Richard und Sophie von Brahmberg Fanpage
  Via Hell
 

Kapitel 1

 

Richard saß in Acapulco und dachte über sein Leben nach. War es richtig gewesen einfach so abzuhauen? War es richtig gewesen seine Mutter vorzuschicken um einen Grund zu haben irgendwann in die Firma zurück zu kehren? Ausgerechnet seine Mutter, die doch immer quergeschossen hatte was seine Pläne anging.  Er verzog den Mund zu einer Grimasse und biss sich auf die Unterlippe. Ein undefinierbares Gefühl hatte sich in seiner Magengegend eingenistet. Inzwischen zweifelte er ob seine zweite Idee, Olaf Kern nach Berlin zu schicken und seiner Mutter auf die Finger zu schauen, wirklich eine gute gewesen war. Denn weder von ihr, noch von ihm hatte er in den letzten beiden Wochen etwas gehört. Je länger er darüber nachdachte, desto stärker wurde dieses Gefühl. Er versuchte es zu ignorieren, Richard von Brahmberg war kein Mensch der sich auf Gefühle verließ, nein er plante alles bis ins letzte Detail. Er stand auf und begab sich zurück auf sein Zimmer, wenn sich Berlin nicht bei ihm meldete würde er sich eben bei Berlin melden.

 

„von Brahmberg?“ hörte er die Stimme seiner Mutter.

 

„Wie nett das jemand abhebt,“ begrüßte er sie sarkastisch

 

„Was rufst du hier an? Bist du Lebensmüde?“ zischte sie

 

„Lebensmüde? Ich? Nein Mutter, ganz im Gegenteil.“ Säuselte er ins Telefon, „Aber wenn ihr euch nicht meldet dann muss ich es ja tun!“ knurrte er dann.

 

„Es ist im Moment halt ungünstig.“ Gab Sophie zurück und legte auf ohne sich von ihm zu verabschieden.

 

Wütend starrte er auf das Telefon in seiner Hand, wie konnte sie es wagen einfach aufzulegen? Und was noch schlimmer war, das Gefühl war nicht weg, es hatte sich während des Telefonates noch verstärkt.

 

„Verdammt,“ fluchte er warf das Telefon aufs Bett und begann seine Sachen in den Koffer zu werfen, „Irgendwas läuft da gerade schief.“

 

Er bemerkte nicht wie er beim auschecken beobachtet wurde, so schnell es ging machte er sich auf den Weg zum Flughafen, wenn er glück hatte dann würde er noch die Mittagsmaschine nach Berlin erwischen.

 

 

Dort wurde unterdessen schon alles für seine Ankunft vorbereitet, Olaf Kern streute schon die ganze Zeit geschickt falsche Fährten, so das neben den Seidels auch die Polizei annahm das Richard David entführt hatte. Er lachte auf, niemand würde je auf die Idee kommen wer es wirklich gewesen war, die Beweislast würde so groß sein, das sie es gar nicht in Betracht ziehen würden und David Seidel wäre schon sehr bald Geschichte und Kerima wieder in den Richtigen Händen.

 

 

Richard landete am nächsten Morgen wieder in Berlin, sein erster Weg führte ihn in seine Wohnung, wo er einfach nur den Koffer abstellte um sich dann auf den Weg zu Kerima und seiner Mutter zu machen.

Langsam öffneten sich die Fahrstuhltüren und er trat hinaus, erstaunt stellte er fest das alle Augen auf ihm klebten, er hatte damit gerechnet, aber das sie so schockiert schauten verwunderte ihn. Trotzdem ging er ohne ein Wort zu verlieren in das Büro seiner Mutter, bevor er die Türe schloss hörte er noch wie im Catering wohl etwas zu Boden fiel.

 

„Hallo Mutter.“ Sagte er kühl.

 

„Richard!“ drehte sie sich erschrocken zu ihm um, „Was machst du hier? Bist du verrückt geworden?“

 

„Ich wollte einfach schauen wie es dir so geht, oder ist das neuerdings verboten?“

 

„Sie werden dich verhaften lassen.“

 

„Wegen der Sache mit Sabrina? Das ist doch Schnee von Gestern.“

 

„Diese Empfangsmieze ist noch dein kleinstes Problem, wegen David.“

 

„David?“

 

„Jetzt tu nicht so  Richard du weißt genau was mit David ist.“ Fuhr sie ihn an.

 

Richard starrte seine Mutter nur ungläubig an, woher zum Teufel sollte er wissen was mit David war, wenn er gerade erst aus Acapulco zurückkam? Doch er hatte keine Zeit mehr ihr zu antworten, die Türe wurde aufgestoßen und eine Beamtin in Zivil kam, gefolgt von zweien in Uniform, herein.

 

„Richard von Brahmberg?“ fragte sie

 

„Ja?“

 

„Sie sind vorläufig festgenommen.“

 

„Jetzt sagen sie nicht sie suchen mich immer noch wegen dem bedauerlichen Unfall damals?“

 

„Der ist wirklich nur noch eine Formsache, aber ich denke sie wissen warum ich sie noch mitnehme.“ Wies sie ihre Kollegen an ihn in Handschellen zu legen.

 

Richard zog eine Augenbraue hoch und sah die Kommissarin fragend an, „Und wenn nicht?“

 

„Hören sie auf mit ihren Spielchen,“ sagte sie nur kühl und ließ ihn abführen.

 

 

Richard wusste das die Mitarbeiter ihn nun noch mehr anstarrten wie bei seiner Ankunft, doch es war ihm egal. Sollten sich diese dämlichen Tratschtanten doch ihr Maul zerreißen, sie würden schon noch sehen wer am Ende zuletzt lachte. Sein Blick blieb an Lisa und Rokko Kowalski hängen. In ihren Augen sah er die ganze Verachtung, die sie für ihn empfand doch Kowalski, da war etwas anderes, war es wirklich Genugtuung was er in dessen Augen sah?

 

 

Die Aufzugtüren schlossen sich hinter der doch etwas seltsamen Prozession und von jetzt auf gleich kehrte der Alltag  wieder bei Kerima ein. Die Mitarbeiter strömten in alle Richtungen davon bis nur noch Lisa und Rokko im Foyer standen.

 

„Hoffentlich kommt David jetzt bald frei,“ seufzte sie uns starrte immer noch auf den Aufzug.

 

„Bestimmt, er wird dem Verhör und den Beweisen bestimmt nicht lange standhalten.“ Sagte Rokko fürsorglich, doch auf seinem Gesicht erschien ein undefinierbares Grinsen. Er hatte nicht damit gerechnet das alles so gut laufen würde.


Kapitel 2

 

Wütend trat Richard aus dem Polizeipräsidium, für wie bescheuert hielten die ihn eigentlich? Er sollte David entführt haben, obwohl wenn er länger drüber nachdachte wäre das sicher gar keine allzu schlechte Idee, aber anscheinend war ihm ja jemand zuvorgekommen, jemand der wollte das man ihn verdächtigte.

Kurz verabschiedete er sich von seinem Anwalt und machte sich dann auf den Weg zurück in seine Wohnung. Wem konnte daran gelegen sein David aus dem Weg zu räumen um es ihm dann in die Schuhe zu schieben? Was war das Motiv?

Spontan fiel ihm Rokko Kowalski ein, dessen Blick er noch in guter Erinnerung hatte, war da nicht mal was gewesen zwischen ihm und der Plenske? Hatte seine Mutter bei einem Telefonat nicht mal so etwas in die Richtung erzählt? Ja, das hatte sie, ihr genauer Wortlaut war gewesen, das sich die Mehrheitseignerin mit dem PR-Chef vergnügte. Richard konnte und wollte sich nicht vorstellen wie das ausgesehen haben musste. Er unterdrückte ein Lachen und ging Kopfschüttelnd weiter. Da versprühten Ernie und Bert ja noch mehr romantik.

Gut, also hatte Kowalski ein Motiv David aus dem Weg zu räumen, ein ziemlich lächerliches zwar, aber wo die Liebe halt hinfiel. Doch wie passte er selber nun in die ganze Geschichte hinein? Rokko war der PR-Chef, arbeitete somit eigentlich eng mit seiner Mutter und somit auch mit Olaf Kern zusammen bei Kerima. Würde ihm seine eigene Mutter in den Rücken fallen? Warum nicht? Doch so ganz konnte er es der alten Säuferin doch nicht zutrauen. Blieb noch Kern, nur was für ein Motiv hatte der?

Er blieb mitten auf der Straße stehen als es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel, Eifersucht! Genau wie bei Kowalski auf David war Kern eifersüchtig auf ihn und Richard erkannte das er wohl einen großen Fehler begangen hatte als er Kern beauftragte seine Mutter zu beaufsichtigen und ihm seinen rechtmäßigen Platz bei Kerima frei zu halten. Olaf Kern war schon immer eifersüchtig auf ihn gewesen, schon zu Internatszeiten und nicht nur auf ihn, auch auf David.

Da hatte er es, Kern und Kowalski, die ihre ungeliebten Widersacher mal eben aus dem Weg räumten, indem sie den einen Entführten und es dem anderen in die Schuhe schoben.

 

„Aber dieses Spiel kann ich auch spielen ihr zwei, ihr wisst ja gar nicht mit wem ihr euch anlegt und wenn ich dafür meinen verhassten Halbbruder befreien muss.“ Murmelte er vor sich hin, beschleunigte seinen Schritt wieder und legte sich einen Plan zurecht.

 

 

Lisa rannte durch den Seidel´schen Forst, endlich hatte sie Davids Zeichen entschlüsselt, endlich hatte sie wieder Hoffnung ihn zu finden und wenn der Forst noch so groß war. Sie würde nicht ohne David gehen, sie würde ihn befreien, ihn retten und dann würde endlich alles wieder gut werden.

Sie glaubte ein Geräusch vernommen zu haben und blieb abrupt stehen.

 

„David?!“ fragte sie in den Wald hinein.

 

 

David ließ sich erschöpft auf der kleinen Lichtung ins Gras sinken, endlich hatte er es nach drei Wochen geschafft aus der Hütte rauszukommen. Er atmete schwer und wollte sich gar nicht ausmalen wie viele Rippen er wohl gebrochen haben mochte, dazu schnitten die Kabelbinder immer tiefer in seine Handgelenke und seine Beine wollten ihn einfach nicht mehr tragen. Der Adrenalinschub schien vorbei zu sein und die Schmerzen kamen wieder. Er hoffte das seine Entführer sich nicht im Forst aufhielten, er hoffte das Lisa sein Zeichen entschlüsseln konnte. Vielleicht war sie ja schon hier, vielleicht suchte sie ihn schon. Irgendetwas ließ ihn sich an diesen Gedanken festklammern. Eine bleierne Müdigkeit überfiel ihn und er schloss erschöpft die Augen nur um sie im nächsten Moment wieder zu öffnen. Er durfte jetzt nicht schlafen, er musste weiter kommen, weiter weg von der Hütte in Richtung Waldrand, in Richtung Parkplatz, irgendwie zur Straße kommen und auf Hilfe hoffen.

 

 

Rokko war ebenfalls in den Forst gefahren, ihr Plan drohte gerade ganz gewaltig zu scheitern. Wenn Lisa David wirklich fand mussten sie sich etwas neues einfallen lassen. Er konnte den Seidel schlecht vor ihren Augen aus dem Weg räumen. Kurz spielte er mit dem Gedanken seine Komplizen über die veränderten Umstände zu informieren, entschied sich dann aber dagegen. Wenn er Lisa fand bevor sie David fand dann konnte er sie geschickt um die Hütte herum durch den Wald lotsen und ihr dann einreden das sie wohl falsch gelegen hatte, was ihre Deutung anging.

 

 

Lisa schloss die Augen, sie konzentrierte sich ganz auf David, sie vertraute auf ihre Liebe und plötzlich spürte sie das er in der nähe sein musste. Sie konnte ihn spüren, seine Angst, aber auch seine kleine Hoffnung. Sie öffnete die Augen wieder und rannte los direkt auf eine kleine Lichtung zu.

 

 

David hörte schnelle Schritte, die genau auf die Lichtung zukamen, mühsam rappelte er sich auf. Wenn das seine Entführer waren dann durfte er nicht Hilflos auf dem Boden liegen. Er wollte sich gerade wieder in den Wald zurückziehen als er Lisa erkannte, die auf die Lichtung rannte.

 

„David!“ rief sie und sah sich nach allen Seiten um.

 

Langsam stolperte er hinter dem Baum hervor, zu dem er sich zurückgezogen hatte. Sie war tatsächlich hier, sie hatte ihn gefunden. Erschöpft ließ er sich auf die Knie sinken. Lisa war mit drei schnellen Schritten bei ihm und half ihm sich hinzulegen, immer noch atmete er schwer.

 

„Lisa,“ flüsterte er.

 

„Schsch David, jetzt wird alles gut. Hörst du alles wird gut.“ Strich sie ihm die Haare aus der Stirn. In ihren Augen glitzerten die Tränen, er sah schlimm aus, hatte überall Schrammen im Gesicht und als ihr Blick auf seine Handgelenke fiel sog sie scharf die Luft ein. Sie kramte nach ihrem Handy und stellte dann fest das sie keinen Empfang hatte.

„Ich habe keinen Empfang, ich werde zum Parkplatz gehen und Hilfe holen OK?“ fragte sie ihn.

 

„Nein, bitte,“ öffnete er die Augen wieder, „Lass mich nicht alleine.“ Setzte er sich vorsichtig wieder auf.

 

„David bitte bleib liegen.“ Versuchte sie ihn sanft wieder auf den Boden zu drücken. Er zuckte kurz zusammen und schüttelte dann langsam den Kopf.

 

„Nein wir können nicht hier bleiben.“ Stand er nun auf versuchte sich irgendwie auf sie zu stützen damit sie besser vorwärts kamen. Lisa gab sich geschlagen und er hatte wahrscheinlich recht, sie durfte nicht riskieren das die Entführer sie vielleicht auch noch kriegen würden. Langsam machten sie sich auf den Weg, sie hatten gerade mal ein paar Schritte im Wald zurückgelegt als ihnen Rokko entgegen kam.

 

 

Richard erreichte seine Wohnung, er musste jetzt ein paar wichtige Telefonate führen. So konnte man mit ihm nicht umspringen. Es passte ihm zwar nicht das er David helfen musste um Kowalski und Kern das Handwerk zu legen, doch wenn es nun mal nicht anders ging, dann ging es nicht. Er wollte gerade den Schlüssel ins Schloss stecken um die Haustüre aufzuschließen als er Schritte hinter sich vernahm, er wollte sich gerade umdrehen als ihn etwas hartes an den Kopf traf und er in sich zusammensackte.

 

Kapitel 3


Erleichtert sah Lisa auf als sie sah wer ihnen da im Wald entgegen kam. Sie blieb mit David stehen und wartete bis Kowalski sie erreicht hatte.

„Frau Plenske!“ stieß er hervor und musste sich zusammennehmen um sich nicht sofort zu verraten, „Sie haben ihn tatsächlich gefunden.“

„Ja, ich hatte recht mit dem Zeichen.“ strahlte Lisa ihn an.

„Das sehe ich,“ erwiderte Rokko und musterte David, der sich immer noch auf Lisa stützte damit sie besser vorwärtskamen, er schien ihn nicht zu erkennen. Er kramte in seiner Hosentasche nach dem Taschenmesser, das er noch mitgenommen hatte und durchtrennte dann vorsichtig Davids Fesseln. „Besser so Herr Seidel?“ fragte er dann und sah David in die Augen, er musste wisen ob dieser auch nur den geringsten verdacht schöpfte, doch er sah nichts.

„Danke,“ flüsterte David, das Sprechen fiel ihm schwer, Rokkos Blicke kamen ihm merkwürdig vor, doch er konnte nicht zuordnen warum er so empfand. Er spürte wie Lisa ihm unter die Arme griff und vorsichtig einen seiner Arme um ihre Schultern legte damit sie besser vorwärts kamen.

„Wir sollten weiter, David braucht einen Arzt.“ sagte sie.

Rokko nickte nur, auch er wollte so schnell wie möglich aus dem Forst. Er musste seine Komplizen informieren und dann schauen ob der von Brahmberg weiter so handelte wie sie es sich dachten. Er ahnte noch nicht, das die ganze Sache schon aus dem Ruder gelaufen war.


Sophie spürte eine innere Unruhe, sie war sich inzwischen sicher, das Richard etwas mit Davids Entführung zu tun haben musste. Nur was? War er einfach nur der Auftraggeber oder hatte er ihn selbe entführt? Hatte er Kern vielleicht mit eingespannt? Und wieso hinterließ er solche Spuren und Beweise?
Sie kannte ihren Sohn und es passte nicht zu ihm so unvorsichtig zu sein, allerdings wenn er wirklich nur der Auftraggeber gewesen war und während der Entführung gar nicht vor Ort, dann sah das ganze wieder anders aus.
Sophie beschloss das es an der Zeit war ihm einmal genauestens auf den Zahn zu fühlen. Sie schnappte sich ihre Handtasche und verließ ihr Appartement.


Lisa war froh als ihnen am Parkplatz endlich auch noch ihr Vater und Friedrich Seidel entgegen kamen. Immer wieder war David zusammengebrochen und sie mussten eine Pause machen, weil er einfach zu schwach war um sich noch weiter auf den Beinen zu halten. Rokko hatte sie dann immer gedrängt schnell weiter zu gehen. Mehr als einmal hatte sie ihm daraufhin einen bösen Blick zugeworfen. Sah er nicht das David nicht mehr konnte? Das er zu schwach war und es an ein Wunder grenzte das er sich überhaupt immer wieder aufrappelte und versuchte weiter zu gehen. Sie spürte wie alle Anspannung aus David wich, noch einmal sah er auf, seinem Vater entgegen, dann verließen ihn endgültig die Kräfte und er sackte in sich zusammen. Lisa und Rokko fingen ihn auf und ließen ihn so langsam zu Boden gleiten, als sie wieder aufsah stand Friedrich schon neben ihnen.

„David! Junge!“ stieß er hervor und kniete sich neben seinen Sohn, sein Blick fiel auf die von den Fesseln zerschundenen Handgelenke, auf die Platzwunden im Gesicht und die endlosen blauen Flecke, die anscheinend jeden sichtbaren Teil seines Körpers zierten. „Sie hatten tatsächlich recht.“ wandte er sich dann an Lisa und umarmte sie bevor er sich wieder seinem Sohn zuwandte. „David, mach die Augen auf.“ flehte er.

„Helfen se mir ihn in den Wagen zu bringen Herr Seidel,“ sagte Bernd nun ruhig, „Oder soll ich lieber einen Krankenwagen rufen?“

„Krankenwagen?“ fragte Friedrich ohne den Blick von seinem Sohn zu nehmen.

„Ihr Junge braucht einen Arzt, na los kommen sie schon.“ hob Bernd David vorsichtig hoch, er würde den Junior auch ohne Hilfe in den Wagen bekommen. Ein Glück das sie mit dem Cayenne unterwegs waren und nicht mit seinem Göberitzer Wägelchen.

Lisa und Friedrich folgten ihm sofort, ohne ein Wort zu sagen stieg Friedrich auf der Beifahrerseite ein während Lisa zu David nach hinten ging und seinen Kopf behutsam in ihrem Schoß bettete.
Rokko beobachtete das ganze immer noch von der Stelle aus an der David Ohnmächtig geworden war. Ihm war es ganz Recht das sie ihn anscheinend vollkommen vergessen hatten. Der Porsche raste mit quitschenden Reifen davon, er sah ihm hinterher bis er um die Ecke bog und zückte dann sein Handy. Er musste nun den anderen mitteilen das der Plan gescheitert war.
Auf dem Display prangte ihm allerdings die Nachricht von mittlerweile 3 ungelesenen SMS entgegen. Er atmete tief durch, sie konnten nur von ihnen sein.

Die Pläne haben sich geändert, weitere Abläufe nach Anweisung.

stand in der Ersten,

Bring das Ende zum Ziel

lautete die Zweite,

Bleib bei der Kleinen

die Dritte, er kannte die Bedeutung der jeweiligen Nachrichten. Ein Grinsen schlich auf sein Gesicht. Anscheinend wussten seine Komplizen schon bescheid und hatten gehandelt.


Sophie klingelte nun schon zum zweiten Male an Richards Türe, doch wieder blieb alles Still. Wo war er nun schon wieder hin? Dachte er wirklich er könne weiter durch Berlin spazieren als wäre nichts gewesen? Sie wusste das Frau Dorn ihn wieder laufen lassen musste, aber das hieß doch nicht das er sich jetzt wieder in Sicherheit wiegen konnte. Wenn er etwas damit zu tun hatte, dann musste er sich stellen, nur so hatte er noch eine kleine Chance. Sie seufzte und zog ihr Handy aus der Handtasche um Richard anzurufen, sie probierte es direkt auf seinem Handy. Zu ihrer Verwirrung ertönte auf einmal sein Klingelton aus der hintersten Ecke des Eingangs. Sie drehte sich rum in der Erwartung das er hinter ihr stand, doch dem war nicht so. Sie das Display auf dem Boden aufleuchten. Sie griff danach und hob es auf. <Mutter> blinkte ihr entgegen.

 

Kapitel 4

 

 

Während Friedrich Laura und Kim informierte, das sie David endlich gefunden hatten, saß Lisa an seinem Bett. Glücklicherweise hatte sich bei der Untersuchung herausgestellt, das er nicht ernster Verletzt war. Das meiste waren Abschürfungen und Prellungen. Die Wunden an den Handgelenken waren noch das schlimmste.

Die Ärzte hatten ihm ein leichtes Schlafmittel gegeben, doch wirklich schlafen tat er nicht. Er döste einfach nur vor sich hin, das reichte ihm schon, er hatte Angst wirklich tief einzuschlafen. Zu tief saß die Angst, das wenn er aufwachte alles nur ein Traum gewesen war und er wieder in dieser Hütte im Forst war.

Lisa hielt vorsichtig seine Hand, sanft strich sie darüber.

 

„Jetzt wird alles wieder gut mein Schatz,“ sagte sie, „Du bist wieder da und nun wird uns Niemand mehr trennen können. Du musst mir nur noch einen Antrag machen.“

 

David dachte er habe sich verhört, sie erwartete von ihm das er ihr jetzt einen Heiratsantrag machte? Nachdem was er durchgemacht hatte, dachte er an alles, aber bestimmt nicht ans Heiraten. 

 

„Und dann ziehen wir zusammen, aber Moment mal wohin denn? Fürs erste tut es ja die Wohnung in der Villa deiner Eltern, aber so über kurz oder lang sollten wir uns schon etwas eigenes Suchen. Also nicht das ich was gegen deine Wohnung oder deine Eltern hätte, aber wenn dann ja mal die Krümel da sind, dann brauchen wir ja schon mehr Platz.....“

 

Krümel? Wohnung? Heiraten? Plante sie tatsächlich sofort das volle Programm? Was war denn mit erst einmal kennen lernen, romantischen Dates, mal bei ihm und mal bei ihr. Er wollte nichts überstürzen, er wollte ihr keinen Antrag machen und er wollte nicht mit ihr zusammen ziehen. Ja er liebte sie, aber das ging ihm eindeutig zu schnell. Er musste jetzt selber erst einmal gucken wie es in seinem Leben weiter ging. Wie er weitermachen wollte, ob er überhaupt noch so weitermachen konnte.

 

„... ich habe mir auch schon alles überlegt, unsere Wohnung sollte groß genug sein, am besten wäre wenn wir uns sofort ein Haus kaufen würden und Jürgen wäre bestimmt gerne mein Trauzeuge, obwohl du nimmst ja bestimmt Max, da sollte ich dann vielleicht Hannah nehmen oder Yvonne.“

 

Haus? Jetzt ist es schon ein ganzes Haus! Werde ich denn gar nicht mehr gefragt? Trauzeugen, ja sicher, genau das ist es jetzt um was ich mir Gedanken machen will, wer denn mein Trauzeuge wird. Ich muss hier raus!

Zögernd öffnete er die Augen und das erste was er sah war Lisa, wie sie vor sich hinplapperte. Sie schien gar nicht zu bemerken das er wach war.

 

„Hey,“ versuchte er sich bemerkbar zu machen, Lisa stoppte in ihrem Redefluss und sah ihn strahlend an.

 

„David! Du bist ja wieder wach.“

 

„Hmm,“ brummte er nur und wartete ab in welche Richtung sie das Gespräch nun führen würde.

 

„Bald darfst du wieder nach Hause,“ begann sie dann auch, „ Das hat der Arzt deinem Vater gesagt, wahrscheinlich schon morgen. Dann ist alles wieder wie früher, dann kannst du auch wieder zu Kerima wenn du dich vollständig erholst hast.“

 

„Kerima hmm ja,“ antwortet er nur, erwartete sie wirklich von ihm das er sofort wieder bei Kerima einstieg ? Anscheinend.

 

„Du glaubst ja gar nicht wie froh sie alle sein werden, wenn du wieder da bist. Alle vermissen dich schon Richtig auch wenn sie nicht wissen was passiert ist.“

 

Schön für sie, dachte er sich nur. Er wollte nicht zurück, konnte nicht zurück, nicht bevor man seine Entführer geschnappt hatte. Im Moment kam er sich einfach nur überfahren vor, er überlegte was er darauf nun antworten sollte, als die Türe geöffnet wurde und sein Vater eintrat.

 

„Junge,“ sagte er kurz und setzte sich auf den zweiten freien Stuhl, „Ich habe gerade Laura und Kim informiert, sie kommen heute nicht mehr vorbei....“

 

„Nicht?“ unterbrach er ihn, hatten sie sich denn keine Sorgen gemacht?

 

„Ich habe ihnen gesagt das du Ruhe brauchst und ja morgen eh nach Hause darfst.“

 

„Ah ja.“

 

„Ich soll dich aber lieb grüßen. Du glaubst gar nicht wie froh wir sind das du wieder da bist. Wir haben uns solche Sorgen gemacht, du bist doch bei Kerima nicht zu ersetzten.“

 

„Hmm Kerima,“ brummte er erneut, nicht nur Lisa schien es nicht zu interessieren wie es ihm wirklich ging, auch sein Vater schien nur diese verdammte Firma im Kopf zu haben. Er beschloss das er einfach die Augen wieder zumachen würde, vielleicht würden sie ihn ja dann damit in Ruhe lassen. Langsam senkten sich seine Lieder.

 

„Ich glaube er ist wieder eingeschlafen,“ hörte er Lisa flüstern.

 

„Ja, er braucht jetzt seinen Schlaf damit er wieder fit ist wenn er morgen entlassen wird.“ Antwortete Friedrich, „Also kommen sie Frau Plenske, überbringen wir meiner Frau und meiner Tochter die Nachricht wie sie ihn gefunden haben.“

 

Erleichtert atmete er auf als er hörte wie die Türe geschlossen wurde, er öffnete die Augen wieder und starrte an die Decke. Interessierte sich wirklich niemand dafür wie es in ihm aussah? Dachten sie alle nur an die Firma? Ein klopfen ließ ihn zusammenzucken, dann wurde die Türe geöffnet und eine dunkelhaarige Frau mittleren Alters trat hinein.

 

„Herr Seidel, ich bin Kommissarin Dorn, ich bearbeite ihren Fall.“ Stellte sie sich vor.

 

„Jetzt bin ich also nur noch ein Fall,“ sagte er sarkastisch zu sich selbst.

 

„Darf ich ihnen ein paar Fragen stellen?“

 

„Ich kann sie ja eh nicht davon abhalten,“ zuckte er mit den Schultern und bereute es sofort als sich seine gebrochenen Rippen meldeten.

 

„Sie haben sehr viel Glück gehabt Herr Seidel,“ begann sie, „An was können sie sich genau erinnern?“

 

„Ich war auf dem Weg ins Wolfhardts zu Lisa, wir waren verabredet. Ich stieg gerade in mein Auto als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich drehte mich rum und bekam auch schon einen Schlag auf den Kopf.“

 

„Konnten sie erkennen wer das war?“

 

„Nein, er trug eine Sturmmaske und als ich wieder zu mir kam lag ich auf dem Rücksitz meines Wagens, ich konnte mich nicht bewegen und das einzige was ich sah war das wir durch oder in einen Wald fuhren. Irgendwie habe ich es dann geschafft ein Zeichen auf den Wald in den Rücksitz zu malen.“

 

„Ich dachte sie konnten sich nicht bewegen?“

 

„Das konnte ich auch nicht wirklich....“

 

„Und wie konnten sie dann das Zeichen hinterlassen?“

 

„Das habe ich doch gesagt, ich weiß nicht mehr wie ich es geschafft habe, aber ich habe es geschafft.“

 

„Aha,“ sah sie ihn mit einem durchdringenden Blick an.

 

„Ich weiß nicht wie lange wir fuhren, doch irgendwann hielt der Wagen an und man zerrte mich hinaus. Ich schlug auf dem Boden auf dann weiß ich nichts mehr, das nächste an was ich mich erinner ist die Hütte, aber wie ich dorthin gekommen bin weiß ich nicht. Sie kamen jeden Tag, sie schlugen auf mich ein, traten nach mir und schmissen halb vergammeltes Brot vor meine Füße. Nachdem sie heute morgen schon sehr früh da waren, ich glaube zumindestens es war früh weil der Abstand zwischen dem vorherigen Besuch nur kurz war, sah ich eine Chance zur Flucht. Kurz nachdem sie weg waren begann ich die Holztüre einzurennen. Immer wieder habe ich mich dagegen geschmissen und irgendwann gab sie nach. Dann bin ich durch den Wald geirrt bis Lisa mich gefunden hat.“ Schloss er seine Ausführungen.

 

„Wie gut verstehen sie sich eigentlich mit ihrem Bruder?“ fragte sie nach.

 

„Meinem Bruder? Richard? Ich habe ihn seit Monaten nicht mehr gesehen, seit dem Zwischenfall auf dem Kostümball.“

 

„Ist es nicht so das sie und ihr Bruder sich schon Jahrelang gegenseitig bekriegen“

 

„Was hat das denn jetzt mit der Entführung zu tun?“

 

„Ist es nun so oder nicht?“

 

„Wir sind nicht die besten Freunde, wir können uns nicht leiden und haben immer gegen den anderen intigriert. Aber warum wollen sie das wissen?“

 

„Ihr Bruder, Herr Seidel, ist unser Hauptverdächtiger.“

 

„Wie kommen sie denn da drauf?“

 

„ Fakten, Tatsachen und Beweise sprechen alle für ihn.“

 

David legte die Stirn in Falten, keiner seiner Entführer oder der Personen die bei ihm waren hatten auch nur annähernd eine Ähnlichkeit mit Richard.

„Das kann nicht sein,“ sagte er dann, „Keiner hatte seine Statur.“

 

„Ich dachte sie haben niemanden erkannt?“

 

„Habe ich auch nicht, sie trugen immer Sturmmasken und ihre Stimmen waren verzerrt, aber keiner hatte die Größe von Richard oder die Statur.“

 

„Sie wissen das er sie durch weite Kleidung und gebückte Haltung getäuscht haben kann.“

 

„Er war es nicht!“

 

„Wir werden sehen Herr Seidel, ich habe einen Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung und ich verwette meine Dienstmarke darauf, das wir dort noch mehr Beweise finden werden.“ Stand sie auf und verließ ohne Gruß das Zimmer.

 

David ließ sich langsam zurück in die Kissen gleiten, was war das denn für ein Auftritt gewesen? Und so etwas nannte sich Kommissarin. Leicht schüttelte er den Kopf. Solange diese Frau die Ermittlungen leiten würde, würde man seine Entführer nie zu fassen bekommen. Bei dem Gedanken daran das er morgen entlassen wurde und sie ihm somit wieder jederzeit auflauern konnten begann er zu zittern. War er überhaupt irgendwo vor ihnen sicher? Sein Kopf begann zu schmerzen, er musste raus hier und in Ruhe über alles Nachdenken, nur wo sollte er hin? Wo würden sie ihn nicht finden und wo war er nicht jederzeit für Lisa und die Firma erreichbar? 

 

Kapitel 5


Sophie hatte alles versucht um Richard zu erreichen, vergeblich, er war wie vom Erdboden verschluckt. Schließlich war sie doch hinauf in seine Wohnung gegagnen, doch auch dort hatte sie keinen Hinweis auf seinen Verbleib gefunden. Der Koffer stand immer noch im Wohnzimmer, unberührt. Sie durchsuchte die Wohnung öffnete den Safe, nichts. Alles war noch genauso wie damals, als er hier noch gelebt hatte. Sie seufzte auf, wo konnte er nur sein? Hatte er sich vielleicht wieder abgesetzt? Nein dann wären seine Sachen nicht mehr hier. Richard würde nicht unvorbereitet gehen, das alles passte nicht zu ihm. Nie würde er solche Spuren hinterlassen die, die Polizei auf seine Fährte gebracht hatten, das er der Entführer sei. Nie würde er Hals über Kopf aufbrechen und was sie immer noch irriterte war, das sein Handy vor der Haustüre auf dem Boden gelegen hatte. Irgendetwas war geschehen, wenn sie doch nur wüsste was?
Das erste Mal seit vielen Jahren machte sich mütterliche Sorge um ihren Sohn in ihr breit oder war es überhaupt das erste Mal das sie das tat? Sich um Richard sorgen, dieses gefühl kam ihr so neu vor, so ungewohnt.
Sie musste etwas unternehmen, sie musste ihn finden, musste sicher sein das es ihm gut ging. Wer konnte wissen wo er war? Kern vielleicht? Sie griff nach ihrem Handy und wählte dessen Nummer.


"Nun komm schon David, deine Mutter und Kim warten auf dich." rief Lisa in das Bad des Krankenzimmers hinein, in dem David nun schon seit einer geschlagenen halben Stunde verschwunden war um sich umzuziehen.

"Ich komm ja schon," stieß er genervt aus und knöpfte sich etwas unbeholfen die letzten Knöpfe seines Hemdes zu. Lisa hatte ihm einen seiner Buiseness Anzüge
mitgebracht, so als wolle sie ihn nachdem sie in der Villa waren sofort mit zu Kerima nehmen. Und er würde mich nicht wundern wenn sie das wirklich vorhat, dachte er grimmig. Er atmete noch einmal durch und trat aus dem Bad.

"Da bist du ja, komm wir müssen los sonst verpassen wir noch die S-Bahn."

"S-Bahn?!" fragte er ungläubig, "Wir fahren mit der S-Bahn?"

"Was dachtest du denn?"

"Das du mit dem Wagen gekommen wärst."

"Sicher, ich hab doch gar keinen Führerschein."

"Mein Vater hätte dich ja fahren können."

"Friedrich ist in der Firma, irgendwer muss da doch nach dem Rechten sehen."

"Hätte ich mir ja denken können," nuschelte er.

"Hast du was gesagt?" drehte sie sich wieder zu ihm um und hielt ihm die Türe auf.

"Äh ja ich habe gefragt ob wir uns nicht ein Taxi nehmen können?"

"Weißt du wie teuer ein Taxi bis zur Villa deiner Eltern ist?" fragte sie ihn geschockt.

"Ja ungefähr 25 Euro."

"Siehst du und die S-Bahn kostet nur 2,30 Euro." sie hakte sich bei ihm unter, inzwischen standen sie vor dem Krankenhaus und sie zog ihn bestimmt weg von den Taxen und in Richtung S-Bahn Station.

Womit habe ich das nur verdient? Zuerst redet sie die ganze Zeit von Hochzeit und nun zwingt sie mich mit der S-Bahn zu fahren. Kerima spreche ich lieber nicht weiter an, sonst schleppt sie mich da auch noch hin. Wo ist nur die Lisa hin, in die ich mich verliebt habe? Was ist aus ihr geworden?


Das Gespräch mit Olaf Kern verlief für Sophie nicht wie sie es sich erhofft hatte. Er wüsste nicht wo Richard wäre und in anbetracht der Tatsache, das er ja in die Entführung des Seidel Jungen verwickelt sei wäre es ihm auch lieber diesmal nicht zu wissen wo er sich aufhalte. Entnervt hatte sie das Gespräch schließlich beendet, Kern schien anscheinend nicht zu wissen wo Richard war, doch irgendetwas an seinem Tonfall ließen sämtliche Alarmglocken bei ihr läuten. Sie steckte ihr Handy zurück in ihre Handtasche und machte sich auf den Weg zu Kerima, vielleicht tauchte er ja da auf.


Nervös saß David in der S-Bahn, immer wieder schaute er sich suchend um, doch Lisa schien das gar nicht zu bemerken. Erst als er begann mit dem Fuß andauernd auf und ab zu wippen wandte sie sich wieder ihm zu.

"Alles in Ordnung David?"

"Sicher alles bestens," gab er gequält lächelnd zurück, "ich sitze in einer stickigen S-Bahn voller Menschen, wovon einer mein...." weiter kam er nicht denn sie unterbrach ihn.

"David, Richard ist nicht hier. Bitte mach dir keine Sorgen, Frau Dorn wird ihn schin schnappen und dann wird alles wieder wie Früher. Du brauchst keine Angst zu haben, er kann dir nichts mehr tun." sie legte bei diesen Worten ihre Hand sachte auf seine und sah ihm in die Augen.

Da war sie wieder, wo sie ihre Han auf seine legte und ihn ansah, sah er die alte Lisa wieder. Sie war noch da, versteckt unter dieser Fassade, die sie wohl während der Entführung als Selbstschutz um sich aufgebaut hatte.Wenn er in ihre tiefblauen Augen sah versank er in ihnen, sie strahlten ihn an und wie von selbst beugte er sich vor bis seine Lippen sanft die ihrigen berührten. Sein Herz machte einen Sprung als er merkte das sie seinen Kuss erwiederte, er wollte diesen Moment festhalten ihn nie enden lassen. Er vergaß völlig das er sich in einer stickigen Bahn befand, gerade wollte er den Kuss vertiefen da löste sie sich von ihm.

"Wir sind da, die nächste Station ist unsere." sagte sie und wollte ihre Hand aus seiner lösen, doch er hielt sie fest. Ohne ein Wort zu sagen stand er auf und ging mit ihr zur Türe, die Bahn hielt, sie stiegen aus. Er zog sie vorsichtig zu sich heran, strich mit einer Hand über ihre Wange. "David bitte, deine Mutter erwartet uns." wandt sie sich aus seinem Griff und ging voran.
Traurig schüttelte er den Kopf, was ging nur in ihr vor? Waeum benahm sie sich so? Sie liebte ihn doch auch, sonst hätte sie nicht von Heirat und Kindern gesprochen. Langsam folgte er ihr den Bahnsteig hinunter und ging schweigend neben ihr bis zur Villa her. Er unternahm keinen versuch mehr ihre Hand zu ergreifen, sie hätte sie ja eh wieder weggezogen.

In der Villa wurde er stürmisch begrüßt, seine Mutter nahm ihn sofort vorsichtig, so als könne sie ihn zerbrechen in den Arm und auch Kim sprang vom Sofa auf und lief auf ihn zu.

"Vorsicht Kimmi," warnte er sie lieber und kurz vor ihm stoppte sie dann auch und breitete einfach ihre Arme aus, so das er die Intensität der Umarmung bestimmen konnte. Gabrielle kam auf die Gruppe zu, sie trug ein Tablett mit vier Champagnergläsern. Laura nahm sie ihr ab und gab jedem eines.

"Für mich nicht, danke." sagten David und Lisa wie aus einem Mund und sahen sich danach zuerst erstaunt und dann doch leicht verlegen an.

"Och kommt schon ihr beide, nur ein Glas. Wir müssen doch feiern das du wieder da bist." zog Kim eine Schnute.

"Ich wäre jetzt gerne ein wenig mit Lisa alleine," antwortete er jedoch nur und zog die verblüffte Lisa hinter sich her die Treppe zu seiner Wohnung hoch.

"Sag mal meinst du nicht das, das jetzt unhöflich deiner Mutter und deiner Schwester gegenüber war?" fragte sie dann auch sofort als sich die Türe hinter ihr schloss.

"Ich sehe die beiden jeden Tag. Sie werden das verstehen...."

"Du warst 3 Wochen entführt!" unterbrach sie ihn, " hast du auch nur die leiseste Ahnung was deine Mutter durchgemacht hat?"

"Vielen Dank das du mich daran erinnerst, aber ich weiß noch genau wie lang diese 3 Wochen waren. Ich weiß noch genau wie mir jede Minute wie eine Ewigkeit vorkam und das ich die Hoffnung dich jemals wiederzusehen und endlich glücklich zu werden mit jedem weiteren langen Tag schwand. Ihr maßt euch alle an zu entscheiden wie lange es war, wie ich mich gefühlt habe interessiert keinen, wie ich mich fühle auch nicht. Hauptsache eure heile Welt ist wieder komplett!" schrie er nun die letzten Worte.

"Du...du gibst uns die Schuld?" fragte sie und ihre Stimme zitterte verdächtig.

"Nein, ich....ich." er stoppte ließ sich auf die Couch fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Erst jetzt wo er wieder in seiner alten Umgebung und sein Kopf nicht von Schlafmitteln vernebelt war kamen die Emotionen, die Bilder der Hütte und die Angts mit einem Schlag zurück, "Ich bin einfach nur so durcheinander, ich weiß nicht mehr was ich wirklich will und was wirklich wichtig ist davon." sah er wieder auf.

"Das hörte sich aber eben noch anders an, da schien es mir als wüsstest du genau was du wolltest, genauso wie der Kuss in der Bahn."

"Ja, nein ich meine Lisa bitte ich möchte in Ruhe mit dir reden, über uns."

"Und was willst du mir jetzt sagen?" fragte sie vorsichtig.

"Ich möchte es langsam angehen lassen Lisa, ich kann jetzt nicht von Null auf Hundert in eine Beziehung einsteigen. Ich brauche noch etwas Zeit für mich um mit mir ins reine zu kommen...."

"Du willst nicht mit mir zusammen sein?!"

"Das habe ich doch gar nicht gesagt, mensch Lisa, ich liebe dich immer noch. Nichts und niemand konnte meine Liebe zu dir kaputt machen, aber das was ich erlebt habe, ich bin im Moment nicht so weit eine Beziehung mit allem drum und dran einzugehen. Ich befürchte, das was du von mir erwartest kann ich dir im Moment nicht geben." traurig senkte er den Blick.

"Da...da...das," begann sie und wandte sich dann von ihm ab, " Du bist echt das letzte David Seidel." schluchzte sie bevor sie aufsprang und die Wohnung fluchtartig verließ.
 

Kapitel 6

 

 

Davdi sah ihr hinterher, was war das denn nun schon wieder? Was hatte er denn nun falsch gemacht? Er hatte doch nur versucht ihr zu erklären wie er sich fühlte, was in seinem Kopf vorging. Verstand sie ihn denn nicht?

Kopfschüttelnd stand er auf, ihr hinterher zu gehen würde eh nichts bringen und vielleicht war ein wenig Abstand genau das Richtige jetzt im Moment. Er ging hinüber in sein Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank und kramte die Reisetasche hervor. Solange seine Entführer noch frei waren fühlte er sich hier nicht sicher. Wahllos stopfte er Hemden, Jeans und Jacketts in die Tasche. Ein paar Boxerhorts und T-Shirts, dann ging er ins Bad und packte dort seine Sachen zusammen. Als er fertig war trug er die Tasche in sein Wohnzimmer, erstaunt sah er das seine Mutter dort saß.

 

„Mama, was machst du denn hier?“ fragte er.

 

„Ich mache mir Sorgen David, es ist doch irgendetwas zwischen dir und Frau Plenske vorgefallen, so überstürzt wie sie die Villa verlassen hat.“

 

„Es ist nichts, also ich...sie versteht mich nur nicht irgendwie.“ Seufzte er und setzte sich neben seine Mutter auf das Sofa.

 

Lauras Blick viel auf die gepackte Reisetasche, die nun neben ihnen stand, „Du willst schon wieder weg?“ fragte sie erstaunt.

 

„Ja ich, ich muss. Ich kann nicht hier bleiben Mama, nicht solange die Polizei meine Entführer noch nicht festgenommen hat. An jeder Ecke können sie mir auflauern, ich fühle mich beobachtet.“

 

„Frau Dorn wird alles tun um Richard so schnell wie möglich zu verhaften. Du bist hier sicher, sie wird bestimmt Beamte in Zivil herschicken, damit dir nichts passiert.“

 

„Es war nicht Richard, Mama.“ Sah er ihr in die Augen, „Es waren mehrere, das weiß ich, aber keiner hatte auch nur annähernd die Statur von Richard.“

 

„Vielleicht hat er sich gebückt oder so? Um dich zu täuschen?“ fragte Laura vorsichtig nach.

 

„Nein,“ schüttelte David den Kopf, „ Ich bin mir sicher, das keiner von ihnen Richard war.“

 

„Und wenn er es nur in Auftrag gegeben hat?“

 

David sah seine Mutter eine Zeitlang an, dann zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich traue ihm das nicht zu.“ Er sah das Laura etwas erwidern wollte und schüttelte den Kopf, „Ich weiß das er intrigant ist und immer nur auf seinen Vorteil bedacht, aber irgendwie, ich weiß nicht wie ich das erklären soll. Richard wäre anders Vorgegangen, selbst wenn er den Auftrag gegeben hätte. Er hätte es sich nicht nehmen lassen mich persönlich zu quälen, Richard hätte sich zu erkennen gegeben, hätte mit mir und meiner Psyche gespielt und vor allem hätte er nicht solche Spuren hinterlassen, die genau zu ihm führen. Dazu ist er viel zu intelligent.“

 

Laura antwortete nicht, sie ließ sich die Worte ihres Sohnes noch einmal durch den Kopf gehen. Ihre Miene wechselte von besorgt zu nachdenklich, bis sie schließlich unmerklich mit dem Kopf nickte. Davids Ausführungen machten Sinn, vor allem die letzteren. Richard würde wirklich nie solche Spuren hinterlassen. Richard hätte zudem viel mehr mit ihnen und Lisa gespielt. Wahrscheinlich hätte er noch nicht mal eine Lösegeldforderung gestellt.

 

„Und wo willst du jetzt hin?“ fragte sie dann leise.

 

„Nach Sylt, in unser Ferienhaus. Ich brauche einfach ein bisschen Abstand, ich muss über vieles Nachdenken, herausfinden wie mein Leben nun weitergehen soll. Verstehst du das Mama?“

 

„Sicher verstehe ich das, aber was ist nun mit Frau Plenkse?“

 

„Ich habe ihr gesagt das ich ihr im Moment nicht das geben kann was sie von mir erwartet. Ich kann nicht von 0 auf hundert in eine Beziehung einsteigen, will es langsam angehen lassen, nichts überstürzen. Sie redet schon von Hochzeit, einem eigenen Haus und Kindern, das ist mir zu viel im Moment. Ich möchte mit ihr von vorne beginnen, unsere Beziehung langsam aufbauen, nichts überstürzen.“

 

„Sie wird das verstehen David,“ legte Laura eine Hand auf seinen Arm, „Im Moment ist sie wohl auch noch etwas durcheinander und hat Angst dich wieder zu verlieren.“

 

„Ich weiß nicht, im Moment versteht sie mich jedenfalls nicht.“

 

„Gib ihr Zeit David, rede mit ihr.“

 

„Das wollte ich doch, aber sie...sie hat sofort überreagiert. Sie hat sich verändert.“

 

„Die 3 Wochen waren sehr schwer für sie, das wird schon wieder.“

 

„Ich hoff es ja,“ senkte er den Blick gegen Boden und griff nach seiner Tasche.

 

„Du liebst sie und sie liebt dich,“ nahm Laura ihn kurz in den Arm, „Das sind doch schon mal die besten Vorraussetzungen.“

 

„Du hast recht Mama, wenn sie fragt, du weißt ja wo ich bin.“ Lächelte er kurz und ging dann die Treppe hinunter.

 

 

Wie von selbst führten Lisas Schritte sie zu dem Mann, der die letzten 3 Wochen bedingungslos für sie da gewesen war. Sie wusste selbst nicht warum, aber Rokko würde sie verstehen. Was dachte David sich nur dabei? Er kann mir nicht das geben was ich erwarte, dachte sie sich, was erwarte ich denn? Ist das so unnormal, das ich mit ihm zusammen sein will? Richtig zusammen, mit allem was dazu gehört? Ich will doch nur Glücklich sein, mit ihm meine Zukunft, mein Leben verbringen, aber anscheinend ist das ja schon zu viel für ihn. Immer wieder rannen neue Tränen über ihr Gesicht, sie konnte und wollte David nicht verstehen. Vor Rokkos Wohnung angekommen klingelte sie Sturm und warf sich in seine Arme, nachdem er ihr geöffnet hatte.

 

„Hey,“ strich Rokko ihr beruhigend über den Rücken, „Was ist denn passiert?“

 

„Er...er...er ist so ein mieser Schuft. Ich habe mir die ganze Zeit die größten Sorgen um ihn gemacht und er...er will alleine sein, zu sich selber finden. Er hat gesagt er kann mir nicht das geben was ich erwarte, dabei erwarte ich doch gar nichts. Ich will doch nur endlich mit ihm Glücklich sein, mit ihm zusammen sein unsere Zukunft planen. Ist das denn schon zu viel?“ schluchzte sie.

 

„Nein, ist es nicht.“ Führte er sie zur Couch, „ Ich verstehe dich Lisa und du hast es verdient Glücklich zu sein.“ Strich er ihr sanft die Tränen vom Gesicht.

 

„Aber warum will er dann nicht mit mir zusammen sein? Er hat mir die ganze Zeit wieder etwas vorgemacht, ich war nicht mehr für ihn als eine neue Eroberung und jetzt hat er schon wieder das Interesse verloren.“ Bahnten sich neue Tränen ihren Weg.

 

„Nicht weinen Lisa, das ist er nicht wert. Du hast etwas besseres Verdient als David Seidel.“ Nahm er sie wieder in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie zuckte nicht zurück, ließ es zu und so traute er sich weiter vor, strich ihr über den Rücken, zog sie näher zu sich heran und sah ihr tief in die Augen.

„Ich liebe dich Lisa, er hat dich nicht verdient.“ Flüsterte er und senkte seine Lippen auf ihre.

 

 

David schmiss die Tasche auf die Rückbank des Porsche Cayenne, er hatte nicht vor nach Sylt zu fahren und so bog er schon kurz darauf in die Entgegengesetzte Richtung ab. Sein Weg führte ihn hinaus aus Berlin, über mehrere Dörfer, bis er schließlich den Wagen vor einem kleinen Haus an einem Waldrand parkte. Irgendwie hatte er ein komisches Gefühl je näher er dem Waldrand kam und doch wusste er das ihn hier so schnell niemand vermuten würde. Das Haus hatten sein Vater und Claus von Brahmberg vor Jahren gekauft, es lag sehr idyllisch, hinter dem Haus lag ein kleiner See mit Steg und Boot. Die beiden waren oft zum Jagen hier heraus gefahren, doch seit Claus Tod war auch Friedrich nicht mehr hier gewesen. Ab und an vermietete er es als Ferienhaus, aber die meiste Zeit über war niemand hier. So wie jetzt, hier würde er Ruhe finden, vielleicht ein wenig Angeln auf dem See, aber vor allem konnte er hier nachdenken, ohne das er von irgendwem beeinflusst wurde. Es tat ihm Leid, das er seine Mutter angelogen hatte, doch wenn er ihr die Wahrheit gesagt hätte, hätte sie bestimmt versucht es ihm auszureden.

Er schaltete den Motor aus und zog den Schlüssel aus der Zündung, kurz überkam ihn eine undefinierbare Angst, er blickte zum Wald hinüber. Früher als Kind war er oft hier gewesen, mindestens genauso oft wie im privaten Familienforst, auch hier kannte er sich bestens aus. Trotzdem würde er den Wald meiden, im Haus bleiben und versuchen sein Leben wieder zu Ordnen. Noch einmal atmete er tief durch, dann öffnete er die Fahrertüre und stieg aus.

Langsam ging er auf das haus zu, vielleicht war es doch keine so gute Idee hierher zu fahren, seine Hände begannen zu zittern je näher der Haus kam. Schließlich, es kam ihm vor wie eine kleine Ewigkeit erreichte er die Türe. Er schob den Blumenkübel daneben zur Seite und löste eine der Holzdielen, holte den Schlüssel aus der Vertiefung und rückte alles wieder gerade. Mit zittrigen Fingern schloss er die Türe auf, er wunderte sich das sie nicht abgeschlossen war. Zögernd öffnete er sie und trat dann ein. Im inneren herrschte nur schummriges Licht, er atmete einmal tief durch, trat ein und suchte nach dem Lichtschalter. Als er ihn gefunden hatte schaltet er das Licht ein und blieb dann wie erstarrt im Türrahmen stehen. Auf dem Boden lag jemand zusammengekrümmt und anscheinend ohne Bewusstsein. David brauchte einige Zeit bis er reagieren konnte, er kniff die Augen zusammen und öffnete sie dann wieder. Es war keine Einbildung, die Person lag immer noch da und regte sich nicht. Kurz ging er ein paar Schritte rückwärts aus der Türe wieder hinaus, den Blick immer noch auf die Person gerichtet, dann setzte sein Verstand wieder ein. Er betrat das Haus wieder, ging zu dem Leblosen Körper. Je näher er ihm kam, desto mehr Details erkannte er. Es war eindeutig ein Mann, der dort lag, die Hände mit Kabelbinder auf dem Rücken zusammengebunden, die Füße ebenfalls und beides noch mit einem Seil verbunden, so dass jede Bewegung unweigerlich zu tieferen Schnitten an den Gelenken führte. David bemerkte die Blutspuren auf dem Boden, vorsichtig kniete er sich neben die Person, er kramte in seiner Hosentasche nach dem Taschenmesser, welches Lisa ihm vor langer Zeit geschenkt hatte, und schnitt das Seil durch. Dem Mann entfuhr ein heiseres Stöhnen als er ihn nun auch von dem Kabelbinder an den Händen so gut es ging befreite. Er kramte in seiner Innentasche nach seinem Handy um die Polizei und die Rettung zu verständigen, während er den Notruf absetzte drehte er den Mann auf den Rücken um sich besser um ihn kümmern zu können.

David erschrak als er erkannte wer da vor ihm lag, er ließ das Handy fallen.

 

„Richard!“ murmelte er.  

Kapitel 7

 

Lisa spürte wie Rokkos Hand sachte unter ihr Shirt glitt. Sie ließ es zu, sie wusste er meinte es ernst mit ihr, nicht so wie David, der immer nur mit ihr Gespielt hatte als wäre sie eine Lebensgroße Schachfigur. Zwar konnte sie sich noch nicht ganz fallen lassen, aber sie hatte sich entschieden. Sie würde Rokko eine Chance geben, auch wenn sie eigentlich nur Freundschaftliche Gefühle für ihn empfand, sie würde bestimmt lernen können ihn zu lieben. Sie stoppte seine Hand und sah ihm tief in die Augen, sie sah seinen verwunderten Blick, dann senkte er die Augen zum Boden. Sanft hob sie sein Gesicht an, so das er ihr wieder in die Augen sehen musste. Sie fand nicht die passenden Worte für ihre Entscheidung, somit rückte sie noch ein Stück näher an ihn heran.

Rokko wusste nicht ob es wirklich real war was da gerade geschah, war sie wirklich so leicht rumzukriegen? Konnte er so leicht seine Ziele erreichen? Die anderen würden ihm das nie glauben, doch ihr Gesicht kam seinem immer näher bis sich ihre Lippen zuerst nur ganz leicht auf die Seinen legten. Vorsichtig erwiderte er den Kuss, was Lisa dazu veranlasste ihn zu intensivieren.

 

„Spiel nicht mit mir,“ flüsterte er als sie sich wieder voneinander lösten.

 

Lisa sah ihn an und schüttelte den Kopf, „Ich werde mit David nie wirklich Glücklich sein können, ich werde nie ich selbst sein können, müsste immer Angst haben seinen Erwartungen und Wünschen nicht gerecht zu werden. Im Gegensatz zu dir, du liebst mich Selbstlos, so wie ich David geliebt habe. Das macht wahre liebe aus.“ Flüsterte sie und war selber über ihre Worte überrascht.

 

Rokko lächelte und musste aufpassen, das sein Lächeln nicht zu einem Siegessicheren Grinsen wurde. Er hätte nie im Leben gedacht das es so einfach werden würde, sicher hatte er Gefühle für sie, ja er leibte sie, aber trotzdem gehörte das alles auch zu einem großen Plan. Da durfte er sich keinen Fehler erlauben, er wollte seinen Vater nicht enttäuschen. Langsam beugte er sich wieder zu Lisa vor und gab ihr einen zarten Kuss.

 

„Du weißt gar nicht wie viel mir diese Worte bedeuten.“ Flüsterte er.

 

 

David wusste nicht wie lange er nun schon auf seinen Halbbruder starrte, in der Ferne konnte er schon die Sirenen hören. Er sprang auf und lief in die Küche er wusste das dort ein Verbandskasten deponiert war, er stand immer noch an der gleichen Stelle. Schnell zog er ihn aus dem Schrank und ging zurück ins Wohnzimmer. Vorsichtig begann er Richards Wunden zu versorgen, doch seine Gedanken rasten. Wer hatte ihm das angetan und warum? Hatte es vielleicht etwas mit ihm zu tun? Waren es die gleichen Entführer gewesen? Er bemerkte nicht wie Richard zitternd die Augen öffnete und ihn ansah, erst als er versuchte von ihm weg zu rutschen bemerkte David das er wach war.

David kniete sich neben seinen Kopf, legte seine Hand an Richards Kopf.

 

„Ruhig Richard, ich bin es. David.“ Versuchte er seine Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen, „Ich bring dich hier raus, die Rettung ist unterwegs.“ Horchte er auf die immer näher kommenden Sirenen, „Hörst du? Sie sind gleich da.“

 

Richard versuchte seinen Blick auf David zu konzentrieren, war er das wirklich oder spielten seine Sinne ihm einen Streich? David war doch verschwunden, entführt, wie konnte er dann hier sein? Oder hatten sie ihn auch nach hier gebracht und er hatte sich irgendwie befreien können? War wirklich alles vorbei? Er hörte wie Reifen quietschend zum Stillstand kamen, panisch suchte er Davids Blick, er begann zu zittern.

Doch bevor David ihn irgendwie beruhigen konnte knieten schon Sanitäter neben ihnen und zwei Polizisten betraten das Haus.

David stand auf und ging auf sie zu, jedoch warf er immer wieder einen Blick zu Richard. Er hatte seine Angst praktisch gespürt.

 

„Sie haben uns gerufen?“ fragte ihn nun einer der Beamten.

 

„Ja,“ nickte David und sah wieder zu den Sanitätern, die sich nun über seinen Bruder beugten.

 

„Wissen sie was hier passiert ist Herr?“

 

„Seidel, David Seidel. Nein das weiß ich nicht. Das Haus gehört unserem Vater und ich wollte eigentlich nur ein paar ruhige Tage hier verbringen als ich ihn gefunden habe.“

 

„Kennen sie seinen Namen?“

 

„Er ist mein Bruder, Richard von Brahmberg.“ Antwortete er. Der Beamte nickte seinem Kollegen nur zu, der dann wieder hinaus zum Streifenwagen ging.

 

„Wie haben sie ihn gefunden Herr Seidel?“

 

„Er lag auf dem Boden und war an Händen und Füßen mit Kabelbinder gefesselt, welche dann noch durch ein Seil verbunden waren.“ Beschrieb er weiter und wies mit der Hand auf das durchtrennte Seil und die Reste des Kabelbinders. Der Beamte folgte seinem Blick und schrieb wieder etwas in seinen Block.

 

„Haben sie irgendeine Ahnung warum sie ihn hier so gefunden haben? Wer dafür verantwortlich ist?“

 

Nein, aber ich habe mich noch vor ein paar Tagen in einer ähnlichen Situation in unserem Familienforst befunden.“ Antwortete er und blickte zu Boden. Der Beamte sah ihn fragend an, doch bevor er antworten konnte kam sein Kollege wieder herein.

Die Beamten entfernten sich einige Schritte von ihm und unterhielten sich leise, immer wieder warfen sie nicht deutbare Blicke zu ihm und Richard hinüber.

 

Davids Blick heftete sich nun wieder auf Richard und die Sanitäter, die ihn immer noch versorgten, er sah wie einer von ihnen die Bahre fertig machte und wie sie ihn dann hinauf legten. Seine Handgelenke waren provisorisch verbunden, ebenso die Füße, sie hatten sein Hemd aufgeschnitten und David konnte seine Geschundene Brust erkennen. An der Rechten Seite war ein riesiger Bluterguss und überall waren kleinere Abschürfungen und Risse. Seine linke Schulter war violett-gelblich verfärbt und unterhalb des Brustkorbes erkannte er mehrer Schnittwunden. Er fing Richards Blick auf, sein linkes Auge war fast komplett zugeschwollen und auch seine Kieferpartie war bläulich verfärbt. Er hatte noch kein Wort gesprochen, doch seine Augen sagten mehr als Worte je ausdrücken konnten. Immer noch konnte David die Angst darin erkennen und doch sah er auch Dankbarkeit. David zwang sich zu einem Lächeln und ging zu seinem Bruder hinüber.

 

„Es wird alles wieder Richard, du bist in Sicherheit.“ Sagte er leise und berührte ihn kurz an der Hand, dann wandte er sich zu den Sanitätern, „Wo bringen sie ihn hin?“

 

„In die Marienklinik,“ kam die angebundene Antwort, anscheinend wollten sie so schnell wie möglich los.

 

„Danke,“ sagte David nur und wandte sich dann wieder an Richard, „Ich lass dich jetzt nicht alleine, ich komme nach versprochen.“ Sagte er und erkannte eine Regung in seinem Blick. Richard kämpfte nicht mehr gegen die Müdigkeit, die ihn zu übermannen drohte, er warf David noch einen kurzen Blick zu, dann schloss er die Augen.

David wollte sich auf den Weg zu seinem Wagen machen, um hinter dem Rettungswagen herzufahren, doch die Beamten hielten ihn auf.

 

„Herr Seidel? Sie wissen das gegen ihren Bruder ein Haftbefehl erlassen wurde?“

 

„Was?!“ fragte er lauter als beabsichtigt nach.

 

„Herr von Brahmberg steht unter dringendem Tatverdacht sie entführt zu haben.“

 

David schüttelte nur wütend den Kopf, „Ich habe Frau Dorn gesagt das er nichts damit zu tun hat!“ polterte er los, „ Erstens waren es mehrere, die mich entführt haben. Zweitens hatte keiner von ihnen Richards Statur und drittens, wenn er mich entführt hätte, wieso sollte ich ihn dann hier so zugerichtet finden?!“

 

„Sie sagten gerade das es mehrere waren, vielleicht waren sie sich uneinig was die Aufteilung des Lösegeldes anbelangt.“

 

David seufzte, „Er war es nicht, da bin ich mir zu 100% sicher“

 

„Und warum?“

 

„Weil er nicht solche Spuren hinterlassen hätte! Ich kenne meinen Halbbruder, er ist zu intelligent um solche Fehler zu machen.“

 

„Jeder macht irgendwann mal einen Fehler.“

 

„Ich weiß, aber das war nicht einer, sondern gleich mehrere.“

 

„Trotzdem müssen wir das Frau Dorn und der Sonderkommission melden.“

 

„Tun sie was sie nicht lassen können.“ Brummte er, „Kann ich jetzt gehen?“

 

„Sicher Herr Seidel, wir haben keine Fragen mehr an sie.“

 

 

So schnell er konnte rannte David zu seinem Wagen, startete den Motor und fuhr in Richtung Marienklinik. Das er dabei mehr als eine Geschwindigkeitsbegrenzung missachtete war ihm egal. Er hatte kein gutes Gefühl, immer wieder hatte er Richards Blick vor Augen, es war das erste Mal gewesen, das er Angst in dessen Augen gesehen hatte. Richard war immer stark gewesen, schon als Kind war es so. Das erste Mal wurde David bewusst, das er ihn nie hatte weinen sehen. Mit quietschenden Reifen hielt er auf dem Parkplatz der Klinik, sprang aus dem Wagen und rannte auf den Eingang der Notaufnahme zu. Gerade wollte er sich nach Richard erkundigen als er sah wie die Türe zu einem der Behandlungsräume geöffnet wurden. Für einen Moment konnte er ihn sehen, ein hektisches piepen drang an sein Ohr, mehrere Ärzte beugten sich über Richard, eine Schwester schob hektisch irgendein Gerät in den Raum. Kurz bevor sich die Türe wieder schloss konnte David einen Blick auf den Monitor werfen, er hatte das Gefühl man würde ihm den Boden unter den Beinen wegziehen. Das durfte nicht sein, rückwärts stolperte er wieder hinaus, griff nach seinem Handy und wählte die Nummer von Sophie.

 

Kapitel 8

 

 

Sophie befand sich gerade in einer Besprechung mit Friedrich und Lisa als sie von ihrem Handy unterbrochen wurde. Sie beachtete die missbilligenden Blicke nicht weiter, sah auf das Display, runzelte die Stirn, als sie sah wer sie da anrief und hob ab. Das Gespräch war eher einseitig, nur Sophies Miene verriet das wirklich jemand am anderen Ende mit ihr sprach. Die Fassade fiel von ihr ab und ein Ausdruck tiefster Sorge erschien stattdessen. Ihr Blick ging in die Ferne, das sie nicht alleine im Büro war trat in den Hintergrund. Sie beendete das Gespräch mit einem Danke und das sie sich sofort auf den Weg machen würde, dann verschwand das Handy wieder in ihrer Handtasche.

 

Lisa und Friedrich wechselten einen nicht deutbaren Blick, was war das denn jetzt? Zuerst zitierte Sophie sie beide in ihr Büro um über die bald wieder anstehende Präsentation der neuen, noch nicht vorhandenen Kollektion, zu sprechen und nun reagierte sie überhaupt nicht mehr und starrte an die Wand.

 

„Können wir dann weiter machen Sophie?“ fragte Friedrich scharf um sie wieder ins hier und jetzt zurück zu holen.

 

„Bitte?“ fragte sie verwirrt nach, kaum wahrnehmbar schüttelte sie den Kopf um wieder klar denken zu können. Um das was David ihr gerade mitgeteilt hatte zu verarbeiten und zu reagieren. Er hatte Richard gefunden, im alten Jagdhaus, er war wohl ebenfalls entführt worden und nun wartete David auf sie in der Marienklinik. Es sähe schlimm aus, hatte er gesagt, er wüsste allerdings noch nichts genaues.

 

„Die Kollektionsbesprechung wegen der Präsentation.“ Mischte sich nun auch Lisa wieder ein, „Sie haben uns doch hier her zitiert, also was wollen sie uns mitteilen?“ war auch ihre stimme nun schärfer. Immerhin hatte Sophie, sie und Rokko unterbrochen zueinander zu finden. Lisa hätte zu gerne mit ihm darüber geredet wie es nun weiter gehen sollte zwischen den beiden. Zwar wollte sie mit David abschließen, doch das würde nicht einfach werden.

 

„Wir müssen das verschieben, „stotterte Sophie und nahm ihre Tasche, „Ich muss dringend weg.“

 

„Verschieben?! Sag mal spinnst du?! Denkst du wir haben nichts besseres zu tun als uns von DIR hier her zitieren zu lassen um dann unverrichteter Dinge wieder zu gehen? Du wolltest diese Besprechung, also ziehen wir das jetzt auch durch.“ Schnaubte Friedrich und versperrte ihr den Weg.

 

„Geh mir aus dem Weg Friedrich, ich muss zu UNSEREM Sohn!“ wurde nun auch Sophie lauter. Eigentlich hatte sie nicht die Absicht gehabt Friedrich oder Lisa zu sagen wo sie hinging, aber in diesem Moment konnte sie einfach nicht an sich halten. Ihre Gedanken wanderten schon wieder zu Richard und was man ihm wohl angetan haben könnte.

 

„Du meinst deinen Sohn,“ sah Friedrich sie kalt an, „So ein Monster, der seinen eigenen Bruder entführt, habe ich nicht gezeugt. Wer weiß mit wem du sonst noch neben Claus und mir ins Bett gehüpft bist.“

 

Ungläubig starrte Sophie ihn an, nur langsam erreichte das Ausmaß seiner Worte ihr Gehirn, dann holte sie aus und schlug Friedrich mit der flachen Hand ins Gesicht. Dieser taumelte von der Wucht und dem Schock einen Schritt zurück und gab somit die Türe wieder frei. Sophie stürmte an ihm vorbei hinaus direkt in den sich gerade öffnenden Aufzug. Als sie dann in ihrem Wagen saß musste sie erst einmal tief durchatmen, dann startete sie den Motor und fuhr auf schnellstem Wege zur Marienklinik.

 

 

Ungeduldig ging David auf dem Flur auf und ab, der Arzt war kurz bei ihm gewesen, um ihn zu informieren das sie ihn nun operieren würden und wie es um ihn stand. Innere Blutungen , hatte man ihm gesagt. Doch es dauerte ihm schon viel zu lange, hinzu kam, dass Sophie schon längst hätte hier sein müssen. So lange brauchte sie von Berlin nun auch wieder nicht hier raus. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm aber auch, das er sich bei seiner Mutter melden sollte, wenn er nicht wollte das sie sich Sorgen machte. Schnell trat er nach draußen, gab vorher noch der Schwester bescheid, das er kurz telefonieren würde, dann wählte er die Nummer der Villa.

 

„Seidel?“ meldete Laura sich.

 

„Hallo Mutter,“ begann er und zögerte dann, „Ich wollte nur sagen das es mir gut geht.“

 

„Das ist schön mein Schatz. Bist du gut auf Sylt angekommen?“

 

Er zögerte, konnte er ihr die Wahrheit sagen? Und wenn ja wie würde sie reagieren?

 

„David? Bist du noch dran?“ fragte sie da auch schon besorgt nach.

 

„Ja, also ich...ich...ich bin nicht auf Sylt Mutter.“

 

„Wie nicht auf Sylt? Wo bist du? Ist wirklich alles in Ordnung?“

 

„Ich war in der alten Jagdhütte und...und...Richard war da....er...sie...also...“

 

„In der Jagdhütte? Richard? David was ist passiert?“ schwang immer mehr Sorge in Lauras Stimme mit, „Wo bist du jetzt?“

 

„In der Marienklinik, aber mir geht es gut.“

 

„Im Krankenhaus?! David fehlt dir irgendwas? War es doch Richard?“

 

„Nein, mir fehlt nichts Mutter. Richard war es nicht...ich...ich habe ihn dort gefunden, gefesselt und...und sie operieren ihn seit über 2 Stunden....und Sophie...sie wollte schon längst hier sein...ich...ich weiß einfach nicht was ich machen soll Mama...was wenn er...wenn er....“

 

„Bleib ganz ruhig Junge, ich mache mich sofort auf den Weg. Bleib einfach wo du bist OK?“ schnappte Laura sich ihre Handtasche im Flur, sowie die Autoschlüssel. David hörte sich nicht gut an, er schien sich Sorgen um Richard zu machen und aus dem was er erzählt hatte schien es wirklich ernst zu sein. Auch wenn sie ihn bis jetzt noch nicht wirklich als einen Teil ihrer Familie akzeptiert hatte, so hatte David ihr die Augen geöffnet. Auch wenn Richard intrigant war, wenn er immer gegen David gewesen war und nur auf seinen Vorteil bedacht, war er immer noch der Sohn ihres Mannes, Davids Bruder und sie durfte ihn nicht weiter ausschließen. Sie verabschiedete sich von David und hielt das nächst beste Taxi an.

 

Nicht wirklich beruhigt ging David wieder hinein, sie operierten immer noch, teilte ihm die Schwester am Empfang mit. Er bedankte sich kurz und ließ sich dann auf einen der Stühle fallen. Das Warten  und die Ungewissheit zehrten an seinen Nerven und er sehnte sich nach einer Schulter an die er sich lehnen konnte.

Die große Doppeltüre öffnete sich schwungvoll und ein Arzt trat auf ihn zu, vor ihm blieb er stehen, dann sprach er ihn an.

 

„Herr Seidel?“ fragte er.

 

„Ja?“ sprang David sofort auf, „Wie geht es ihm?“

 

„Nun setzten sie sich erst mal wieder. Ihrem Bruder geht es den Umständen entsprechend, er hat viel Blut verloren, aber er ist nicht mehr in Lebensgefahr. Wir konnten die Blutung stoppen, allerdings ist sein Kreislauf vorher mehrmals gefährlich abgesackt. Zudem hat er multiple Prellungen im Thoraxberreich, eine starke Unterkieferprellung, eine ausgekugelte Schulter und die Schnittwunden an den Hand- sowie Fußgelenken. Das hört sich jetzt alles schlimmer an als es ist. Es wird nur etwas dauern, bis er wieder ganz der alte ist, aber sonst wird ausser ein paar Narben nichts zurück bleiben.“

 

David besah sich seine eigenen bandagierten Hände, er wusste von welchen Narben der Arzt sprach, doch bei Richard hatte alles viel schlimmer ausgesehen.

 

„Seine...seine Hände...was ist mit ihnen?“ fragte er deshalb noch einmal nach.

 

„ Wir haben sie in der OP direkt mit versorgt. Die Schnittwunden durch die Kabelbinder waren tief, aber es wird heilen. Es braucht halt nur alles seine Zeit.“

 

„Danke, kann ich zu ihm?“ fragte er dann.

 

„Sicher kommen sie mit.“ Lächelte ihm der Arzt freundlich zu, „er schläft noch, aber es wird besser sein wenn ein bekanntes Gesicht in der Nähe ist wenn er aufwacht.“ Ging er voran.

 

 

 

 

Lisa und Friedrich sahen Sophie fassungslos hinterher, erst als die Aufzugtüren sich hinter ihr schlossen konnten sie den Blick abwenden. Auf Friedrichs Wange war immer noch ihr Handabdruck zu sehen, doch die Ohrfeige hatte weder ihn, noch Lisa sich beruhigen lassen, im Gegenteil.

 

„Was bildet diese Frau sich eigentlich ein?“ polterte Lisa als erstes los, „als hätte ich nichts besseres zu tun, als hier raus zu fahren zu einer Besprechung, die sie dann doch wieder abbläst und dann wird sie auch noch Handgreiflich, das gibt´s doch nicht. Nicht in meiner Firma, nicht mit mir!“ schnaubte sie vor Wut.

 

„So war sie schon immer, sie hat einfach keinen Anstand. Was haben Claus und ich nur damals an ihr gefunden?“ schüttelte Friedrich den Kopf, „Dazu hat sie doch gar keine Ahnung vom Geschäft. Sie war Model, ich bitte sie Frau Plenske, ein Model in einer Führungsposition.“ Hielt er sich immer noch die Wange.

 

„Ich werde mich sofort darum kümmern, aber zuerst muss ich Rokko bescheid sagen, das ich später erst wieder komme.“

 

„Rokko? Herrn Kowalski?“ fragte Friedrich nach und runzelte kurz die Stirn, „Ich dachte sie waren bei David.“

 

„Da war ich auch,“ verdunkelte sich ihre Miene noch ein wenig mehr und Friedrich ahnte, das sein Sohn wieder irgendwas angestellt hatte.

 

„Was hat er diesmal angestellt`“

 

„Er will keine Beziehung mit mir, er meint er kann mir nicht das geben was ich verlange. Ist denn ein wenig Liebe schon zu viel verlangt Herr Seidel? Die ganze Zeit habe ich mir die größten Sorgen gemacht, bin durch die Hölle gegangen und jetzt wo ich dachte, das alles wieder gut wird, da serviert er mich wieder ab.“ Sah sie traurig zu boden, nichtsahnend das ihr die Hölle erst noch bevor stand.

 

Kapitel 9

 

Vorsichtig betrat David das Zimmer, in dem Richard lag. Hinter seinem Bett stand ein Überwachungsmonitor und das immer wiederkehrende piepen ließ David ein wenig ruhiger werden. Er setzte sich auf den Stuhl neben das Bett und betrachtete seinen Bruder. Die Verfärbungen am Kinn waren inzwischen tiefblau und schimmerten leicht. Er sah es sich genauer an und stellte fest, das man ihm dort eine Salbe aufgetragen hatte. Sein Blick glitt von Richards Gesicht, über die bandagierte und fixierte Schulter über seinen Oberkörper zu seinen Händen. Sie waren dick einbandagiert, dicker wie seine, wie er feststellte. Kurz zögerte er, dann nahm er vorsichtig seine rechte Hand. Es kam ihm komisch vor hier so zu sitzen und mit seinem Bruder Händchen zu halten, doch auf der anderen Seite wusste er das es so richtig war.

 

Richard spürte das jemand an ihn heran trat, instinktiv wollte er zurück zucken. Er rechnete mit neuen Schlägen und Tritten. Doch sein Körper wollte ihm nicht gehorchen. Jemand griff nach seiner Hand, ängstlich wartete er ab. Nichts geschah, er spürte nur wie eine warme Hand seine umschloss und festhielt. Vorsichtig bewegte er seine Finger, der Druck auf seine Hand veränderte sich jedoch nicht. Gefühl kam in seinen tauben Körper zurück, sein Kopf fühlte sich schwer und schwammig an. Ein pochen durchzog ihn von den Zehenspitzen bis in die Schultern. Mühsam öffnete er die Augen und stellte dabei fest, dass er durch das linke so gut wie nichts erkennen konnte. Ein stöhnen entfuhr seinem Mund, woraufhin ein stechender Schmerz seinen Kiefer durchfuhr.

 

Erstaunt sah David auf die Finger, die vorsichtig über seine Hand strichen. Sein Blick schnellte zu Richards Gesicht, er sah wie sich die Augen unter den Liedern bewegten, wie sie zuckten blinzelten, bis sich das rechte vollständige öffnete.

 

„Schsch Richard,“ konnte er es nicht lassen ihm vorsichtig über das Haar zu streichen, „ Es ist vorbei.“

 

Leicht drehte Richard den Kopf, verschwommen erkannte er eine Gestalt neben seinem Bett, die nur langsam klarer wurde. Er erkannte die Stimme, war das David? Er blinzelte noch ein paar mal, dann war das Bild endlich scharf. Sein Bruder saß neben seinem Bett, strich ihm über das Haar und hielt immer noch seine Hand.

 

„D...d...dah..“ brach er ab als der Schmerz unerträglich wurde.

 

„Nicht sprechen Richard, es ist OK.“ Lächelte er ihn an.

 

„W...ohh?“

 

„Im Krankenhaus, ich habe dich in der Hütte gefunden. Du bist in Sicherheit.“

 

Richard schien sich mit der Antwort zufrieden zu geben, kurz schloss er die Augen wieder und als er David dann wieder ansah, sah dieser erneut Dankbarkeit in ihnen.

 

„Nichts zu danken,“ lächelte er ihn an, „Wie fühlst du dich denn jetzt?“ wurde seine Miene sofort jedoch wieder besorgt, „Schmerzen?“

 

„Ght.“ Bekam er eine genuschelte antwort und er verstand, das er Schmerzen beim sprechen hatte. Der Arzt hatte ihm so etwas schon gesagt bevor er das Zimmer betreten hatte. Deswegen nickte er nur.

 

„Ich habe Sophie schon angerufen, sie ist auf dem Weg hier her.“

 

Richard wollte darauf antworten, doch dann überlegte er es sich anders. Die Schmerzen in seinem Unterkiefer ließen erst langsam wieder nach und er hatte nicht das Bedürfnis sie wieder aufleben zu lassen. Kurz schloss er die Augen, öffnete sie wieder und hoffte das David verstand das er so eine zustimmende Antwort symbolisieren wollte. Dieser nickte nur, versuchte sich an einem weiteren Lächeln und setzte sich wieder auf den Stuhl. Richards Blick folgte ihm dabei.

 

 

Friedrich sah Lisa mit gemischten Gefühlen hinterher, als diese in den Aufzug stieg. Er konnte sie auf der einen Seite verstehen. Davids Verhalten war nicht akzeptabel. Doch auf der anderen Seite verstand er nicht warum sie sich nun mit aller Gewalt Rokko Kowalski zuwandte. Sie hatte so lange um David gekämpft, ihn anderthalb Jahre hoffnungslos geliebt und jetzt wo es Hoffnung gab, gab sie nach dem ersten kleinen Rückschlag auf? So langsam glaubte auch Friedrich das sich sein Sohn nur in einer Phase befand. In den letzten 24 Stunden hatte er viel nachgedacht, er war noch einmal zurück in den Wald gefahren zu der Hütte, in der man David festgehalten hatte. Er stand nur vor der Türe und ihn hatte schon eine Art Klaustrophobie befallen. Wie musste David gefühlt haben, in der Enge, angekettet wie ein Hund? Seiner Würde beraubt, gedemütigt, gequält, physisch wie psychisch. In diesem Moment, wo er da stand, er am liebsten Weglaufen wollte hatte er beschlossen seinem Sohn die Zeit zu geben, die er brauchte. Friedrich wusste, das ihm das schwer fallen würde, doch er schwor sich immer wieder den Anblick des Bretterverschlages vor sein inneres Auge zu führen wenn er zweifelte. Er ließ sich in Davids Bürosessel fallen und stütze den Kopf in die Hände. Was musste seine Familie noch durchmachen in diesem Leben?

 

 

Wütend stapfte Lisa über Berlins Straßen, sie konnte immer noch nicht fassen das Sophie die Besprechung wegen Richard hatte ausfallen lassen. Ausgerechnet wegen Richard. Vielleicht sollte sie Frau Dorn bescheid geben das Mutter und Sohn immer noch Kontakt hielten, vielleicht würde David wieder normal wenn Richard endlich gefasst war. Sie stockte, warum dachte sie schon wieder an David, sie wollte nicht mehr an ihn denken, wollte ihn vergessen. Sie beschleunigte ihren Schritt und schon nach wenigen Minuten stand sie wieder vor Rokkos Tür. Nervös drückte sie auf den Klingelknopf und es dauerte nicht lange, da wurde ihr geöffnet.

 

„Das ging aber schnell,“ sah Rokko sie erstaunt an, er trug nur ein Handtuch um die Hüften, aus seinen Haaren tropfte noch das Wasser und in der linken Hand hielt er sein Handy, „Komm rein.“ Trat er zur Seite und ging voraus, deutete ihr sich zu setzten und verschwand im Badezimmer.

 

„Sie ist schon zurück,“ flüsterte er in das Handy, „Was weiß ich denn warum, ich habe sie nur gerade hinein gelassen! Ja, ja ist gut, ja ich weiß wie wichtig sie ist wenn wir unser Ziel noch erreichen wollen. Nein sie kann mich gerade nicht hören, wie er ist weg? Wie kann der denn weg sein? Der war doch verschnürt wie ein Postpaket. Natürlich weiß ich was das heißt, aber wie wollen wir nun weiter vorgehen? Gar nicht? OK, natürlich vertraue ich dir. Gut, ich weiß was ich zu tun habe.“ Er warf einen nervösen Blick zur Türe dann beendete er das Gespräch in normaler Lautstärke, „Grüß Mama von mir. Ich melde mich Papa.“

 

Schnell zog er sich eine Jogginghose und ein buntes Hemd über, rubbelte sich mit dem Handtuch noch mal über die Haare und trat dann aus dem Badezimmer, „Mein Vater,“ lächelte er sie entschuldigend an und setzte sich neben sie auf die Couch. „Aber hattest du nicht eine Besprechung mit der alten Brahmberg?“

 

„Eigentlich schon, aber sie hat Herrn Seidel und mich einfach so stehen lassen, sie trifft sich lieber mit Richard.“ Schnaubte Lisa wütend und zog die Augenbrauen zusammen.

 

„Mit Richard?! Aber, er...er ist doch...ich meine er hat das David doch angetan.“ Bekam Rokko so gerade noch die Kurve bis er sich verquatschen konnte. Er war sich nicht sicher ob Lisa nicht skeptisch geworden wäre, wenn er verschwunden gesagt hätte.

 

„Eben und das weiß diese alte, alte, alte Kuh auch.“ Redete sich Lisa in Rage, „Ich sollte Frau Dorn informieren, aber die glaubt mir ja nichts.“ Verschränkte sie nun die Arme vor der Brust.

 

„Das hat bestimmt Herr Seidel schon getan,“ strich er ihr sanft über die Schulter.

 

„Meinst du?“

 

„Da bin ich mir ganz sicher, immerhin geht es um seinen Sohn.“

 

„Söhne,“ korrigierte sie ihn.

 

Rokko stutze kurz, doch dann verstand er was sie meinte, „Ich meinte David.“

 

„Ich weiß, trotzdem ist auch Richard sein Sohn, auch wenn er das im Gespräch mit Sophie wieder herunter gespielt hat.“

 

„Ich denke, der alte Seidel kann das gut trennen.“ Versicherte Rokko ihr und begann sie leidenschaftlich zu küssen.

 

Lisa wehrte sich nicht dagegen, zwar empfand sie nicht das gleiche, wie wenn Davids Lippen sich nur zu einem leichten Freundschaftskuss auf ihre legten, aber unangenehm war es auch nicht. Immer wieder rief sie sich in Erinnerung, das er sie liebte, das er ihr das gab wonach sie sich sehnte.

 

 

Beruhigt lehnte David sich auf dem doch eher unbequemen Stuhl zurück, vor einigen Minuten war Richard wieder eingeschlafen. Geredet hatten sie nicht mehr viel, er wollte seinen Bruder nicht unnötig belasten und außerdem fiel ihm das Sprechen nach einiger Zeit noch schwerer als so schon. Er war überrascht, das sie sich plötzlich auch Blind verstanden, er hatte ihm eine Frage gestellt und Richard hatte ihn nur angesehen und er wusste die antwort. Sie brauchten keine Worte mehr. War das vielleicht immer schon so gewesen? Hatten sie sich immer schon Blind verstanden und es nur nicht sehen wollen? Waren sie zu sehr in ihrem privaten Kleinkrieg gefangen um die eigentlichen Zeichen zu deuten?

David erinnerte sich zurück an ihre Kindheit, damals hatten sie nie viele Worte gebraucht, weder er, noch Richard, noch Mariella. Wann war ihnen das abhanden gekommen? Wann hatten sie nicht mehr darauf geachtet? Er sah Richard vor sich, seine Augen, als er mit ihm darüber reden wollte das sie nun Brüder waren. Einen Tag nachdem Sophie die Bombe hatte platzen lassen. Genau sah er den Ausdruck in Richards Augen vor sich als er ihn abgewiesen hatte. Sie hatten etwas anderes gesagt, sie hatten um Zeit gebeten. Er seufzte kurz auf und schloss die Augen, er wusste sie durften diese Chance, die sie durch diese skurille Situation hatten, nicht verstreichen lassen.

Erschrocken fuhr er hoch, als die Türe unsanft geöffnet wurde. Sofort glitt sein Blick zu den Verursachern, er sah Kommissarin Dorn und zwei weitere Beamte in Zivil im Zimmer stehen.

Zielstrebig ging sie auf Richards Bett zu, David beachtete sie gar nicht. Grob packte sie ihn an der gesunden Schulter und versuchte ihn zu wecken. 


Kapitel 10

 

 

Stöhnend öffnete Richard ein Auge, ein stechender Schmerz durchzuckte seinen gesamten Körper von der Schulter bis zu den Füßen und irgendwer drückte mit festem Griff dagegen. Im ersten Moment sah er nicht wer sich über ihn beugte. Er erinnerte sich daran, das David bei ihm war, doch würde dieser so etwas tun? Sein Blick schärfte sich und er erkannte eine Frau, die sich mit undurchdringenden Blick über ihn beugte. Durch sein zugeschwollenes Auge war sein Blickfeld jedoch so eingeschränkt, das er sonst niemanden sehen konnte. Panik stieg in ihm hoch als er sie erkannte. Das war doch diese Kommissarin, die ihn für Davids Entführer hielt. Was wollte sie von ihm? Ihr Blick sagte ihm nichts gutes, er war kalt und unwillkürlich durchlief ein Schauer seinen Körper. Er begann zu zittern, doch sie schien es nicht zu bemerken. Wo war David? War er gegangen? Hatte er ihn allein gelassen, hatte er vielleicht die Kommissarin informiert wo sie ihn finden konnte?

Richard wollte sich aus ihrem Griff befreien, alles in ihm schrie danach so viel Abstand wie möglich zwischen sich und diese Frau zu bringen. Vorsichtig versuchte er die Schulter, die sie immer noch gegen das Bett drückte unter ihr wegzudrehen. Ohne Erfolg, stattdessen blitzte es vor seinen Augen auf, die Welt bestand nur noch aus Schatten und Grautönen während sich von seinen Rippen aus ein brennender Schmerz, seiner Stichflamme ähnlich zu seinem Bauch ausbreitete. Nur unter Aufbringung all seiner Willenskraft konnte er einen schmerzerfüllten Aufschrei unterdrücken, stattdessen stöhnte er erneut schmerzerfüllt auf und Tränen schossen in seine Augen.

 

 

„Sind Wahnsinnig!“ hörte er Davids aufgebrachte Stimme, „So können sie nicht mit ihm umgehen! Was wollen sie überhaupt hier?“

 

„Nicht in diesem Ton Herr Seidel!“ fuhr Frau Dorn ihn an und wandte sich für kurze Zeit von Richard ab, „Herr von Brahmberg ist immer noch unser Hauptverdächtiger in ihrem Fall. Nach dem Verhör werde ich ihn verhaften lassen.“

 

„Das können sie nicht machen! Ich habe ihnen gesagt das er es nicht gewesen ist. Haben ihnen ihre Kollegen nicht bericht erstattet wie ich ihn gefunden habe?!“

 

„Doch das haben sie,“ erwiderte sie ruhig.

 

„Und dann halten sie ihn immer noch für den Entführer?“

 

„Gerade deswegen bekommen die Beweise eine ganz neue Tragkraft und an sie Herr Seidel habe ich später auch noch einige Fragen. Es wäre nicht das erste mal, dass das Opfer Selbstjustiz übt und es dem Täter auf gleiche Weise heimzahlen will.“ Sie nickte den beiden Beamten zu und diese packten David grob an seinen Handgelenken und führten ihn hinaus.

 

David biss die Zähne zusammen, die Nähte der Schnittwunden schmerzten unter dem Griff, der Beamten. So gut es ging drehte er sich noch einmal zu Richard um. Es war besser im Moment nichts zu sagen. Zudem brauchten sie keine Worte, David verstand auch so das Richard sich im Moment nicht wohl fühlte und auch wenn er es wohl nie wirklich zugeben würde, Panik stand in seinen Augen. David versuchte ihm durch seinen Blick zu sagen, das er sich darum kümmern würde, das sie ihn nicht mitnehmen würde. Sein Bruder würde nicht unschuldig ins Gefängnis gehen, dafür würde er Sorgen.

 

 

Sophie und Laura waren gleichzeitig im Krankenhaus eingetroffen, verwundert hatten sich angeschaut, doch schon bald waren die Zweifel vergessen. Laura erzählte wie verzweifelt David am Telefon geklungen hatte und Sophie erwähnte den Streit mit Friedrich und Lisa. Zum ersten Mal sah Laura ihre Erzfeindin in einem anderen Licht, sie konnte sie verstehen. Immerhin ging es hier um ihren Sohn und Laura hätte an ihrer Stelle nicht anders gehandelt. Das Friedrich das nicht verstehen konnte war klar, aber sie würde ihm dazu noch die Meinung sagen. Immerhin war Richard auch sein Sohn.

Da sie David nirgendwo sehen konnten erkundigten sie sich am Empfang nach Richard, die Schwester schickte sie in das Büro des behandelnden Arztes und dieser erklärte ihnen wie es Richard ging. Zusammen machte sich das Trio dann auf den Weg, gerade bogen sie um die Ecke in den Flur ein als sie David im Griff von zwei Männern aus dem Zimmer kommen sahen.

Laura und Sophie sahen sich geschockt an, auch wenn sie nicht darüber gesprochen hatten, waren sie jeder für sich sicher, das David und Richard von den gleichen Leuten entführt worden waren. Der Arzt hingegen beschleunigte seinen Schritt und erreichte die kleine Gruppe als erstes.

 

„Was geht hier vor?“ fragte er scharf.

 

„Wir machen nur unseren Job,“ erwiderte einer der Beamten und zückte seinen Dienstausweis.

 

Geschockt sah Laura ihn darauf hin an, „David!“ brachte sie nur geschockt über die Lippen.

 

„Ruf Vater an,“ bat er sie und atmete tief durch um so die Schmerzen an seinen Handgelenken zu mindern, langsam färbte sich einer der Verbände leicht rot. „ Frau Dorn ist bei Richard und verhört ihn.“

 

„Wie bitte?!“ entfuhr es dem Arzt, ohne die Beamten weiter zu beachten stürmte er an ihnen vorbei in das Zimmer.

 

„Sie können da jetzt nicht rein.“ Ließ einer von David ab und wollte den Arzt aufhalten.

 

„Und ob ich das kann, ich bin der behandelnde Arzt und ohne mein Einverständnis werden meine Patienten nicht verhört!“ öffnete er die Türe und verschwand im Zimmer.

 

Sofort zog David seine freie Hand an die Brust, nur langsam ließ das pochen in ihr nach. Er fing einen Blick seiner Mutter auf und nickte ihr zu, woraufhin Laura den Gang zum nächsten Telefon hinunter eilte.

Sophie stand geschockt, vor David und den Beamten. Wie in Trance nahm sie wahr, wie der eine seine Taschen durchsuchte.

 

„Hast du die Handschellen dabei?“ fragte er seinen Kollegen, doch dieser schüttelte den Kopf, „Nun gut dann müssen wir halt die hier nehmen.“ Fischte er ein paar Kabelbinder aus der Innentasche seiner Lederjacke.

 

Sie sah wie Davids Augen sich veränderten, Panik stieg in ihnen hoch. Er suchte ihren Blick hielt ihn fest. Sie sah wie er den Mund bewegte doch sie hörte nichts, kein Laut kam über seine Lippen. Dann war die Panik plötzlich verschwunden, mit leerem Blick starrte er sie an. Sie riss sich aus ihrer starre und trat nun vor die Beamten.

 

„Wenn sie das tun dann sind sie die längste Zeit Polizisten gewesen.“ Zischte sie.

 

„Wir machen nur unseren Job, Anweisung ist Anweisung.“ Zuckten sie allerdings nur unbeteiligt mit den Schultern.

 

„Von wem?“ Sophies Stimme war gefährlich ruhig, immer wieder suchte sie den Blickkontakt zu David, doch dieser schien sich komplett aus dieser Welt zurück gezogen zu haben.

 

„Es geht sie zwar nichts an Frau....“

 

„von Brahmberg!“

 

„Frau von Brahmberg, aber auf Anweisung von Kommissarin Dorn.“

 

„Wenn Frau Dorn wieder aus dem Zimmer meines Sohnes kommt wird sie die längste Zeit Kommissarin gewesen sein! Kein Wunder das so viele Verbrechen geschehen wenn die Polizei anstatt die Täter zu suchen, die Opfer verdächtigt!“

 

David nahm Sophies Worte wie durch Watte wahr. Krampfhaft versuchte er die Bilder aus der Hütte zu verdrängen, die sich immer wieder in seinen Kopf drängten. Panisch versuchte er einen klaren Gedanken zu fassen, doch alles an was er denken konnte war das er hier weg musste, raus musste, sich aus dem Griff befreien. Er bemerkte nicht wie Frau Dorn, gefolgt von dem Arzt aus dem Zimmer trat. Das einzige was er bemerkte war wie man ihn losließ, sofort entfernte er sich einige Schritte von den Beamten, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und begann zu zittern. Nur langsam kehrte er ins hier und jetzt zurück, er sah seine Mutter wiederkommen, ein entschlossener Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.

 

 

Friedrich kochte vor Wut, nach dem Anruf seiner Frau hatte er sich sofort auf den Weg zum Polizeipräsidenten gemacht. Wie konnte diese Person es nur wagen seinen Sohn so zu behandeln, seine Söhne so zu behandeln. Auch wenn er noch nicht ganz überzeugt war, das Richard mit Davids Entführung nichts zu tun hatte, so ging es nicht. Laura hatte ihm erzählt das es Richard wohl noch schlimmer erwischt hatte als David. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen wie es in den beiden nun aussehen musste. Nun saß er in dessen Büro und hielt ihm die gesamte Inkompetenz seines Personals vor. Er verlangte, das Frau Dorn mit sofortiger Wirkung der Fall entzogen wurde.

Der Polizeichef hörte sich alles in Ruhe an, es war nicht das erste mal, das ihm zu Ohren kam, das Kommissarin Dorn ihre eigenen Methoden hatte. Doch bis jetzt hatte sie jeden ihrer Fälle gelöst, weshalb er nie viel darauf gegeben hatte. Nun sah das anders aus, er konnte seinen Golffreund nur zu gut verstehen. Seine Söhne waren die Opfer und aus den Schilderungen, sowie der Akte, die er sich hatte kommen lassen musste er ihm recht geben. Sofort griff er zum Höher und wählte die Piepernummer der Kommissarin, da sie sich im Krankenhaus aufhielt würde sie ihr Handy aus haben, obwohl inzwischen würde es ihn nicht mehr wundern wenn dem nicht so wäre.

Es dauerte keine zwei Minuten da kam der Rückruf, unmissverständlich machte er ihr klar, das er sie von dem Fall Seidel / von Brahmberg abzog, das sie sofort das Krankenhaus verlassen und sich auf den Weg ins Präsidium machen sollte. Wie zu erwarten kamen ein paar Wiederworte und er musste sich beherrschen sie nicht sofort am Telefon zu feuern, denn das würde er tun wenn sie herkam. Kommissarin Dorn war untragbar geworden.

 

 

Nachdem die Kommissarin und die Beamten gegangen waren wandte sich der Arzt David zu, vorsichtig nah er seine Hand und betrachtete sich den leicht verfärbten Verband.

 

„Kommen sie Herr Seidel, das sehe ich mir lieber noch einmal an.“ Sagte er sanft und schob David in Richtung der Untersuchungsräume.

 

„Was ist mit Richard?“ fragte dieser jedoch nur, er hatte nicht mitbekommen wie der Arzt seiner Mutter und Sophie bedeutet hatte, das sie zu ihm konnten.

 

„Es geht ihm gut, nur ein bisschen viel Aufregung, aber nichts ernstes.“ Beruhigte er ihn, „Ihre und seine Mutter sind jetzt bei ihm.“

 

David gab sich mit der Antwort zufrieden, ließ sich auf dem Stuhl nieder und den Arzt seine Hand behandeln. Ein Teil der Naht war aufgegangen und musste wieder vernäht werden. Danach machte er sich wieder auf den Weg zu seinem Bruder.

Leise öffnete er die Türe, Richards Blick heftete sich sofort auf ihn. Er trat an das Bett, versuchte zu lächeln, ihm so Kraft zu geben, doch wirklich wollte es ihm nicht gelingen. Auch ihm saß der Schock noch in den Knochen. Vorsichtig setzte er sich auf das Bett zu ihm, die Lippen aufeinander gepresst um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.

Richard hob die Hand, signalisierte ihm so das er sie ergreifen konnte. Er spürte seine Finger, umschloss seine Hand und strich darüber. Richard sah ihn immer noch an, ihre Mütter, die immer noch im Zimmer waren hatten sie vollkommen vergessen.

 

Sophie und Laura sahen sich gerührt an, so waren die beiden noch nie miteinander umgegangen, noch nicht mal als Kinder. Beide fragten sich warum erst die Hölle ausbrechen musste damit dies passierte. Auf ihren Gesichtern erschien ein Lächeln, verstohlen wischten sie sich die Tränen aus dem Gesicht. Wie von selbst vergaßen auch sie ihre Feindschaft, akzeptierten sich und erkannten das sie eine Familie waren.

 

Die beiden Brüder sahen sich immer noch in die Augen, beide sahen sie die Tränen schimmern. Es gab keinen Grund mehr sie zurück zu halten, dieses Erlebnis hatte sie vereint. David versuchte sich zu erinnern wann er Richard das letzte mal hatte Weinen sehen. Es gelang ihm nicht.

 

„I...ich...“ begann Richard und holte somit alle in die Realität zurück, er schloss die Augen, atmete so tief es ohne Schmerzen ging durch und öffnete sie dann wieder, „Ich will hier raus.“ 

 

 

Kapitel 11

 

 

Zwei Wochen waren seitdem vergangen, sie hatten Richard noch am selben Tag mit in die Villa genommen. Sein behandelnder Arzt war davon zwar nicht begeistert gewesen, jedoch hatte er nach einem Gespräch mit David eingesehen das er Richard nicht zwingen konnte, nicht zwingen durfte.

Friedrich war zwar weniger begeistert davon, das Richard nun bei ihnen wohnte, doch er wusste auch das er unter den gegebenen Umständen nicht alleine gelassen werden konnte.

Zuerst hatten sie ihm das Gästezimmer im ersten Stock zurecht gemacht, doch schon in der ersten Nacht war er zu David gekommen. Dieser erinnerte sich noch gut daran, er hatte noch in seinem Wohnzimmer gesessen und über Lisa nachgedacht, als es leise an der Türe klopfte. Zögernd hatte er geöffnet, eigentlich war niemand in der Villa mehr wach. Umso erstaunter war er gewesen das Richard davor stand, Worte waren ab da nicht mehr nötig gewesen. Er hatte ihn hineingelassen, das zweite Deckbett aus dem Schrank gekramt und Richard in sein Bett gepackt. Kurz hatte er überlegt, ob er nicht auf dem Sofa schlafen sollte, doch wenn Richard hätte allein sein wollen wäre er nicht rüber gekommen.

Seitdem teilten sie sich Davids Wohnung in der Villa. Sie trösteten sich gegenseitig wenn sie von Alpträumen geplagt wurden, waren einfach füreinander da. Reden taten sie immer noch nicht viel, zwar ging es Richard schon wesentlich besser, doch beim sprechen hatte er immer noch leichte schmerzen. Wenn es also nicht sein musste ließ er es lieber ganz bleiben und wenn er sprach dann nur sehr langsam und bedächtig. In diesen zwei Wochen hatten David und Laura eine ganz neue Seite an Richard kennen gelernt, die verletzliche Seite. Auch Friedrich blieb das nicht verborgen und so konnte er sich mit der Zeit immer mehr mit dem Gedanken anfreunden, das nun auch sein zweiter Sohn in seinem Haus lebte. Ganz verzeihen konnte er ihm zwar nicht, aber Richard verlangte auch nichts. David hatte bemerkt das er ihrem Vater aus dem Weg ging und auch Laura gegenüber war er zwar höflich, aber zurückhaltend, so als wolle er niemandem zur Last fallen.

Durch Richards Anwesenheit kam auch Sophie täglich vorbei um nach ihrem Sohn zu sehen. Komischer weise war er bei ihr noch verschlossener als sonst, meist sprach er überhaupt nicht mit ihr. David spürte das Sophie das belastete und wollte versuchen herauszufinden warum Richard so abweisend reagierte.

 

Gerade hatte Sophie die Villa wieder verlassen und wieder einmal hatte Richard fast nur geschwiegen. David sah wie sehr Sophie das mitnahm, langsam folgte er ihm ins Schlafzimmer. Die meiste Zeit des Tages verbrachte Richard im Bett, auch jetzt legte er sich wieder hin. Wie immer nach Sophies besuchen starrte er an die Decke.

 

„Richard?“ fragte er leise und zog so die Aufmerksamkeit seines Bruders wieder auf sich.

 

„Hmm?“ brummte dieser nahm jedoch nicht den Blick von der Decke.

 

„Warum redest du nicht mit ihr? Sie macht sich doch nur Sorgen.“

 

„Es geht nicht,“ murmelte er leise.

 

„Aber warum nicht? Was hält dich davon ab mit ihr zu reden?“

 

„Gib ein Ding und nimm ein Ding, um zu tragen des Teufels Ring.“ Presste er hervor und wandte sich dann von David ab. Diesmal sollte er nicht sehen, das ihm die Tränen in den Augen standen.

 

David antwortete darauf nicht, was hätte er jetzt auch sagen sollen? Er wusste nicht was Richard ihm damit sagen wollte, indem er diesen Kinderreim zitierte.

 

 

Zwischen Lisa und Rokko war in den Wochen auch einiges passiert. Durch Davids Abwesenheit in der Firma und somit auch in ihrem Leben hatte Lisa sich voll und ganz auf Rokko einlassen können. Sie hatte nicht bemerkt, das er sich manchmal komisch benahm und wenn doch dann schob sie es auf seinen Character. Er war einfach so, ausgeflippt, etwas überdreht, damit tat sie das ganze ab. Zwar reagierte er übertrieben wenn sich ihre Gespräche doch mal über David drehten, aber auch das redete sie sich schön. Nun saß sie in ihrem Zimmer und dachte über den vergangenen Tag nach. Rokko war zu ihr ins Büro gekommen, er hatte vor ihr niedergekniet und ihr einen Antrag gemacht. Auch wenn sie sich erst einmal Bedenkzeit erbeten hatte so war sie sich nun sicher. David würde sie nie Glücklich machen können. Er dachte immer nur an sich und wie es seinen Mitmenschen ging war ihm herzlichst egal. Keinmal hatte er sich in den zwei Wochen bei ihr gemeldet, zwar hatte sie von Friedrich gehört das es ihm gut ging und er sich zu Hause um Richard kümmerte, doch das zählte für sie nicht. Überhaupt, wenn er es wirklich ernst meinte dann würde er sich um sie kümmern und nicht um Richard. Sie verstand sowieso nicht wie sie ihn in die Villa aufnehmen konnten, nachdem er doch David entführt hatte. Dessen war sie sich immer noch sicher. Wahrscheinlich hatte er sich nur mit seinem Komplizen um das Lösegeld gestritten und hatte dabei den kürzeren gezogen.

Lisa verstand nicht wie David ihn nun auch noch wieder aufbauen konnte. Richard wartete in der Villa bestimmt nur darauf das zu vollenden was er angefangen hatte.

Sie ließ ihren Blick durch ihr Zimmer schweifen, immer wieder blieb er an Sachen hängen die sie an David erinnerten, an Dingen, die er ihr geschenkt hatte.

Ihre Mutter war vor einigen Minuten bei ihr gewesen, sie riet ihr mit ihrem alten Leben aufzuräumen. Überhaupt war ihre Mutter ganz begeistert davon Rokko Kowalski zum Schwiegersohn zu bekommen. Entschlossen stand sie von ihrer Fensterbank auf, zog einen Karton unter ihrem Bett hervor und begann alle Erinnerungen an David einzupacken. Als sie damit fertig war brachte sie ihn auf den Dachboden, das war der letzte Schritt gewesen, nun war sie wirklich frei für Rokko, freudestrahlend machte sie sich auf den Weg zu ihm.

 

 

David merkte das Richard alles gesagt hatte, was er sagen wollte, was er sagen konnte. Kurz legte er ihm die Hand auf die Schultern, signalisierte ihm so das es OK war, das er nicht weiter nachfragen würde. Er stand auf und ging hinunter, er wusste Richard wollte jetzt alleine sein und sein Vater müsste auch bald von Kerima kommen, dann konnte er sich die Tägliche Standpauke warum er immer noch nicht wieder arbeiten ging sofort abholen.

Es war ja nicht so das er gar nicht mehr zu Kerima zurück wollte, nur im Moment ging es halt noch nicht. Nicht solange seine Entführer noch frei waren, er fühlte sich einfach nicht sicher. Zudem hatte Lisa sich, seit sie die Villa so überstürzt verlassen hatte nicht mehr gemeldet und Friedrich hatte mehrmals angedeutet, das sie und Kowalski sich näher gekommen waren.

Ein seufzen entfuhr ihm als er sah, das Friedrich schon auf dem Sofa saß und Zeitung las, er ließ sich auf das gegenüberliegende Sofa nieder und wartete.

Kaum berührte er jedoch das Polster ließ Friedrich die Zeitung sinken und sah ihn durchdringend an.

 

„Bei Kerima ist die Hölle los. Hugo ist noch nicht wieder bereit zu arbeiten und Hannah schafft das so nicht. Lisa macht eine Überstunde nach der anderen und auch ich komme bald nicht mehr nach. Wir brauchen dich David.“ Begann er.

 

„Ich weiß, aber bitte versteh mich doch Vater.“

 

„Ich möchte dich gerne verstehen, aber ich kann es nicht. Ich weiß das du Angst hast, aber wir haben das Sicherheitspersonal verstärkt. Es kann nichts passieren.“

 

„Das weiß ich alles, aber trotzdem bleibt da dieses Gefühl. Und dann ist da noch Lisa.“ Er wandte den Blick ab und sah zu Boden.

 

„Du liebst sie noch.“ Stellte sein Vater fest.

 

„Ich habe sie immer geliebt, ich...sie hat das falsch verstanden damals.“

 

„Dann musst du das klären bevor es zu spät ist, dieser Kowalski ist ganz schön nah am Drücker bei ihr.“

 

„Wie meinst du das jetzt?“

 

„Anscheinend ist er bereit ihr das zu geben was sie will.“

 

Davids Kopf schoss ruckartig nach oben, fassungslos sah er seinen Vater an. War das wirklich wahr? Hatte sie sich wirklich auf Rokko eingelassen? Ein stechen durchfuhr seine Brust, er presste die Lippen aufeinander, stand wortlos auf und ging wieder hoch.

 

„Heißt das, das du morgen mit in die Firma kommst?“ rief Friedrich ihm noch hinterher, doch David antwortete nicht.

 

Oben angekommen stürmte er in seine Wohnung, ließ sich auf das Sofa fallen und ließ den aufgehaltenen Tränen freien lauf. Wie konnte sie sich nur so schnell Kowalski zuwenden? War es wirklich Liebe gewesen was sie für ihn empfunden hatte? Er bemerkte nicht wie Richard sich, durch sein Schluchzen aufmerksam geworden, zu ihm setzte. Erst als er einen Arm um seine Schultern spürte sah er auf.

 

„Was hat er diesmal gesagt?“ fragte Richard und sah ihm dabei in die Augen, „Sag nichts, Lisa.“ Ergänzte er dann als er den Ausdruck sah, David nickte nur.

 

„Sie....sie muss wohl also...Kowalski und sie...sind sich wohl näher gekommen.“

 

„Wenn dem wirklich so ist, dann hat sie dich auch nicht verdient David.“

 

„Aber...aber ich liebe sie doch.“ Schluchzte er, „Ich habe sie immer geliebt, die ganze Zeit. Ich...ich konnte direkt nach der Entführung halt nur nicht sofort da weitermachen wo wir aufgehört hatten....ich...aber das hieß doch nicht das ich sie nicht mehr geliebt habe.“

 

„Hast du ihr das auch so gesagt?“ fragte Richard nach, er wusste das David oft das gegenteil sagte von dem was er meinte.

 

„Ja, natürlich. Ich habe ihr gesagt das ich ihr im Moment nicht das geben kann was sie von mir erwartet. Das ich nicht von 0 auf hundert in eine Beziehung einsteigen kann, das ich es langsam angehen lassen will, nichts überstürzen. Sie redete schon von Hochzeit, einem eigenen Haus und Kindern, das war mir in diesem Moment zu viel. Ich wollte mit ihr von vorne beginnen, unsere Beziehung langsam aufbauen, nichts überstürzen.“

 

„Hmmm,“ machte Richard, „Dann wird sie das auch verstehen, mit etwas abstand. Kämpfe um sie, du liebst sie doch. Zeig es ihr.“

 

„Aber wie denn?“

 

Richard senkte den Blick, es fiel ihm nicht leicht die Worte auszusprechen, „Indem du wieder zu Kerima gehst,“ sah er ihn dann doch an und sah die Panik in seinen Augen, „Indem wir wieder zu Kerima gehen.“ Schob er dann leise hinterher.

 

Kapitel 12

 

Erstaunt sah Friedrich am nächsten Morgen von seiner Zeitung auf, als David und auch Richard die große Treppe hinunter kamen. David trug einen grauen Anzug und ein schwarzes Hemd, während Richard Jeans und einen dunklen Rollkragenpullover trug. Er musterte seine Söhne genau, doch sie gingen ohne einen Gruß an ihm vorbei, setzten sich an den Tisch und ließen sich von Gabriele Kaffee einschenken.

 

„Was verschafft uns die Ehre euch so früh hier unten zu sehen?“ fragte er dann.

 

Richard sah von seiner Tasse auf und blickte seinem Vater direkt in die Augen.

 

„Ohne uns scheint der Laden ja den Bach runter zu gehen,“ antwortete er dann leise, aber bestimmt.

 

Friedrich ließ die Zeitung nun ganz sinken und starrte seine Söhne an, „Woher kommt der plötzliche Sinneswandel?“

 

„Du wolltest doch das David wieder einsteigt, jetzt tun wir es. Was hast du nun schon wieder aus zusetzten?“ zischte Richard.

 

„Gar nichts, allerdings wundert es mich das du auch mitkommst. Ich wüsste nicht wie du uns helfen kannst.“

 

„Ich tue das sicher nicht für dich, alter Mann.“ Wandte er sich wieder seinem Kaffee zu und wich so auch Davids Blick aus.

 

 

Friedrich grummelte den Rest des Frühstücks vor sich hin, er war nicht begeistert das Richard wieder bei Kerima auftauchte. So wie er, war auch die Belegschaft sich sicher das er irgendwie in Davids Entführung mit drin hing, die Frage war nur wie tief. Aber sein Sohn musste ja ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufbauen. So als wäre da nie etwas zwischen ihnen gewesen. Doch ein Blick von David ließ ihn seine Bemerkung hinunter schlucken, sie brauchten ihn und da war es nicht ratsam ihn durch unbedachte Äußerungen wegen Richard wieder zu vergraulen.

 

 

Bei Kerima angekommen zog er David jedoch sofort hinter sich her in sein Büro. Heute Morgen sollte eine Besprechung mit Lisa und Rokko Kowalski stattfinden. Sie hingen Arg im Zeitplan hinterher und auch die Location war noch nicht fix.

Richard stand zuerst unschlüssig im Foyer, er bemerkte den geschockten Blick von Sabrina, er versuchte ihr zu zulächeln doch wirklich gelingen wollte es ihm nicht. Sofort meldete sich sein Unterkiefer, er senkte den Blick wieder gegen Boden. Langsam schritt er durch das Foyer aufs Catering zu, Helga Plenskes Augen weiteten sich als sie ihn erkannte. Sie ließ die Tasse, die sie gerade abtrocknete fallen und wich einen Schritt zurück.

 

„Könnte ich bitte ein Glas Wasser haben?“ fragte er und sah sie dabei an.

 

„N...Natürlich“ stotterte sie und beeilte sich ihm das Gewünschte zu bringen.

 

„Danke schön.“ Murmelte er und sah sich dann weiter um. Die Mitarbeiter starrten ihn an, tuschelten und als sie merkten das er sich ansah wandten sie sich schnell ab und verschwanden geschäftig. Ein leiser Seufzer entfuhr ihm und sein Blick wanderte zu Davids altem Büro. Durch die einen Spalt offen stehende Türe sah er Rokko auf und ab gehen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er sah wie Rokko Lisa in den Arm nahm, das Glas entglitt seiner Hand und zerschellte auf dem boden.

Erschrocken kam Helga um den Tresen geeilt und begann die Scherben aufzuwischen.

 

„Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an.“ Murmelte er bevor er von dem Hocker glitt und in dem schützenden Büro seiner Mutter verschwand.

 

Verwundert sah Helga ihm nach, hatte er gerade wirklich eine Zeile aus dem zweiten Brief an die Korinther zitiert? Und warum? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, nur eins stand für sie fest. Richard von Brahmberg benahm sich höchst eigenartig.

 

 

„Wir schaffen das!“ bekräftigte David in seinem Büro noch einmal, „Wir sind Kerima, wir brauchen keine Ausgefallene Location. Wir müssen und nur auf unsere stärken verlassen. Wir müssen uns nicht mehr etablieren.“

 

„Und das wollen sie der Presse sagen? Da können wir ja morgen direkt alle zum Arbeitsam gehen.“ Verdrehte Rokko die Augen.

 

„Was wir an die Presse weiter geben ist immer noch ihre Aufgabe Herr Kowalski.“ Wurde nun auch Davids Ton schroffer, „Ich sage nur wie wir intern vorgehen müssen. Wir müssen das beste aus der Situation rausholen, Hannah wo wir nur können unterstützen, egal was es kostet.“

 

„David hast du dir mal die Zahlen angesehen? Egal was es kostet können wir uns nicht leisten.“ Warf Lisa nun ein.

 

„Da die Präsentation ein voller erfolg wir können wir das sehr wohl.“

 

„Das ist ein sehr hohes Risiko das du da eingehst David. Das kann ich so nicht verantworten.“ Meldete sich Friedrich zu Wort.

 

„Wir dürfen den Kopf aber auch nicht in den Sand stecken. Was ist so schlimm daran die Präsentation hier abzuhalten? Mit der richtigen Deko.“

 

„Genau da liegt das Problem, weißt du was so eine Deko kostet?“ begann Lisa.

 

„Ja das weiß ich und deswegen müssen wir improvisieren. Wir hängen die Wände mit schwarzem Samt ab, ebenso den Catwalk, dann nur noch das richtige Licht und die Präsentation wird ein voller erfolg.“

 

„Muss Hannah nur noch die Kollektion fertig stellen ohne vorher einen Nervenzusammenbruch zu kriegen.“ Zischte Rokko und wandte sich ab, „Wenn sie keine vernünftigen Ideen haben dann können sie auch wieder zu Hause bleiben.“

 

„Rokko,“ mahnte ihn Lisa und warf David einen entschuldigenden Blick zu.

 

„Ist doch wahr,“ grummelte dieser.

 

„Wenn wir sie alle unterstützen dann wird sie das auch schaffen.“ Trat nun ein entschlossener Ausdruck in Davids Gesicht, „Ich werde jedenfalls nicht zulassen das ihr die Präsentation absagt.“ Erhob er sich aus dem Sessel und verließ das Büro, für ihn war die Diskussion beendet.

 

Sein erster Weg führte ihn ins Atelier zu Hannah, diese war wirklich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Als sie ihn sah viel sie ihm erst einmal um den Hals und begann Hemmungslos zu schluchzen.

 

„Ich schaff das nicht, ich schaff das einfach nicht.“ Murmelte sie immer wieder gegen sein Hemd.

 

„Schsch Hannah, sicher schaffst du das.“ Strich er ihr beruhigend über den Rücken.

 

„Entschuldigung Herr Seidel,“ ließ sie ihn los und wusch sich die Tränen aus dem Gesicht.

 

„Ist schon in Ordnung Hannah, sag ruhig David.“ Führte er sie zu einem der Hocker und setzte sie rauf.

 

„Entschuldigung David,“ schluchzte sie wieder, „Aber, aber ich schaffe das alles nicht.“

 

„Sicher schaffst du das, wir alle stehen hinter dir....“

 

„Aber ich werde aus den hälften der Entwürfe nicht schlau und selbst wenn ich ein Schnittmuster hinkriege dann, dann will es mit dem Stoff nicht hinhauen.“

 

„Dann musst du den Entwürfen halt etwas Hannah Refrath einhauchen.“ Hörten sie plötzlich eine bekannte Stimme und Hannah zuckte nervös zusammen, sie traute sich nicht aufzusehen.

 

„Richard hat Recht Hannah. Wenn du es sonst nicht umgesetzt bekommst lass deine eigenen Ideen mit einfließen.“ Hob David sanft ihren Kopf an.

 

„A....Aber Hugo....“

 

„Hugo wird das verstehen und er wird begeistert sein. Vertrau mir.“ Sah David ihr tief in die Augen, „ Das wichtigste ist jetzt das wir diese Präsentation schaffen, egal wie.“

 

Unsicher sah Hannah zwischen David und Richard hin und her, sie war sich zwar immer noch nicht sicher, doch sie wusste das sie David vertrauen konnte. Sie atmete einmal tief durch und löste sich dann von ihm. „OK,“ begann sie zögernd und wandte sich dann wieder den Entwürfen zu.

 

David warf Richard ein lächeln zu und ging dann zu ihm hinüber. „Und was hast du in der Zwischenzeit so angestellt?“

 

„Ich war bei meiner Mutter und habe keine guten Neuigkeiten.“ Sagte Richard leise, „Irgendwie dringen immer wieder neue Insider Informationen nach außen. Sie hat versucht die undichte Stelle zu identifizieren, aber hat es nicht geschafft.“

 

„Nun gut, das könne wir auf die schnelle auch nicht ändern. Sie soll da dran bleiben. Wir müssen schauen das wir dir Präsentation auf die Beine kriegen.“

 

Richard nickte nur und verschwand wieder in Richtung seines alten Büros, auf dem Weg dorthin sah er wie Lisa eng umschlungen mit Rokko die Firma verließ. Wütend und doch gleichzeitig erleichtert sah er ihnen nach, für einen Moment war er unfähig sich zu bewegen. Erst Friedrich, der auf ihn zu kam, riss ihn wieder in die Realität zurück

 

„Wo ist David?“

 

„Im Atelier.“

 

„Gut, geh schon mal zum Wagen, für heute haben wir genug getan.“

 

„Aber,“ setzte er an, doch Friedrich war schon weitergegangen, erst ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, das es schon wieder Zeit war nach Hause zu gehen.

 

 

Lisa und Rokko nutzen die ersten warmen Abendstunden um gemeinsam zu seiner Wohnung zu spazieren. Immer noch hielt er sie fest umschlungen, so als hätte er Angst sie zu verlieren. Sie gingen durch einen kleinen Park und Lisa sah einen Brunnen, er lag etwas abseits und war von gelben Licht beleuchtet. Sie wusste hier und jetzt war der passende Ort, sie zog Rokko zu dem Brunnen, setzte sich mit ihm auf die Bank und sah hinauf zu den Sternen.

 

„Ich habe lange nachgedacht Rokko,“ begann sie dann, „Und jetzt bin ich mir sicher. Ja, ja ich möchte deine Frau werden!“   

 

Kapitel 13

 

Als sie in die Villa zurückkehrten verschwand Richard sofort hoch in die Wohnung. David sah im verwundert nach, er hatte eigentlich gedacht, das Richard sich nun etwas öffnen würde, sich nicht immer wieder zurück ziehen würde. Doch anscheinend war dem nicht so, kurz unterhielt er sich noch mit seinem Vater, der ihm nochmals klar machte das er sich nun nicht wieder zurück ziehen durfte. Auch seine Gefühle für Lisa kamen zur Sprache und David war verwundert als Friedrich ihm riet weiter um sie zu kämpfen.

 

„Noch ist ihre Beziehung zu Kowalski nicht Gefestigt Junge. Verrenn dich nicht darin Richard helfen zu wollen. Ihm kann niemand mehr helfen, du musst jetzt an dich denken. Ich sehe doch wie sehr es dich trifft, das sie nun jemand neuen an ihrer Seite hat.“

 

David antwortete darauf nicht sofort, er starrte seinen Vater nur an, eigentlich hatte er zum Teil recht. Es tat weh Lisa in Rokkos Armen zu sehen und doch konnte er Richard jetzt nicht wieder fallen lassen. So wie er Lisa brauchte, brauchte Richard ihn. David war bewusst, das er der einzige war dem Richard sich öffnete.

 

„Ich verrenne mich da in nichts. Richard braucht mich, er vertraut mir und ich werde ihn jetzt nicht fallen lassen.“

 

„Und was ist mit Lisa?“ fragte Friedrich nach.

 

„Ich liebe sie, sie ist mein Leben und ich kann nicht ohne sie.“ Senkte David den Blick.

 

„Dann kämpfe um sie Junge. Ein Seidel gibt nicht einfach so auf.“ Legte Friedrich ihm väterlich den Arm um die Schultern.

 

„Das werde ich auch nicht.“ Trat ein entschlossener Ausdruck auf sein Gesicht, „Danke Vater und gute Nacht.“ Nickte er ihm zu und machte sich auf den Weg in seine Wohnung.

 

 

Oben angekommen betrat er das dunkle Wohnzimmer, Enttäuschung machte sich in ihm breit. Er hatte gehofft das Richard sich nicht sofort ins Bett verkrochen hätte nach dem Tag. Das er im Wohnzimmer gesessen und auf ihn gewartet hätte. War der Tag bei Kerima für Richard doch kein Fortschritt gewesen? Ein seufzen entfuhr seinen Lippen, dann begab auch er sich ins Schlafzimmer und machte sich Bettfertig. Richard hatte das Licht noch nicht gelöscht, lag jedoch auf der Seite, das Gesicht von ihm abgewandt. David glaubte ein leises Schluchzen zu vernehmen, er drehte sich auf die Seite und fasste Richard sacht an der Schulter.

 

„Alles OK?“ fraget er leise.

 

„Ja sicher, alles OK.“ Erwiderte dieser flüsternd und David merkte wie er versuchte die Tränen aus seiner Stimme zu verbannen.

 

„Richard? Was ist los?“

 

„Nichts, nichts besonderes, es ist alles beim alten.“ Lachte er ironisch auf.

 

„Kerima?“

 

„Ja Kerima, ich wusste das ich nicht mit offenen Armen empfangen würde, aber so,“ er unterbrach sich kurz und wandte sich dann David zu, „so ertrage ich das nicht. Sie denken ich habe dir das Angetan.“

 

„Aber das stimmt nicht und das werden sie auch noch verstehen.“

 

„Nein David lass gut sein, Kerima ist dein Schlachtfeld, ich habe da nichts zu suchen.“

 

„Jetzt steck den Kopf nicht in den Sand Richi.“

 

„Das tue ich nicht, wenn du Hilfe brauchst dann bin ich da, aber im Moment ist es besser wenn ich hier bleibe.“

 

„Richard?“

 

„Ja?“

 

„Da ist doch noch mehr, es ist doch nicht nur weil sie denken du hättest mir das angetan. Denn das würde dich nicht davon abhalten zu Kerima zu gehen.“ Suchte David den Blick seines Bruders und hielt ihn dann fest.

 

„Am teuflischsten ist der Teufel in ehrbaren Gewand.“ Hielt Richard dem Blick stand, dan drehte er sich wieder um.

 

Erstaunt betrachtete David eine Zeitlang den Rücken seines Bruders, was wollte er ihm denn nun damit schon wieder sagen?

 

„Du sprichst in Rätseln.“

 

„Ich zitiere,“ drehte er sich wieder um, „ merke es dir einfach. Denn, den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.“

 

„OK,“ dehnte David die Worte, „Seit wann zitierst du Goehte?“

 

„Ich hatte einfach viel Zeit zum Nachdenken David. Was immer du tust, denk einfach daran. Halt die Augen offen, nur so kannst du die Bedrohung sehen.“

 

„Das wird mir jetzt zu kompliziert,“ ließ David sich in die Kissen fallen, „Bist du sicher, das du dir heute nirgendwo den Kopf gestoßen hast?“

 

„Sehr witzig, pass einfach auf. Vor allem was die Plenske angeht.“

 

„Was hat Lisa denn jetzt damit zu tun?“

 

„Sei einfach vorsichtig, sie bewegt sich auf dünnem Eis.“

 

„Moment mal, willst du mir damit sagen, das sie sich voll und ganz auf diesen Kowalski einlässt?“

 

„Ich weiß es nicht, aber was regst du dich so da drüber auf?“

 

„Ich rege mich nicht auf, ich....ich...“

 

„Du liebst sie.“

 

„Woher weißt du?“

 

„Das mein Lieber, ist nicht zu übersehen und am liebsten würde ich dir raten sie in den Wind zu schießen, aber ich sehe auch das du das nicht kannst.“

 

„Warum sollte ich das tun? Ich liebe sie, sie ist mein Leben.“

 

„Dann Handel bevor es zu spät ist.“ Löschte Richard das Licht um die Diskussion so zu beenden.

 

„Das werde ich Richi, darauf kannst du Gift nehmen.“

 

„Lieber nicht und jetzt halt die Klappe.“

 

 

Am nächsten Morgen wurde Richard von Davids Wecker geweckt, während dieser seelenruhig weiter schlief. Grummelnd griff er über seinen Bruder, schaltete ihn aus und weckte dann David.

 

„Na los raus mit dir.“

 

„Ich will nicht.“ Kam die genuschelte antwort.

 

„Hast du vergessen was du heute vorhast? Du willst deine Traumfrau zurückerobern und nebenbei unsere Firma vor dem Bankrott retten.“

 

Das wirkte, David saß mit einem male Kerzengerade im Bett. Schnell griff er nach seinem Anzug und einem frischen Hemd, bei der Auswahl achtete er darauf, das die Farben Lisa gefallen würden. Er wusste, er musste offen mit ihr umgehen. Nicht mit der Tür ins Haus fallen, aber auch nicht mit der Wahrheit hinter dem Berg halten. Euphorisch sprang er die Treppe zum Wohnzimmer hinunter indem sein Vater ihn schon erwartete.

 

 

 

„Lisa, ich muss dir etwas sagen!“ betrat er schwungvoll ihr Büro, nachdem er angeklopft hatte. Mit zwei großen Schritten stand er vor ihrem Schreibtisch, er wusste jetzt oder nie. Noch war ihre Beziehung zu Kowalski nicht gefestigt, noch hatte er eine Chance seine Fehler wieder gut zu machen.

 

„Ich dir auch,“ nickte sie ihm zu und sah von ihren Unterlagen auf.

 

„OK,“ erwiderte er überrascht und stütze sich auf dem Schreibtisch ab, „Du zuerst.“

 

„Also weißt du, ich habe ein wenig aufgeräumt,  Dinge weggepackt,“ begann sie nervös, „auf den Dachboden.“

 

„Dinge? Was für Dinge?“ fragte er nervös nach, irgendwie war sie komisch.

 

„Dinge von dir, die du mir geschenkt hast, die mich an dich erinnern.“ Redete sie weiter.

 

„Von mir? Aber, aber wieso das denn?“ er fühlte sich als hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen.

 

„Weil ich jetzt ein neues Leben anfange, ohne dich,“ in seinem Kopf dröhnte es als sie diese Worte sprach, „mit Rokko, also Rokko und ich wir werden heiraten.“

 

Er ließ sich auf einen der Stühle vor ihrem Schreibtisch sinken, bevor seine Beine nachgaben, Tränen stiegen in seinen Augen hoch und er kämpfte gegen die Übelkeit, die urplötzlich in ihm Hochstieg.

 

„Glückwunsch,“ presste er hervor, dann sprang er auf und lief hinaus. Er sah nicht nach rechts oder links, wollte einfach nur raus, einfach nur weg. Das durfte nicht wahr sein, sie durfte ihn nicht heiraten. Plötzlich stand er vor seinem Büro, er wusste nicht warum er hier war, ging hinein und ließ sich auf das kleine Sofa fallen. Sein Magen verkrampfte sich immer mehr und er konnte ein würgen nicht mehr unterdrücken.

 

Kapitel 14

 

Max und Friedrich sahen auf, als David in das Büro gestürmt kam. Sie hatten schon auf ihn gewartet, hatte er doch diese Besprechung einberufen. Umso erstaunter waren sie nun, als er sich auf dem Sofa zusammenrollte ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.

 

„David alles in Ordnung?“ fragte Friedrich nach und ging zu seinem Sohn hinüber, doch dieser reagierte nicht wirklich auf ihn. Er zitterte, tränen rannen über seine Wangen und immer noch versuchte er das Würgen zu unterdrücken.  Nun reagierte auch Max, sofort leerte er den Papierkorb auf dem Boden aus und eilte damit zu seinem besten Freund, gerade rechtzeitig erreichte er ihn und hielt ihm den Papierkorb hin.

 

David konnte den Würgreiz nicht länger unterdrücken, er schaffte es einfach nicht mehr. Warum tat sie ihm das an? Er liebte sie doch. Heftig musste er sich übergeben, doch die Übelkeit ließ nicht nach. Immer wieder beugte er sich über den Mülleimer, er spürte die Hand seines Vaters, die ihm besorgt über den Rücken strich, vage nahm er wahr, das Max vor ihm kniete und den Papierkorb festhielt. Langsam wurde es besser, doch er zitterte immer noch am ganzen Körper und auch die Tränen wollten nicht versiegen, sie liefen einfach weiter.

 

„Besser?“ hörte er seinen Vater fragen und er nickte schwach.

 

„Man Alter, da hast du uns aber nen schrecken eingejagt.“ Meinte nun auch Max und wollte den Papierkorb gerade in die Waschräume bringen, als die Türe geöffnet wurde und Rokko eintrat, Lisa an der Hand.

 

„Warum wird hier eine Präsentationsbesprechung ohne uns einberufen?!“ polterte er dann auch sofort los und warf einen verächtlichen Blick auf David, der immer noch auf dem Sofa lag.

 

David nahm sie gar nicht wirklich wahr, das einzige was er sah, waren ihre ineinander verschlungenen Hände. Sofort war die Übelkeit wieder da, er stöhnte kurz auf, Max verstand sofort und hielt ihm den Eimer wieder hin.

 

„Na toll,“ kommentierte Rokko nur und wandte sich angeekelt ab, doch Lisas Blick blieb starr auf David geheftet.

 

Eben ging es ihm doch noch gut. Was hat er denn jetzt bloß? Ob er sich eine Magen-Darm-Grippe eingefangen hat? Der Arme und das gerade jetzt, so kurz vor der Präsentation.

 

Nach einiger Zeit beruhigte er sich langsam wieder, das zittern ließ ein wenig nach und Max sah ihn fragend an. Er nickte nur und richtete sich dann langsam auf.

 

„Bleib liegen Junge, Frau Plenske könnten sie etwas Wasser holen?“

 

„Nein,“ protestierte er schwach und stützte sich an der Lehne des Sofas ab, bevor er schwankend in Richtung Waschräume verschwand. Max und Friedrich wechselten einen Blick, dann folgten sie ihm.

 

„Hätte ich das gewusst, dann hätten sie die Besprechung gerne ohne uns machen können,“ sagte Rokko nur in verächtlichem Tonfall und wandte sich dann wieder Lisa zu.

 

„Rokko!“ antwortete sie scharf, „ Er hat sich bestimmt was eingefangen.“

 

„Und das muss er uns allen direkt zeigen?“

 

Sie schüttelte nur den Kopf und verließ das Büro, als sie an den Waschräumen vorbeiging hörte sie wie Friedrich und Max auf David einredeten.

 

„Du gehörst ins Bett Junge, du bist Krank.“ Sagte Friedrich.

 

„Nein, ich kann nicht.“ Protestierte er schwach.

 

„Mensch David, das bringt doch nichts. Bis jetzt haben wir es auch ohne dich irgendwie geschafft.“ Warf nun Max ein.

 

„Hmm ja, ohne mich. Ohne mich scheint irgendwie alles besser zu laufen.“ Hörte sie ihn murmeln.

 

Im Waschraum wechselten Friedrich und Max einen Blick, was hatte diese Aussage nun zu bedeuten? Doch bevor sie sich weiter darüber Gedanken machen konnten gaben Davids Beine nach und er sackte in sich zusammen. Sie konnten ihm gerade noch unter die Arme greifen bevor er auf den Boden aufschlug.

 

„David!“ schrieen sie überrascht auf.

 

„Man Junge bleib hier, komm mach die Augen auf,“ griff Friedrich sich einen nassen Waschlappen und wischte David damit den Schweiß von der Stirn.

 

Zitternd öffnete er die Augen wieder, „Warum habt ihr mich nicht in der Hütte gelassen?“ flüsterte er.

 

Erschrocken sahen die beiden anderen sich an, das hier war mehr als ein einfacher Magen-Darm-Infekt. Erst jetzt wurde ihnen bewusst, das David sein Trauma noch nicht überwunden hatte, das er genau wie Hugo noch immer tief drin steckte und nur nach außen versucht hatte stark zu sein, für seinen Freund, für seinen Bruder. Doch wieso brach es auf einmal wieder so plötzlich aus? Wieso reagierte er jetzt so stark? Was war der Auslöser? Sie halfen ihm wieder auf die Beine, stützen ihn. Für sie war klar, das sie ihn in die Villa ins Bett packen würden. Widerstandslos ließ er sich aus dem Waschraum führen.

 

Richard lag immer noch im Bett als Max  und Friedrich David ins Zimmer führten. Verschlafen setzte er sich auf und beobachtete die Besucher.

 

„Was macht ihr denn schon wieder hier?“ fragte er und unterdrückte ein Gähnen, dann fiel sein Blick auf seinen Bruder, „Mein Gott David was hast du denn gemacht?“

 

Doch David antwortete nicht, ohne wiederstand ließ er sich ins Bett legen und rollte sich direkt auf der Seite zusammen. Friedrich eilte sofort wieder nach unten um einen Eimer zu holen. Fragend sah Richard zu Max.

 

„Er scheint sich den Magen verdorben zu haben,“ zuckte dieser mit den Schultern und setzte sich zu David auf die Bettkante, „Geht´s wieder?“

 

David nickte nur leicht, erneut traten ihm die Tränen in die Augen, er dachte an Lisa, ihre Worte und deren Bedeutung. Warum tat sie ihm das an? Warum hatte sie ihn dann überhaupt gerettet? Sie hätte ihn im Wald liegen lassen sollen, dann wäre es nun vorbei und er müsste diese Schmerzen nicht ertragen. Plötzlich schoss das Bild ihrer verschränkten Hände wieder in seinen Kopf, Rokkos verächtliches Gesicht. Er schlug die Decke, die Max über ihm ausgebreitet hatte panisch zur Seite und sprang auf. Das Zimmer begann sich zu drehen, er taumelte, doch irgendwie schaffte er es bis ins Badezimmer. Die helfenden Hände von Max und Richard nahm er gar nicht wirklich wahr.

 

 

„Richard? Herr Petersen?“ hörten sie Friedrich aus dem Schlafzimmer rufen.

 

„Im Bad,“ antwortete ihm Max und schon kurz darauf steckte Friedrich seinen Kopf durch die Türe.

 

„Immer noch nicht besser?“ fragte er besorgt, Max schüttelte nur mit dem Kopf. „ Meinst du, du kannst dich um ihn kümmern?“ wandte er sich nun an Richard, „Ich müsste dringend zurück in die Firma.“

 

„Sicher,“ nickte Richard nur und enthob so auch Max der Verantwortung. Sein Vater deutete ihm noch an, das er den Eimer ins Schlafzimmer stellen würde, dann waren er und Max auch schon wieder aus der Wohnung verschwunden.

 

 

Langsam richtete David sich wieder auf, dankbar nahm er das Glas Wasser, das Richard ihm reichte und spülte sich den Mund aus.

„Danke,“ brachte er leise hervor.

 

„Dafür nicht,“ griff Richard nach seinem Arm und führte ihn zurück ins Bett, „Aber was haben sie dir denn angedreht das dein Magen sich nach außen drehen will?“

 

„Eine Hochzeit,“ flüsterte er und vergrub seinen Kopf im Kissen, er war froh das die Übelkeit nachließ.

 

„Hast du etwa auch noch Fieber?“ fühlte Richard seine Stirn.

 

„Nein, ich…ich war bei Lisa und wollte mit ihr reden. Über uns, über mich und meine Gefühle, aber…aber bevor ich anfangen konnte erzählte sie mir das…das sie ihn heiraten wird.“

 

Richard war im ersten Moment nicht fähig zu antworten, musste das soeben gehörte erst selber verarbeiten. Die Plenske und der Kowalski, ein kluger Schachzug, das musste er der Ratte lassen. Kurz überlegte er David alles zu erzählen was er wusste, entschied sich dann jedoch aufgrund des Zustandes indem sich sein Bruder befand dagegen. Wenn er sich etwas beruhigt hatte konnte er immer noch mit ihm Reden. Immer wieder suchte er nach den richtigen Worten, doch er fand sie nicht. So blieb er einfach bei ihm sitzen, strich ihm über den Rücken, versuchte ihn so zu beruhigen und erst als er merkte wie David in einen hoffentlich erholsamen Schlaf wegdämmerte stand er auf und ging leise zum Fenster hinüber.

 

„Von allem Übel und Unfrieden

Von der Heimtücke und den Angriffen des Teufels,

barmherziger Gott, erlöse uns“ murmelte er und ließ seinen Blick über den Wolkenlosen Himmel gleiten. Ihm war bewusst, das weder David noch er selber dieses Spiel noch lange würden durchhalten können. Er wusste das er sich jemandem anvertrauen musste, doch niemand kam dafür in Frage, niemand außer David und ihn konnte er im Moment nicht mit seinem Wissen belasten. Die Nachricht von der Hochzeit hatte ihn wieder zurückgeworfen, wenn er denn je darüber hinweg war. Er hatte sich schon gewundert, das es ihm selber so schwer fiel wieder ins normale Leben zurück zu kehren, während David das alles mit einer ungeahnten Leichtigkeit zu meistern schien.

Nun brach die Fassade zusammen, die Schmerzen und Demütigungen stürzten wieder auf ihn ein und Richard wünschte sich nicht mehr als sie ihm nehmen zu können.

 

 

 

In den nächsten Tagen trieb Lisa die Vorbereitungen für die Präsentation und für ihre Hochzeit immer weiter voran, an David dachte sie dabei nur selten. Friedrich und Max hatten ihn an besagtem Tag  in die Villa gebracht und seitdem war er nicht mehr bei Kerima aufgetaucht. Doch so langsam wurde es eng, Hannah bekam einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen und Kim war ihr alles, aber keine Hilfe. Es war David gewesen, der sie alle wieder motiviert hatte, sie brauchten ihn. Sie griff zum Telefon und hatte schon seine Nummer gewählt, als sie sich entschloss, das es besser wäre, wenn sie persönlich vorbeifahren würde. So schnappte sie sich ihre Tasche und machte sich auf dem Weg zur Villa Seidel.

 

Kapitel 15

 

David war alleine, Friedrich und Kim waren wie jeden Tag bei Kerima, Laura auf einer Sitzung ihres Vereins und Richard hatte sich vor einer Stunde zum Mittagessen mit Sophie verabredet. Nur Gabrielle war unten in der Küche und bereitete alles für den Abend vor. Doch das war ihm auch recht so, er wollte keine Gesellschaft, wollte alleine sein, sich nicht erklären müssen. Sein Vater hatte ein paar Mal versucht an ihn heran zu kommen, ihn gefragt ob irgendetwas  passiert sei, doch er hatte geschwiegen oder sich mit einem Infekt rausgeredet. Er sah in seinen Augen das er ihm das nicht abnahm, aber er konnte und wollte nicht über seine verlorene Liebe reden. Richard wusste zwar was ihn so aus der Bahn geworfen hatte, doch auch seine Fragen blockte er ab. Er wollte nicht darüber nachdenken, nicht daran erinnert werden. Es reichte das er Lisa auch so nicht aus dem Kopf bekam, das ihn sogar seine Wohnung an sie erinnerte.

Er hörte das sachte Klopfen an seiner Türe, antwortete jedoch nicht darauf. Trotzdem wurde die Türe vorsichtig geöffnet und Gabrielle steckte den Kopf hinein.

 

„Herr Seidel? Frau Plenske für sie.“

 

David sah nicht auf, nickte nur und setzte sich dann auf dem Sofa auf, auf dem er bis dahin gelegen hatte. Gerade als er wieder zur Türe blickte trat Lisa ein.

 

„Hallo David,“ begrüßte sie ihn, „Wie geht es dir?“

 

Was sollte er auf diese Frage antworten? Sollte er sagen das es schon wieder ging und sie damit anlügen? Oder sollte er die Wahrheit sagen?

 

„Beschissen,“ antwortete er dann Wahrheitsgemäß und sah zu Boden.

 

„Ist der Infekt immer noch nicht besser?“ fragte sie, „Weil also, wir packen das nicht bis morgen.“

 

David sah auf, deswegen war sie also gekommen, weil sie ihn in der Firma brauchte. Es war noch nicht mal ein normaler Krankenbesuch unter Freunden.

„ Nein, im Moment geht es zwar, aber...aber...“ wurde ihm wieder Übel und er schaffte es so gerade noch bis in sein Bad.

„Entschuldige,“ sagte er dann als er wiederkam.

 

„Ich sehe schon, da ist dann nichts zu machen.“ Seufzte sie, „Gute Besserung dann.“ Stand sie auf und verließ die Villa. Kein Persönliches Wort hatte sie zu ihm gesprochen, hatte alles kühl und Geschäftsmäßig betrachtet. Dadurch, dass sie seine Sachen weggepackt hatte, hatte sie ihre Freundschaft wohl auch aus ihrem Herzen, aus ihrem Bewusstsein verbannt.

 

David sah ihr hinterher, auch wenn er sich nicht weiter selber quälen wollte, indem er mit ihr zusammen arbeitete wusste er das Kerima ihn brauchte, doch im Moment  war er zu schwach.

 

 

Fast ehrfürchtig schritt Lisa die Treppe in der Villa wieder hinunter. Dieses Haus löste in ihr immer wieder das Gefühl aus, das sie klein und zerbrechlich war, das sie nichts wahr und nie etwas sein würde. Sie senkte den Kopf und beschleunigte ihre Schritte, sie wollte so schnell wie möglich hier raus, zurück zu Kerima, zurück zu Rokko, dabei sah sie nicht das ihr jemand entgegen kam.

 

„ Was wollen sie denn hier?“ riss sie Richards Stimme unsanft in die Realität zurück.

 

Sie sah auf, er stand direkt vor ihr und funkelte sie an. Sie hatte gehört das er damals auch bei Kerima gewesen war, als David zurückkehrte doch sie selber hatte ihn nicht gesehen. Ihre Mutter hatte es erwähnt und auch das er komisch gewesen wäre. Das konnte sie jetzt nicht behaupten, er sah sie mit genau dem gleichen kalten Blick an mit dem er sie schon immer bedacht hatte.

 

„Ich habe mich nach David erkundigt.“ Gab sie jedoch einigermaßen gefasst zurück.

 

„Och nein wie nett, kommt jetzt doch wieder ihre ich Sorge mich um alle Ader durch?“

 

„Ich wüsste nicht was sie das angeht Herr von Brahmberg, aber ich habe mich erkundigt ab wann er wieder arbeiten kann.“

 

„Sie haben was?“ fragte Richard erstaunt

 

„Ihn gefragt wann er wieder arbeiten kann, immerhin haben wir morgen eine wichtige Präsentation.“

 

„Ich nehme meine Äußerung von eben zurück, ihre ich Sorge mich um alle Ader ist wohl abgestorben.“

 

„Ich an ihrer Stelle würde mich mit Äußerungen jeder Art zurück halten.“ Funkelte sie ihn nun an, „Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen.“ Schob sie sich an ihm vorbei und wollte die Villa nun endgültig verlassen.

 

„Wie vertragen sich der Teufel und du um deine Seele? Frau Plenske!“ rief er ihr nach was sie dazu brachte stehen zu bleiben und sich entrüstet umzudrehen.

 

„Ich weiß nicht was sie damit bezwecken wollen, aber diese Frage sollte ich wohl eher ihnen stellen.“

 

„Wenn  Teufel ärgste Sünde fördern wollen, so locken sie zuerst durch Himmelsschein. Merken sie sich das.“ Wandte sich Richard nun von ihr ab und ließ sie im Seidel´schen Wohnzimmer stehen.

 

 

Als Richard Davids Wohnung betrat stockte er, von David war nichts zu sehen. Nicht im Wohnzimmer, nicht im Schlafzimmer, nicht im Bad. Schnell schaute er nach ob seine Schlüssel noch auf dem Sideboard lagen, doch auch sie waren noch da. Grübelnd ließ er sich auf das Sofa fallen, dabei fiel ihm auf, das die Türe zum Balkon ein Stück offen stand. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen, er erreichte die Türe und trat nach draußen. David stand gegen das Geländer gelehnt und sah nach draußen in den Garten.

 

„Alles in Ordnung?“ fragte Richard leise nach.

 

Langsam dreht David sich um, seine Haltung war gerade, korrekt, doch seine Augen sagten Richard wie er sich wirklich fühlte und das nichts in Ordnung war, egal was er nun sagen würde.

 

„Geht schon.“ Flüsterte David dann, „Wie war es mit Sophie?“

 

„Nun ja, sie hat immer noch nichts neues herausgefunden. Nur das wohl jemand von außen kauft, aber auch das noch nicht so das es bedrohlich wird. Die Quelle der Insiderinformationen hat sie allerdings immer noch nicht rausgefunden.“

 

„Wird sie auch nicht, derjenige ist ein Profi.“

 

„Ja,“ nickte Richard, „Der Teufel schläft nie.“

 

„Ok das wird mir jetzt langsam aber sicher unheimlich. Was hast du in letzter Zeit andauernd mit dem Teufel? Wen meinst du?“

 

„Du weißt schon wen ich meine, in irgendeiner Ecke deines Gehirns weißt du genau wen ich meine.“

 

„Bitte Richard, keine Rätsel mehr.“ Setzte David sich auf das Sofa und sah ihn fragend an.

 

„ Ich kann nicht, ich....das kann ich nicht riskieren. Nur so viel, der Teufel steckt im Detail.“

 

David seufzte auf, dann zog er Richard zu sich auf die Couch und nahm ihn in den Arm, was bei Richard die Dämme brechen ließ. Er konnte dir Tränen nicht mehr zurück halten.

 

„Beruhige dich Richi, ist gut OK? Es ist gut.“

 

„Nichts ist gut.“ Sah er David in die Augen und dieser sah zum ersten mal die Wahrheit.

 

„Du weißt es?!“ fragte er dann jedoch noch einmal nach, Richard nickte nur, „Warum sagst du denn nichts? Verdammt Richi, das kannst du doch nicht mit dir rumschleppen.“

 

„Ich kann nicht...wenn dann...dann seid ihr alle in Gefahr, das geht nicht.“

 

„Doch du kannst, bevor ich morgen zu Kerima fahre bringe ich dich beim Präsidium vorbei. Dann machst du deine Aussage noch einmal OK?“

 

„ Es geht nicht David, sie würden es rausfinden und dann...nein es geht nicht.“

 

„Willst du in ständiger Angst leben? Der neue Kommissar ist gut, aber noch nicht wirklich weiter.“

 

„Manchmal da denke ich es wäre das beste gewesen du hättest mich nicht gefunden.“

 

David wusste darauf nichts zu sagen, er nahm ihn einfach wieder in den Arm. Worte waren wieder einmal überflüssig. Sein Blick fiel auf die Flasche Whiskey, die auf dem Schrank stand. Er stand auf und goss ihnen beiden ein großes Glas ein.

 

 

 

Rokko merkte das Lisa in ihren eigenen Gedanken versunken war seit sie zu Kerima zurück gekehrt war. Er wusste nicht wo sie gewesen war, doch er konnte es sich denken. So sah sie immer aus wenn sie bei dem Seidel gewesen war. Eine unbändige Wut stieg in ihm hoch und er musste sich zurückhalten um nicht einfach zur Villa zu fahren und das zu beenden was er, sein Vater und sein Komplize angefangen hatten.

Lisa gehörte zu ihm, Kerima gehörte ihm und dieser aufgeblasene Gockel hatte kein Recht sich dauernd das zu nehmen wonach ihm gerade war, nur um es 5 Minuten Später wieder fallen zu lassen, nur weil es uninteressant geworden war. Doch er musste sich beherrschen, den Anweisungen folgen, er wollte seinen Vater nicht enttäuschen, indem er den ganze Plan gefährdete nur weil er überreagierte.

 

Am nächsten Morgen erwachte David mit einem dröhnenden Kopf. Im ersten Moment musste er sich neu orientieren, dann sah er sein Schlafzimmer wieder klar. Ein Blick auf die Uhr ließ ihn hochschrecken, er hatte verschlafen, er wollte doch zu Kerima. Auch wenn es schwer war Lisa zu begegnen, nur so konnte er ihr beweisen das ihm etwas an ihrer Freundschaft lag, das er sie noch immer liebte. Doch bevor er zu Kerima konnte musste er vorher noch woanders vorbei und wenn er es noch Rechtzeitig schaffen wollte dann musste er sich beeilen.

 

 

 

Hannah rotierte in der Location hinter der Bühne, immer noch war nicht alles fertig und sie war kurz davor alles hinzuschmeißen. Lisa versuchte sie zu beruhigen, ohne Erfolg. Gerade war Hannah dabei eins der Kleider erneut abzuändern als der Vorhang zur Seite geschoben wurde.

 

„Es tut mir leid Lisa, aber das wird nichts, ich pack das einfach nicht.“ Schluchzte sie dabei.

 

„Nicht so negativ,“ hörten sie da eine Stimme aus dem Hintergrund, „Das sieht doch so schon ganz gut aus.“

 

„Genau,“ ertönte da eine weitere Stimme, „und außerdem ist es erst zu spät etwas zu ändern wenn das Model auf dem Catwalk ist.“

 

Erstaunt drehten sie sich um und sahen in die Gesichter von David und Hugo. Lisa traute ihren Augen kaum als sie die Beiden da stehen sah. Das war ihre Rettung, Hugo der Hannah half und David, der die anderen motivierte. So saß er dann auch während der Präsentation hinter ihr und Rokko, sie sah nicht das er immer noch blass um die Nase war und seine ganze Konzentration und Selbstbeherrschung aufbrachte um diesen Abend zu überstehen.

Die Präsentation wurde ein voller Erfolg, auch wenn sie noch einige Schrecksekunden wegen des Brautkleides hatten. Für Lisas Geschmack dauerte es viel zu lange, bis das Model endlich auf dem Laufsteg erschien. Doch das Publikum, ihre Kunden und Kritiker waren begeistert. Hugo trat auf die Bühne und auch David und Lisa ließen es sich nicht nehmen ihm zu gratulieren.

Für einen Moment viel alle Anspannung, aller Druck von David ab. Er umarmte Hugo, bedankte sich bei den Models. Dann stand er plötzlich vor Lisa, sie lächelte ihn an, er versank in ihren blauen Augen, nahm sie in den Arm. Die Übelkeit war weg, seine Lisa lächelte ihn wieder an. Langsam und ohne das er etwas dagegen tun konnte näherte er sich ihren Lippen und als sie dann endlich, nach einer kleinen Ewigkeit ihre berührten war der ganze Schmerz, der letzten Tage vergessen. Die Welt um sie herum verschwamm und es gab nur noch sie und ihn. Langsam und vorsichtig beendete er den Kuss, es kostete ihn all seine Willenskraft. Er fing ihren Blick auf, ihre Augen strahlten nicht, sie funkelten ihn nur zornig an. Er sah wie Rokko sich durch die Menge drängte.

 

Lisa war im ersten Moment zu geschockt um zureagieren, für einen Moment erwiderte sie seinen Kuss, doch als er sich endlich von ihr löste konnte sie ihre Wut nicht mehr zurück halten. Was bildete er sich eigentlich ein? Sie ungefragt zu küssen, dabei war sie verlobt. Sie holte aus und verpasste ihm eine Schallende Ohrfeige. David sah sie erschrocken an, für einen kurzen Moment glitzerten Tränen in seinen Augen, dann wandte er sich ab und rannte hinter die Bühne.

 

Kapitel 16

 

Rokko hatte das ganze Schauspiel, was sich auf dem Catwalk abspielte von seinem Platz aus verfolgt. Nun sah er wie David hinter die Bühne ging, sofort sprang er auf und folgte ihm.

Das würde der Seidel büßen, niemand fasste ungestraft seine Lisa an und David schon mal gar nicht. Die Enge Freundschaft zwischen den beiden und Lisas Gefühle waren ihm immer ein Dorn im Auge gewesen, doch bevor der Seidel sich entschlossen hatte sich auch mal in Lisa zu verlieben war alles noch in Ordnung gewesen. Lisa hätte sich ihm geöffnet, aber nein immer musste David Seidel dazwischen funken. Nicht umsonst hatte er dem Plan seines Vaters den Junior außer Gefecht zu setzten mit Freuden zugestimmt. So hatte er endlich freie Bahn, nur leider hatte der Plan nicht ganz so funktioniert wie sie es sich gedacht hatten. David Seidel spazierte wieder bei Kerima rum und zu allem Überfluss hatte er auch noch seinen Halbbruder vor dem sicheren Tod gerettet. Alles Dinge für die er noch bezahlen würde, das schwor sich Rokko als er den Vorhang zur Seite riss und auf David zu stürmte.

 

 

Als David aus dem Blickfeld der Bühne verschwunden war hielt er sich die Hand an die schmerzende Wange, doch die Stiche in seinem Herzen waren schlimmer. Er hatte sie verloren, mit dieser einen unüberlegten Situation hatte er alles kaputt gemacht. Er taumelte die Stufen des Catwalks hinunter und lehnte sich gegen den Schneidertisch, all die schönen Momente mit Lisa zogen an seinem inneren Auge vorbei. Wie sie zusammen Minigolf spielen waren oder Bowling, der Ausflug zum Reitstall, der Ausritt, die Nacht auf der Pfaueninsel. Schon damals hatte er etwas für sie gefühlt, mehr als Freundschaft war es gewesen, doch er hatte es verdrängt, wollte es nicht wahrhaben sich in seine unscheinbare Assistentin verliebt zu haben. Wie konnte er nur so oberflächlich sein? Hätte er damals schon auf sein Herz gehört wären sie nun glücklich miteinander und Kowalski hätte keine Chance gehabt. Und nun? War nun alles aus, vorbei? Selbst die Freundschaft?

Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg unter seinen geschlossenen Liedern hindurch, rann lautlos über seine Wange und tropfte schließlich auf das dunkle Hemd, wo sie einen kleinen nassen Fleck kurz überhalb seines Herzens hinterließ.

Er sah Rokko nicht das Atelier betreten, sah die Faust nicht kommen. Der Schlag stieß ihn hart gegen den Tisch, ließ ihn sein Gleichgewicht verlieren und zu Boden gehen. Ohne die Augen zu öffnen wusste er wem er diesen Schlag zu verdanken hatte, er konnte spüren das es Rokko war. Immer wieder senkte sich die Faust in sein Gesicht, seinen Magen und unter die Gürtellinie. Er wehrte sich nicht, erneute Bilder traten vor seine Augen, Bilder aus der Hütte im Wald, von maskierten Männern, den Demütigungen und den Schmerzen. Er zog sich aus dieser Welt zurück, verbarrikadierte seine Seele und hinterließ nur noch eine lebende Hülle.

 

Wütend sah Rokko wie David nicht reagierte, wie er einfach alles über sich ergehen ließ. Kurz ließ er von ihm ab, stieß ihn mit dem Fuß in die Rippen, hoffte auf das leise knackende Geräusch wenn sie brachen, wollte seinen Gegner sich vor Schmerz winden sehen, doch David tat ihm diesen Gefallen einfach nicht. Gerade wollte er mit dem Fuß ausholen um diesen schmerzhaft in eine ganz bestimmte Körperstelle zu rammen als er Lisa aufschreien hörte.

 

„Rokko! Hör auf!“ bat sie ihn flehend, doch er konnte nicht aufhören, wollte nicht aufhören. Kaum merklich schüttelte er den Kopf, setzte den Fuß wieder in Bewegung und wurde unsanft nach Hinten gerissen.

 

 

Richard war doch zur Präsentation erschienen, hatte sich aber im Hintergrund gehalten und die Show vom hinteren Bühnenrand geschützt vor der Presse beobachtet. Natürlich hatte er gesehen wie David Lisa küsste, ebenso die Ohrfeige und wie David nach hinten gerannt war. Schon da wollte er zu ihm eilen, ihn trösten wenn er Trost brauchte und ihn aufbauen wenn er aufgebaut werden musste oder einfach nur für ihn da sein. Jedoch war er auf dem Weg dorthin Friedrich begegnet und dieser hatte ihn erst einmal ausgefragt warum er nun doch wieder bei Kerima war. Erst als Friedrich sich der Presse und den Einkäufern zusammen mit Sophie stellen musste konnte er weiter. Er hatte sich noch einmal umgesehen und zu seinem Entsetzen festgestellt das Kowalski nicht mehr da war. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn und so hatte er sich den verduzten Max geschnappt und war mit ihm ins Atelier geeilt. Keine Sekunde zu spät wie sich nun herausstellte. Er sah wie Kowalski zu einem Tritt ausholte, wie Lisa ihn kurz stoppte, aber doch nicht abhalten konnte. Max stand wie erstarrt neben ihm und sah nur ungläubig auf das Bild, das sich ihm Bot.

Richard jedoch reagierte sofort, unsanft riss er Kowalski von David weg, drehte sich mit ihm und funkelte ihn zornig an. Wieder schrie Lisa leise auf, was Max aus seiner Starre holte und ihn zu seinem Freund eilen ließ. Entsetzt ging er neben ihm in die Hocke, aus Davids Nase floss das Blut, seine Lippe war aufgeplatzt und er zitterte am ganzen Körper. Doch das war es nicht was Max beunruhigte, es waren die Augen seines Freundes, kalt, leblos, leer, so als wäre er gar nicht hier.

 

„David? Mensch Alter mach keinen Scheiß, komm sag was.“ Sprach er zu ihm und suchte gleichzeitig das Atelier nach einem Tuch ab, mit dem er das Blut im Gesicht entfernen konnte. Zitternd hielt Lisa ihm ein stück Stoff entgegen, Max erkannte sofort, das Hugo sie beide umbringen würde wenn er das sehen sollte, doch das war ihm im Moment egal. Vorsichtig begann er Davids Gesicht zu säubern, dieser zuckte nicht einmal zusammen, zeigte immer noch keine Regung.

 

 

Rokko grinste Richard hämisch an, er wusste das der von Brahmberg immer noch psychisch nicht ganz auf der Höhe war und er wusste ganz genau das Richard wusste wem er seinen Zustand und seine Qualen zu verdanken hatte. Er würde ihm nicht wirklich was tun, er wusste das, das sein Todesurteil sein würde.

Richard jedoch ließ sich diesmal nicht beirren, auch wenn er wusste das er sich somit sein eigenes Grab schaufelte. Lieber seins als Davids. Er packte Rokko wieder am Kragen und stieß ihn dann unsanft gegen das Regal, so das dieser mit dem Kopf gegen die Kante schlug, dann ließ er ihn los.

Vom Boden schenkte Rokko ihm noch ein wissendes Grinsen, dann sah er Lisa auf sich zukommen und verdrehte theatralisch die Augen.

 

 

„Rokko!“ ging Lisa neben ihm in die Knie und blickte dann giftig zu Richard hinauf, „Das wird ein Nachspiel haben Herr von Brahmberg!“ zischte sie und wandte sich dann wieder ihrem scheinbar bewusstlosen Verlobten zu.

 

Richard kümmerte sich nicht weiter um ihre Worte, er ließ sie stehen und ging hinüber zu Max und David. Auch er zuckte kurz zurück als er Davids Zustand erkannte, dann kniete er sich vor ihn und nahm seinen Kopf in die Hände, so das David ihn anschauen musste.

 

„Es ist vorbei,“ flüsterte er, „beruhige dich, es ist vorbei. Er wird dir nichts mehr tun, ich bin hier, du bist nicht alleine. Hörst du David? Komm, komm zurück. Wir gehen nach Hause.“ Inzwischen hatte er ihn in seine Arme gezogen und wiegte ihn wie ein kleines Kind hin und her.

 

David hörte die leisen Worte seines Bruders, war er wirklich da? Bildete er sich das nicht nur ein? Versuchte Rokko ihn zu täuschen? Er hatte nur eine Möglichkeit dies herauszufinden, doch er traute sich nicht hinaus, die Angst und die Erinnerungen waren zu groß. Er spürte wie ihn jemand in seine Arme zog, langsam, vorsichtig, immer darauf bedacht ihn nicht zu verletzten. War da Licht am Ende des Tunnels? Wie ein ertrinkender krallte er sich an der Person fest, hoffte so sehr das es wirklich Richard war. Er spürte die Tränen auf seinem Gesicht, das Blut, das langsam trocknete. Vorsichtig löste er sich aus der Umarmung und sah in die Augen seines Bruders.

 

„Komm David,“ half Richard ihm nun hoch, „Komm wir gehen nach Hause.“

 

Widerstandslos lies er sich von Max und Richard durch den Hinterausgang zu Max Wagen führen. Das Lisa ihnen erbost hinterher sah bekamen die drei gar nicht mit.


Kapitel 17

 

 

Rokko, Lisa, Rokko, Lisa,  Rokko und ich, wir werden heiraten....habe Dinge weggepackt, auf den Dachboden, Dinge die mich an dich erinnern, die du mir geschenkt hast.....ich fange ein neues Leben an, ohne dich!

Eine Hütte, ein Wald, Dunkelheit, Schläge, Tritte, Kälte. Eine Person, die auf dem Boden lag. Kabelbinder, die sich ins Fleisch schnitten, Schläge, Tritte, ein Kuss, Schläge, Tritte.

Das Ende

 

Erschrocken riss er die Augen auf, sah sich um, erkannte sein Zimmer. Er ließ sich zurück in die Kissen sinken, spürte eine Hand beruhigend über seinen Arm streichen, hörte die Stimme seines Bruder, wie aus weiter Ferne. Wie er versuchte ihn zu beruhigen, ihm sagte das es vorbei wäre. Er schloss die Augen wieder, versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu bringen, vergeblich. Er spürte wie sich die Tränen einen unaufhaltsam einen Weg nach draußen bahnten, weinte still vor sich hin. Nahm die Umarmung nicht wahr, die sich schützend um ihn legte. Zog sich wieder zurück, versuchte die Welt um sich herum auszusperren. Er gehörte nicht mehr dorthin.

 

 

Richard knipste die Nachttischlampe auf seiner Seite an, versuchte seinem Bruder in die Augen zu sehen, doch er hatte sie wieder geschlossen. Er sah die Tränen, die durch seine geschlossenen Lieder unaufhaltsam seine Wangen hinunter strömten. Erneut nahm er ihn in den Arm , versuchte ihm zu zeigen, dass er nicht alleine war. Vergebens, David ließ niemanden mehr an sich heran, ließ einzig Richards Berührungen zu, nahm sie hin, ohne das er sie wirklich wahrnahm.

Eine Woche war die Präsentation und ihre Folgen nun schon her, Friedrich war ausser sich vor Wut zurück in die Villa gekommen, hatte Richard rauswerfen wollen. Ihn gefragt was ihn nun schon wieder geritten hatte, das er Kerimas PR-Manager und Verlobten der Mehrheitseignerin bewusstlos Schlug. Erst ein Blick auf David hatte ihn verstummen lassen und Richard zusammen mit Max die Chance gegeben zu erklären. Daraufhin hatte er sich zwar beruhigt, ihm aber nahe gelegt sich von Kerima fern zu halten.

Davids Zustand jedoch hatte sich nicht geändert, er blieb den ganzen Tag in seinem Zimmer, lag auf dem Bett und sprach kein Wort, zeigte keine Regung wenn noch jemand anders im Zimmer war. Weder Friedrich noch Laura oder Kim fanden einen Zugang zu ihm, panisch flüchtete er in die nächste Ecke, wenn sie ihm zu nahe kamen. Einzig Richard konnte sich ihm nähern.

Dieser wusste woran es lag, das David nicht ins Leben zurück kehrte, die Verletzungen, die Rokkos Attacke verursacht hatten waren inzwischen wieder abgeheilt, doch ein gebrochenes Herz vermochte selbst der beste Arzt nicht zu heilen. Richard war sich bewusst, das es nur eine Person gab, die seinem Bruder helfen konnte und eben diese Person würde am Wochenende einen anderen Heiraten. Der Teufel hatte das Spiel gewonnen, sich hinterlistig in ihr Leben geschlichen, mit allen Mitteln gekämpft, um an Ende zu triumphieren. 

Die ganze Nacht machte Richard kein Auge mehr zu, zu tief saß die Angst, das David ihn brauchen würde und er es nicht merkte. Davids Atmung hatte sich mit der Zeit wieder beruhigt, doch er war sich nicht sicher ob er wirklich wieder eingeschlafen war. Er lag einfach nur ruhig da, den Kopf von ihm abgewandt und regte sich nicht. Ab und an sah er wie eine einzelne Träne sich erneut hervorschlich und langsam den Weg über die Wange antrat um schließlich auf das Kissen zu fallen. Richard wusste, das es vergebens war ein Gespräch mit David anzufangen, er würde nicht antworten und doch versuchte er es immer wieder. Wollte wenigstens mit ihm reden, hoffte das er ihn hörte und spürte das er nicht alleine war.

Als der Morgen graute konnte Richard seine Augen nicht mehr offen halten, er gab sich geschlagen und ließ die Müdigkeit besitz über seinen Körper nehmen.

David, der dies bemerkte öffnete seine Augen wieder und starrte mit leerem Blick an die Decke. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und immer wieder kam er zu dem selben Ergebnis. Es gab nichts mehr was ihn hier noch hielt, nichts mehr was ihn an seinem Entschluss zweifeln ließ.

 

 

Lisa und Helga hingegen gingen in den Hochzeitsvorbereitungen richtig auf. Helga hatte soweit zwar schon alles Organisiert, doch je näher der große Tag rückte, desto nervöser wurden die beiden Frauen. Lisas Hochzeitskleid stand kurz vor der Vollendung und doch hatte sie das Gefühl, das Hugo zwar wie immer sein bestes gab, jedoch nicht wirklich begeistert war ihr Kleid zu entwerfen. Im Moment glichen sie die Gästeliste mit den festen Zusagen ab, Agnes würde schon am Abend des heutigen Tages anreisen um Helga in Sachen Catering zu unterstützen. Einzig Bernd schien je näher die Hochzeit rückte immer grummeliger zu werden. Weswegen er sich immer wieder böse Blicke seiner Frau einfing und er sich auf den Weg zu den Seidels machte. Auch wenn er eigentlich die Woche Frei hatte, zu Hause hielt er es einfach nicht mehr aus. Hochzeit hier, Boxer da, er konnte nicht verstehen was sein Schnattchen an diesem Kerl fand und seinen Segen würde er dieser Verbindung bestimmt nicht geben. Er glaubte nicht daran das Rokko Kowalski seine Lisa glücklich machen könnte, Bernd wusste genau, das nur ein Mann dazu wirklich in der Lage war.

In der Villa angekommen machte er sich dann auch gleich an die Arbeit, das neue Bücherregal aufzubauen. Die Familie war bis auf Richard schon bei Kerima oder anderweitig unterwegs. Das David ebenfalls oben war wusste er nicht, genauso wenig, wie das sein Bald Schwiegersohn dafür verantwortlich war. Das einzige was er wusste, war das sich der Boxer wohl mit dem Brahmberg angelegt hatte und dabei den kürzeren zog.

 

Richard erwachte wieder als die Sonne sich ihren Weg durch die schweren Vorhänge bahnte, immer noch müde drehte er sich auf die Seite und erstarrte sofort, als er in Davids Gesicht sah. Leblose Augen starrten ihn an. Schnell griff er nach der Hand seines Bruders fühlte den Puls und atmete erleichtert auf, als er das regelmäßige pulsieren spürte.

 

„Ich bin für dich da David, gib dich bitte nicht auf.“ Flehte er ihn an, doch nichts im Gesicht seines Gegenübers regte sich. Richard wurde klar, das ihm die Zeit davon lief. Wenn er nichts unternahm würde die Plenske morgen den Kowalski heiraten und David somit alles nehmen was sein Leben bisher ausgemacht hatte. Das durfte er nicht zulassen, er musste seine eigene Angst überwinden. Entschlossen stand er auf, begab sich ins Bad und kam eine halbe Stunde später frisch geduscht mit einer dunkelblauen Jeans und einem schwarzen Rolli wieder hinaus um sich sofort auf den Weg nach untern zu machen.

Überrascht blieb er stehen, als er Bernd Plenske in der Halle sah.

 

„Guten Morgen Herr Plenske. Ich dachte sie haben Urlaub?“ begrüßte er ihn dann.

 

„Morgen Herr von Brahmberg. Ja eigentlich schon nich, aber zu Hause halt ich es nich aus. Hochzeit hier, Boxer da.“ Erwiderte Bernd, was Richard aufhorchen ließ.

 

„Boxer?“ fragte er nach.

 

„Ja der Herr Rokko, meine Helga hat ja kein anderes Thema mehr, dabei passt der überhaupt nüscht zu meinem Schnattchen. Aber wie geht´s ihnen denn, fangen sie dann auch bald wieder bei Kerima an, so wie ihr Bruder?“

 

„Ich? Bei Kerima? Nein, man hat mir dort ausdrücklich zu verstehen gegeben, das dort kein Platz mehr für mich ist und ob David nach dem was nach der Präsentation geschehen ist noch mal zurückkehrt wage ich zu bezweifeln.“

 

„Sie meinen das sie den Boxer ausgeknockt haben? Das ist doch kein Grund und deswegen geht der junge Seidel auch nich mehr?“ war Bernds interesse geweckt.

 

„Wenn ich ihn nur wirklich ausgeknockt hätte,“ verdunkelte sich Richards Miene und er begann Bernd zu erzählen was wirklich an diesem Abend vorgefallen war.

 

„Und mein Schnattchen unternimmt da nix?!“ fragte er ungläubig, „Das glob ick ja nich. Ich hab immer gewusst, der Boxer is nix für sie, der tut ihr nich gut. Und der junge Seidel hat sich nun wieder zurück gezogen?“

 

Richard nickte nur und schilderte kurz Davids derzeitigen Zustand wobei Bernd ungläubig die Augen aufriss und ihn dann genau musterte.

 

„Herr von Brahmberg, da is doch noch mehr. Ich mein, also sie wissen da doch mehr.“ Beobachtete er Richard nun genau. Dieser senkte den Blick und begann nervös seine Hände zu kneten. „Junge das müssen se doch sagen! Das können se doch nicht für sich behalten, sonst laufen die in Jahren noch draußen rum.“

 

„Ich kann nicht,“ verließ Richard der Mut, „Ich bringe damit alle in Gefahr, das kann ich nicht riskieren.“

 

„Und jetzt is niemand in Gefahr ausser sie selbst und der junge Seidel? Das ist doch auch nich besser.“

 

„Glauben sie an den Teufel Herr Plenske?“ fragte Richard leise.

 

„Wie meine sie das denn jetzt?“

 

„Es gibt Menschen, die verkaufen ihre Seele für ein bisschen vorgespieltes Glück.“

 

„Entschuldigen se, aber das ist glaub ich etwas zu hoch für mich.“

 

„Nein, sie werden es auch sehen, sie sind doch schon dabei es zu erkennen.“

 

„Jut, wenn se meinen, aber sie müssen zur Polizei. Soll ich sie fahren?“

 

Richard schüttelte nur den Kopf, dann stand er wieder auf, ging in die Küche und hinterließ einen Verwunderten Bernd Plenske.

 

 

Das Gespräch mit Richard ging ihm dann auch den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Er konnte ihn nicht ganz verstehen. Wenn er doch wusste, wer ihnen das angetan hatte, dann musste er das doch der Polizei sagen. Wovor hatte er denn Angst? Überhaupt das Richard Angst hatte verunsicherte ihn. Richard von Brahmberg hatte nie Angst. Dazu der Ausraster von Kowalski, da würde er mit Lisa noch ein Wörtchen drüber sprechen müssen. Gegen Mittag war er hinauf in Davids Wohnung gegangen um den beiden zu sagen, das Gabrielle das Essen fertig hatte. Der Anblick, den der junge Seidel bot hatte ihn tief berührt, er kannte David immer nur als Lebensfrohen jungen Mann, der sein Schnattchen über alles Liebte. Es musste so schon unendlich schwer für ihn sein sie an den Boxer zu verlieren, doch dann auch noch von ihm dermaßen verprügelt zu werden setzte dem ganzen die Krone auf. Bernd hatte sich fest vorgenommen mit Lisa zu reden, doch er kam nicht mehr dazu. Entgegen dem Brauch übernachtete Lisa in der Nacht vor der Hochzeit bei Rokko. Er äußerte seine Bedenken gegenüber Helga, doch diese hatte nur einen vernichtenden Blick für ihn übrig und ihm gesagt er solle sich gefälligst für Lisa und ihr Glück freuen.

Lisa und ihr Glück! Es gibt Menschen, die verkaufen ihre Seele für ein bisschen vorgespieltes Glück.  erinnerte er sich an Richards Worte in Verbindung mit dem Teufel. Die ganze Nacht über grübelte er bis es ihm schließlich wie Schuppen von den Augen viel. Doch nun war es zu spät, sein Schnattchen würde ihn heiraten und er war nicht in der Lage sie davon abzuhalten.

 

 

Früh klingelte der Wecker am nächsten Morgen in der Villa Seidel, Richard hatte in der Nacht einen Entschluss gefasst und niemand würde ihn davon abhalten können. Sein eigenes Leben war ihm in diesem Moment egal, allein das David wieder ins Leben fand und glücklich werden konnte zählte noch. Diesmal trat er in Anzug, Hemd und Krawatte aus dem Bad. Kurz ging er noch einmal zu David hinüber.

 

„Ich werde nicht zulassen das sie dir das antun.“ Flüsterte er, dann machte er sich auf den Weg zur Kirche.

 

 

 

„Schnattchen, biste dir wirklich sicher, dass es der Polnische Boxer ist den de willst?“ fragte Bernd als er Lisa aus dem Auto half, das sie zur Kirche gebracht hatte.

 

„Ja Papa, ganz sicher. Freu dich doch bitte für mich.“

 

„Das kann ich nicht.“ Murmelte Bernd.

 

„Was hast du gesagt?“

 

„Das kann ich nich Schnatti. Ich weiß das er dich unglücklich machen wird.“

 

„Papa bitte, ich liebe Rokko und Rokko liebt mich. Ich bin Glücklich.“ Strahlte sie ihn mit ihrem strahlend weißen lächeln an. Bernd seufzte, auch wenn alles in ihm sich dagegen sträubte, wenn seine Lisa ihn so anstrahlte konnte er ihr nichts abschlagen. Langsam führte er sie in die Kirche.

Rokko drehte sich um, als die Türen geöffnet wurden und der Küster zu spielen begann, er sah wie sein Vater, der bis jetzt in der letzten Reihe gesessen hatte zur Türe hinaushuschte. Sicher war sicher, auch wenn der von Brahmberg und der Seidel sich bis jetzt wieder in der Villa verschanzt hatten, blieben sie ein Risiko. Erst wenn Lisa Frau Kowalski war würde Kerima ihm gehören und somit wieder in rechtmäßigen Besitz übergehen.

 

 

David hörte immer wieder Richards Worte, er bekam sie einfach nicht mehr aus seinem Kopf. Er wusste das er alleine in der Villa war, er wusste das Richard versuchen würde die Hochzeit zu verhindern. Er wusste das ein Bruder sein Leben für ihn in Gefahr brachte. Ein Ruck durchfuhr ihn, das konnte er nicht zulassen, wenn dann musste er um seine Liebe kämpfen. Er sprang auf zog sich an und machte sich ebenfalls auf den Weg. Dabei missachtete er jegliche Geschwindigkeitsbegrenzungen und als er den Wagen mit quietschenden Reifen vor der Kirche zum stehen brachte sah er wie Richard sich mit jemandem auf dem Boden wälzte. Sofort sprang er aus dem Wagen und eilte ihm zu Hilfe. Als er bei ihnen ankam erkannte er mit wem sie es die ganze Zeit zu tun hatten.

 

„Claus!“ stieß er aus und wich einen Schritt zurück.

 

Dieser war einen Moment abgelenkt und so konnte Richard sich unter ihm hervorschieben und wieder auf die Beine kommen.

 

„Sieh an, sieh an. Der Bastard bekommt Verstärkung von seinem verweichlichtem Brüderchen.“ Höhnte Claus von Brahmberg nur ging langsam auf David zu. Dieser stand wie angewurzelt auf der Stelle, von einem auf den anderen Moment war er unfähig sich zu bewegen. Diese Stimme, das war die Stimme eines seiner Entführer. „Du wirst auch nicht verhindern, das Kerima wieder mir gehört, mir und meinem Sohn.“ Zischte Claus, holte aus und traf David an einer seiner angeknacksten Rippen. Stöhnend und nach Luft ringend ging er zu Boden.

 

 

 

„Und so frage ich dich Robert Konrad Kowalski, willst du die hier anwesende Elisabeth Maria Plenske zu deiner Rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen? Sie Lieben und Ehren, in guten wie in schlechten Tagen, so antworte mit, Ja ich will.“ Hallten die Worte des Pfarres durch die Kirche.

 

„Ja ich will.“ Antwortete Rokko mit fester Stimme.

 

„Und so frage ich auch dich Elisabeth Maria Plenske, willst du den hier anwesenden Robert Konrad Kowalski zu deinem Rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen? Ihn Lieben und Ehren, in guten wie in schlechten Tagen, so antworte mit, Ja ich will.“

 

Lisa zögerte kurz, sie hörte die Worte ihres Vaters, sie sah David vor ihrem inneren Auge, dann wieder Rokko, David, Rokko, David, Rokko, David....David! Sie spürte das er in der Nähe war, kurz drehte sie sich um hoffte ihn in den Reihen ausfindig zu machen. Ihr somit die Entscheidung abzunehmen, doch er war nicht da. Rokko, Rokko war immer da gewesen, hatte sie gestützt und ihr die Liebe gegeben, die sie sich so sehr gewünscht hatte. Rokko.

 

„Ja ich will.“ Antwortete sie leise.

 

„Dann erkläre ich sie hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

 

 

Als Richard sah wie sein vermeintlicher Vater auf David losging richtete er sich wieder ganz auf. Seine eigenen Schmerzen ignorierend stürzte er sich auf ihn, versuchte ihn von David loszureißen und erreichte damit, das sich Claus wieder ihm zuwandte. Gerade wollte er ausholen, da sah er ein metallisches glitzern und im nächsten Moment spürte er einen brennenden Schmerz in seinem Bauch. Ungläubig sah er an sich hinunter und ging dann in die Knie bevor ihn die zweite Kugel traf.

 

„Nein!“ schrie David auf, rappelte sich hoch und versuchte Claus die Waffe aus der Hand zu schlagen. Ein neuer Schuss löste sich traf ihn an der Seite, trotzdem versuchte er noch im fallen ihn mit sich zu reißen.

 

 

Rokko beugte sich vor, endlich war es geschafft. Lisa war seine Frau. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten zeriss ein Schuss die erwartenden Stille, dann ein zweiter und ein dritter.

Lisa zuckte zusammen, ihr war als hätte man sie gerade getroffen. Entsetzt sah sie an sich herunter, doch ihr Kleid war noch genauso Blütenrein wie vorher. David! schoss es ihr durch den Kopf. Sie raffte ihr Kleid und lief gefolgt von der Hochzeitsgesellschaft aus der Kirche.

 

Das Sonnenlicht blendete sie im ersten Moment, doch trotzdem sah sie zwei Gestalten auf der Wiese liegen und eine dritte, wie sie in Richtung Friedhof verschwand. Max und Jürgen liefen an ihr vorbei, der Gestalt hinterher, während sie auf die ihr am nächsten liegende zurannte.

 

„David!“ rief sie, „Mein Gott David!“ ließ sie sich neben ihn auf die Knie fallen. „David,“ schluchzte sie nun, „halte durch, halte bitte durch.“ Ihr Blick fiel auf die Schusswunde, Blut lief aus seinem Mundwinkel und seine Augen waren glasig. Kurz sah er sie an, hob die Hand ließ sie dann wieder sinken.

 

„R...R...Richard…” brachte er röchelnd hervor und drehte seinen Kopf.

 

Friedrich war neben diesem in die Hocke gegangen, Tränen liefen über sein Gesicht als er dessen leblose Augen schloss.

 

Mit letzter Kraft zwang David sich noch einmal Lisa anzusehen, sein Blick fiel auf den Ehering an ihrer Hand. Richard war umsonst gestorben, er wandte den Blick wieder ab, sah ein letztes Mal seinem Vater in die Augen, dann ließ er sich in die erlösende Dunkelheit treiben.    


Epilog

 

 

Lisa saß am Fenster ihren kleinen Berliner Stadtwohnung, ein Jahr war es nun her. Ein ganzes Jahr und immer noch konnte sie nicht damit umgehen. Der Regen fiel in ungleichmäßigen Tropfen gegen das kühle Glas. Immer noch rang sie mit sich, sollte sie wirklich zu ihm gehen? Würde er sie überhaupt sehen wollen? Tief in ihrem inneren hatte sie das Gefühl, das es seine Entscheidung gewesen war, das er nun glücklich war und doch spürte sie diesen unerträglichen Schmerz. Gebrochen stand sie auf, schleppte sich zur Garderobe, warf sich ihren Mantel über und trat hinaus in den Regen, in Gedanken kehrte sie an jenen verhängnisvollen Tag zurück.

 

Wie er auf dem Rasen lag, sein Blick wie er auf ihren Ehering fiel. Den Ehering, den sie noch am selben Tag wieder abgelegt hatte. Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Wie konnte sie sich nur so blenden lassen? Spätestens nach der Präsentation hätte sie sehen müssen wen sie da gedachte zu ehelichen und wenn nicht da, dann als ihr Vater vor der Hochzeit noch einmal mit ihr Sprach. Sie hatte sich doch immer auf ihn verlassen können, er kannte sie doch am besten. Warum hatte sie nicht auf ihn gehört? Dann wäre das alles nicht passiert. Auf einmal war alles so schnell gegangen, Max und Jürgen hatten die Gestalt aufgehalten zu fliehen, irgendwer hatte Polizei und Rettung gerufen. Die Gestalt stellte sich als Claus von Brahmberg raus und was noch schlimmer war, als Rokkos leiblicher Vater. Warum? Warum hatte sie nicht bemerkt das Rokko ein von Brahmberg war? Sie bekam damals nicht mit wie sie auch ihren Mann abführten, erst die wütenden Kommentare ihrer Mutter gegenüber den Beamten holten sie in die Wirklichkeit zurück und Lisa sah das erste mal seit der Trennung von David wieder klar. Rokko hatte das alles eingefädelt, ihre Situation ausgenutzt, sie während Davids Entführung immer wieder absichtlich auf falsche Fährten gelockt. Zusammen mit seinem Vater und Olaf Kern hatte er diesen perfiden Plan ausgeheckt um Kerima wieder in rechtmäßigen von Brahmbergischen Besitz zu bringen. Ihre Ehe wurde noch am selben Tag annulliert, sie hatte sich ihre Hochzeit immer anders Vorgestellt, doch sie mochte sich nicht vorstellen was geschehen wäre wenn Richard und David nicht an der Kirche aufgetaucht wären. Dann wäre sie jetzt mit einem Verbrecher verheiratet. Mit einem Mann der über Leichen ging.

 

Wie von selbst führten sie ihre Schritte an den Ort, an dem sie ihrer Liebe am nächsten war. Unaufhaltsam rannen die Tränen während der kurzen Überfahrt über ihre Wangen, vermischten sich mit dem Regen. Die Mitleidigen Blicke des Fährpersonals sah sie nicht. Bedächtig schritt sie zu der Wiese auf der sie diese eine Nacht verbracht hatten, ließ sich in das nasse Gras sinken, rollte sich zusammen und lauschte dem Lied aus ihrem MP3 Player, das sie auf Repeat gestellt hatte.

 

 

Thanks for all you've done
I've missed you for so long
I can't believe yo
u're gone
You still live in me
I feel you in the wind
You guide me constantly


I've never knew what it was to be alone, no
Cause you were always there for me
You were always there waiting
And ill come home and I miss your face so
Smiling down on me
I close my eyes to see

And I know, you're a part of me
And it's your song that sets me free
I sing it while I feel I can't hold on
I sing tonight cause it comforts me


I carry the things that remind me of you
In loving memory of
The one that was so true
Your were as kind as you could be
And even though you're gone
You still mean the world to me

I've never knew what it was to be alone, no
Cause you were always there for me
You were always there waiting
But now I come home and it's not the same, no
It feels empty and alone
I can't believe you're gone


And I know, you're a part of me
And it's your song that sets me free
I sing it while I feel I can't hold on
I sing tonight cause it comforts me

I'm glad he set you free from sorrow
I'll still love you more tomorrow
And you will be here with me still

And what you did you did with feeling
And You always found the meaning
And you always will
And you always will
And you always will


And I know, you're a part of me
And it's your song that sets me free
I sing it while I feel I can't hold on
I sing tonight cause it comforts me

 

Ihre Gedanken kehrten zurück in die Vergangenheit, in die Zeit nach der Hochzeit. Sie hatte sich mit sofortiger Wirkung aus der Firma zurückgezogen und ihre Aktien, sowie B.Style an Kim überschrieben. Dann hatte sie sich eine kleine Wohnung genommen und war zu Hause ausgezogen. Ihr Vater redete so gut wie kein Wort mehr mit ihr und das ständige Gejammer ihrer Mutter, das Rokko mit der ganzen Sache ganz bestimmt nichts zu tun hatte, konnte sie einfach nicht ertragen. Komischerweise gingen die Seidels ihr nicht aus dem Weg, so wie ihr Vater, Jürgen, Max und Yvonne es taten. Vor allem Laura Seidel versuchte sich um sie zu kümmern. Friedrich brummte zwar noch eine weile vor sich hin, doch dann fing auch er sich wieder, selbst Kim verhielt sich einigermaßen normal. Bat sie, sie doch in die Geschäftlichen Belange einzuarbeiten. Sie konnte sie einfach nicht verstehen, sie war doch Schuld an der ganzen Sache. Wäre sie nicht so naiv gewesen dann wären sie jetzt alle noch glücklich und vereint. Sie ganz alleine trug die Schuld an ihrer aller Unglück, sie Lisa Plenske. Müde schloss sie die Augen, der Regen und die Kälte, die sich in ihren Körper schlich waren ihr egal. Wenn es heute vorbei sein sollte so hatte sie nichts dagegen.

 

 

Also ich verstehe dich nicht, ich dachte du hast dich entschieden zu gehen?“

 

„Das habe ich ja auch und ich bereue es auch nicht, aber ich kann sie auch nicht leiden sehen.“ Legte sich ein Schatten auf seine Miene.

 

„ Hast du vergessen das wir vorher durch die Hölle mussten?“ fragte er aufgebracht

 

„Nein, aber ich wünsche niemandem das gleiche durchzumachen.“ antwortete er.

 

„OK ich kann dich ja eh nicht davon abhalten.“ Seufzte er.

 

„Genau, aber du darfst mich gerne begleiten.“ Grinste er nun trat einen Schritt auf die zitternde, schlafende Gestalt zu und berührte sie sacht an der Wange. „Lisa? Kannst du mich hören?“

 

Sie öffnete die Augen und sah direkt in warmes braunes Augenpaar, das konnte nicht sein. Wie kam er hier her?

 

„David?“ flüsterte sie und erhielt ein nicken als Antwort, „Was? Wie? Ich meine....“

 

„Schsch.“ Legte er ihr einen Finger an die Lippen, „Hör mir einfach zu.“

 

Sie nickte zur Bestätigung und starrte ihn aus weit aufgerissenen blauen Augen an.

 

„Es war meine Entscheidung zu gehen, ich fühlte mich frei, nichts mehr das mich belastete und ich war nicht alleine. Richard und ich wir waren, nein wir sind die ganze Zeit zusammen. Ich weiß das ist schwer zu verstehen, aber ich bereue meine Entscheidung nicht. Das mit uns beiden, das hätte nicht mehr funktioniert. Nicht so, nicht hier.“ Er machte eine weit ausholende Bewegung, „Zu viel war doch zwischen uns passiert, aber das heißt nicht das wir uns nicht wiedersehen werden. Ich bin immer bei dir, ich passe auf dich auf. So wie du mein Schutzengel warst bin ich nun deiner. Du darfst die Schuld nicht bei dir Suchen, wir alle haben Fehler gemacht....“

 

„A..Aber...“ unterbrach sie ihn.

 

„Kein aber, vertrau mir. Richard und ich haben gesehen was aus uns geworden wäre. Es ist richtig und gut so wie es ist. Jetzt geht es mir gut, ich wäre nicht wieder der alte geworden und das hätte uns beide belastet. Mehr als wir hätten ertragen können. Nur so wie es ist kannst du mich in guter Erinnerung behalten.“

 

Ihr Blick löste sich von ihm, sie sah Richard hinter ihnen stehen, „Wie könnt ihr das wissen, ich meine, das ist alles so...so unwirklich. David!“ sie klammerte sich an ihn, wollte ihn nie wieder loslassen.

 

„Das ist zu kompliziert zu beschreiben,“ mischte sich Richard nun ein, „ In Worten fast unmöglich, aber es ist so. David hat Recht.“

 

„Und was wenn ich das nicht verstehen will? Wie könnt ihr davon reden, das alles gut ist? Nichts ist gut! Ihr seid tot und ich bin Schuld daran.“ Schluchzte sie auf.

 

„Nein, du bist nicht Schuld. Wenn einer Schuld ist dann Claus und Rokko. Bitte Lisa, hör auf dir die Schuld dafür zu geben. Lass sie nicht am Ende doch noch gewinnen.“

 

„Ich...ich eure Eltern, sie...warum?“

 

„Sie wissen das es so das beste für mich war, für uns war. Und du musst dieses Wissen auch endlich zulassen. Du bist lange genug durch die Hölle gegangen.“

 

„Ich kann ohne dich einfach nicht weiterleben David,“ schlang sie nun ihre Arme um seinen Hals.

 

„Doch das kannst du. Ein wenig zumindestens noch.“ Drückte er sie an sich.

 

Plötzlich wurde sie von einem hellen Licht geblendet und im nächsten Moment fand sie sich mit ihm in ihrer Wohnung wieder. Vorsichtig legte er sie auf ihrem Bett ab, strich ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft.

 

„ Vertrau dir wieder selber,“ flüsterte er, „ du wirst sehen alles wird wieder gut.“ Erneut trafen seine Lippen auf ihre, dann löste er sich von ihr sah ihr noch einmal tief in die Augen und trat einen Schritt vom Bett weg. „ Denk daran ich bin immer bei dir und nun zeig ihnen das sie nicht gewonnen haben.“ Ein lächeln huschte über sein Gesicht bevor er sich umdrehte und zusammen mit Richard in einem Strudel aus gleißendem Licht verschwand.

 

 

Als Lisa wieder wach wurde ging die Sonne gerade über Berlin unter, die Regenwolken hatten sich verzogen und die Stadt war von einem orangenen Glanz überzogen. Sie wunderte sich wie sie wieder nach hier gekommen war, ihre nassen Sachen hingen zum trocknen über der Wäscheleine im Badezimmer. Dunkel erinnerte sie sich ihn gesehen zu haben als sie auf der Insel war, ihn und Richard. Wie von selbst glitt ihre Hand zu ihren Lippen, sie konnte seinen Kuss immer noch spüren. Die Stereoanlage war eingeschaltet.

 

When I think about you
I think about how much I
Miss you when you're not around
When I think about you
I think about how much I
Can't wait to hear the sound
Of your laughter
Time and distance never matter

Well I miss you now
I have so many questions
About love and about pain
About strained relationships
About fame as only he could explain it to me

Seems like yesterday
I think about how much I
Wish that you were here with me now
The invisible girl that was my name
She walks in and walks out
And I'm sorry now
I'm sorry now

Well I miss you now
I have so many questions
About love and about pain
About strained relationships
About fame as only he could explain it to me

Paris to Rome, London to Paris
Always goodbye, I nearly couldn't bear it
Her heart settles down
She's back on that staircase
On the way up to her place

Well I miss you now
I have so many questions
About love and about pain
About strained relationships
About fame as only he could explain it to me

 

Ja sie vermisste ihn, aber etwas war anders. Sie gab sich nicht mehr die Schuld für das was geschehen war. Im Gegenteil, es tat ihr Leid das sie sich so lange versteckt hatte. Sich so lange vorwürfe gemacht hatte. Sie hatte die helfenden Hände seiner Familie weggeschlagen, hatte sich zurückgezogen, sich von der Außenwelt abgekapselt. War er auch bei ihnen gewesen? Waren sie deshalb die Einzigsten, die sich wirklich um sie Sorgten? Es musste so sein. Wenn sie wirklich irgendwann eine zweite Chance bei ihm haben wollte so musste sie wieder zu leben anfangen. Sie wandte sich von dem Sonnenuntergang ab, rannte in ihr Schlafzimmer und packte eilig ihre wenigen Sachen zusammen, bevor sie sich auf den Weg zur Villa Seidel machte um ihr Leben endlich wieder in den Griff zu kriegen. Sie warf einen letzten Blick auf den nun in ein warmes rot getauchten Alex, den sie von ihrem Fenster aus sehen konnte. Ein lächeln huschte über ihr Gesicht, das erste seit einem Jahr, dann zog sie die Türe hinter sich zu.

 

 

 

 

 

 

 

 
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