachrechnen würden, dann können wir sicher sein, dass alles seine Richtigkeit hat.“

 

Und Richard hatte sich einfach einen Stuhl geholt und sich Lisas Unterlagen geschnappt und alles nachgerechnet, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, so kurz vor Mitternacht.

„Ich fahr Sie nach Hause“, hatte Richard angeboten, als sie bald drauf fertig waren. Und da Lisa schon ganz schön müde war, hatte sie das Angebot dankend angenommen. Sie waren zusammen in die Tief-garage gefahren, wo Richards Auto stand, aber das war nicht angesprungen. Richard hatte kurz unter die Motorhaube geschaut und dann lakonisch festgestellt: „Der Marder hat mal wieder das Zündkabel angefressen. Tut mir leid, das passiert öfters, ich stell den Wagen immer mal am Waldrand ab wenn ich joggen gehe.“

„Macht nichts, dann nehme ich eben doch die S-Bahn!“

„Gut, nehmen wir die S-Bahn“, hatte Richard erwidert und war mit Lisa zum Bahnhof gegangen.

„Sie brauchen nicht mit, ich finde den Weg schon“, hatte Lisa gesagt, weil es ihr unangenehm war, ihm solche Umstände zu bereiten.

„Kommt nicht in Frage, ich lass’ Sie doch nicht nachts alleine durch Berlin fahren.“

 

Und soviel Lisa auch versucht hatte, ihn davon zu überzeugen, dass sie alleine nach Hause käme, er ließ sich nicht davon abbringen. Auf dem Weg unterhielten sie sich über Gott und die Welt und Richard fragte Lisa darüber aus, wie es sei, in Göberitz zu wohnen und warum sie noch nicht nach Berlin gezogen sei und, und, und. Und Lisa traute sich Richard zu fragen, warum er heute Abend so ‚anders’ wäre und da hatte er gelacht und gesagt, auch Brummbären hätten eben mal Feierabend!

Auf dem Weg von der S-Bahn zu Lisas Elternhaus wurden sie dann vom Regen überrascht und Richard nahm ihre Hand und lief mit ihr so schnell sie konnten zu einer Bushaltestelle, um sich unterzustellen. Und dann ließ er ihre Hand einfach nicht mehr los. Da standen sie dann und warteten und keiner sagte mehr was und als der Regen nachgelassen hatte gingen sie weiter zum Haus.

„Darf ich Ihnen irgendwann mal wieder bei den Bilanzen helfen?“ Richard grinste sie an.

„Wenn ich wieder Vitamine bekomme, vielleicht.“

Und dann hatte Richard sie einfach geküsst, ein kurzer, unendlich zärtlicher Kuss. Dann drehte er sich um und war in der Nacht verschwunden.

 

Seither hatte er Lisa fast nie wieder auch nur eines Blickes gewürdigt und ihr freundliches „Guten Morgen“ am nächsten Tag hatte er nur mit einem Brummen erwidert. Geschäftlich kamen sie gut zurecht und waren oft einer Meinung, aber nach jeder Besprechung zog sich Richard immer direkt wieder in sein Büro zurück oder ging mit irgendeinem Model zum essen.

Lisa hatte es aufgegeben ihn nett zu grüßen und verlegte sich auf die freundlich - distanzierte Art.

Erzählt hatte sie nie jemandem von diesem Abend, nicht mal Jürgen. Und nur noch selten hatte sie daran gedacht, es war in all der Arbeit einfach untergegangen. Jetzt aber, wie sie Richard so betrachtete, erinnerte sie sich doch daran, wie sehr sie sein zärtlicher Kuss vorübergehend aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.

 

 

„Warum starren Sie mich an?“ brummelte Richard ohne die Augen zu öffnen.

Lisa wäre fast vom Sitz gehüpft so hatte er sie erschreckt. Zum Glück war sie noch angeschnallt. Sie brauchte einen Moment um sich zu fassen.

„Äh, ich, hm, hab versucht Sie nicht zu stören, aber ich müsste mal raus“ versuchte Lisa die Situation zu retten.

„Aha, und da dachten Sie, am besten ist, ich starre ihn wach, anstatt ihn einfach an der Schulter zu stupsen, oder was?“ kam es immer noch mit geschlossenen Augen zurück.

„Ja, so ähnlich“ murmelte Lisa, denn sie konnte ihm ja kaum sagen, woran sie wirklich gerade gedacht hatte.

 

Richard machte Platz und Lisa rannte förmlich zur Toilette. Dort blieb sie dann erstmal eine ganze Weile und dachte immer wieder: ‚Ich hätte schwören können, der schläft tief und fest. Das ist ja unheimlich. Hoffentlich kann der keine Gedanken lesen, obwohl ich ihm das durchaus zutrauen würde. Oh mein Gott, ich muss mich beruhigen, ich darf ihm nicht zeigen, wie sehr er mich aufregt. Einatmen, ausatmen. Und Contra geben! Nix gefallen lassen! Jawohl!’

 

Nachdem sich Lisa ein paar Minuten gesammelt hatte machte sie sich wieder auf zurück an ihren Platz. Richard stand wortlos auf und ließ Lisa wieder Platz nehmen. Dann sagte er nur, dass sie bald landen würden und schon hatte er die Augen wieder geschlossen.

Lisa starrte vorsichtshalber nur noch zum Fenster raus, auch wenn sie wegen der dicken Wolken eigentlich nur grau sah. Aber besser, als weiter über Richard nachzudenken und seine doch irgendwie unbestreitbare Wirkung auf sie, von der Lisa noch nicht wusste, ob sie positiv oder negativ war. Auf alle Fälle machte er sie ziemlich wütend mit seinem unberechenbaren Verhalten, das war schon mal sicher.

 

 


Kapitel 2

 

 

Eine halbe Stunde und mehrere Panikanfälle später stand Lisa gemeinsam mit Richard in der Flughalle und schaute auf den Schneesturm der draußen tobte. So friedlich die Wolken von oben zunächst ausgesehen hatten, so heftig wurde das Flugzeug dann hin und her geschüttelt, als es durch die Wolken zur Landung ansetzte. Lisa hatte sich an den Armlehnen festgekrallt und panisch zu Richard geschaut, der anscheinend immer noch selig schlief, als ob er zu Hause in seinem Bett liegen würde! ‚Wie kann er jetzt nur schlafen?’ hatte sich Lisa entsetzt gefragt, um im gleichen Moment, als das Flugzeug ein ganzes Stück absackte, ebenfalls die Augen zu schließen. Sie wollte lieber den Boden nicht auf sich zurasen sehen. Aber dann hatte sie auf einmal gemerkt, dass Richard ihre Hand in seine genommen hatte und sie ganz fest hielt. Sie linste aus dem Augenwinkel zu ihm rüber, aber er sah immer noch so aus, als ob er schlafen würde. Trotzdem war es ein so angenehmes Gefühl für Lisa, dass sie sich einigermaßen beruhigte und ein paar Minuten später setzte das Flugzeug dann auch schon sicher am Boden auf. Richard ließ ihre Hand los, stand auf und kümmerte sich um das Handgepäck, als sei überhaupt nichts gewesen.

 

„Danke“ murmelte Lisa, die irgendwie ein bisschen verlegen war.

„Wofür?“ fragte Richard. „Ich habe doch die ganze Zeit nur geschlafen, damit war ich sicherlich kein besonders guter Gesellschafter.“

Lisa starrte ihn kurz irritiert an, dann sagte sie nur noch „hat sich erledigt“ und ging ihm voraus von Bord.

 

 

„Eigentlich war ja ausgemacht, dass wir abgeholt werden. Aber langsam habe ich Zweifel, dass der Hotelchauffeur bei dem Wetter hier ist“, sagte Richard mit Blick auf den völlig zugeschneiten Vorplatz.

„Ja, und dann? Bleiben wir den Rest des Tages hier stehen oder was?“ fragte Lisa bissig. Sie war mittlerweile ein bisschen gestresst und wollte sich nur noch kurz hinlegen, in einem eigenen Zimmer, weg von Richard, weg von den Gedanken an den Sommerabend, weg von seiner warmen Hand, die ihre so beruhigend gehalten hatte, dass Lisa das Gefühl hatte, von ihrer Hand aus würde sich so etwas wie flüssige Geborgenheit durch ihren Körper ausbreiten.

 

Richard schaute Lisa tief und forschend in die Augen.

 

„Was?“ schnappte Lisa.

„Alles klar mit Ihnen?“ fragte sie Richard kühl.

„Ja, Entschuldigung, ich bin nur müde. Ich hab im Flugzeug nicht geschlafen und sehne mich nun nach einer heißen Dusche und einem Bett.“

„Sie hätten schlafen sollen, das ist sehr erholsam, glauben Sie mir. Aber ich hab eine gute Nachricht für Sie: da vorne steht der Hoteljeep. Sie waren also so schlau, jemanden mit einem für dieses Wetter tauglichen Auto zu schicken. Dann dürften wir beide in einer halben Stunde unter der Dusche stehen!“

„Wir beide?“ Lisa schrie ihn fast an und verschluckte sich dann.

Richard zog amüsiert leicht die Augenbrauen hoch und meinte: „Wenn Sie mögen, dann können wir auch gerne gemeinsam duschen. Ich dachte mehr so an jeder in seinem eigenen Zimmer, aber ich bin da sehr flexibel.“ Richard grinste Lisa erwartungsvoll an.

„Oh! Äh, nein, danke, hihi, kleines Missverständnis, natürlich jeder für sich!“ versuchte Lisa zu retten, was zu retten war, aber natürlich wurde sie dabei rot im Gesicht.

„Sehr schade, ich hatte mir schon Hoffnungen gemacht“ murmelte Richard, aber so leise, dass Lisa sich nicht sicher war, ob sie das richtig verstanden hatte. Aber, wenn sie drüber nachdachte, wollte sie das wohl lieber auch gar nicht so genau wissen. Schnell schnappte sie sich ihren Koffer und lief davon in Richtung des Jeeps mit dem Aufdruck des Gutes auf der Tür.

 

Der ehemalige Gutshof, der heute zu einer weitläufigen Hotelanlage ausgebaut war, gehörte zum Firmenbesitz von Kerima Moda. Einige Zimmer wurden als ständige Privaträume für die Familien Seidel und von Brahmberg immer frei gehalten, so dass man jederzeit zu einem Kurztrip hierher aufbrechen konnte. Ebenso gehörte ein großes Konferenzzimmer und eine Art Speise-/Wohnzimmer zu den privaten Räumen.

Dass der Termin mit dem Kunden hier stattfand, war eine Kompromisslösung gewesen: David hatte versäumt rechtzeitig einen Termin vor Weihnachten zu machen, danach wollte der Kunde in den Urlaub. Da das aber zum Glück in der Nähe war, einigte man sich darauf, dass er mitsamt seiner Gattin für ein paar Tage hier residieren konnte (auf Firmenkosten natürlich) und er dafür so entgegenkommend war, am Abend des 30.12. noch die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen.

 

Die Fahrt zum Gut dauerte in der Regel ca. eine halbe Stunde, aber wegen des starken Schneefalls und der bereits einsetzenden Dämmerung brauchten Sie beinahe eine Stunde, bis sie fast oben am Berg angekommen waren.

 

„Normalerweise hat man von hier oben eine ganz nette Sicht“, versuchte Richard ein Gespräch in Gang zu bekommen, denn Lisa hatte sich auf der ganzen Fahrt ausgeschwiegen und zum Fenster raus auf die tanzenden Schneeflocken gestarrt.

„Mhm“, machte Lisa.

 

Richard starrte sie noch kurz von der Seite an, dann zuckte er mit den Schultern und sah ebenfalls wieder auf seiner Seite des Wagens raus auf den Schnee.

 

‚Mein Gott, jetzt kommt wieder diese „Moosröschen“ Phase – ein falsches Wort und schon zieht sich unsere Frau Plenske in ihren Schmollwinkel zurück’ dachte Richard wütend. Wie ihn überhaupt einiges an Frau Plenske wütend machte – angefangen davon, dass sie sich hinter diesem scheußlichen Brillengestell versteckte bis hin zu den unmöglichen Klamotten. Wenigstens die Zahnspange hatte sie in den letzten Tagen endlich entfernen lassen! Und ihre Haare sahen locker und seidig aus. Aber da war mehr drin, das hatte Richard schon lange erkannt. Als er sie den einen Abend im Sommer nach Hause brachte, hatte er gesehen, dass sie wunderschöne blaue Augen hatte und so zarte Lippen, wie er sie nie vorher und nicht nachher geküsst hatte.

‚Sie sollte eine stolze, schöne, selbstbewusste Frau sein’ dachte er mit neu aufkochender Wut! Nicht umsonst war er umgeben von Schönheit in der glitzernden Welt der Mode aufgewachsen. Richard erkannte schöne Frauen schon bevor sie einen Raum betreten hatten. Und er konnte sie alle haben, auch wenn klar war, dass er sie nur benutzen würde. Nur Lisa Plenske, die versteckte sich vor ihm und der Welt.

Richard schaute kurz rüber zu ihr und stellte sich vor, wie sie nackt in seinen Armen aussehen würde, mit von der Liebe gerötetem Gesicht.

 

 

„Was ist denn?“ fragte Lisa genervt.

„Was? Wieso? Was soll sein?“ Richard war völlig überrascht und fühlte sich ertappt.

„Jetzt starren Sie mich an“, nun musste Lisa doch lachen. „Ist das wohl ausgleichende Gerechtigkeit oder so was?“

„So was“, nun lachte auch Richard, aber gleich drauf sah er wieder aus dem Fenster und verkündete: „Wir sind da.“

 

 


Kapitel 3

 

 

Zwei Stunden später trafen sich Lisa und Richard im privaten Wohnzimmer auf dem Gut. In dem großen Kamin brannte ein wohltuendes Feuer und überall war noch Weihnachtsdekoration angebracht. Ein Baum stand in einer Ecke und funkelte in voller Pracht.

 

Lisa war tief beeindruckt von dem riesigen Gut. Sie hatte ein herrliches Zimmer mit einem wunderschönen großen Himmelbett und feinen antiken Möbeln. Das angrenzende Badezimmer sah noch aus wie vor beinahe zweihundert Jahren, als das Gut gebaut wurde, aber war mit der modernsten Technik ausgestattet. Lisa hatte ausgiebig in der Badewanne gelegen und den wirbelnden Schneeflocken vor ihrem Fenster zugesehen.

 

Um 19.00 Uhr sollte der Termin sein mit anschließendem Abendessen und Richard hatte Lisa darum gebeten, ihn doch noch eine Stunde vorher kurz auf den aktuellsten Stand zu bringen, denn er hatte die Unterlagen ja erst am Vorabend von David bekommen und wusste, dass Lisa noch ein paar Details kannte, die nicht in den Akten standen.

 

„Was ist das denn?“ Richard beäugte Lisa kritisch.

„Was ist was?“ fragte Lisa trotzig zurück. Musste er sie schon wieder provozieren? Sie hasste ihn dafür.

„Sie wollen mich provozieren, oder? Weil dieser… ähm, Aufzug, nicht ihr Ernst sein kann!“

Lisa schaute ihn an und ihre Augen funkelten wütend.

„Das ist mein voller Ernst!“ Beinahe hätte sie mit dem Fuß aufgestampft, aber das konnte sie sich gerade noch verkneifen.

„Haben Sie das Kleid nicht bekommen, dass ich auf ihr Zimmer habe bringen lassen?“ fragte Richard ruhig.

„Doch, danke! Aber ich ziehe immer noch das an, was ICH für richtig halte!“

Lisa drehte sich um und ging zum Tisch um noch mal in die Unterlagen zu schauen.

„Sie ziehen das an, was ICH für richtig halte“ kam es leise vom Kamin, an dem Richard immer noch lässig lehnte. „Ich bin heute Morgen extra noch zu Kerima gefahren und habe das Kleid aus Hugos Atelier geholt, weil ich mir schon vorstellen konnte, was das sonst für ein Desaster wird. Wenn Sie jetzt also bitte so freundlich sein würden und sich umziehen gehen. Zu einem Termin mit einem sehr wichtigen Geschäftspartner haben sie gefälligst etwas von Kerima zu tragen!“

Richards Ton war gleich bleibend leise geblieben, dennoch konnte man raushören, dass er es nicht zum Spaß sagte, was er da gerade sagte.

„Ich denke ja gar nicht dran“ fuhr Lisa ihn an.

„Das Kostüm das ich anhabe ist sehr elegant und für geschäftliche Termine bestens geeignet!“

Richard zog die Augenbrauen hoch.

„Mausgrau? Sackförmig? Ohne jeglichen Esprit? Dann leben Sie eindeutig in einer anderen Modewelt als ich Frau Plenske. Aber der Termin in…“ Richard schaute kurz auf die Uhr, „50 Minuten, findet in meiner Welt statt. Also bewegen Sie Ihren süßen kleinen Hintern jetzt oder muss ich Ihnen helfen?“ Richard schaute Lisa interessiert an.

Die wurde erstmal rot, dann weiß vor Wut.

„Wissen Sie was, Sie sind ein ausgemachter Blödmann, Herr von Brahmberg! Und von Ihnen lasse ich mir auf gar keinen Fall irgendwas vorschreiben!“ Lisa verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich trotzig auf einen Stuhl fallen. Mit blitzenden Augen funkelte sie Richard an.

Der löste sich ganz langsam vom Kamin und kam auf Lisa zu, wobei er ihr die ganze Zeit in die Augen schaute, und auch seine schossen blitzende Pfeile in ihre Richtung ab.

„Freiwillig?“ Richard stand nun ganz dicht vor Lisa.

„Niemals!“ blaffte Lisa ihn an und beeilte sich aufzustehen, denn zu ihm aufsehen wollte sie ja nun schon mal gar nicht.

Nun standen die Beiden ganz dicht voreinander und fochten ein paar Sekunden ein Duell mit den Augen aus. Als Lisa schon dachte sie hätte gewonnen, bückte Richard sich blitzschnell, fasste sie um die Beine und warf sich Lisa einfach über seine Schulter.

„Ahhh, sind Sie wahnsinnig?“ schrie Lisa. „Lassen Sie mich sofort runter oder ich schreie!“

„Das tun Sie doch sowieso schon, also was sollte es bringen? Außerdem habe ich Sie gewarnt, deshalb gehen wir beide jetzt gemeinsam rauf in Ihr Zimmer und ich helfe Ihnen dabei das Kerima-Kleid anzuziehen.“

Richard ging gemütlich mit Lisa über der Schulter zur Türe und machte Anstalten, die Hotelhalle zu den Aufzügen zu durchqueren.

„Das können Sie nicht machen, Sie gemeiner Fiesling!“ zischte Lisa. „Hier wimmelt es von Gästen, was sollen die denn denken? Lassen Sie mich sofort runter!“ Lisa trommelte wie wild mit ihren Fäusten auf Richards Rücken.

 

Aber der zeigte sich völlig unbeeindruckt und nahm Kurs auf einen der Aufzüge, um noch schnell hineinzuhuschen, bevor die Türen sich schlossen. Lisa zappelte mit den Füßen und zischte wieder „Lassen Sie mich runter, Sie Mistkerl“.

Die beiden alten Damen, die mit im Aufzug standen, sahen Richard verwundert an, sagten aber nichts.

„Frisch verheiratet. Seit heute Vormittag. Wir sind in der verflixten siebten Stunde, nicht wahr mein Herz? Nichts Ernsthaftes“ versicherte er den beiden Mitfahrenden mit seinem charmantesten Lächeln und einem Augenzwinkern. Dann tätschelte er Lisas Po und plauderte weiter: „Sie mag es, wenn ein Mann streng zu ihr ist, nicht wahr mein Herz?“

Die beiden Damen schauten ihn aus großen Augen an, dann sahen sie sich gegenseitig an und fingen an zu lachen.

„Na denn mal los, junger Mann! Auf ins Vergnügen!“ kichernd verschwanden die beiden beim nächsten Halt.

Nun war der Aufzug bis auf Richard und Lisa leer.

„Haha, das finden Sie wohl sehr witzig? Ich hasse Sie! Lassen Sie mich runter oder ich trete Ihnen bei nächster Gelegenheit so zwischen die Beine dass Sie noch jahrelang an Ihren Fehler zurück denken!“

„Uuh, uuh, jetzt hab ich aber Angst!“

Trotzdem stellte Richard Lisa vorsichtig auf die Beine. Die nutze die Gelegenheit sofort um ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen.

„Die hab ich mir wohl redlich verdient“ murmelte Richard.

„Dann können wir jetzt hoffentlich wie zwei friedliche Menschen zu Ihrem Zimmer gehen, Sie ziehen das Kleid an und danach bringen wir endlich diesen blöden Termin hinter uns!“

„Nein!“

Richard stöhnte auf. „Doch mein Herz, wenn ich es sage“ er lächelte Lisa zuckersüß an. „Muss ich Sie zwingen?“

In dem Moment ging die Aufzugtür auf und Lisa stürmte raus und direkt  auf’s Treppenhaus zu.

„Netter Versuch Frau Plenske, aber haben Sie da nicht was vergessen bevor wir wieder nach unten gehen?“

Richard schnappte sich Lisa von hinten, umfasste ihre Arme und hob sie gerade soweit vom Boden hoch, dass er sie zu ihrem Zimmer tragen konnte. Dort angekommen stellte er sie ab, öffnete mit einem hämischen Grinsen die Türe mit seiner Universalkarte und schubste Lisa sanft in den Raum.

„Geben Sie mir sofort die Karte!“ Lisa schäumte vor Wut.

„Warum? Haben Sie Angst ich komm und fall nachts über Sie her?“ Richard stand mit überkreuzten Armen an den Türrahmen gelehnt da.

„Sie überheblicher, arroganter, mieser Scheißkerl!“ Lisa schmiss mit der Fernbedienung des Fernsehers nach ihm, die war das erste, was ihr in die Finger kam.

Richard konnte gerade noch seinen Arm heben um das Geschoss abzufangen, sonst hätte es seinen Kopf getroffen.

„Guter Wurf“, sagte er anerkennend, „und jetzt ziehen Sie sich bitte um, wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Lisa starrte ihn an.

„Raus!“

„Nein, kommt nicht in Frage. Dann schieben Sie einen Stuhl unter die Türklinke, verbarrikadieren sich hier drinnen und ich seh’ Sie den Rest des Abends nicht wieder, weder mit noch ohne Kleid.“ Richard zog fragend die Augenbrauen hoch aber die Antwort bekam er postwendend: Lisa wurde dunkelrot im Gesicht.

Richard lachte auf.

„Hab ich richtig geraten? War das der Plan?“ Er grinste von einem Ohr zum anderen. „Tut mir leid mein Herz, das funktioniert nicht!“

 

Lisa funkelte ihn wütend an. ‚Also gut’ dachte sie. ‚Du kriegst mich nicht klein’. Langsam hob sie erst das eine, dann das andere Bein um sich die Schuhe abzustreifen. Dabei wendete sie ihren Blick nicht von seinen Augen ab. Blitzschnell warf sie beide Schuhe in seine Richtung, allerdings ohne die Gefahr ihn zu treffen.

Um Richards Mundwinkel zuckte es verdächtig.

Anschließend ließ Lisa ihre Kostümjacke langsam über die Schultern und Arme nach unten gleiten, fing sie gerade noch so auf und schmiss auch die direkt vor Richards Füße, der immer noch am Türrahmen lehnte und keinerlei Anstalten machte, sich zu bewegen.

Dann knöpfte Lisa langsam von oben nach unten Ihre Bluse auf, zog sie Stück für Stück aus dem Rockbund und warf sie in Richtung Tür. Als sie nur noch den Rock und ihren BH anhatte funkelte Lisa Richard noch mal böse an, dann nahm sie den Bügel, den sie vorhin achtlos auf dem Bett hatte liegen lassen und schmiss ihn nach Richard.

„Machen Sie sich wenigstens nützlich“ fachte Lisa ihn an.

Der Kleiderbügel traf haarscharf neben seinem Kopf die Tür und fiel dann zu Boden. Diesmal hatte Richard gezuckt, wie Lisa erfreut zur Kenntnis nahm. Sie drehte sich um, schnappte sich den Kleidersack, der noch verschlossen an der Schranktüre hing und ging damit ins Bad.

 

Dort lehnte sie sich erstmal ans Waschbecken und atmete tief durch. Lisa hatte gar nicht gewusst, dass soviel Mut in ihr steckte, aber dieser gemeine Mistkerl reizte sie auch bis auf’s Blut, wie sollte man da nicht mal neue Seiten an sich entdecken? Lisa spürte ein Triumphgefühl, ein unbekanntes, neues Selbstbewusstsein durchflutete sie. Stolz hob sie den Kopf und betrachtete sich im Spiegel.

‚Du hast es ihm gezeigt, Lisa Plenske! Dich kriegt keiner so schnell klein, auch nicht ein Richard von Brahmberg!’

Dann wendete sie sich dem Kleidersack zu. Sie hatte noch nicht einmal reingeschaut, so wütend war sie schon über die Frechheit gewesen, dass ihr Richard ein Kleid hatte auf’s Zimmer bringen lassen mit den Worten: „Herr von Brahmberg wünscht dass Sie das heute Abend tragen.“

Die Dame vom Service hatte Lisa dabei mitleidig von oben bis unten betrachtet und schnell das Weite gesucht. Lisa war zuerst völlig perplex dagestanden und hatte den schwarzen Kleidersack in ihrer Hand angestarrt wie ein ekliges Insekt. Dann hatte sie ihn so wie er war an den Schrank gehängt und wie geplant ihr graues Kostüm angezogen. Das Ergebnis ihrer Trotzreaktion kannte sie ja nun…

 

Vorsichtig machte Lisa den Kleidersack auf und betrachtete das Kleid, das Richard für sie ausgesucht hatte. Sie war ziemlich sicher, dass es ihr eh nicht passte aber sicherlich glaubte Richard das nur, wenn er es auch sah. ‚Wie demütigend’, dachte Lisa!

Dann strich sie ehrfürchtig über den Stoff. Das Kleid war wunderschön, das musste sie zugeben. Sie hatte es noch nie gesehen, es musste also aus der neuen Kollektion von Hugo sein, die eigentlich noch gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. ‚Ob er davon weiß, dass Richard das Kleid mitgenommen hatte?’ dachte sich Lisa kurz. Aber dann nahm sie die Farbe wahr, ein intensives blau, das je nach Lichteinfall ins grünliche schimmerte. Vorsichtig hob Lisa den Bügel mit dem Kleid heraus und hielt es vor sich hin. Es war knapp knielang, die Taille tief angesetzt, der Rock weit schwingend, so dass das Farbenspiel bei jeder Bewegung zu beobachten war. Das Kleid war ärmellos mit schräg angeschnittenem Armausschnitt und ging bis hoch zu einem kleinen Stehkragen. Der Schnitt war nicht exklusiv, aber hochklassig und zusammen mit dem Seidenstoff wirklich ein Traum. Lisa konnte nicht anders, sie musste zumindest mal versuchen hineinzuschlüpfen. Sie zog das Kleid über ihren Kopf und ließ es locker nach unten fallen. Dann machte sie große Augen: es passte wie angegossen. Die niedrige Taille saß genau an der richtigen Stelle auf ihren Hüftknochen und das Oberteil schmiegte sich vorteilhaft an ihren Busen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie einmal in eines von Hugos Kleidern passen würde – dabei war dieses hier nicht wie üblich in Größe 34 oder 36, wie die Models, die sie beschäftigten, sondern exakt in Lisas Größe. Und sah perfekt aus. Lisa drehte sich vor dem Spiegel einmal um ihre eigene Achse. Den Reißverschluss am Rücken musste sie noch schließen, dann war sie fertig. Leider stellte sich das als ein weiteres Problem an diesem Abend heraus: von unten kam sie nicht weit genug dran, von oben aber auch nicht.

‚Auch das noch’ dachte Lisa entnervt. ‚Aber vermutlich ist das auch schon egal!’ Sie betrachtete sich noch mal kurz im Spiegel, dann straffte sie die Schultern und ging wieder raus aus dem Bad.

 

Ihre Bluse und die Kostümjacke hingen ordentlich aufgehängt auf dem Bügel am Schrank, die Schuhe standen sauber ausgerichtet darunter. Richard hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht und blätterte in einer Zeitschrift.

Als Lisa aus dem Bad kam sah er auf, pfiff kurz zwischen den Zähnen durch und murmelte: „Hab ich es doch gewusst!“

Lisa ging aggressiv auf ihn zu, dreht ihm den Rücken zu und fragte zuckersüß:

„Können Sie auch Reißverschlüsse schließen oder sind sie ausschließlich auf das Öffnen trainiert?“

Ein paar Sekunden herrschte absolute Stille und Lisa konnte Richard hinter sich atmen hören. Dann sagte er lässig:

„Wir Männer in der Modebranche können vermutlich mehr als Sie uns zutrauen Frau Plenske!“

Ganz entgegen seinem lockeren Plauderton meinte Lisa zu spüren, dass seine Hände leicht zitterten, als er zunächst ihre Haare im Nacken zusammennahm und sie mit der einen Hand an ihrem Hinterkopf festhielt. Mit der anderen Hand zog er den Reißverschluss hoch und Lisa merkte, dass Richard dann etwas zögerte.

„Man muss Hugo wirklich ein Kompliment machen, welche Wunder seine Kreationen vollbringen können. Jetzt noch ohne die scheußliche Brille und Sie wären direkt nett anzusehen!“ Richards Ton war anmaßend und gemein. Lisa konnte sich nicht bremsen und trat mit aller Kraft nach hinten. Sie traf Richard mit ihrer Ferse mit voller Wucht am Schienbein und hörte, wie er kurz aufstöhnte. Der Druck seiner Hände, die mittlerweile auf Lisas nackten Schultern lagen verstärkte sich für einen Moment. Wäre Lisa nicht damit beschäftigt gewesen, den Schmerz in ihrem Fuß, der ebenfalls höllisch wehtat, zu unterdrücken, hätte sie vermutlich leichte Panik bekommen.

Aber Richard drehte sie nur zu sich um, so dass Lisa nun direkt vor ihm stand. Wieder fochten sie mit den Augen ein stummes Duell aus.

Dann sagte Richard:

„Die passenden Schuhe sind in dem Karton da. Beeilen Sie sich, wir haben nur noch eine Viertelstunde Zeit!“

Damit machte er einen Schritt an Lisa vorbei auf die Tür zu.

Lisa dachte erst gar nicht mehr an Widerstand sondern schnappte sich den Karton und holte die Schuhe, die wirklich genau zum Kleid passten, raus. Sogar die Größe stimmte, aber das wunderte Lisa nun auch nicht mehr. Dann sah sie sich nach Ihrer Handtasche um, konnte sie aber nicht finden. Siedendheiß fiel ihr ein, dass die wohl noch unten auf dem Tisch lag, als Richard sie einfach geschnappt hatte, hatte sie daran überhaupt nicht mehr gedacht.

‚Naja ist ja ein Privatraum, die wird schon nicht wegkommen’ dachte Lisa und warf den Kopf zurück.

„Kommen Sie?“ fragte sie schnippisch und fegte an Richard vorbei zur Tür hinaus und auf den Fahrstuhl zu.

Schweigend folgte ihr Richard und auch auf dem ganzen Weg zurück ins private Wohnzimmer, wo immer noch die Unterlagen waren, wurde kein weiteres Wort gewechselt. Lisa merkte zwar, dass Richard sie immer mal wieder von der Seite musterte, schaute aber demonstrativ nach vorne oder direkt an ihm vorbei.

Unten angekommen ging Lisa direkt auf den Raum zu, schnappte sich die Unterlagen vom Tisch und wollte gerade wieder raus zum Konferenzraum, als sie merkte, dass Richard dicht hinter ihr stand.

„Sie sehen bezaubernd aus, wenn Sie wütend sind mein Herz!“ flüsterte er ihr ins Ohr.

Lisa wurde heiß und kalt. Was war das denn jetzt bitte wieder für ein Stimmungsumschwung? Vorsichtig drehte sie sich nach ein paar Sekunden um, aber Richard war schon wieder einige Schritte weggetreten und schaute gerade noch mal in seine eigene Aktenmappe.

„Fertig?“ fragte er Lisa kühl.

„Natürlich, schon lange“ erwiderte sie ebenso beherrscht.

 

 


Kapitel 4

 

 

In dem Moment klopfte es diskret und jemand von der Rezeption stand in der Tür.

„Herr von Brahmberg, wir haben gerade einen Anruf bekommen, ihr erwarteter Besuch für den Termin heute Abend konnte nicht mehr anreisen. Anscheinend war das Flugzeug, mit dem Sie gekommen sind, eines der letzten die noch landen durften, dann wurde der Flughafen wegen des starken Schneefalls geschlossen.“

„Na ja, dann wird er eben morgen früh kommen, das geht schon in Ordnung“ antwortete Richard kühl.

„Ich befürchte nein. Auch die Bergstrasse zum Gut ist mittlerweile so stark zugeschneit, dass wir damit rechnen müssen, in den nächsten Tagen weder herunter fahren zu können, noch dass neue Gäste heraufkommen können.“

„Wie bitte?“ kam es entsetzt von Lisa. „Ich will morgen Nachmittag wieder in Berlin sein!“

„Das kann ich Ihnen leider nicht versprechen, so einen Schneesturm hatten wir schon seit Jahren nicht mehr und laut Wetterbericht wird es in den nächsten Tagen noch weiterschneien. Es kann also sein, dass sie den Jahreswechsel hier verbringen müssen.“

 

Richard und Lisa schauten sich verdutzt an.

„Gibt es denn gar keine Möglichkeit?“ fragte Richard zur Sicherheit noch mal.

„Es tut mir Leid, Herr von Brahmberg, nein. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, wir sind hier oben bestens ausgerüstet, die Speisekammern sind randvoll und auch für Strom und heißes Wasser können wir garantieren. Holz für den Kamin ist auch in rauen Mengen vorhanden und für morgen Abend ist ein glanzvoller Silvesterball für die Gäste organisiert. Die Musiker sind zum Glück heute Vormittag schon angereist!“

Der Mann von der Rezeption strahlte über das ganze Gesicht, als ob er ein verspäteter Weihnachtsengel wäre, drehte sich um und ließ die beiden sprachlos zurück.

 

Richard schaute Lisa lange an und um seine Mundwinkel spielte ein ironisches Lächeln.

„Verschwendete Energie würde ich da mal sagen. Jetzt haben Sie sich ganz umsonst gegen mich und meinen Kleidergeschmack gewehrt. Obwohl, nicht wirklich umsonst, Ihr Anblick ist reizend!“

 

„Ihr Anblick auch, er löst Würgereiz in mir aus!“ ätzte Lisa.

Dann schnappte sie sich ihre Tasche und stürmte in Richtung Tür.

„Haben Sie denn gar keinen Hunger?“

Lisa blieb stehen und drehte sich langsam zu Richard um.

„Sie glauben ernsthaft, dass ich mich jetzt in aller Seelenruhe hier mit Ihnen zum essen niederlasse?“ Lisa starrte ihn ungläubig an.

„Warum nicht? Jetzt, wo wir sowieso nichts Besseres vorhaben könnten wir das doch machen. Gemeinsames Abendessen war eh vorgesehen, jetzt ziehen wir es einfach ein bisschen vor und essen im verkleinerten Kreis. Ehrlich gesagt bin ich ganz froh drum, ich kann den Schwachkopf kaum für ein Meeting ertragen. Weiß nicht, wie David ihm noch ein Essen anbieten konnte. Aber der ist ja auch ein Schwachkopf, vielleicht deshalb“ plauderte Richard vor sich hin, als wäre nichts weiter geschehen.

Lisa setzte gerade an etwas zu sagen, als es erneut leise klopfte und die Tür aufging.

 

„Herr von Brahmberg, wir dachten wir servieren dann jetzt direkt für Sie und Ihre Frau die Vorspeise, wenn es recht ist. Ihr Termin ist ja für heute abgesagt, da dachten wir…“ den Rest des Satzes ließ der Oberkellner im Raum hängen.

„Selbstverständlich. Vielen Dank. Wir hatten uns gerade geeinigt das Essen vorzuziehen.“

Richard sprach zwar zum Kellner, lächelte dabei aber Lisa an und in seinen Augen blitzte es gefährlich.

 

Lisa warf ihm einen bösen Blick zu aber dann blieb sie einfach an der Tür stehen und schaute zu, wie der Tisch gedeckt wurde, weitere Kellner die Vorspeise brachten und wieder ein anderer Wein einschenkte. Nachdem Richard zustimmend zu der Flasche genickt hatte, stellte er diese dann auf den Tisch. Insgeheim musste Lisa zugeben, wirklich Hunger zu haben, da sie seit dem Frühstück in Berlin nichts mehr gegessen hatte. Aber das hätte sie Richard gegenüber nie zugegeben. Nicht nach der Aktion in der letzten Stunde. Also beschloss Lisa sich einfach schweigend an den Tisch zu setzen, so schnell wie möglich zu essen und Richard mit Nicht-Beachtung zu strafen.

 

Die ersten zehn Minuten des Essens verliefen tatsächlich in absolutem Stillschweigen. Auch Richard machte keinerlei Anstalten ein Gespräch zu beginnen sondern schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

Lisa vermied ihn direkt anzuschauen und beschäftigte sich lieber mit ihrem Essen und dem Wein. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie durstig sie war und schenkte sich ein zweites Glas ein, nachdem sie erstaunt feststellte, dass das erste schon leer war. Und ihre Nerven konnten den Wein allemal gut gebrauchen. Als sie ihre Vorspeise aufgegessen hatte stand Lisa auf und ging mit ihrem Glas zum Kamin um nachdenklich in die Flammen zu starren.

Hinter ihr wurden die leeren Teller abgetragen und die Hauptspeise serviert.

„Sie sollten sich wieder hinsetzen, sonst wird Ihr Essen kalt!“ war alles, was Richard dazu bemerkte.

Lisa setzte sich wieder hin, schenkte sich noch mal Wein nach und fing wieder an zu essen.

„Sind Sie sicher, dass Sie so viel Wein trinken sollten?“ Richard sah Lisa mit hochgezogenen Brauen fragend an.

Lisa schaute auf und wieder funkelten ihre Augen Richard böse an. Langsam legte sie ihr Besteck hin. Dann hob sie ihr volles Glas, prostete ihm stumm über den Tisch zu und trank es in einem Zug aus. Als sie das Glas wieder abstellte sah sie, dass Richard grinste, aber er sagte nichts mehr.

Nachdem auch der Hauptgang vorbei war, wurde Dessert gereicht – zu Lisas Leidwesen mit Rumfrüchten. Die schmeckten zwar herrlich, aber sie merkte bereits deutlich die nunmehr vier (oder fünf?) Gläser Wein, die sie innerhalb kürzester Zeit geleert hatte. Sie versuchte sich natürlich nichts anmerken zu lassen, war aber heilfroh, dass sie saß und nichts sagen musste.

In Windeseile verdrückte Lisa das Dessert, trank ihren restlichen Wein in einem weiteren Zug aus und versuchte Richard zu fixieren.

Verflixt, warum hampelte der so auf seinem Stuhl rum?

„Ich…ich geh jetzt auf mein Zimmer. Ich wünsche Ihnen noch einen ächzenden…ätzennen…doofen Abend!“

Lisa stand schnell auf, schnappte sich ihre Handtasche und drehte sich in Richtung Tür. Aber diese Drehung war wohl zuviel. Denn irgendwie drehte sich eh schon alles um Lisa und mit einem kleinen Aufschrei fiel sie der Länge nach auf den Teppich.

„Oh mein Gott, bitte nicht“ stöhnte Richard auf und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

„Alles klar bei Ihnen, Frau Plenske?“

Aber er bekam keine Antwort. Lisa lag regungslos am Boden.

„Frau Plenske?“ fragte er ein bisschen lauter und stand auf. Richard bückte sich zu der am Boden liegenden Lisa und rüttelte sie ein bisschen an der Schulter. „Lisa? Lisa? Frau Plenske? ELISABETH?“

Richard wurde nun lauter.

„Mhm, ich will schlafen, lass mich in Ruhe Papa!“

Richard schaute sie entsetzt an. Papa? Das wurde ja immer schöner. Aber vermutlich war die Nennung ihres vollen Namens hier der Auslöser.

„Du darfst ja auch schlafen, aber erstmal musst Du aufstehen und in Dein Zimmer gehen. Komm, ich helfe Dir.“

Aber Richard hatte keine Chance. Lisa bewegte sich nicht mehr und reagierte auch nicht auf seine Versuche, sie zu wecken.

Entnervt gab Richard auf und mit einem gemurmelten „womit hab ich das eigentlich verdient“ hob er Lisa auf seine Arme und trug sie zum Aufzug. Zum Glück war die Halle momentan leer und so kamen sie ungesehen zu Lisas Zimmer, wo Richard versuchte, Lisa nicht fallen zu lassen und dabei gleichzeitig mit der Karte die Türe zu öffnen. Leise fluchte er vor sich hin als Lisa auch noch den Kopf zur Seite warf und ihn beinahe damit aus dem Gleichgewicht brachte, denn er balancierte sie gerade zusätzlich auf einem Bein um eine Hand frei zu haben. Endlich hatte er die Tür offen und konnte das angewinkelte Bein wieder abstellen. Da machte es Knacks!

„Verflucht noch mal, was war das denn jetzt?“ schimpfte Richard.

Aber zunächst legte er Lisa sanft auf ihrem Bett ab, er konnte später schauen, auf was er da getreten war.

 

„Mhm, Du riechst so gut. Hast Du ein neues Rasierwasser Papa?“ flüsterte Lisa mit verzücktem Gesichtsausdruck und weiterhin geschlossenen Augen.

„Ich geb’ Dir gleich Rasierwasser und Papa“ knurrte Richard. „Lisa, Lisa“ er schüttelte sie wieder leicht an der Schulter, „Du musst das Kleid ausziehen, das ist doch unbequem.“

Aber Lisa hatte sich schon mit einem Lächeln auf dem Gesicht in die Kissen gekuschelt und war tief und fest eingeschlafen.

‚Ok, ich hab Dich vorhin eh schon halb ausgezogen gesehen, dann mach ich das eben’ dachte sich Richard.

Vorsichtig drehte er Lisa auf die Seite und hob ihre Haare im Nacken hoch um an den Reißverschluss zu kommen. Er zog ihn langsam runter und hob Lisas Oberkörper dann kurz an, um ihr die Träger von den Schultern zu streifen. Danach legte er sie vorsichtig zurück auf’s Kissen, schob eine Hand unter ihre Hüfte und zog das Kleid nach unten weg.

 

„Wow!“ Richard starrte fassungslos auf Lisa. „Unsere kleine Frau Plenske hat ein Geheimnis!“

Lisa trug über ihrem Spitzenslip einen dazu passenden Strumpfgürtel und spitzenbesetzte Strümpfe.

 

Richard saß immer noch reglos auf der Bettkante. Schon als er sie gerade im Arm gehalten hatte um den Reißverschluss aufzuziehen hatte er sich beherrschen müssen, nicht über die zarte Haut ihres Rückens zu streichen. Aber das hier? Das überforderte ja sogar einen Heiligen! Ganz vorsichtig strich er mit den Fingerspitzen sanft über die Haut am Rand des Strumpfes und flüsterte dabei:

„Du bringst mich noch um den Verstand, Lisa Plenske! So tapfer gekämpft heute Abend, mein Herz. Wie soll ich jetzt nur mit Dir umgehen? Du bist zu wertvoll für eine Nacht, weißt Du das?“

Aber es kam keine Antwort.

Richard beugte sich vor, gab Lisa einen Kuss auf die Stirn, zog vorsichtig die Bettdecke über sie und ging leise hinaus nachdem er das Kleid sorgfältig auf dem Bügel an den Schrank gehängt hatte.

 

 

 


Kapitel 5

 

 

Lisa ging langsam über eine große, saftige Wiese am Waldrand und pflückte Blumen. Die Sonne schien aus einem strahlend blauen Himmel und es war sehr warm. Sie hatte schon einen großen Strauß bunter Blüten im Arm und fühlte sich rundum glücklich. Auf einmal hörte sie hinter sich Hufgetrappel und als sie sich umdrehte, sah sie den Reiter direkt auf sich zukommen. Er zügelte das Pferd neben ihr, bückte sich zu ihr hinab und hob Lisa vor sich in den Sattel. Dann gab er dem Pferd die Sporen und es setzte sich langsam wieder in Bewegung.

Lisa genoss den kühlenden Wind auf ihrer Haut als sie in den Schatten des Waldes ritten. Der Reiter hatte seinen linken Arm von hinten so unter ihren Busen gelegt, dass seine Hand ihre rechte Brust umfassen konnte. Sein Daumen rieb sanft über Lisas Brustwarze und schickte heiße Wellen direkt zwischen ihre Beine. Sehnsüchtig lehnte sie sich zurück an seinen harten Körper und schloss die Augen. Sie spürte wie er mit der anderen Hand, die sich unter ihr T-Shirt geschoben hatte, begann ihren nackten Bauch zu streicheln. Wohlig stöhnte Lisa auf und schmiegte sich noch näher an ihn heran. Der Druck auf ihre Brust verstärkte sich als er anfing sie zusätzlich leicht zu massieren und die Brustwarze spielerisch zwischen den Fingern leicht drehte. Die andere Hand hatte sich inzwischen in ihren Hosenbund geschoben und die kühlen Finger ertasteten sich einen Weg in den heißen, feuchten Spalt. Lisa meinte zu verglühen und ein Pochen und Ziehen schickte wohlige Gefühle durch sie hindurch, als sie einen heftigen Orgasmus erlebte. Danach drehte sie sich ermattet um und schaute direkt in Richards lächelndes Gesicht.

 

Lisa wachte schweißgebadet und mit rasendem Herzschlag auf. Erschreckt setzte sie sich im Bett auf. Sofort wurde ihr schwindelig und ihr Magen verkrampfte sich. Sie schaffte es gerade noch ins Bad, dann musste sie sich übergeben. Als sie sich anschließend am Waschbecken kaltes Wasser in Gesicht und Nacken spritzte fiel es ihr wieder ein: der Wein!

‚Oh mein Gott’, dachte Lisa, ‚warum hab ich soviel getrunken?’

Aber sie konnte nicht weiter drüber nachdenken, ihr Kopf hämmerte und sie war so müde. Langsam tastete sie sich zurück ins Bett und war innerhalb von ein paar Sekunden wieder eingeschlafen.

 

Als Lisa das nächste Mal aufwachte war es hell im Zimmer, wie sie durch ihre kaum geöffneten Augenlider erspähen konnte.

‚Welcher Idiot hat denn die Rollläden offen gelassen?’ dachte sie ärgerlich. Sie musste ganz dringend zur Toilette und schaffte es irgendwie ins Bad und wieder zurück. Danach schlief sie weiter wie ein Stein.

 

Beim dritten Mal aufwachen blieb Lisa einfach still im Bett liegen und versuchte sich zu erinnern wo sie war, und warum sie da war, und weshalb wohl ihr Kopf so dröhnte und ihre Zunge sich so pelzig anfühlte.

‚Zu viele Fragen auf einmal’ dachte sich Lisa. ‚Da muss System rein. Also eins nach dem anderen.’

Sie tastete mit den Händen umher und stellte fest, dass sie in einem riesigen Bett lag, mindestens doppelt so groß wie ihres zuhause.

Das Himmelbett im Hotel! Richtig, genau, jetzt fiel es ihr wieder ein, sie hatte mit David diesen Termin…

David? Irgendwas stimmte da nicht. Richard! Richard von Brahmberg! ‚Oh mein Gott!’ Lisa setzte sich ruckartig auf, beeilte sich dann aber, sich einfach wieder still hinzulegen, da ihr Kopf zu zerspringen drohte.

Jetzt fiel ihr alles wieder ein. Richard hatte sie gezwungen das Kleid von Kerima anzuziehen und dann war der Termin ausgefallen und sie hatten zusammen gegessen. Der Wein!

‚Oh bitte, bitte, was ist dann passiert? Bitte kein Black out’ flehte Lisa still. Aber so sehr sie sich auch bemühte, der Abend endete für sie irgendwo zwischen Hauptspeise und Dessert.

‚Also wie bin ich ins Bett gekommen? Richard wird doch wohl nicht…?’ plötzliche Panik überkam Lisa. Das Kleid! Wo war das wunderschöne Kleid? Vorsichtig lugte sie unter die Bettdecke und betrachtete sich. BH, Slip, Strumpfgürtel und verrutschte Spitzenstrümpfe.

„Ok, bitte lieber Gott, lass mich tot sein oder mach’ dass ich aufwache und das alles nur ein schlechter Traum ist!“ flüsterte Lisa entsetzt. Hatte Richard sie ins Bett gebracht und ihr das Kleid ausgezogen? Sie lugte vorsichtig unter der Bettdecke vor und suchte ihre Brille. Nirgends. Verdammt. Sie musste doch dringend nach dem Kleid suchen. Dann musste es eben so gehen. Lisa konzentrierte sich und fokussierte den Schrank. Tatsächlich! Da hing das Kleid sorgfältig auf dem Bügel, die Schuhe die sie dazu getragen hatte, standen exakt darunter, genau wie daneben ihr graues Kostüm und ihre eigenen Schuhe.

Lisa ließ sich wieder zurück ins Kopfkissen sinken. Also doch…

‚Nie wieder verlasse ich diesen Raum! Nie wieder!’ schwor sie sich.

Sie grübelte noch ein bisschen nach, ob sie sich noch an etwas anderes erinnern konnte. Sie erinnerte sich, dass sie mehrmals aufgewacht war und sich irgendwann übergeben musste.

Mit einem Satz war Lisa auf und aus dem Bett gesprungen wie von der Tarantel gestochen. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie hatte geträumt! Kurz bevor sie das erste Mal aufgewacht war.

Jetzt fiel ihr alles wieder ein. Sie hatte einen erotischen Traum von Richard gehabt. Sex mit Richard! Und sie hatte es auch noch genossen!

„Aaarggh“ Lisa stöhnte und sank vor dem Bett auf die Knie um ihren Kopf unter der Decke zu vergraben.

Nach ein paar Minuten kam sie wieder zum Vorschein – die wenige Luft, die man unter der Decke bekam war gar nicht gut bei ihrem Kater.

 

‚Erstmal duschen’ beschloss Lisa, ‚dann mach ich einen Plan.’

 

Als sie unter der Dusche stand und abwechselnd mit heißem und kaltem Wasser versuchte ihre Lebensgeister wiederzubeleben fiel ihr auch wieder ein, dass sie ja gar nicht sicher hier weg konnte. Sie waren ja eventuell eingeschneit. Sie würde sich anziehen und den Portier fragen gehen. Bei der Gelegenheit konnte sie auch einen Blick nach draußen werfen und vielleicht würde die frische und kalte Luft ihr sogar helfen, einen klareren Kopf zu bekommen.

Nachdem Lisa nun etwas wacher war machte sie sich wieder auf die Suche nach ihrer Brille, konnte sie aber nirgends finden. Seufzend kramte sie in ihrer Tasche nach den Kontaktlinsen und ging wieder ins Bad. Zum Glück hatte sie zu Hause schon mehrmals das Einsetzen der Linsen geübt, so dass sie nicht allzu lange dran rumfummeln musste.

Als sie sich dann allerdings klar und deutlich im Spiegel sah erschrak sie heftig. Die Nachwirkungen des Weinkonsums waren dann doch zu sehen. Seufzend ergab sich Lisa in ihr Schicksal und legte etwas Puder auf und einen dezenten Mascara. Farbe in den Wangen würde Sie dann von der Kälte draußen schon bekommen beschloss sie.

Schnell schlüpfte sie in ihre Jeans und den dicken Pulli, den sie gestern zur Anreise getragen hatte.

‚Wo könnte nur meine Brille sein?’ rätselte Lisa unterdessen weiter. Konnte es sein, dass Richard, der ja seinen Unmut über die Brille offensichtlich genug geäußert hatte, sie vor ihr versteckte? Aber er wusste doch, dass sie sonst nicht gescheit sehen konnte, und von den Kontaktlinsen konnte er nicht wissen. Würde er wirklich so gemein sein?

‚Ja, würde er’! Lisa wurde schon wieder sauer auf ihn. Je länger sie drüber nachdachte, desto ärgerlicher wurde sie. Bestimmt steckte Richard dahinter, wer sonst? Brillen verschwanden ja nicht einfach so. Eigentlich wollte sie ihm ja eine Stunde zuvor noch nie mehr in ihrem Leben unter die Augen kommen, so peinlich war es ihr, dass er sie wohl in ihrer Unterwäsche gesehen hatte. Lisa war sich sicher, dass er sich irgendeine fiese Bemerkung nicht sparen konnte. Aber mittlerweile überwog schon wieder die Wut darüber, was für ein Mistkerl er doch war, angefangen von der Frechheit, sie gestern Abend als seine Frau auszugeben bis hin zu der mysteriösen Brillen Angelegenheit.

‚Ich werde einfach zum Angriff übergehen, genau’ überlegte sich Lisa. ‚So tun als wäre nichts Peinliches passiert und ihn einfach zur Rede stellen, was er mit meiner Brille gemacht hat. Genau. Wie gestern auch. Da war Richard dann auch nichts mehr eingefallen.’

 

Lisa zog ihren Anorak über, schnappte sich Schal, Handschuhe und Mütze und verließ festen Schrittes ihr Zimmer.

 

 

 


Kapitel 6

 

 

Lisa unterhielt sich kurz mit dem Portier, der ihr mit Bedauern bestätigte, dass die Bergstraße heute und voraussichtlich auch morgen noch gesperrt sein würde. Das war natürlich eine Information, die nicht gerade Lisas eh nicht vorhandene Gute Laune steigerte. Also beschloss sie zunächst einmal einen sehr verspäteten Frühstückskaffee im Restaurant zu sich zu nehmen. An Essen war noch nicht zu denken.

Während Lisa über ihrem Kaffee brütete erwachten ihre Lebensgeister noch mehr und ihre Wut auf Richard und sein unmögliches Benehmen am gestrigen Tag steigerte sich erneut. Dazu kam, dass sie eine sms von David bekommen hatte, der nachfragte, ob bei ihr alles klar sei und der Termin gut geklappt hätte.

David! Dem hatte sie den ganzen Schlamassel ja erst zu verdanken. ‚Na, der kann was erleben, sobald ich wieder in Berlin bin!’ dachte sich Lisa. ‚Am besten er bleibt möglichst lange im Bett mit seinem blöden Gipsbein, sonst verpass ich ihm noch eins’… redete sich Lisa immer weiter in Rage.

 

Schließlich kuschelte sie sich tief in ihren Anorak, und machte sich auf um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Mittlerweile war es schon fast halb drei und die meisten Hotelgäste gingen schon wieder rein um sich bei Kaffee und Kuchen aufzuwärmen und dann auf die bevorstehende Silvesterparty vorzubereiten.

Lisa war das ganz recht, so konnte sie in Ruhe die wenigen Wege, die man freigeschaufelt hatte zu den Nebengebäuden (ehemals Stall, jetzt wohl Wäscherei und Lager wenn Lisa das richtig sah) gehen und sich ein bisschen beruhigen.

Nach beinahe einer Stunde war Lisa dann aber genug im Kreis marschiert und auch ihr Magen meldete sich.

‚Das ist ein gutes Zeichen’ dachte sich Lisa. ‚Wenn ich Hunger hab, dann bin ich wohl auf dem besten Weg diesen Horrorabend zu vergessen. Obwohl, ich hatte ihn ja schon fast vergessen…’ dachte sie zerknirscht. Und wurde schon wieder wütend. Beinahe hätte sie über dem entspannenden Schneespaziergang ja vergessen, dass Richard auch immer noch im Hotel war!

Na, der konnte was erleben! Erst machte er sie wütend, dann betrunken und dann nahm er ihr auch noch ihre Brille weg! Also wirklich, was zu weit ging, ging zu weit.

 

Platsch! Mit voller Wucht traf der Schneeball Richard am Hinterkopf. Lisa hatte ihn gerade auf den Hoteleingang zugehen sehen und etwas impulsiv gehandelt, als sie mit dem Schneeball, den sie gerade in der Hand hielt, zielte und warf. Natürlich wollte sie ihn am Rücken treffen, damit sie ihn hier draußen und nicht in der Hotelhalle zur Rede stellen konnte. Aber Sport war noch nie ihre Stärke gewesen und im Werfen hatte sie immer nur eine vier.

‚Na klasse, super Wurf’ dachte sich Lisa gerade als Richard sich ganz langsam zu ihr umdrehte.

„Das, das wollte ich nicht…“ stotterte Lisa los.

Richard blitzte sie aus zusammengekniffenen Augen wütend an.

„Ach nein? Was wollten Sie denn dann? Eine Mücke verjagen?“ das schlimmste für Lisa war, dass sein Ton gefährlich ruhig war, ganz im Gegensatz zu seinem Gesichtsausdruck, der nichts Gutes verhieß.

„Aufhalten, ich wollte Sie nur aufhalten um zu… mit Ihnen… reden. Genau. Wir müssen reden.“ Dabei ging Lisa langsam rückwärts während Richard immer weiter auf sie zukam.

„Gewalt ist keine Lösung“ quiekte Lisa gerade noch, da wurde sie im hohen Bogen von Richard in den weichen Schnee neben dem Weg geschmissen.

So schnell konnte sie gar nicht schauen und den Schnee aus ihrem Gesicht wischen, wie sich Richard schon neben ihr auf den Knien platziert hatte.

„Was wollten Sie? Reden?“ fragte er scheinheilig um ihr im nächsten Moment eine ganze Ladung weichen, pulverigen Schnee ins Gesicht zu kippen.

„Aaah, aufhören, pff, bäh, das ist kalt“ Lisa spuckte den Schnee wieder aus und versuchte sich aufzurappeln. Sofort saß Richard rittlings über ihr und drückte sie zurück in den Schnee.

„Dann sagen Sie mir doch mal, über was Sie mit mir reden möchten, Frau Plenske“ sagte Richard in gelangweiltem Plauderton.

„Ja, aber doch nicht so“ protestierte Lisa und zappelte mit Armen und Beinen. Dabei erwischte sie mit der rechten Hand gerade so viel Schnee, dass es sich lohnte, diesen mal auf Gut Glück nach oben zu werfen.

Treffer! Der Schnee traf Richard genau in den Kragen und er hielt unwillkürlich kurz den Atem an, als er die Kälte am Hals spürte.

„Na warte“ knurrte er und versuchte Lisas Hände zu packen. Aber die wehrte sich so gut sie konnte und bewarf ihn immer wieder mit Schnee und versuchte auf allen vieren davon zu krabbeln. Aber Richard war natürlich auch nicht ungeschickt und eine heftige Rangelei entwickelte sich.

 

Irgendwann fingen sie beide an zu kichern und zu lachen und dann war aus dem ursprünglichen Kampf ein wildes Toben geworden.

Beifällig blieben auf dem Weg die beiden alten Damen aus dem Aufzug stehen und betrachteten sich die Szene gerührt.

„Frisch verheiratet“ seufzte die eine.

„Das waren noch Zeiten, was?“ stellte die andere fest und dann gingen sie weiter.

 

Richard und Lisa hatten das gehört und verloren vor lauter Lachen die Übersicht, so dass sie zu nahe an den Rand des Schneeberges kamen und mit einem riesigen Plumpsen lagen sie auf einmal übereinander auf dem Weg. Richard hatte den Sturz so gut wie möglich abgefangen und lag nun auf dem Rücken, hielt Lisa fest im Arm und auf seinen Bauch gedrückt.

 

Ihre Lippen waren nur Millimeter voneinander entfernt und man konnte beinahe die Funken hin und her springen sehen. So lagen sie einige Sekunden da und schauten sich gegenseitig tief in die Augen.

‚Wird er mich wieder küssen?’ dachte Lisa und es wurde ihr zugleich heiß und kalt.

Ihr beider heißer Atem vermischte sich und stieg in kleinen Wölkchen nach oben.

Lisa senkte die Augenlider und wartete.

 

„Oh, verdammter Mist“ fluchte Richard auf einmal los und stand mitsamt Lisa so schnell auf, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor, als er sie auf ihren eigenen Beinen abstellte.

Hektisch begann er in seiner Jackentasche rumzusuchen und fluchte dabei leise weiter.

„Wenn die jetzt wieder… dann werde ich wahnsinnig… nie wieder…“.

Lisa schaute ihn an, als sei er bereits nahe am Wahnsinn, wovon sie ehrlich gesagt schon länger überzeugt war.

„Alles klar bei Ihnen?“ fragte sie zaghaft.

„Nein, nix ist klar“ schnauzte Richard sie an. „Da, sehen Sie!“

Er hatte einen Beutel aus seiner Jackentasche gezogen und hielt ihn Lisa dicht vor die Nase.

„Geht’s auch weniger nah an meiner Nase?“ blaffte Lisa ihn an und schob seine Hand zur Seite. „Ich bin ja nicht blind!“

 

Richard ließ seine Hand sinken und schaute Sie nun genauso entgeistert an, wie sie gerade eben noch ihn.

„Sagen Sie das noch mal!“ fuhr er Lisa an.

„Was? Dass sie nicht vor meiner Nase mit irgendwelchen Plastikbeuteln rumwedeln sollen? Also bitte: wedeln…“ weiter kam Lisa nicht, da hatte Richard ihr seine freie Hand unter das Kinn gelegt und drehte ihr Gesicht nach rechts und links. Dabei schaute er ihr tief in die Augen.

„Kontaktlinsen, natürlich…“ murmelte er. „Ich Idiot!“

„Nicht dass ich Ihnen in dem Fall widersprechen wollte, aber darf ich auch erfahren um was es geht?“ Lisas schlechte Laune und ihre Wut auf ihn war schlagartig zurückgekehrt.

„Da, ihre Brille.“ Richard drückte ihr den Beutel in die Hand.

„Also doch“ schrie Lisa ihn an. „Ich hab’s gewusst dass Sie dahinter stecken. Und jetzt haben Sie sie auch noch kaputt gemacht! Sie sind wirklich ein Idiot und was für einer!“ Diesmal konnte sich Lisa nicht mehr beherrschen und stampfte tatsächlich mit dem Fuß auf. Dann schlug sie mit der flachen Hand nach ihm und traf ihn an der Schulter.

 

Richard beobachtete diesen Wutausbruch mit erstaunt hochgezogenen Brauen und konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen.

„Was haben Sie gewusst? Außerdem haben Sie Ihre Brille selbst kaputt gemacht, als Sie auf mich losgegangen sind und mir im Schnee eben ihr Knie in die Seite gerammt haben.“

„Wenn Sie gemeiner Kerl mir meine Brille heute Nacht nicht geklaut hätten, wäre das alles überhaupt nicht passiert“ Lisa tobte und stand mit geballten Fäusten vor ihm.

„Geklaut… soso. Na dann.“

Einen kurzen Moment standen sich die beiden wie zwei Boxer im Ring gegenüber.

Dann sagte Richard:

„Ich habe uns für heute Abend um 20.00 Uhr einen Tisch im Restaurant reservieren lassen. Ich dachte Sie wollen sicher nicht wieder alleine mit mir essen.“ Dabei zuckte es verdächtig in seinen Mundwinkeln.

Lisa funkelte ihn böse an, sagte aber nichts. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie das Angebot annehmen sollte, aber so ganz allein den Silvesterabend zu verbringen war auch eine trübe Aussicht.

‚Jürgen!’ fiel ihr da siedendheiß ein. Sie musste ja noch Jürgen Bescheid geben, dass sie nicht zurückkommen konnte.

„Äh, ich muss los…“ Lisa ließ den völlig perplexen Richard einfach stehen und stürmte an ihm vorbei ins Hotel.

 

„War das jetzt ein ‚Ja’ oder ein ‚Nein’ mein Herz?“ murmelte der vor sich hin als er Lisa nachstarrte. Dann ging auch Richard langsam wieder zurück ins Hotel.

 

 

 


Kapitel 7

 

 

Schon das Gespräch mit ihren Eltern fand Lisa anstrengend, da die Verbindung wegen des schlechten Wetters so furchtbar war, aber Jürgen war noch begriffsstutziger.

„David hat an einem Stein gerochen?“ fragte er ungläubig.

„Er hat sich das Bein gebrochen“ wiederholte Lisa ungeduldig.

„Ach so. Weil so viel Schnee liegt, dass ihr auch nicht raus könnt, richtig? Wird er denn medizinisch versorgt?“

„Jürgeeeeeeen“ maulte Lisa, „hörst Du mir überhaupt zu? Oder machst Du nebenher noch irgendwas anderes?“

„Nein, ich hör Dir zu so gut es geht. David liegt mit gebrochenem Bein im Schnee und Du versetzt mich hier heute Abend!“ meinte Jürgen beleidigt.

Lisa stöhnte entnervt auf.

„Also noch mal von vorne: David ist NICHT hier, sondern in Berlin. Weil er sich schon DORT das Bein gebrochen hat. Und HIER liegt so viel Schnee, dass der Flughafen gesperrt ist und wir nicht wie geplant zurück fliegen konnten!“

„Mit wem treibst Du Dich denn dort rum, wenn David hier in Berlin ist? Da hättest Du ja gleich dableiben können“ forschte Jürgen misstrauisch nach.

„Mit Richard von Brahmberg“ nuschelte Lisa leise.

„Mit wem? Dem Fischer von Bamberg?“ Jürgen zweifelte langsam daran, dass es Lisa wirklich gut ging. „Wer ist das denn um Himmels Willen?“

„Richard von Brahmberg!“ Lisa betonte jeden Buchstaben und sprach laut und deutlich ins Telefon. Würde Jürgen jetzt vor ihr stehen, sie wäre ihm schon an die Gurgel gegangen.

„DER Richard von Brahmberg?“

„Was glaubst Du wie viele es von der Sorte bei Kerima gibt? Natürlich DER, wer denn sonst?“ blaffte Lisa ihn an. Sie hatte keine Lust mehr den Namen auszusprechen. Sie wollte nicht, dass Jürgen merkte, dass hier irgendwie gar nichts mehr in Ordnung war und das totale Chaos gerade über Lisa hereinzubrechen drohte.

„Schrei mich nicht so an, ich kann Dich gut verstehen!“ maulte Jürgen zurück.

Lisa seufzte auf.

„Entschuldige Jürgen, aber das war hier alles irgendwie nicht so geplant und ich bin ein bisschen gestresst von der Situation. Und es tut mir so leid, dass ich nicht mit Dir feiern kann heute Abend“ sagte Lisa zerknirscht.

„Das sollte es auch! Was machst Du denn stattdessen? Mit dem miesepetrigen von Brahmberg wirst Du ja wohl kaum den Jahreswechsel verbringen oder einen Schneemann bauen wollen, oder?“

„Ich weiß noch nicht“ antwortete Lisa ehrlich. „Vielleicht geh ich kurz runter ins Restaurant zum essen und dann früh ins Bett. Morgen kommen wir hoffentlich hier weg!“

Dass ein großer, festlicher Silvesterball geplant war und Richard für sie beide einen Tisch hatte reservieren lassen und Lisa versucht war, wieder das wunderschöne Kleid anzuziehen sagte sie Jürgen lieber nicht. Nur die kleinste Andeutung und er würde sie so lange ausfragen, bis er alles über den vergangenen Abend wüsste. ‚Lieber sterb’ ich, als dass noch jemand davon weiß’ dachte Lisa.

„Und was machst Du jetzt?“ fragte sie Jürgen kleinlaut.

„Ich werde wohl mit den anderen in die Tikibar gehen, das geht schon in Ordnung. Du Lisa, da fällt mir ein, Hannah und Yvonne waren vorhin hier im Kiosk. Die haben so blöde Andeutungen gemacht, von wegen ich soll Dich fragen, ob ihr Geschenk ‚gewirkt’ hätte… was für ein Geschenk soll das denn sein? Und was für eine Wirkung sollte das haben?“ fragte Jürgen eifrig.

‚Und so was nennt sich Freundinnen’ dachte Lisa wütend. Und dann wurde ihr wieder heiß und kalt, als sie daran dachte, dass sie das ‚Geschenk’ der beiden gestern Abend getragen hatte. Die Mädels hatten ihr das komplette Unterwäsche Set geschenkt, weil sie der Meinung waren, Lisa könnte mit dem in ihren Augen dringend nötigen neuen Styling ja ganz unauffällig anfangen.

„Sieht ja keiner“ hatte Hannah fröhlich versichert.

„Eben, und Du wirst Dich wunderbar fühlen, so, so… begehrenswert“ hatte Yvonne nachgeschoben.

Lisa verfluchte die beiden und sich selbst gleich mit, weil sie so neugierig gewesen war und es gleich mal ausprobiert hatte. Sie hatte ja nicht mit der nachfolgenden Aktion gerechnet…

„Wirkung?“ Lisa suchte verzweifelt nach einer Ausrede. „Ach so, ja, super, die Minzetropfen, toll, ein paar Tupfer auf die Schläfen und schon wird einem im Flugzeug nicht mehr schlecht…“ Lisa verzog selber das Gesicht über diese haarsträubende Geschichte.

„Minzetropfen?“ Jürgens Stimme merkte man an, dass er kein Wort glaubte. Die beiden hatten hier vorhin so rumgekichert, dass er schon gedacht hatte, die sind zu früh über den Sektvorrat hergefallen. Und so viel wusste er nun definitiv: wegen Minzetropfen kam keine solche Stimmung auf!

„Hör mal Lisa, du kannst mir ja viel erzählen, aber das glaub ich Dir einfach nicht, nee, niemals.“

„Ich muss jetzt Schluss machen Jürgen, ich will noch… was erledigen“ beeilte sich Lisa zu sagen. „Grüß bitte alle ganz herzlich von mir und wünsche ihnen einen guten Rutsch! Und Dich drück ich ganz feste!“

„Ok, Botschaft angekommen, falsches Thema.“ Lisa konnte förmlich hören, wie er von einem zum anderen Ohr grinste.

„Aber wenn Du wieder da bist will ich die ganze Wahrheit hören, bis zum bitteren Ende! Ich drück Dich auch ganz feste Lieselotte und rutsch gut, aber brech’ Du Dir bitte nicht auch noch das Bein!“

 

Lisa sank erschöpft aufs Bett und zog sich die Decke über den Kopf. ‚Was mach ich jetzt bloß?’ grübelte sie. ‚Was zu essen könnte ich mir ja aufs Zimmer bringen lassen, aber ganz alleine Silvester verbringen, nur weil ich mit dem blöden von Brahmberg gestraft bin?’.

Entschlossen zog Lisa die Decke weg und stand auf.

‚Ich werde ihm beweisen, dass man eine Lisa Plenske nicht so einfach klein kriegt. Ich werde runter gehen, mit ihm essen, mit allen anderen Männern tanzen und ihm um Mitternacht ein ganz schreckliches neues Jahr wünschen!’ Lisa musste kichern, als sie sich sein Gesicht vorstellte, wenn sie ihm mit einem zuckersüßen Lächeln die Pest an den Hals wünschen würde.

 

Etwas beschwingter von diesem Plan ging sie ins Badezimmer um sich noch eine Wanne heißes Wasser einzulassen, denn seit sie wieder oben war hatte sie immer noch die vom Schnee nassen Klamotten an. Als sie ihre nasse Jeans auszog musste sie noch mal über die Szene am Nachmittag nachdenken.

 

‚Fast hätte er mich geküsst, oder?’ Lisa war sich nicht sicher, ob sie sich das nur gewünscht hätte oder er es wirklich vorhatte.

‚Und wenn ja, hätte ich ihn dann zurückgeküsst?’ Lisa stieg in die Badewanne und legte sich entspannt zurück. Dann schloss sie die Augen und versuchte in Gedanken weiterzuspinnen, was passiert wäre, wenn Richard nicht plötzlich aufgesprungen wäre. Da Lisa aber nicht so wirklich viel Erfahrung mit rumknutschen hatte fiel es ihr schwer, sich vorzustellen, wie Richard und sie sich leidenschaftlich küssten.

‚Wozu denkst Du da überhaupt drüber nach?’ fragte sie sich ärgerlich. ‚So einen fiesen Mistkerl will ja eigentlich sowieso keiner küssen!’

Dann dämmerte sie langsam weg und schlummerte ein bisschen im wohlig warmen Badewasser.

 

Als Lisa wieder aufwachte war das Wasser kalt und die Uhr zeigte schon halb acht. Ihr war bewusst, dass sie damit nicht mehr pünktlich unten sein konnte, aber was sollte es, wenn er ernsthaft mit ihr essen wollte dann würde Richard auch warten. Also machte sie sich gemütlich dran sich mit Bodylotion einzucremen, ihre Haare zu fönen und hochzustecken und legte ein bisschen Make-up auf. Danach stand sie zögernd wieder vor der Unterwäsche. Einen frischen Slip dazu hatte sie noch… ach was, jetzt war es auch schon egal. Also zog Lisa wieder die Spitzen-BH-, Höschen-, Strumpfgürtel - Kombination an. Zum Glück hatten Hannah und Yvonne ihr einen zweiten Slip und eine zweite Packung Strümpfe dazu geschenkt.

‚Warum hast Du das alles eigentlich dabei?’ fragte sie sich selber, aber sie hatte so hektisch gepackt, dass sie alles nur in den Koffer rein geworfen hatte und da hatte sie eben den gesamten Packen auch gleich mitgenommen.

Als Lisa das Kleid anzog fiel ihr wieder ein, dass sie es ja nicht selber schließen konnte. Sie rief an der Rezeption an, schließlich war das hier ein Luxushotel, da konnte man sicher auch mal mit ausgefallenen Wünschen kommen. Keine fünf Minuten später stand ein junges Mädchen vor der Tür und half ihr, den Reißverschluss zu schließen. Bewundernd schaute sie Lisa an.

„Das Kleid ist wunderschön. Sie werden die Ballkönigin sein“ grinste sie Lisa an.

„Oh, danke“ sagte Lisa verlegen, „aber das glaube ich kaum!“

 

 

 


Kapitel 8

 

 

Als Lisa um kurz vor neun den Speisesaal betrat kam sofort ein Kellner auf sie zu und begleitete sie zu Richards Tisch. Während Lisa durch den Raum ging drehten sich einige neugierige Köpfe nach ihr um und auch Lisa drehte sich um, um zu sehen, wer da wohl hinter ihr war und warum die Leute so schauten. Aber da war keiner wie sie irritiert feststellte.

 

Richard stand sofort auf, als er sie auf sich zukommen sah. Er hatte einen schwarzen Smoking an und trug dazu eine seidene Fliege und Lackschuhe. Er sah umwerfend gut aus, das musste sogar Lisa zugeben.

„Wunderschön“ murmelte Richard und nahm Lisas Hand um sie galant um den Tisch herum zu ihrem Stuhl zu führen. Er hatte Lisa so platziert, dass sie den ganzen Raum überblicken konnte, während er sie leicht seitlich vor den Blicken anderer abschirmte.

Sofort stand ein Kellner neben ihnen und fragte, was er zu trinken bringen durfte.

„Zunächst bitte einen leichten Aperitif, zum Essen nehmen wir dann erstmal Wasser!“ Richard beobachtete bei dieser Bestellung Lisa und um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch, aber Lisa gab keinen weiteren Kommentar dazu ab.

 

„Haben Sie immer zufällig einen Smoking im Gepäck?“ versuchte Lisa während der Vorspeise das bisher angespannte Schweigen zu brechen.

„Ich bin gerne vorbereitet, ja“ antwortete Richard ebenfalls ohne von seinem Teller aufzusehen.

„Dann wussten Sie also dass wir eingeschneit sein werden?“ Lisa schaute ihn wütend an.

„Moment, so hab ich das nicht gemeint, ich sagte nur, dass ich gerne vorbereitet bin. Also hängt der Smoking hier immer im Schrank“ klärte Richard Lisa auf.

„Aha“. Mehr fiel Lisa dann auch nicht mehr dazu ein, außer dass er für das Outfit eigentlich einen Waffenschein brauchte, was man auch an den Blicken der Damen von den umliegenden Tischen erkennen konnte.

‚Wenn ihr wüsstet’ dachte sich Lisa. ‚Außen toll, innen Proll!’

 

Während der Hauptgang abserviert und die Nachspeise gebracht wurde fiel Lisa etwas ein.

„Warum war meine, von Ihnen kaputt gemachte Brille, eigentlich in einem Plastikbeutel?“ fragte sie ihn lauernd.

„Weil ich damit durch den Wald in die Stadt runter marschiert bin um sie reparieren zu lassen. Aber Sie haben sie ja dann wieder kaputt getreten“ sagte Richard leichthin.

Lisa wurde knallrot. Er hatte was? War stundenlang wegen ihrer Brille durch den Schnee gestapft?

„Bitte was?“ fragte sie irritiert zurück.

„Sie ist Ihnen gestern Abend als Sie… etwas müde waren, runter gefallen und ich Tollpatsch bin tatsächlich aus Versehen auf den Bügel getreten. Also hab ich die Brille eingesteckt, die brauchten Sie zum schlafen ja nicht, und bin damit zum Optiker um sie reparieren zu lassen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie Kontaktlinsen im Gepäck haben!“ Den ersten Teil hatte er völlig ruhig und eher zu seiner Nachspeise gesagt, aber nun schaute er ziemlich sauer zu Lisa rüber.

„Das ist, also, ich weiß jetzt nicht, danke…“ murmelte Lisa. „Obwohl das ja ohne Sie gar nicht erst passiert wäre“ schob sie trotzig nach.

Richard schaute Sie wütend an.

„Seien Sie doch froh dass ich Sie von dem scheußlichen Ding befreit habe. Eigentlich hätte ich dieses unaussprechliche Etwas schon gestern Abend aus dem Fenster werfen sollen“ knurrte Richard sie an.

„Das geht Sie ja wohl mal überhaupt nichts an“ fauchte Lisa zurück.

„Und ob mich das was angeht mein Herz“ sagte Richard betont ruhig und beobachtete Lisa dabei unter den leicht zusammengekniffenen Brauen hervor.

„Und hören Sie gefälligst auf mich so zu nennen. Wer hat Ihnen das überhaupt erlaubt?“ brauste Lisa auf, die so langsam wieder in Fahrt kam.

„Keiner. Aber mir gefällt es!“ Richard sah sie provokant an. „Mein Herz“.

„Ich will aber nicht mit irgendwelchen Innereien betitelt werden, das können Sie sich merken!“

„Innereien?“ Richard musste nun doch lachen. „Das ist wirklich mal eine neue Variante, zugegeben.“

„Wenn Sie weiter so lachen werde ich mir auch einen netten Namen für Sie ausdenken. Wie wäre es mit: mein übles, ätzendes Magengeschwür?“ Lisa funkelte ihn an. „Das würde hervorragend zu Ihnen passen.“

Nun lachte Richard aus vollem Hals, das war zu gut. Lisa beobachtete ihn wütend.

„Mistkerl!“

„Biest!“

„Magengeschwür!“

„Herzchen!“

„Ach, lecken Sie mich doch…“ murmelte Lisa.

„Wenn Sie das gerne mögen… Jetzt gleich?“ Richard beobachtete amüsiert wie Lisas Gesichtsfarbe von rosa zu dunkelrot zu weiß wechselte.

Sie knallte ihm ihre Serviette an den Kopf und rannte aus dem Saal.

„Wenn sie nur aufhören würde mir Dinge an den Kopf zu werfen könnte ich mich glatt für den Rest meines Lebens mit ihr streiten“ murmelte Richard vor sich hin.

 

 

Lisa stürmte raus auf die Terrasse und genoss die Abkühlung. Sie war so wütend, dass sie am liebsten immer weiter in den Wald gelaufen wäre, so weit wie nur möglich weg von diesem unmöglichen Menschen.

Aber Sie trat nur an den Rand der Terrasse und stützte sich auf das Geländer, um erstmal tief Luft zu holen. Die mittlerweile etwas langsamer zu Boden fallenden Schneeflocken beruhigten Lisa etwas.

 

Richard ließ sie aber immerhin zehn Minuten schmoren, bevor sie merkte, dass er hinter sie trat.

„Kommen Sie bitte wieder mit mir rein?“ bat er sie vorsichtig.

„Wozu? Damit Sie mich weiter demütigen können?“ gab Lisa bissig zurück ohne sich umzudrehen.

„Sie demütigen mich, mein Herz, wenn Sie mich nicht wieder mit rein begleiten. Ich bin sowieso schon der Buhmann da drinnen, weil ich die schönste Frau des Abends mit meinem Benehmen aus dem Saal gejagt habe.“

„Ach?“ fragte Lisa und versuchte, das verstecke Kompliment zu ignorieren.

„Ja, ach. Sie hätten mal die vielen Blicke sehen sollen mit denen ich seit Ihrem Abgang erdolcht wurde. Jeder männliche Gast in diesem Saal zwischen 14 und 84 Jahren hält mich für den miesesten Kerl in  diesem Universum und Sie für das begehrenswerteste Geschöpf seit Marylin Monroe oder so.“

Lisa sagte einfach mal gar nichts. Das musste sie erst verdauen. Hatte er „das begehrenswerteste Geschöpf“ gesagt?

„Lisa, bitte. Außerdem holen Sie sich hier draußen noch den Tod.“

„Den Gefallen würde ich Ihnen nicht tun, machen Sie sich da mal keine Hoffnung“.

Richard lachte leise auf. Dann trat er einen Schritt neben Lisa hin und bot ihr seinen Arm. Gnädig hängte sich Lisa ein und ließ sich zurück in den Saal führen, wo in der Zwischenzeit die Band spielte und die ersten Paare tanzten.

 

 

Auf ihrem Tisch stand mittlerweile ein Champagnerkühler mit einer geöffneten Flasche und zwei Gläser. Wortlos schenkte Richard ihnen ein und hob dann sein Glas.

„Friede?“ bot er als Trinkspruch an.

„An mir soll’s nicht liegen“ murrte Lisa.

Dann hob sie aber auch ihr Glas, stieß mit ihm an und nahm einen vorsichtigen Schluck. Sie hatte ihre Lektion vom Vorabend gelernt und nahm sich fest vor, nur dieses eine Gläschen Champagner zu trinken weil es sonst sehr unhöflich gewesen wäre und das wollte sie sich auf keinen Fall nachsagen lassen.

 

Sie waren kaum ein paar Minuten am Tisch gesessen als auch schon der erste Herr vor Lisa stand und sie nervös fragte, ob sie tanzen wollte.

Erstaunt sah Lisa zu ihm auf, dann zu Richard, der gnädig mit dem Kopf nickte. Lisa blitzte ihn wütend an. Als ob sie um Erlaubnis gefragt hätte! Pah! Sie stand schnell auf und konnte im Augenwinkel gerade noch sehen, dass Richard sich nun ein Grinsen nicht mehr verkneifen konnte.

 

Lisa hatte schon immer gerne getanzt. Es war ihr gleich leicht gefallen, sich die Schritte zu merken und genau den Takt zu erkennen, da Musik ja viel mit Mathematik gemeinsam hatte und da war sie ja ein unbestrittenes Genie. Leider war ihr aktueller Tanzpartner mit dem Cha Cha Cha, den die Band gerade spielte leicht überfordert und verhedderte sich immer wieder in seinen eigenen Füßen. Ein bisschen Hilfe suchend schaute Lisa über seine Schulter zu Richard, aber der machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen sondern betrachtete die Szene genüsslich. Kaum war das Lied beendet stand schon der nächste Kavalier vor Lisa und fragte, ob er abklatschen dürfte. Er durfte, denn der Mut des jungen Mannes war aufgebraucht und er war doch froh, wieder von der Tanzfläche verschwinden zu können.

Aber auch der zweite Tänzer war nicht gerade eine Erleuchtung und so ließ sich Lisa erleichtert zurück zum Tisch bringen und wimmelte alle weiteren Anwärter mit einem charmanten „ich muss mich kurz ausruhen, danke“ ab.

 

Richard drehte sein Champagnerglas am Stiel und schaute gedankenverloren dabei zu, wie die Luftperlen aufstiegen.

„Schmeckt Ihnen der Champagner nicht?“ fragte Lisa um ihn in ein Gespräch zu verwickeln und damit mögliche weitere Tanzpartner abzublocken.

„Doch, ganz hervorragend“ kam die Antwort. „Und Ihnen? Sie trinken ihr Glas ja heute gar nicht auf Ex!“ Ein zynisches Grinsen begleitete Richards Worte.

„Warum sind Sie eigentlich immer so gehässig zu mir?“ Lisa platzte der Kragen. „Hab ich Ihnen was getan, oder kennen wir uns aus einem früheren Leben und ich hab Sie, sicherlich nicht unberechtigt, an den Galgen gebracht, oder was?“

Richard schaute ihr tief in die Augen und Lisa sah, dass sich die Farbe seiner Augen verdunkelte. Seinem Gesicht war nicht anzumerken, was er gerade dachte.

„Nein, Sie haben mir nichts getan“ sagte er dann leise ohne seinen Blick von Lisas Augen abzuwenden.

„Warum haben Sie mich geküsst?“ Lisa musste diese Frage, die seit Monaten in ihr brannte endlich loswerden.

Richard schaute sie weiter mit seinem unergründlichen Blick an.

„Ich lasse nie Jungfrauen ungeküsst vor der Haustüre zurück“.

 

Noch in derselben Sekunde merkte er, dass das ein unbeabsichtigter Treffer war. Lisa zuckte zusammen, wurde rot und sprang auf. Aber Richard reagiert blitzschnell, legte seinen rechten Arm wie einen Schraubstock um Lisas Taille und schob sie auf die Tanzfläche. Lisa versuchte zwar noch sich aus seinem Griff zu winden, aber sie hatte keine Chance.

Gerade wurde ein Quick-Step gespielt… ein schneller, anspruchsvoller Tanz, und Lisa registrierte nach einer Weile erstaunt, dass sie und Richard perfekt harmonierten. Er hielt sie immer noch fest an seine Hüfte gedrückt und führte sie sicher über’s Parkett. Die anderen Tänzer machten unwillkürlich ein bisschen Platz und die Zaungäste bestaunten das wunderschöne Paar. Die beiden alten Damen, die Richard und Lisa den ganzen Abend schon nicht aus den Augen gelassen hatten nickten mal wieder beifällig und freuten sich, dass der vorher zu beobachtende Streit anscheinend beigelegt war und das junge Glück nun wieder voll Liebe zueinander tanzte.

Lisa beruhigte sich langsam wieder, aber sie war immer noch wütend. Deshalb vermied sie, Richard in die Augen zu schauen.

Der mahlte mit dem Kiefer und war auf sich selber stink wütend. Er hatte diese Bemerkung einfach so gemacht, es sollte ein Spaß sein. Wer konnte auch, nach der Unterwäsche zu urteilen, mit so was rechnen? Aber er musste sich eingestehen, dass er mit ein bisschen mehr Einfühlungsvermögen selber hätte drauf kommen können.

 

‚Du Idiot’ schimpfte er mit sich selber. ‚Entschuldige mein Herz, ich wollte Dir nicht schon wieder wehtun. Ich bin ein blöder Egoist und Du darfst mich zu Recht verachten!’ Aber das dachte er sich nur, während er weiter schweigend mit Lisa seine Runden drehte.

Mittlerweile wurden ein paar langsamere Stücke gespielt und Lisa entspannte sich noch ein bisschen mehr.

‚Er hat doch Recht, also was soll’s?’ dachte sich Lisa. ‚Und tanzen kann er, da kann man nicht meckern. Herrlich!’

Verträumt ließ sie sich von Richard führen und dachte dann einfach gar nichts mehr, sondern genoss nur das sichere Gefühl in seinen Armen zu liegen.

 

„Tun Sie das bitte nicht“ hörte sie Richard flüstern.

„Bitte was?“ fragte Lisa völlig perplex. Was war denn jetzt wieder falsch?

„Hören Sie auf auf meinen Mund zu starren… bitte!“ nun wurde sein Ton schon eindringlicher.

Lisa schaute erschrocken hoch in seine Augen und sah, dass diese sie anfunkelten. Aber das war nicht das wütende oder gemeine Funkeln, das sie schon kannte, nein, das sah anders aus.

Ihre Blicke hielten sich gegenseitig gefangen, als sie weiter langsam ihre Runden drehten.

 

Auf einmal spielte die Band einen Tusch und ringsum blieben alle Paare stehen. Auch Lisa und Richard blieben stehen, ohne allerdings ihre Haltung zu verändern. Nur seinen linken Arm, der fest Lisas Rechte hielt, zog Richard zu seiner Schulter und unbewusst fing er an, mit dem Daumen ihre Fingerknöchel zu streicheln.

„Zehn, neun, acht, sieben,…“ die Leute zählten den Countdown bis Mitternacht runter, begleitet von der Musik. „… vier, drei, zwei…!“

Der Rest ging im allgemeinen Geschrei unter.

 

„Happy New Year“ flüsterte Richard und küsste Lisa leicht auf den Scheitel.

Lisa musste erstmal schlucken dann flüsterte sie auch:

„Ein glückliches neues Jahr“ und stellte sich leicht auf die Zehenspitzen, um ihm ein Küsschen auf die Wange zu hauchen.

Ihren Plan, ihm ein schlechtes Jahr zu wünschen hatte sie völlig vergessen. Irgendetwas war in dieser letzten halben Stunde passiert, was Lisa noch nicht einordnen konnte.

Richard räusperte sich.

„Möchten Sie das Feuerwerk im Garten sehen?“ fragte er immer noch ganz leise.

„Ja, gerne.“ Lisa nickte und ließ sich von Richard, der immer noch seinen Arm um ihre Taille liegen hatte und auch ihre Hand nicht losgelassen hatte, nach draußen führen.

 

 

 

 

Kapitel 9

 

 

Richard führte Lisa ganz nach vorne, an die Balustrade der Terrasse, an der Lisa heute Abend schon einmal gestanden hatte. Er stellte sich dicht hinter sie, zog sie an seine Brust, knöpfte sein Jackett auf und legte es dann mitsamt seinen Armen so um sie, dass wenigstens ihre Schultern bedeckt waren und er sie mit seinem Körper wärmen konnte.

Lisa wurde es heiß und kalt und wieder heiß. Sie stand einfach nur da und starrte ins Feuerwerk und versuchte, nicht an die doch sehr ähnliche Szene aus Ihrem Traum zu denken. Sie, angeschmiegt an Richards Brustkorb. Wo führte das hier gerade hin?

Testweise, und auch, weil sie zugegebener Maßen leicht weiche Knie hatte, lehnte sie sich nach ein paar Minuten noch ein bisschen mehr nach hinten. Richard reagierte sofort und zog sie enger an sich, versuchte, sie noch mehr zu wärmen. Lisa spürte am Rücken, wie sein Herz raste.

„Ist Dir kalt?“ fragte Richard nach einer Weile flüsternd nach. Sein Atem streifte ihr Ohr und schickte Hitzewellen durch Lisa hindurch.

„Nein, ganz und gar nicht“ flüsterte sie zurück.

Dann drehte sich Lisa in seinen Armen vorsichtig um und ließ ihre Hände um seine Taille unter das Jackett gleiten. Sie sah zu ihm auf und ihre Lippen waren wieder nur wenige Millimeter voneinander entfernt.

Vorsichtig gab Lisa ihm einen sanften Kuss und schaute ihm dabei fragend in die Augen.

Keine Reaktion, nur sein Herzschlag schien sich zu beschleunigen, sofern das möglich war.

Aber er war auch nicht abgehauen oder zurückgezuckt. Lisa wurde mutiger.

Sie küsste ihn ein bisschen fester, nahm seine Unterlippe zwischen ihre Zähne und zupfte leicht daran. Dann küsste sie ihn noch mal direkt auf den Mund und schaute zaghaft nach oben.

Keine Reaktion. Er schaute sie nur aus dunklen Augen an.

Lisa schluckte und trat dann einen Schritt zurück. Das war ja dann wohl ein Missverständnis.

 

„Entschuldigung“ murmelte sie, „ich wollte nicht aufdringlich sein.“

„Nein, bitte mein Herz, entschuldige Dich nicht dafür. Du küsst wundervoll!“ Richard versuchte sie wieder näher ran zu ziehen, aber Lisa legte ihre Handflächen auf seinen Brustkorb und sah ihn fragend an.

„Warum… äh... warum, also, hast Du nicht mitgemacht?“ flüsterte sie.

„Weil ich dann nicht mehr für mich garantieren könnte“.

Lisa schaute ihn aus großen Augen an. Irgendwie kapierte sie hier was nicht.

„Ach so. Dann, dann wollen wir wieder reingehen?“ fragte sie verlegen.

„Ich brauch noch einen Moment“ erwiderte Richard und sah sie mit einem Blick an, der ihr Schauer den Rücken rauf und runter jagte.

Dann nahm er ihre Hand und legte sie mit einem gezielten Griff in die Mitte seiner Hose.

„Oh!“ Lisa machte große Augen als sie die unmittelbare Wirkung ihrer Küsse auf ihn spürte.

„Damit kann ich nicht laufen“ flüsterte Richard heiser. „Gib mir eine Minute Abkühlung!“

Lisa war sich sicher, dass ihr Gesicht wie ein Glühwürmchen in der Nacht leuchtete. Hastig machte sie einen Schritt zurück.

„Selbstverständlich, klar, Abkühlung.“

Sie drehte ihm wieder den Rücken zu und betrachtete sich die letzten Funkenfontänen, die im Garten abbrannten. Erst jetzt bemerkte Lisa wieder die vielen Leute ringsum und das Rufen und Feiern und „Prosit Neujahr!“ Gejohle.

Hinter sich hörte sie Richard mehrmals tief durchatmen.

 

„Darf ich um einen Tanz zur Begrüßung des neuen Jahres bitten?“ fragte er nach einer Weile mit einer Stimme, die er nun anscheinend wieder besser unter Kontrolle hatte.

„Gerne“ Lisa deutete übermütig einen Knicks an und ließ sich an seinem Arm zurück in den Saal führen, das zweite Mal an diesem Abend.

Wieder bildeten Richard und Lisa ein perfektes, harmonisches Paar auf der Tanzfläche, das bewundernde Blicke von allen Seiten auf sich zog. Vor allem die Leute, die mehr dem Alkohol zugesprochen hatten als die beiden an dem Abend, gingen lieber aus dem Weg, da sie sonst schlicht von Richard weggefegt worden wären.

Nur wer genau hinschaute sah, dass der Tanz nun eine ganz andere Qualität hatte. Richards Hand lag nun tiefer, auf Lisas Poansatz und seine Finger spielten an der Stelle leicht mit dem Stoff und dem darunter.

‚Aha, der Strumpfhalter!’ registrierte Richard erfreut.

Lisa drückte sich nun freiwillig an seine Hüfte und ihre linke Hand wanderte von seiner Schulter immer näher an seinen Haaransatz.

Die beiden versanken in den Augen des jeweils anderen und strahlten eine solche Erotik aus, dass mancher Zuschauer im Saal feuchte Hände bekam.

 

Als das Lied zu Ende war nahm Richard Lisas Hand und ging mit ihr raus aus dem Saal in Richtung Aufzüge.

„Müde?“ fragte er mit einem frechen Grinsen.

„Überhaupt nicht“ strahlte ihn Lisa an.

Dann standen sie Hand in Hand im Aufzug und Richard sagte trocken:

„Zu Dir oder zu mir?“

Lisa kicherte, es war irgendwie alles so wie in einem Film.

„Du kennst Dich doch in meinem Zimmer schon bestens aus…“.

„Stimmt auch wieder. Also zu Dir!“

 

Als sie vor der Türe zu Lisas Zimmer standen sahen sie sich beide erwartungsvoll an.

„Na, los, mach schon auf, Du hast doch eh eine Karte“ konnte sich Lisa eine bissige Bemerkung nicht verkneifen.

Richard griff unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.

„Mein Herz, die gebrauche ich nur, wenn Du mich nicht freiwillig in Dein Zimmer lässt oder nicht in der Lage dazu bist!“ Seine Augen blitzten.

Lisa funkelte ihn wütend an. Musste er ausgerechnet jetzt eine blöde Bemerkung zum gestrigen Abend machen?

„Mistkerl!“ Lisa drehte sich um und entriegelte die Tür mit ihrer eigenen Karte.

„Ist Mistkerl eigentlich die Koseform von ‚übles, ätzendes Magengeschwür’ oder umgekehrt?“ erkundigte er sich mit hochgezogenen Brauen unschuldig.

Da Lisa gerade nichts anderes in der Hand hatte warf sie ihm die Zimmer-Karte an den Kopf, was Richard zu einem weiteren Lachanfall brachte.

„Blödmann“ knurrte sie, musste dann aber doch lachen.

 

 


Kapitel 10

 

 

Richard schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. So blieb er stehen und betrachtete Lisa stumm.

„Was ist?“ fragte sie unsicher.

„Vielleicht sollten wir beide erstmal ein paar Regeln aufstellen für heute Nacht“ meinte Richard leise, „aber zuerst will ich wissen, ob Du Dich in der Situation hier wohl fühlst?“ Er schaute Lisa tief in die Augen.

„Was meinst Du? Klar fühl ich mich wohl“ Lisa zuckte mit den Schultern.

„Es macht Dich also nicht nervös zu wissen, dass ich Dir gleich dieses entzückende Kleid vom Leib reißen werde, Dich aufs Bett schmeiße, mich auf Dich drauf werfe, in Dich eindringe und wilden Sex mit Dir habe?“ Richard schaute sie lauernd an.

„Oh!“ Lisa machte einen kleinen Schritt rückwärts.

‚Das klingt jetzt allerdings ein bisschen unromantisch’ dachte sie und musste schlucken.

„Eben, oh!“ Richard löste sich von der Tür und kam auf sie zu. „Deshalb ein paar Regeln“.

Er nahm Lisa in den Arm und hob mit seiner freien Hand ihr Kinn.

„Ich werde heute Nacht nichts tun, was Du nicht auch möchtest mein Herz. Und ich werde auch nicht mit Dir schlafen“.

„Nein?“

„Nein!“

Lisa räusperte sich.

„Und was werden wir dann so tun? Karten spielen?“ sie fühlte sich gar nicht so mutig wie ihre Worte klangen.

Richard lächelte sie an und seine Augen verdunkelten sich wieder.

„Nein, das ganz bestimmt nicht. Ich bin sicher, da fällt uns auch sonst noch das eine oder andere ein“.

Er senkte seine Lippen auf Lisas Mund und gab ihr einen zarten Kuss. Dann fing er an, viele kleine Küsse auf ihrem Gesicht zu verteilen. Seine rechte Hand lag dabei in ihrem Nacken und seine Finger massierten leicht Lisas Haaransatz. Die andere Hand legte er auf Lisas Hüftknochen und schob sie damit sanft rückwärts Richtung Bett.

Als Lisa mit den Beinen an der Bettkante anstieß hörte Richard kurz auf sie zu küssen. Lisa schaute ihn mit großen Augen an, sie wollte nicht, dass er aufhörte. Ohne den Blickkontakt mit ihr abzubrechen beugte sich Richard leicht nach vorne und legte seine linke Hand unter ihre Kniekehlen. Er hob Lisa auf seine Arme, küsste sie wieder, diesmal länger und fester, drehte sich einmal mit ihr im Kreis und legte sie dann vorsichtig auf dem Bett ab.

Lisa konnte es nicht fassen, was gerade mit ihr passierte. Sie dachte im gleichen Moment, als es ihr eiskalt wurde sie müsste verglühen, ihr war schwindelig und gleichzeitig nahm sie alles um sie herum so klar wahr wie noch nie in ihrem Leben.

Richard entledigte sich ungeduldig seiner Smokingjacke und legte sich auf einen Ellenbogen gestützt neben Lisa aufs Bett.

Ganz vorsichtig strich er mit dem Handrücken die Konturen ihres Gesichts nach und ließ seine Finger dann unter ihrem Kinn liegen um mit dem Daumen sanft über ihre Lippen zu reiben. Dabei schaute er Lisa die ganze Zeit tief in die Augen.

Lisa öffnete vorsichtig den Mund und berührte mit der Spitze ihrer Zunge seinen Daumen. Sie merkte wie Richard scharf die Luft einzog und dadurch ermutigt, begann sie, mit den Zähnen an seinem Daumen zu knabbern und die Lippen darum zu schließen. Vorsichtig sog sie leicht daran während sie beobachtete, wie sich Richards Augen weiter verdunkelten und er begann schwer zu atmen.

Er zog seinen Daumen wieder weg, strich über ihr Kinn und lächelte sie an. Dann hob er seine Fingerspitzen zu seinen eigenen Lippen, drückte einen Kuss drauf und legte sie Lisa auf den Mund.

„Die Regeln“ erinnerte er sie.

„Ach ja, genau, da war doch noch was“ murmelte Lisa enttäuscht. Sie wollte nicht aufhören.

„Meinst Du wir könnten die Regel aufstellen, dass Du mir heute Nacht mal nichts an den Kopf wirfst?“. Richard grinste sie schief an.

„Kann ich nicht versprechen“ kicherte Lisa. „Kommt drauf an, ob Du Dich benehmen kannst!“

„Ich? So, so. Für solche Frechheiten sollte ich Dir eigentlich Deinen süßen kleinen Hintern versohlen.“

„Oh nein, wenn ich nicht werfen darf, darfst Du auch nicht versohlen“ neckte Lisa ihn.

„Was gibt’s noch für Regeln?“ fragte sie ihn dann neugierig.

„Alle Fragen sind erlaubt, die Wahrheit antworten ist Pflicht“ Richards Augen blitzten sie an.

„Mhm“ machte Lisa. „Kann ich auch nicht versprechen!“

„Du tust was ich sage“ brummte Richard.

„Niemals!“ Lisa setzte sich empört im Bett auf und funkelte ihn wütend an. „Das könnte Dir so passen“. Mit der flachen Hand stieß sie gegen seine Schulter, und Richard fiel theatralisch auf den Rücken.

„Küss mich mein Herz!“ Richard hatte die Augen geschlossen.

Lisa konnte nicht widerstehen und beugte sich über ihn um ihre Lippen mit seinen zu verschmelzen. Richard öffnete seinen Mund und wartete darauf, dass Lisa mit ihrer Zunge anfing, an seinen Lippen zu spielen und sich dann vorsichtig weiter vortastete. Er zog Lisa weiter in seine Arme und presste sie gegen seinen Brustkorb während der Kuss immer intensiver wurde.

Als Lisa der Atem ausging schlug Richard die Augen auf.

„Du machst ja doch was ich sage, braves Mädchen.“

Lisa wollte aus seinen Armen wegrücken, aber er verstärkte noch mal seinen Griff und hielt sie fest an sich gedrückt.

„Mistkerl, Du hast mich überlistet!“ fauchte Lisa ihn böse an, aber ihre Augen sprachen eine andere Sprache.

„Jetzt musst Du mir zur Strafe eine Frage beantworten. Aber ehrlich!“

Richard sah sie zärtlich an, aber um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig.

„Was willst Du wissen mein Herz?“

„Woher konntest Du ahnen, dass mir das Kleid passen würde?“

„Ich hab’s für Dich von Hugo anfertigen lassen“ Richard zuckte leicht mit den Schultern. „Wäre schlimm gewesen, es hätte nicht gepasst!“

„Warum?“ flüsterte Lisa ungläubig.

„Als ich den Stoff zum ersten Mal sah wusste ich sofort, dass nur Du ihn tragen kannst. Seine Farbe verändert sich wie bei Deinen Augen.“

Lisa starrte ihn fasziniert an. Aber sie konnte nicht weiterfragen, Richard hatte sie wieder an sich gezogen und ihren Mund mit einem Kuss verschlossen. Er ließ seine Zunge von einem Mundwinkel zum anderen wandern, fuhr damit langsam die Konturen von Lisas Lippen nach und spielte dann unvermittelt mit Lisas Zunge, bis beide erstmal wieder Luft holen mussten.

 

Richard spielte mit Lisas Haaren und blickte sie nachdenklich an.

„Jetzt darf aber ich was fragen!“

„Und was?“ nun bekam Lisa doch ein mulmiges Gefühl, sicherlich kam von Richard keine harmlose Frage.

„Wie kommt’s dass Du so super sexy Unterwäsche trägst? Für wen war die bestimmt?“

„Eifersüchtig?“ neckte Lisa ihn.

„Nenn mir seinen Namen und ich töte ihn…“ brummte Richard.

Lisa fand ihn in dem Moment so süß, dass sie nicht anders konnte als ihn zu küssen. Immer forscher tastete sie sich mit ihrer Zunge voran, genoss seinen Geschmack nach Champagner, spielte mit seiner Unterlippe, biss sanft hinein und saugte daran. Richard stöhnte und atmete immer schwerer, was Lisa noch mehr anmachte. Sie fing an seine Hemdknöpfe zu öffnen und kratzte leicht mit den Fingernägeln von den Achselhöhlen bis zum Gürtel über seine nackte Haut.

Mit einem aufstöhnen griff Richard nach Lisas Händen, dann drehte er sich blitzschnell um und legte sich auf sie. Ihre Hände hielt er über ihrem Kopf zusammen.

„Du versuchst Dich um die Antwort zu drücken mein Herz“ murmelte er dicht vor ihrem Mund und schaute ihr liebevoll in die Augen.

„Das Wäscheset war ein Weihnachtsgeschenk“ neckte sie ihn weiter.

Jetzt blitzten seine Augen wütend auf.

„Kenn ich ihn?“ fragte er giftig.

„Sie, kenne ich sie, muss es richtig heißen.“ Lisa konnte nicht verhindern, dass sie über seinen Gesichtsausdruck lachen musste.

„Es ist ein Mädelsgeschenk, meine Freundinnen meinten, ich brauche ein neues Styling.“

Richard zog ungläubig die Augenbrauen hoch.

„Und da fangt ihr Mädels bei der Unterwäsche an? Da muss ich einiges im nach hinein noch mal neu überdenken“ murmelte er fassungslos.

Dann fing er an, in Lisas Nacken mit dem Reißverschluss des Kleides zu spielen und legte sich dann neben Lisa, um ihn aufziehen zu können.

„Warum kommt mir die Szene so bekannt vor“ neckte er sie.

Lisa wurde natürlich prompt rot und versuchte, nach ihm zu hauen, aber in weiser Voraussicht hatte er ihre Hände weiter fest im Griff.

Langsam befreite er Lisa aus dem Kleid und diesmal streichelte oder küsste er jeden Zentimeter nackte Haut, den er freilegte. Lisa meinte das nicht mehr lange aushalten zu können. Entweder sie würde einen Kreislaufzusammenbruch erleiden, weil ihr Puls so unnatürlich raste oder sie würde sich in seinen Armen vor Hitze pulverisieren.

 

Richard warf das Kleid achtlos auf den Boden und wendete sich wieder Lisa zu. Er schaute ihr tief in die Augen, legte seine Hand an ihre Wange und sie schmiegte ihr Gesicht vertrauensvoll daran. Lange sahen sie sich nur an. Dann richtete Lisa sich auf und begann, ihm das Hemd, das sie zuvor schon aufgeknöpft hatte, langsam von den Schultern zu streichen. Sie beobachtete Richard genau, als sie anfing, mit ihren Fingern ganz vorsichtig über seine Brust zu tasten und langsam über seinen Bauch weiter nach unten wanderte um ihn dann am Bund seiner Hose entlang mit ihren Fingernägeln zu reizen.

Lisa sah, dass sich Richards Augen wieder verdunkelten und er sie leicht zusammenkniff. Sein Atem ging deutlich unkontrollierter und Lisa war fasziniert von der Macht, die sie mit ihren Berührungen über ihn ausübte.

Richard hatte die Augen geschlossen und lag nun reglos auf dem Rücken, nur sein Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig. Lisa begann zarte Küsse auf seinem nackten Bauch zu verteilen, ließ dann ihre Zunge an der empfindlichen Haut an seiner Seite auf und ab wandern. Anhand der Geräusche, die Richard von sich gab war sie sich sicher, dass sie hier alles richtig machte. Vorsichtig fuhr sie mit der Zungenspitze über eine seiner Brustwarzen und pustete sie dann leicht an.

Richard nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie so aufzuhören. Dann zog er ihr Gesicht zu sich ran und küsste Lisa so intensiv, dass sie meinte ihr Herz würde gleich zerspringen. Sie konnte nur noch fühlen und genießen und bekam gar nicht mit, wie Richard sich drehte und Lisa auf den Rücken legte während er neben ihr lag und anfing, mit der rechten Hand ihren Bauch zu streicheln. Langsam wanderte seine Hand in ihren BH, massierte ihre Brust und spielte mit der harten Brustwarze. Dann nahm er sie wieder raus, strich über ihren Bauch und betrachtete Lisas verzücktes Gesicht. Seinen linken Arm hatte er unter ihrem Nacken durchgeschoben und nun drehte er Lisa leicht auf die Seite, so dass er ihren Rücken an seinen Bauch pressen konnte. Während er mit seinen Fingern in ihrem Höschen verschwand hielt er sie so in seinen Armen, bis Lisa ein Zucken durchfuhr, sie die Augen aufriss und sich aufbäumte. Richard wiegte sie sanft in seinen Armen bis sich ihr Pulsschlag wieder beruhigt hatte, dann küsste er sie auf beide Augen und flüsterte:

„Träum was Süßes mein Herz!“

Er zog die Decke über sie beide und innerhalb von Sekunden war Lisa eingeschlafen.

 

 

 


Kapitel 11

 

 

Als Lisa die Augen aufschlug war es schon hell im Zimmer. Sie schaute kurz irritiert auf das zerknitterte Hemd, die Herrenschuhe und ihr Kleid, die vor dem Bett verstreut auf dem Fußboden lagen.

‚Richard!’

Sie war in seinen Armen eingeschlafen, kurz nachdem er… Lisa wurde heiß und sie bekam Sehnsucht nach ihm, wollte ihn sofort wieder in die Arme nehmen, seinen Duft riechen, den zarten Flaum Härchen, der unterhalb seines Bauchnabels anfing, mit den Fingern nachzeichnen und ihn küssen, küssen, küssen! Lisa fühlte sich einfach unbeschreiblich glücklich und entspannt.

Vorsichtig drehte sie sich im Bett um. Richard lag auf dem Rücken und schlief noch tief und fest. Von der Bettdecke hatte er anscheinend nicht viel abbekommen. Lisa musterte ihn genau. Sein Oberkörper war nackt, auch die Strümpfe musste er irgendwann ausgezogen haben, nur seine Smokinghose hatte er immer noch an.

 

Lisa erinnerte sich an seine Worte:

„Ich werde heute Nacht nichts tun, was Du nicht auch möchtest mein Herz. Und ich werde auch nicht mit Dir schlafen.“

 

Glücklich lächelnd betrachtete sie sein Gesicht, die leichten Bartstoppeln am Kinn, seine Lippen, die sie so sehr einluden sie zu küssen, die verstrubbelten Haare und vom Schlaf entspannten Gesichtszüge.

‚Vorletzte Nacht habe ich Dich noch so gehasst und jetzt?’ Lisa musste kichern. ‚Jetzt bin ich erstmal froh, dass ich mich an diese Nacht noch erinnern kann!’

„Happy New Year“ flüsterte sie vorsichtig, denn sie wollte Richard nicht wecken.

Dann stieg sie vorsichtig aus dem Bett, um mal kurz im Bad zu verschwinden.

„Wo willst Du hin mein Herz?“ brummte es vom Bett.

Erschrocken drehte sich Lisa um. Richard hatte sich nicht bewegt und sah immer noch genauso aus, als ob er tief und fest schlafen würde.

‚Das gibt’s doch nicht’ dachte sich Lisa, ‚genau wie im Flugzeug’.

„Nur kurz ins Bad…“ antwortete sie zögernd. Das war unheimlich wie er so ruhig da liegen konnte und dabei Töne von sich geben.

„Komm schnell wieder, ich vermisse Dich jetzt schon“.

 

Als Lisa zurück zum Bett kam lag Richard immer noch genauso da wie vorher. Sie war sich nicht sicher, ob er wieder eingeschlafen war, aber eigentlich wollte sie ihn lieber wach haben. Lisa konnte nicht widerstehen, bückte sich nach seinem Hemd und warf es aus sicherer Entfernung an seinen Kopf.

Ganz langsam hob Richard den Arm und zog das Hemd von seinem Gesicht. Der Blick, mit dem er Lisa bedachte hatte allerdings nichts mehr gemeinsam mit dem erotischen Funkeln, dass sie von letzter Nacht in Erinnerung hatte.

„Ich… äh, ich dachte die Regel galt nur heute Nacht!“ Vorsichtshalber machte Lisa einen weiteren Schritt weg vom Bett.

„Komm sofort hierher!“ Richard klang gar nicht mehr so sanft wie eben noch.

„Nö, lieber nicht, ich glaub ich geh mich anziehen und dann zum Frühstück!“ Lisa versuchte rückwärts wieder zum Bad zu kommen ohne Richard dabei aus den Augen zu lassen.

Aber natürlich hatte sie seine Schnelligkeit unterschätzt. Er war in Nullkommanix auf den Beinen und bei Ihr, fasste sie um ihre Taille und Arme und hob die so wehrlose Lisa vom Boden auf.

„Gewalt ist keine Lösung, das hab ich Dir schon mal gesagt“ schrie sie auf und versuchte mit den Füßen zu strampeln.

Richard sagte kein Wort sondern trug sie ins Bad, stellte sich gemeinsam mit ihr unter die Dusche und drehte das Wasser auf.

„Iiih, das ist nass und kalt“ schrie Lisa auf. „Und meine Unterwäsche hab ich auch noch an, Du Mistkerl!“

„Die wirst Du gleich eh nicht mehr brauchen“ hauchte ihr Richard ins Ohr und fing an ihr den BH auszuziehen. Lisa konnte sich nur noch kurz wundern, dass er in der Lage war den Verschluss am Rücken mit einer Hand und einer einzigen Bewegung zu öffnen, da konnte sie schon keinen weiteren klaren Gedanken mehr fassen. Richard zog sie an sich, küsste sie schwindelig, zog ihr ungeduldig Slip und Strumpfhalter mitsamt Strümpfen aus und fasste dann unter ihren Po um sie auf seine Hüften zu setzen.

Dann schaute er erwartungsvoll hoch zu Lisa, die ihn verwirrt anstarrte, weil er aufgehört hatte, sie zu küssen.

„Was?“ fragte sie unsicher.

„Sag es.“ Seine Augen verdunkelten sich schon wieder. „Die Nacht ist um, die Regeln gelten nicht mehr! Sag mir was Du willst!“

„Ich will dass Du mich aufs Bett schmeißt, dich auf mich drauf wirfst, in mich eindringst und wilden Sex mit mir hast“ flüsterte Lisa in sein Ohr, denn so etwas laut zu sagen ging ihr dann doch zu weit.

„Ah, Du hörst mir gut zu, das mag ich“ flüsterte Richard zurück und küsste ihren Hals, knabberte daran und sog die Haut ein.

Lisa schrie leise auf und klammerte sich an seinen Rücken.

Dann trat er mit Lisa auf den Hüften aus der Dusche und trug sie wieder zum Bett, wo er sie vorsichtig davor abstellte. Er hielt mit seinen Augen ihren Blick gefangen während er seine Hose öffnete und auszog.

Um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch, als er sie mit einem leichten Stupsen aufs Bett warf. Mit einem Satz warf er sich haarscharf neben Lisa, zog sie in seine Arme und legte sie sich auf den Bauch.

„Tu was immer Du tun willst mit mir, aber fang bitte sofort damit an!“ sagte er heiser.

Lisa küsste ihn, versuchte ihre Hände überall zu haben, ihre Zunge spielte mit seinen Brustwarzen, zog dann eine feuchte Spur runter zu seinen Lenden. Dann setzte sie sich wie in Trance auf ihn, Richard legte seine Hände auf ihre Hüften und Lisa fühlte, wie sie ihn ganz langsam in sich aufnahm. Ihr war klar, dass sie hier diejenige war, die bestimmte, wie tief und wie schnell Richard sich in ihr bewegen konnte. Dann merkte sie, dass er mit dem Daumen nach vorne gerutscht war und vorsichtig ihre Klitoris streichelte. Lisa sah im tief in die Augen und konnte sich nicht mehr zurückhalten. Mit einem kleinen spitzen Schrei erlebte sie einen noch heftigeren Orgasmus als in der Nacht zuvor.

Als sie nach einer Weile wieder in der Lage war Richard anzuschauen drohte sie in seinen Augen zu versinken. Er hatte seine Hände wieder auf ihren Hüften liegen und begann sie vorsichtig auf und ab zu heben. Lisa beschleunigte das Tempo als sie spürte, wie er immer tiefer in sie eindrang. Dann merkte sie, wie er seine Bauchmuskeln anspannte und mit einem Stöhnen ebenfalls zum Höhepunkt kam.

Nach ein paar Sekunden, in denen er die Augen geschlossen hielt, zog er Lisa zu seiner Brust und umarmte sie, dass es ihr fast die Luft nahm. Aber das war auch schon egal, sie glaubte eh sie wäre gestorben und nun im Himmel.

Ein paar Minuten lagen sie so mit geschlossenen Augen da und hingen jeder seinen eigenen Gedanken nach.

„Geht’s Dir gut?“ flüsterte Richard dann.

„Nein, ich bin gestorben und im Himmel. Aber war nett hier mit Dir…“.

Richard grinste breit. Genauso hatte er das geplant. Lisa sollte so entspannt und gierig nach ihm sein, dass sie gar keine Zeit hatte drüber nachzudenken, dass es ihr erstes Mal war. Er hatte den leichten Widerstand gespürt, aber Lisa hatte nicht mal gezuckt, irgendwie war sie wohl abgelenkt…

„Duhu…“ setzte Lisa an.

„Mhm?“

„Hätten wir nicht ein Kondom benutzen sollen? Was wenn was passiert ist?“

„Egal, ich werde Dich so oder so heiraten mein Herz!“

Lisa versuchte sich aufzusetzen, aber seine Arme waren mal wieder wie ein Schraubstock und hielten sie fest auf seinem Bauch.

„Und ich werde wohl nicht gefragt, oder was?“ Lisa versuchte trotzig zu klingen, aber das gelang ihr natürlich nicht ganz, dazu raste ihr Herz viel zu sehr.

„Du tust was ich sage, schon vergessen?“ Richard öffnete nun endlich die Augen und grinste sie frech an.

„Niemals!“

„Ist das ein ‚Ja’?“ Richards Augen blitzten.

„Vorher müssen wir noch ein paar Dinge klären!“ Lisa leckte mit ihrer Zunge über seine Lippen, bis er sie öffnete und ihr erlaubte, ihm einen schwindelerregenden Kuss zu geben.

„Warum warst Du so abweisend zu mir in den letzten Monaten? Du hättest mich viel früher haben können.“

„Ich wollte aber dass Du mich willst – ich hätte Dich sonst erschreckt, Du warst noch nicht soweit!“

„Oh!“

„Ja, ‚oh’!“ Richard schaute in Lisas Augen. „Schau nicht so, ich wollte, dass Du so selbstbewusst und schön bist wie jetzt und Dir nimmst was Dir zusteht!“

„Ach, und Du stehst mir zu?“ fragte Lisa amüsiert nach.

„Nein, mich hast Du verdient!“ Er versuchte ernst drein zu schauen aber um seine Mundwinkel zuckte es mal wieder verräterisch.

Lisa warf ihm das nächstliegende Kissen an den Kopf.

„Ist DAS ein ‚Ja’?“ murmelte er drunter hervor.

 

„Dein Smokingjackett klingelt“ informierte Lisa ihn vorsichtshalber, sie war nicht sicher, ob er es unter dem Kissen hören konnte.

 

Mürrisch brummend kam Richard unter dem Kissen hervor und beugte sich aus dem Bett um nach seiner Jacke zu angeln und ans Telefon zu gehen.

„Von Brahmberg“ knurrte er unwillig in den Hörer.

„Ja, Gutes neues Jahr“

„Mhm“

„Ging so. Leichte Anlaufschwierigkeiten“

„Stille Wasser sind tief… und schmutzig, wenn Du verstehst“

„Ja, mach ich, ich richte Grüße aus“ dabei sah er zu Lisa rüber, die ihn irritiert anstarrte.

„Ja, schönen Urlaub und viel Spaß noch beim Skifahren. Tschüss David!“

Langsam legte Richard das Telefon neben das Bett, ohne dabei allerdings Lisa aus den Augen zu lassen, die schon wieder die Farbe von rot zu weiß zurück nach rot wechselte.

„Wie jetzt, David? Und warum Skifahren? Der hat doch ein gebrochenes Bein!“ Lisa starrte ihn an, als es langsam bei ihr zu dämmern begann.

„Das ist nicht wahr, oder? David hat sich das Bein gar nicht gebrochen! Ich fass es nicht, Du Mistkerl! Ihr habt das so geplant!“

„Nur dass wir tauschen. Bitte, so war er wenigstens einmal im Leben zu was nutze.“ Richard wollte Lisa in seine Arme ziehen und küssen.

Die wehrte sich mit Händen und Füßen, krabbelte aus dem Bett und versuchte ins Bad zu kommen. Aber Richard hatte sie schnell eingefangen, warf sie aufs Bett zurück und erstickte ihre Proteste mit einem Kuss. Anfangs wehrte sich Lisa noch, aber nach einer Weile genoss sie einfach nur noch den Kuss, der schnell intensiver wurde und sie beide atemlos machte.

Als sie sich wieder voneinander trennten langte Lisa blitzschnell zu Richards Telefon und warf ihm das an den Kopf, allerdings ohne richtig zu treffen.

„War DAS jetzt ein ‚JA’?“ knurrte Richard.

Lisas Augen blitzten ihn an.

„Ja“ flüsterte sie, „das war ein Ja!“

 

 

ENDE

 
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